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Verwerfung I: Ausbleiben genügend entschuldigt?, oder: Stationär behandlungsbedürftige Erkrankung

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Und heute dann drei Entscheidungen zu „Verwerfungsfragen“, und zwar zweimal Verwerfung der Berufung und einmal Verwerfung des Einspruchs im Bußgeldverfahren.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.12.2024 – 203 StRR 591/24.

Das LG hat die Berufung des vom AG verurteilten Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil er unentschuldigt trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Termin zur Hauptverhandlung am 02.08.2024 ausgeblieben wäre. Die im Termin vorgelegte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 01.082024 belege keine Verhandlungsunfähigkeit. Dagegen die Revision des Angeklagten, die beim LG keinen Erfolg hatte:

„…..

3. Die Verfahrensrüge des Angeklagten genügt diesen Anforderungen nicht.

a) Wie oben dargestellt, hat die Revision, will sie eine fehlerhafte Beurteilung des Tatrichters rügen, umfassend und vollständig die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass dem Angeklagten das Erscheinen unmöglich oder unzumutbar war und das Berufungsgericht von diesem Entschuldigungsgrund Kenntnis hatte. Nachträglich hinzugekommene Informationen sind insoweit nicht von Bedeutung. Danach ist zwar die Rechtsauffassung des Landgerichts, mangels rechtzeitigen Nachweises einer Verhandlungsunfähigkeit sei von einer nicht ausreichenden Entschuldigung auszugehen, zu beanstanden, da es nach § 329 Abs. 1 StPO auf eine Verhandlungsunfähigkeit nicht ankommt. Allerdings enthält die in der Revisionsschrift wiedergegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder Angaben zu einer Diagnose noch zu einer Symptomatik. Aus ihr war daher eine genügende Entschuldigung nicht abzuleiten. Dass der Angeklagte sich laut seiner ebenfalls in der Rechtfertigungsschrift zitierten nächtlichen Mitteilung an den Verteidiger subjektiv „wegen Krankheit“ nicht in der Lage gesehen hat, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, und beabsichtigt hat, am Morgen zur stationären Behandlung ein Krankenhaus aufzusuchen, genügt auch in Verbindung mit der auf die Bestätigung einer Arbeitsunfähigkeit beschränkten Bescheinigung für eine Entschuldigung des Fernbleibens nicht. Dafür hätte es zumindest der Angabe einer konkreten Symptomatik bedurft. Die vom Angeklagten behauptete stationäre Behandlungsbedürftigkeit ändert daran nichts. Denn nicht jede stationär behandlungsbedürftige psychische Erkrankung entschuldigt ein Fernbleiben von einem bereits seit längerem anberaumten Gerichtstermin. Zu einer sofortigen stationären Aufnahme des Angeklagten am Tag der Hauptverhandlung oder einer ambulanten ärztlichen Behandlung ist es auch nach dem Vorbringen der Revision nicht gekommen, vielmehr wurde die stationäre Behandlung zunächst aufgeschoben. Selbst ein stationärer Aufenthalt in einem Krankenhaus ist in der Regel kein Entschuldigungsgrund, wenn er aufschiebbar ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2024 – 2 ORs 3/24 –, juris Rn. 12 m.w.N.).

b) Soweit der Angeklagte ein Aufklärungsdefizit des Tatrichters rügt, fehlt es ebenfalls bereits an einer hinreichenden Darlegung der Erkrankung. Der Revisionsschrift lässt sich weder eine Diagnose noch ein genaues Ausmaß der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung entnehmen. Der Vortrag, der Angeklagte hätte an einer akuten psychischen Erkrankung gelitten, die sich am Vortag der Hauptverhandlung abgezeichnet, an diesem Tage zur Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geführt, eine Anreise zum und eine Teilnahme am Hauptverhandlungstermin verhindert, am Tag der Hauptverhandlung eine stationäre Aufnahme indiziert und nach der Vorstellung in der Notfallsprechstunde einer psychiatrischen Institutsambulanz einer psychiatrischen Fachklinik in G. zum Eintrag in die dortige Warteliste geführt hätte, genügt nicht. Soweit der Angeklagte seine Revision auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützt, enthebt ihn dies nicht von dem oben dargelegten Vortragserfordernis, weil das verfahrensgegenständliche Attest keinen Aufschluss über den Krankheitszustand des Angeklagten am Verhandlungstag erbringt (vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2023 – 3 ORs 38/23 –, juris Rn. 9).

c) Bezüglich der Angriffsrichtung eines Aufklärungsdefizits kommt es nicht mehr maßgeblich darauf an, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO kein Beweismittel bezeichnet hat, das dem Tatrichter in der Hauptverhandlung als Erkenntnismöglichkeit für eine verlässliche Klärung des Zustands des Angeklagten zur Verfügung gestanden hätte. Die Bescheinigung der Klinik ist erst nach dem Termin vorgelegt worden. Dass der Tatrichter zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Kenntnis von der Institutsambulanz als möglicher Quelle für das Abschöpfen von Informationen zum Gesundheitszustand des Angeklagten gehabt hätte, ist ebenso wenig vorgetragen wie mögliches substanzielles Wissen des die Arbeitsunfähigkeit bestätigenden Arztes.

d) Das am 18. November 2024 in der Revision nachgeschobene Vorbringen zu einer während eines stationären Aufenthalts vom 3. September 2024 bis zum 23. Oktober 2024 diagnostizierten rezidivierenden depressiven Störung, schwere Episode ohne psychotische Symptome, ist nach dem Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO nicht mehr geeignet, die unzulässige Verfahrensrüge zu heilen.

II.

Die Rüge wäre auch unter Berücksichtigung des Vorbringens vom 18. November 2024 unbegründet. Denn dass dem Angeklagten am Tag der Hauptverhandlung nach den Umständen des Einzelfalles ein Erscheinen nicht zumutbar gewesen wäre und ihm deshalb wegen seines Ausbleibens billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann, ergibt sich daraus nicht. Der Angeklagte hat auch in diesem Vortrag nicht dargetan, dass und weshalb gerade am Terminstag eine sofortige stationäre oder ambulante Behandlung angezeigt oder dass er aus sonstigen objektivierbaren Gründen am Erscheinen gehindert gewesen wäre. Alleine der Umstand, dass er an einer Depression leidet und sich subjektiv nicht in der Lage gefühlt hat, zum Termin zu erscheinen, stellt keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund für sein Fernbleiben dar.“

Strafantrag II: Beleidigungen an mehreren Tagen, oder: Strafantrag muss sich auf bestimmte Tat beziehen

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Und als zweite Entscheidung hier der BayObLG, Beschl. v. 10.09.2024 – 203 StRR 326/24.

Die Angeklagte ist von AG und LG wegen Beleidigung in vier tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall rechtlich zusammentreffend mit tätlicher Beleidigung und mit Körperverletzung verurteilt worden. Dagegen wendet sich die Angeklagte mit der allgemeinen Sachrüge. Die hat Erfolg. Dazu führt das BayObLG u.a. aus:

„a) Soweit die Angeklagte wegen einer am 3. Juni 2022 zum Nachteil des Zeugen W. begangenen Beleidigung verurteilt worden ist, wird das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt. Es fehlt an dem nach § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen schriftlichen Strafantrag des Verletzten. Das Revisionsgericht prüft das Vorhandensein der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen im Freibeweisverfahren. Diese Prüfung ergibt, dass der Zeuge W. bezüglich der Tat vom 3. Juni 2022 keinen wirksamen Strafantrag gestellt hat. Der Geschädigte hat bei seiner Aussage am „14“. Juni 2022 bei der Polizei, auf die seine beiden Strafanträge vom „13“. und vom „14“. Juni 2022 (Bl. 16 und Bl. 31 der Akte 1111 Js 8078/22) verwiesen, neben der Tat vom 11. Juni 2022 keine weitere beleidigende Äußerung hinreichend nach Wortlaut und Tatumständen konkretisiert zur Anzeige gebracht, sondern allgemein von Beschimpfungen „in jüngster Vergangenheit vermehrt“ gesprochen. Ein Strafantrag muss sich jedoch auf eine bestimmte Tat beziehen (vgl. Dallmeyer in BeckOK-StGB, 61. Ed., § 77 StGB Rn. 11; BGH, Beschluss vom 20. April 2017 – 2 StR 79/17 –, juris Rn. 23). Da innerhalb der Antragsfrist kein wirksamer Strafantrag gestellt wurde und dieser nach Fristablauf nicht mehr nachgeholt werden kann, darf die Angeklagte nicht mehr wegen dieser Beleidigung bestraft werden.“

Im Übrigen hat das BayObLG die Schuldfähigkeitsprüfung des LG beanstandet. Dazu folgende Leitsätze:

1. Wahnhafte Störungen können sich bei akuten psychotischen Phasen erheblich auf das Einsichtsvermögen auswirken. Aber auch die Steuerungsfähigkeit kann tangiert oder aufgehoben sein. Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 20 StGB bedeutet die Fähigkeit, entsprechend der vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln. Die Steuerungsfähigkeit ist betroffen, wenn einem Wahnkranken in Situationen, die durch den Wahn bestimmt sind, Handlungsalternativen praktisch nicht zur Verfügung stehen.

2. Um die revisionsgerichtliche Nachprüfung der Voraussetzungen von §§ 20, 21 StGB zu ermöglichen, hat das Tatgericht die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen des psychiatrischen Sachverständigen mitzuteilen und sich erkennbar selbst mit ihnen auseinanderzusetzen. Unerlässlich ist eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Beurteilungsgrundlage ist das konkrete Tatgeschehen, wobei neben der Art und Weise der Tatausführung auch die Vorgeschichte, der Anlass der Tat, die Motivlage und das Verhalten nach der Tat von Bedeutung sein können. Folgt das Tatgericht einem Sachverständigen, muss es dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Darlegungen in den schriftlichen Urteilsgründen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist. Generalisierende Ausführungen zum Störungsbild, die nicht auf den konkreten Zustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt und eine mögliche direkte Beziehung von Tathandlung zum Wahnthema eingehen, genügen diesen Anforderungen nicht.

StGB III: Nochmal etwas zur Corona-Pandemie, oder: Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

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Und im dritten Posting dann Nachbereitung/ strafrechtliche Aufbereitung der Corona-Pandemie. An der Stelle ist es mit der Veröffentlichung von Entscheidungen recht ruhig geworden. Der Beschluss des OLG Celle stammt auch schon aus 2022, ist aber erst jetzt veröffentlich worden. Ich will den OLG Celle, Beschl. v. 16.11.2022 – 2 Ss 137/22 – aber der Vollständigkeit halber hier doch noch – zumindest mit seinem Leitsatz – vorstellen.

Behandelt wird das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Das AG hatte den Angeklagten im April 2022 wegen mehrerer Fälle verurteilt. Nach den Feststellungen stellte der  als Kinder- und Jugendarzt tätige Angeklagte in der Zeit vom 01.08.2020 bis zum 05.05.2021 insgesamt 29 Gesundheitszeugnisse aus, die die darin benannten Personen von der durch verschiedene Landes-Verordnungen angeordneten Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, befreien sollten und die jeweils mit einem Arzt-Stempel versehen und vom Angeklagten unterzeichnet waren. Der Erstellung der Gesundheitszeugnisse lag jeweils keine vorherige Begutachtung oder körperliche Untersuchung der Personen zugrunde, obwohl dem Angeklagten bewusst war, dass eine solche zuvor durchzuführen gewesen wäre. Nach den Feststellungen des AG hatten sich die in den 29 Gesundheitszeugnissen aufgeführten Personen zuvor an den Angeklagten mit dem Ziel gewandt, eine entsprechende Befreiung von der Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, zu erlangen; sie zeigten die ausgestellten Gesundheitszeugnisse nach deren Anfertigung durch den Angeklagten in Schulen sowie bei Kontrollen durch die Polizei an öffentlichen Orten vor.

Zur Beweiswürdigung hatte das AG ausgeführt, der Angeklagte habe die Erstellung der 29 Gesundheitszeugnisse eingeräumt, indes die Rechtsauffassung vertreten, es handele sich nicht um Gesundheitszeugnisse, weil er in allen 29 Fällen lediglich allgemein die nach seiner Auffassung stets mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung einhergehende Beschränkung der vitalen Atmungsfunktion dargelegt habe. Zum Inhalt der Gesundheitszeugnisse hat das AG im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzend festgestellt, dass der Angeklagte die Gesundheitszeugnisse anfänglich mit „Befreiung“ und bei Kindern und Jugendlichen mit „Fachärztliches Attest“ überschrieben habe; seit einer ihm bekannten Entscheidung des OVG Münster vom 24.09.2020 habe der Angeklagte die im Folgenden ausgestellten Gesundheitszeugnisse mit „Attest“ überschrieben und diesem jeweils eine Anlage beigefügt, die u.a. folgenden Wortlaut hatte: „Die Beschwerden, die von (Name) nachvollziehbar geäußert werden, weisen ohne Zweifel auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Stoffwechsels durch das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) hin (…).“

Rechtlich hat das Amtsgericht die festgestellten Tathandlungen als Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses in 29 Fällen gem. § 278 StGB in der Fassung bis einschließlich zum 23.11.2021 gewertet.

Dagegen die Sprungrevision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg gehabt hat. Das OLG Moniert, dass es auf der Grundlage der knappen Feststellungen des AG-Urteils zum Inhalt der erstellten Gesundheitszeugnisse nicht beurteilen kann, ob diese inhaltlich unrichtig sind.

Hier dann die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Ein ärztliches Attest über die medizinische Kontraindikation des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes enthält die konkludente Erklärung des Arztes, dass eine körperliche Untersuchung der genannten Person stattgefunden hat und ist daher i.d.R. unrichtig, wenn die für die Beurteilung erforderliche Untersuchung nicht durchgeführt wurde.

2. Ist eine körperliche Untersuchung im Einzelfall unterblieben, soll das Attest aber gleichwohl „richtig“ sein, muss sich das Unterbleiben der Vornahme einer körperlichen Untersuchung aus dem Attest selbst ergeben.

Strafe III: Wieder ausreichende Urteilsgründe?, oder: Vorstrafen, Tagessatz und kurze Freiheitsstrafe

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Und dann habe ich hier noch im dritten Posting zur Strafzumessung zwei Entscheidungen des BayObLG, allerdings genügen m.E. die Leitsätze. Die lauten:

1. Grundsätzlich dürfen auch nicht einschlägige Vorstrafen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, weil sie belegen, dass der Täter sich die frühere Verurteilung nicht hat zur Warnung dienen lassen. Im Urteil sind die bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Vorstrafen in dem Umfang und in der Detailliertheit mitzuteilen, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind. Die gebotene Darstellungsbreite und die Darstellungsdichte bestimmen sich nach dem Einzelfall. In der Regel erforderlich sind Ausführungen zum Zeitpunkt der Vorverurteilungen, zum Schuldspruch, zu den erkannten Rechtsfolgen und zu einer etwaigen Verbüßung. Wenn aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden sollen, ist es in der Regel sachlich-rechtlich geboten, ergänzend die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und gegebenenfalls auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen.

2. Die Bemessung des Tagessatzes nach § 40 Abs. 2 S. 1 StGB kann als ein Teil der Strafzumessung vom Revisionsgericht als tatrichterliche Ermessensentscheidung nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden. Der Tatrichter hat einen weiten Beurteilungsspielraum. Zu dem Einkommen im Sinne von § 40 Abs. 2 StGB gehören auch die Grundsicherung und sonstige Unterstützungsleistungen samt etwaiger Sachbezüge. Es sind nicht nur solche Leistungen zu berücksichtigen, die der Täter tatsächlich erhält, sondern auch diejenigen, auf welche er Anspruch hat. Auch Naturalbezüge, wie etwa freie Kost und Wohnung sind zu berücksichtigen. Nach § 40 Abs. 2 S. 2 StGB kommt es nicht auf das tatsächliche, sondern auf das zumutbar erzielbare Einkommen an.

1. Den Urteilsgründe muss eine ausreichende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen der Tat und des Täters und eine entsprechende Gesamtwürdigung zu entnehmen sein.

2. „“Einschlägige Vorverurteilungen“ des Angeklagten müssen in den Urteilsgründen dargestellt werden.

3. Die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe ist besonders kritisch zu prüfen und entsprechend zu begründent, wenn die Freiheitsstrafe zugleich zur Bewährung ausgesetzt werden soll.

Strafe II: Lebenslang bei Raub mit Todesfolge?, oder: Keine vorsätzliche Herbeiführung des Todes

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Und im zweiten Posting dann der BGH, Beschl. v. 01.10.2024 – 3 StR 324/24 – zur Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 251 StGB , also Raub mit Todesfolge. Dazu sagt der BGH:

„Der näheren Erörterung bedarf allein der Strafausspruch. Auch dieser hat Bestand. Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 251 StGB setzt nicht die vorsätzliche Herbeiführung des Todes voraus. Im Einzelnen:

1. Nach dem Gesetzeswortlaut kann auch bei leichtfertiger Verursachung der Todesfolge, wie sie hier vorliegt, auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2005 – 2 StR 474/05, BGHR StGB § 178 Strafzumessung 2 für den Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit Todesfolge gemäß § 176b StGB aF [§ 176d nF] und Vergewaltigung mit Todesfolge nach § 178 StGB; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 251 Rn. 11; MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 251 Rn. 17; BeckOK StGB/Wittig, 62. Ed., § 251 Rn. 13; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 251 Rn. 11; in der Tendenz anders BGH, Beschluss vom 20. Oktober 1992 – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 106; aA LK/Vogel/Burchard, StGB, 13. Aufl., § 251 Rn. 28; NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl., § 251 Rn. 13; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 251 Rn. 24; Matt/Renzikowski/Maier, StGB, 2. Aufl., § 251 Rn. 31; Geilen, Jura 1979, 557, 558; Paeffgen, JZ 1989, 220, 223; Günther, FS Hirsch, S. 543, 550).

2. Ferner unterscheidet der Gesetzgeber gesetzessystematisch zwischen wenigstens fahrlässiger (vgl. § 221 Abs. 3, § 226 Abs. 1, § 227 Abs. 1, § 235 Abs. 5, § 239 Abs. 4 jeweils i.V.m. § 18 StGB), leichtfertiger (s. §§ 176d, 178, 239a Abs. 3, §§ 251, 306c StGB) und qualifiziert vorsätzlicher Herbeiführung der schweren Folge (vgl. § 226 Abs. 2 StGB). In § 226 StGB sind die verschiedenen Schuldformen mit unterschiedlichen Strafrahmen verbunden. Eine derartige Differenzierung findet sich für den Raub mit Todesfolge nicht.

3. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Hinweise darauf, dass die lebenslange Freiheitsstrafe nur für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung der Todesfolge in § 251 StGB aufgenommen worden ist. Vielmehr ist ihnen zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sowohl die lebenslange als auch die zeitige Freiheitsstrafe einheitlich an die wenigstens leichtfertige Verursachung des Todes geknüpft hat (vgl. BT-Drucks. 13/9064 S. 11 f.; BT-Drucks. 13/8587 S. 20, 44, 79; s. auch BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2005 – 2 StR 474/05, BGHR StGB § 178 Strafzumessung 2).

4. Darüber hinaus rechtfertigt sich die im Vergleich zu § 212 Abs. 1 StGB doppelt so hohe Mindeststrafe des § 251 StGB, ohne die Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles, nicht allein aus dem gleichzeitigen Vorliegen von Raub und zumindest leichtfertiger Herbeiführung des Todes eines Menschen. Der besondere Unrechtsgehalt liegt vielmehr darin, dass sich die konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung in der besonderen Folge verwirklicht hat. Der Tod des Opfers erwächst aus dem typischen und spezifischen Risiko, das der Täter durch die Art der Ausführung des Raubes hervorgerufen hat (MüKoStGB/Sander, 4. Aufl., § 251 Rn. 1; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 251 Rn. 2). Die konkrete Lebensgefahr aufgrund der Art und Weise der Tatbegehung kann jedoch unabhängig vom Vorliegen eines Tötungsvorsatzes bestehen. Es entspricht daher nicht dem Zweck des Gesetzes, wenn der Strafrahmen nur im Fall eines tateinheitlichen vorsätzlichen Tötungsdelikts, welches zudem einen weiteren Unrechtsgehalt aufweist, ausgeschöpft werden könnte. Demgegenüber bedarf es in diesem Fall nicht des Strafrahmens des § 251 StGB, wenn das Tatgericht ein Mordmerkmal, namentlich – was regelmäßig naheliegt – Habgier gemäß § 211 Abs. 2 Variante 3 StGB, annimmt oder einen besonders schweren Fall nach § 212 Abs. 2 StGB bejaht.“