Die Gefangene befindet sich seit dem 21.02.2025 in der Justizvollzugsanstalt zum Vollzug einer Freiheitsstrafe untergebracht. Sie wendet sich gegen die mündliche Anordnung der Justizvollzugsanstalt, sämtliche ausgehenden Briefe in unverschlossenem Zustand aufzugeben. Eine nachfolgende Kontrolle ihrer abgehenden Schreiben sei nicht gerechtfertigt, da gegen sie keine Sicherheitsverfügung bestehe.
Die StVK hat den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte beim BayObLG Erfolg:
„3. Die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025, ausgehende Briefe, einschließlich der an das Justizzentrum K. adressierten Gerichtspost, unverschlossen zur Beförderung aufzugeben, war vorliegend rechtswidrig.
a) Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG lässt die Überwachung des Schriftwechsels des Gefangenen mit Dritten, sofern nicht die Ausnahmefälle des Art. 32 Abs. 1 und 2 BayStVollzG vorliegen, ohne Anwesenheit des Gefangenen zu, soweit dies aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Überwachung bedeutet die optische Kontrolle auf verbotene Gegenstände (Sichtkontrolle) und die Wahrnehmung des Inhalts (Textkontrolle; vgl. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 2). Hierzu haben die Gefangenen gemäß Nr. 4 Abs. 2 der VV zu Art. 32 BayStVollzG ihre Schreiben in offenem Umschlag in der Anstalt abzugeben.
b) Hierbei handelt es sich um eine gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG zulässige gesetzliche Einschränkung des grundrechtlich geschützten Brief- und Postgeheimnisses gemäß Art. 10 Abs. 1 GG hinsichtlich des gesamten Schriftverkehrs des Gefangenen (vgl. zu § 29 Abs. 3 StVollzG BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 -, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 -, juris Rn. 12). Die Norm muss allerdings ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgelegt und angewendet werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 -, BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 4). Voraussetzung einer Überwachung des Schriftverkehrs nach Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG ist somit regelmäßig, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Behandlungs-, Sicherheits- oder Ordnungsgründe vorliegen (BeckOK Strafvollzug Bayern/Ar- loth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 4 m.w.N.; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 29 Rn. 4; Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Laubenthal/Baier, 13. Aufl. 2024, Kap. E Rn. 71).
c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es nicht, eine Überwachung des Schriftwechsels davon abhängig zu machen, dass besondere Gründe für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt gerade in der Person des jeweils betroffenen Gefangenen festgestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 -, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 5). Denn wenn zum Schutz gewichtiger Belange, die Eingriffe in ein Grundrecht rechtfertigen können, Einschränkungen auf der Grundlage einer jeweils einzelfallbezogenen Prognose und Abwägung nicht geeignet sind, kann auch eine regelhafte Einschränkung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein (BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 -, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 6). Deshalb können auch anstaltsbezogene Gründe, wie z. B. ein besonderes Sicherheitsbedürfnis der Anstalt, eine generelle Postkontrolle rechtfertigen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 -, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 7; Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 25, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz -, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz -, NJW 1979, 2525; OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.1981 – 7 Vollz (Ws) 49/81 -, NStZ 1981, 368; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.; KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 -, juris Rn. 17 f.; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 4; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 29 Rn. 4; offen gelassen von Dessecker/Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 9. Kap., Abschn. C Rn. 25; ablehnend Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Laubenthal/Baier, 13. Aufl. 2024, Kap. E Rn. 71; Feest / Lesting / Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 8. Auflage 2022, Teil II LandesR § 33 Rn. 6, § 34 Rn. 9).
d) So verhält es sich in Anstalten mit besonders hoher oder der höchsten Sicherheitsstufe, die zu einem großen Teil mit Langzeitgefangenen und Straftätern, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind, belegt sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 25, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz -, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz -, NJW 1979, 2525; OLG Hamm, NStZ 1981, 368; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.; KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 -, juris Rn. 17 f.). In solchen Anstalten können Maßnahmen zur Postkontrolle getroffen werden, die sich unabhängig von individuell begründeten Missbrauchsbefürchtungen auf alle Gefangene erstrecken. Zum einen ist es schon nicht möglich, den Kreis der potentiell gefährlichen Gefangenen exakt zu bestimmen. Zum anderen besteht bei den vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt die Gefahr, dass in Anstalten, in denen viele besonders gefährliche Gefangene untergebracht sind, im Falle einer nur für einzelne Gefangene angeordneten Überwachung des Schriftwechsels gefährliche Gefangene nicht überwachte Mitgefangene mit verschiedensten Mitteln beeinflussen und unter Druck setzen können, um mit Hilfe von deren ein- und ausgehender Post sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.10.2003 – 2 BvR 345/03 -, BVerfGK 2, 78, juris Rn. 5 und 7; Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 25, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 –, juris Rn. 15; KG, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz -, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz -, NJW 1979, 2525; OLG Hamm, NStZ 1981, 368; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.; KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 01.04.2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 -, juris Rn. 17 f.; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 22. Ed. 01.04.2025, BayStVollzG Art. 32 Rn. 4 m.w.N.; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 29 Rn. 4).
Nach der Rechtsprechung des Senats sind Justizvollzugsanstalten des höchsten Sicherheitsgrades auch befugt, Schreiben von Strafgefangenen, die an Gerichte und Behörden, soweit es sich nicht um solche im Sinne des Art. 32 Abs. 2 BayStVollzG handelt, gerichtet sind, jedenfalls einer Sichtkontrolle zu unterziehen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28.07.2023 – 204 StObWs 84/23 –, juris Rn. 39, und vom 31.08.2021 – 204 StObWs 122/21 -, juris Rn. 27).
e) In Anstalten geringer Sicherheitsstufe kann dies jedoch nicht gelten, da bei den in diesen Anstalten einsitzenden Strafgefangenen derartige Missbrauchshandlungen nicht zwangsläufig zu erwarten sind. Es handelt sich in der Regel um wenig gefährliche Straftäter mit geringer krimineller Energie, bei denen im Hinblick auf eine baldige Entlassung das Bedürfnis, sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen, nicht besteht. Allein der Umstand, dass in solchen Anstalten Freiheitsstrafen im geschlossenen Vollzug, bei dem es sich gemäß Art. 12 Abs. 1 BayStVollzG in Bayern um die Regelvollzugsform handelt (Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Verrel, 13. Aufl. 2024, Kap. D Rn. 4), vollzogen werden, reicht zur Begründung von Missbrauchsbefürchtungen nicht aus. Soweit in der Gesetzesbegründung zu Art. 32 BayStVollzG davon ausgegangen wird, dass entsprechend der Rechtsprechung zu § 29 Abs. 3 StVollzG im geschlossenen Vollzug auch eine generelle Anordnung der Justizvollzugsanstalt zulässig sei, den Briefverkehr aller Gefangenen zu überwachen (so BayLT-Drs. 15/8101 S. 57), wurde dabei übersehen, dass die insoweit veröffentlichte Rechtsprechung zu § 29 StVollzG ausnahmslos nur Justizvollzugsanstalten mit besonders hoher oder höchster Sicherheitsstufe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517; OLG Hamm, Beschluss vom 01. April 2014 – III-1 Vollz (Ws) 337/13 –, juris Rn. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.05.2018 – 2 Ws 276/18 -, juris Rn. 17 f.) oder kriminell hochbelastete Anstalten betraf (KG Berlin, Beschluss vom 31.07.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz –, juris Rn. 12), bei denen ausbruchswillige oder sonst sicherheitsgefährdende Gefangene (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.01.1978 – 3 Ws 653/77 StVollz -, NJW 1979, 2525), Langzeitgefangene und Straftäter, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind (OLG Hamm, Beschluss vom 26.02.1981 – 7 Vollz (Ws) 49/81 -, NStZ 1981, 368; OLG Hamm, Beschluss vom 26.07.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06 –, juris Rn. 13 f.), oder besonders gefährliche Gefangene untergebracht waren (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.01.1991 – 3 Vollz (Ws) 60/90 –, ZfStrVo 1991, 185, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.09.2003 – 1 Ws 210/03 –, NStZ 2004, 517). Soweit das OLG Zweibrücken in seinem Beschluss vom 08.01.1985 – 1 Vollz (Ws) 32/84 – (NStZ 1985, 236), feststellte, dass die Gefahr von Missbräuchen grundsätzlich hinsichtlich aller Gefangenen im geschlossenen Vollzug bestehen würde, betraf dies die heute für Bayern nicht mehr geltende Situation, dass nicht der geschlossene, sondern der offene Vollzug gemäß § 10 Abs. 1 StVollzG die Regelvollzugsform darstellt (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Verrel, 13. Aufl. 2024, Kap. D Rn. 4). Der sich aus der früheren gesetzlichen Regelvollzugsform des offenen Vollzugs ergebende Schluss, dass es sich bei den im geschlossenen Vollzug befindlichen Gefangenen um gefährliche handeln würde, ist so zumindest für Bayern nicht mehr zulässig.
f) Dies zu Grunde gelegt hält die Anordnung der Justizvollzugsanstalt K. vom 08.04.2025 einer rechtlichen Prüfung nicht stand. …… „