Archiv für den Monat: Dezember 2020

Die Vertretungsvollmacht in der Berufungs-HV, oder: Nachweis durch ein elektronisches Dokument?

© kostsov – Fotolia.com

In der zweiten Entscheidung, dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.11.2020 – 2 Rv 21 Ss 483/20 – spielt die Frage des Nachweises der Vertretungsvollmacht des Verteidigers eine Rolle. Das LG hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Dagegen hat er Revision eingelegt, die das OLG als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) verworfen hat.

„b) Soweit die Rüge in erster Linie darauf gestützt ist, dass der Verwerfung die Anwesenheit eines Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht entgegengestanden habe, ist der Vortrag ebenfalls nicht so vollständig, dass dem Senat eine rechtliche Prüfung möglich ist.

Im Hinblick darauf, dass die Strafkammer nach dem Vorbringen in der Revisionsbegründung eine vom Verteidiger vorgezeigte Vollmacht als inhaltlich nicht ausreichend beanstandet hatte, hätte es des Vortrags in der Begründungsschrift selbst bedurft, welchen Inhalt diese und eine weitere Vollmacht hatte, über die der Verteidiger nach dem Vortrag in der Revisionsbegründung verfügte. Die bloße Bezugnahme in der Begründungschrift ist insoweit nicht ausreichend.

Zudem ergibt sich aus dem Vortrag in der Begründungschrift, dass der Verteidiger nicht über eine schriftliche Vollmacht verfügte, sondern diese ihm als eingescannte elektronische Dokumente auf sein Laptop übermittelt worden waren. Soweit der Nachweis nach früherer Rechtslage allein schriftlich möglich war, ist dies zwar durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl. I 2017, 2208) zugunsten einer medienneutralen Formulierung aufgegeben worden, ohne indes das Erfordernis eines sicheren Nachweises über die Bevollmächtigung aufzugeben (amtl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 18/9416 S. 70). Nach der in § 32a StPO getroffenen Regelung zur Ersetzung der Schriftform bei elektronischen Dokumenten bedarf es danach entweder einer qualifizierten elektronischen Signierung des Dokuments oder der Übermittlung des (einfach) signierten Dokuments auf einem der in § 32a Abs. 4 StPO bezeichneten sicheren Übermittlungswege. Ob diese Erfordernisse vorliegend eingehalten waren, ergibt sich jedoch aus dem Vortrag in der Revisionsbegründung nicht.

c) Soweit die Rüge – wie auch die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör – auch darauf gestützt ist, dass dem Verteidiger nicht ausreichend Zeit gegeben wurde, um den Nachweis für seine Vertretungsvollmacht zu erbringen, kann letztlich dahinstehen, ob im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO, der auf den Beginn eines Hauptverhandlungstermins als den für die Voraussetzungen einer Verwerfungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt abstellt, das Gericht – entsprechend der Pflicht zum Zuwarten beim Ausbleiben des Angeklagten – dem Verteidiger angemessene Zeit einräumen muss, die für den Nachweis erforderlichen Unterlagen erst herbeizuschaffen. Denn jedenfalls hätte es – wie die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift zutreffend ausführt – einer genauen und vollständigen Wiedergabe der zeitlichen Abläufe in der Hauptverhandlung am 15.4.2020 bedurft, ohne die dem Senat eine Beurteilung nicht möglich ist, ob das Landgericht vor seiner Verwerfungsentscheidung angemessen zugewartet hat.

2. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist auch im Übrigen nicht in einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt.

Dazu wird in der Revisionsbegründung vorgetragen, dem Verteidiger sei bei seinen Ausführungen zum Vorliegen ausreichender Bevollmächtigung mitten im Satz das Wort entzogen worden, so dass er nicht mehr habe mitteilen können, dass ihm nach Zurückweisung der zunächst in elektronischer Form vorgezeigten Bevollmächtigung eine weitere Vollmacht als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Auch der Zulässigkeit dieser Rüge steht jedoch entgegen, dass weder der Inhalt dieses zweiten elektronischen Dokuments noch mitgeteilt wird, ob dieses den in § 32a StPO aufgestellten Anforderungen an ein schriftformersetzendes elektronisches Dokument genügte. Ohne diesen Vortrag kann der Senat aber nicht beurteilen, ob das zweite dem Verteidiger übermittelte elektronische Dokument zum sicheren Nachweis einer Vertretungsvollmacht geeignet war. Nur dann aber wäre das rechtliche Gehör – wie dies Art. 103 Abs. 1 GG voraussetzt – in entscheidungserheblicher Weise beeinträchtigt worden.“

Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung, oder: Trotz OP-Termin nicht genügend entschuldigt?

Bild von ?Merry Christmas ? auf Pixabay

Und dann der Start in die letzte Woche des Jahres 2020 – keine ganze Woche in 2020 mehr, nur noch ein paar Tage, der Rest der Woche – der Kalender spricht von der 53. Woche – gehört dann schon dem neuen Jahr. Also besser: Jetzt ist zwischen den Jahren.

Und ich stelle dann heute zwei Entscheidungen zu § 329 StPO vor, also Verwerfung der Berufung. Ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 16.09.2020 – 3 Ss 56/20 – zur Frage der genügenden Entschuldigung. Ich habe mit dem Beschluss meine Probleme, mir geht er zu weit.

Das LG hatte die Berufung des Angeklagten verworfen (§ 329 Abs. 1 StPO). Der hatte sich mit einem OP-Termin entschuldigt. Das hat (auch) das KG nicht ausreichen lassen:

„Der Angeklagte ist der Berufungshauptverhandlung unentschuldigt ferngeblieben, weil er seine Verhandlungsunfähigkeit selbst herbeigeführt hat. Es ist anerkannt, dass eine bewusst selbst herbeigeführte Erkrankung, die zur Verhandlungsunfähigkeit führt, das Ausbleiben grundsätzlich nicht entschuldigen kann (vgl. Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 329 Rn. 38, auch Rn. 8 m. w. N.; vgl. auch BGHSt 23, 331; BayObLG NStZ-RR 1998, 368; OLG Köln VRS 65, 47). So war es hier: In Kenntnis des am 14. Mai 2020 anstehenden Verhandlungstermins, zu dem er bereits am 27. Februar 2020 geladen worden war, hat der Angeklagte eine Augenoperation vereinbart und kurz vor dem Termin, nämlich am 12. Mai 2020, durchführen lassen, ohne dass dieser Zeitpunkt medizinisch indiziert gewesen wäre.

Dass seine Verhandlungsunfähigkeit allein auf eine (im Übrigen nur pauschal behauptete und nicht näher bezeichnete) „Komplikation“ (RB S. 2) zurückgeht und für ihn daher überraschend kam, wird dadurch infrage gestellt, dass der Angeklagte bereits eine Woche vor dem Verhandlungstermin im Hinblick auf die Operation die Verlegung des Hauptverhandlungstermins beantragt hat.

Sollte der Angeklagte seine Verhandlungsunfähigkeit nicht auf eine (unvorhersehbare) Komplikation, sondern, wie eine andere Formulierung in der Revisionsschrift nahelegt, auf (vorhersehbare) „Besonderheiten der Operation“ stützen wollen (RB S. 2), so ist ihm vorzuwerfen, dass er bei der Bestimmung des Operationstermins nicht nachgefragt hat, ob er zwei Tage danach verhandlungsfähig sein wird und an seiner Berufungshauptverhandlung teilnehmen kann. In diesem Fall wäre er gehalten gewesen, einen anderen Operationstermin in Anspruch zu nehmen.“

Mit geht das zu weit: Warum kann „überraschend“ nicht auch bereits eine Woche vor dem OP-Termin sein? Und muss ich nun wirklich vor der Vereinbarung eines OP-Termins beim Berufungsgericht nachfragen, ob der Termin recht ist? Und wenn ich es nicht tue: Ist das dann vorwerfbar i.S. des § 329 StPO?

Wenn ich solche Entscheidungen lese, frage ich mich immer: Gibt es eigentlich nichts Wichtigeres auf der Welt als die Berufung in einem Betrugsverfahren?

Sonntagswitz Best off 2020, oder: Auch hier Corona an der Spitze, dann kommen Frauen, Oma/Opa, Anwälte

Und hier dann der letzte Sonntagswitz 2020 – wie angekündigt ein wenig anders als sonst. Aber was ist in diesen Zeiten schon „wie sonst“?

Hier also daher das Best off der Sonntagswitze 2020:

  1. Sonntagswitz: Ich wage es dann doch, Witze zu Corona, oder: “Streicheleinheiten”,

  2. Sonntagswitz: Heute ist Weltfrauentag, daher wage ich es :-),

  3. Sonntagswitz, heute mal wieder zu Kindermund und/oder Oma/Opa,

  4. Sonntagswitz: Zum Herbstanfang, mal wieder Herbstwitze,

  5. Sonntagswitz: Heute seit langem mal wieder zu Rechtsanwälten,

  6. “Sonntagswitz”, heute – ausgegebenem Anlass: Tweets zu Corona und dem Shutdown,

  7. Sonntagswitz: Zum “richtigen” Herbstanfang “Herbstwitze” bzw. zum Alter,

  8. Sonntagswitz: Heute mal wieder zu Juristen, Anwälten usw. …

  9. Sonntagswitz: Heute bietet sich (immer noch) Donald Trump an, “the not re-elected president”,

  10. Sonntagswitz, am 1. Adventssonntag fällt das nicht schwer……

Wochenspiegel, ein Ranking für 2020, oder: Was hat die Blogs 2020 bewegt? – Natürlich Corona, Corona, Corona

Bild von Markus Winkler auf Pixabay

Die Weihnachtstage liegen hinter uns. Heute ist zwar auch noch arbeitsfrei, aber das ist heute kein Feiertag mehr, sondern „normaler“ Sonntag. Und da stehen dann der Wochenspiegel und heute Nachmittag der Sonntagswitz an.

Beides gibt es heute in einer etwas veränderten Form, nämlich als Ranking oder „Best off“ des Jahres 2020. Viel ist in den letzten Tagen ja nicht passiert/gepostet worden. Das reicht also nicht für den üblichen Wochenspiegel. Daher dann eben das „Best off“. Ist ja auch eine gute Gelegenheit, zurückzuschauen und noch einmal zu sehen, welche Themen uns im ablaufenden Jahr bewegt haben. Na ja, das ist natürlich so ganz schwer nicht zu erraten. 🙂

Hier dann also das „Best off“ der Wochenspiegel 2020, und zwar:

  1. Wochenspiegel für die 14. KW., das war Corona, Corona, Corona, NetzDG, anwaltliche Gier und anwaltliche Beratungspflicht,

  2. Wochenspiegel für die 24. KW., das war ein wenig (mehr) Corona, Datenschutz, Claudia Roth ./. Tichy und Videoüberwachung,

  3. Wochenspiegel für die 7. KW., das war Dieselskandal, Bosbach, Akteneinsicht in Messdaten und die Übernachtung des Rechtsanwalts,

  4. Wochenspiegel für die 18. KW., Corona, Corona, Corona, beA/Corona, Fahrtenbuchauflage und Corona und Haft,

  5. Wochenspiegel für die 42. KW., das war ein wenig Corona, Bild, private Bodycam, WEG-Reform und Ablehnung,

  6. Wochenspiegel für die 26 KW., das war Datenschutz, “Kinderpornos”, Fahrerlaubnisentzug/Tattagsprinzip und zurückgeforderte Taxikosten

  7. Wochenspiegel für die 23. KW., das war beA, Fall Greta, Facebook und Hassreden, Akten und die befangene Schöffin,

  8. Wochenspiegel für die 36 KW., C.Metzelder/O.Pocher/ L.Podolski, StVO, Corona und Pflichti im KiPo-Verfahren,

  9. Wochenspiegel für die 49. KW., das war Wumms, beA, Dorfdeppen, Storno und ein schlafender Schöffe,

  10. Wochenspiegel für die 45. KW., das war leider noch zu Corona, anonymer Hinweis, beA, KI und KostRÄG 2021,

Ich habe da mal eine Frage: Heute wieder „nur“ ein Ranking der 10 am meisten geklickten Fragen in 2020

Bild von Dung Tran auf Pixabay

Und dann noch – nein, kein  bzw. nicht das  Rätsel. So weit wollte ich dann heute doch nicht gehen.

Aber ein wenig Rätsel kann dann doch sein. Allerdings kombiniert mit dem ersten Jahresrückblick. Und zwar auf die zehn am meisten geklickten Gebührenfragen/-rätsel des Jahres 2020. Ist immer interessant – vor allem ja auch für mich, weil man so sieht, was eigentlich gelesen wird.

Und hier ist dann das Ranking – die Best off“:

  1. Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren nach Rücknahme/Neuerlass eines Bußgeldbescheides?

  2. Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren bei der Beiordnung zur HB-Verkündung?

  3. Ich habe da mal eine Frage: Kann der Mandant nach gerichtlicher Festsetzung meine Gebühren kürzen?

  4. Ich habe da mal eine Frage: Muss ich auch angeben, “von wem” ich eine Zuzahlung erhalten habe?

  5. Ich habe da mal eine Frage: Terminsgebühr für ausgefallenen Termin entstanden?,

  6. Ich habe da mal eine Frage: Straf- und Bußgeldverfahren “gleichzeitig” ==> zweimal Grundgebühr?

  7. Ich habe da mal eine Frage: Kann ich nachträglich eine VV für das Ermittlungsverfahren abschließen?

  8. Ich habe da mal eine Frage: Versehen der Geschäftsstelle, wer trägt die Anwaltskosten?

  9. Ich habe da mal eine Frage: Wie war das noch mal mit dem Vorschuss auf die Pflichtverteidigergebühren?

  10. Ich habe da mal eine Frage: Muss der Mandant die Kosten für beide “Durchgänge” tragen?