Archiv der Kategorie: Rechtsmittelverfahren

Pflichti III: Pflichtverteidigerwechsel in der Revision, oder: Rückwirkende Bestellung des Pflichtverteidigers?

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Und im dritten Posting dann zwei Entscheidungen zum Verfahren in Zusammenhang mit dem Pflichtverteidiger. Beides ist aber nichts Besonderes. Hier sind:

„Der Antrag ist unbegründet, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gemäß § 143a Abs. 3 und 2 StPO nicht vorliegen.

1. § 143a Abs. 3 StPO, der eine vereinfachte Regelung für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren trifft, greift nicht ein. Der Angeklagte hat nicht innerhalb der Wochenfrist des § 143a Abs. 3 Satz 1 StPO den neu zu bestellenden Verteidiger bezeichnet.

2. Die Voraussetzungen für einen Wechsel des Pflichtverteidigers gemäß § 143a Abs. 2 StPO liegen ebenfalls nicht vor.

Eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger, § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Fall 1 StPO, ist nicht glaubhaft gemacht. Der Angeklagte ist durch seinen Pflichtverteidiger ordnungsgemäß verteidigt. Es besteht kein Anlass für die Annahme, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger sei tatsächlich zerrüttet oder der Verteidiger sei unfähig, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16. August 2019 – 3 StR 149/19, Rn. 4). Pauschale, weder näher ausgeführte noch sonst belegte Vorwürfe rechtfertigen eine Entpflichtung nicht (BGH, Beschluss vom 17. April 2024 – 1 StR 92/24, Rn. 3). Auch sonst ist kein Grund ersichtlich, der einer angemessenen Verteidigung des Angeklagten entgegenstünde und einen Wechsel in der Person des Pflichtverteidigers geböte, § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Fall 2 StPO.“

Nach der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO besteht für die Mitwirkung eines Verteidigers kein Bedürfnis mehr. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers wäre daher unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Beiordnungsantrag noch rechtzeitig vor der Einstellung des Verfahrens gestellt wird.

Pflichti I: Erst Wahlverteidiger, dann Pflichtverteidiger, oder: Neue Vertretungsvollmacht erforderlich

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Und dann heute „Pflichti“-Entscheidungen.

Ich eröffne den Reigen mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.12.2024 – 203 StRR 591/24, den ich gestern am „Verwerfungstag“ ja bereits vorgestellt habe. Der Beschluss passt aber heute auch noch einmal, weil das BayObLG nämlich in dem Beschluss auch zu der Rüge des Angeklagten Stellung genommen hat, mit der geltend gemacht worden ist, es habe eine prozessordnungsgemäße Vertretung vorgelegen. Das hat das BayObLG anders gesehen:

„Die Verfahrensrüge, die Strafkammer habe mit der Verwerfung der Berufung die prozessordnungsgemäße Vertretung des Angeklagten durch den Pflichtverteidiger verkannt, ist jedenfalls unbegründet. Um an Stelle des Angeklagten im Verfahren Erklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen, bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung des Angeklagten, dass der Verteidiger befugt sein soll, über die Verteidigerrechte hinaus rechtswirksam Verfahrensbefugnisse für ihn wahrzunehmen (Becker in: Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 234 Rn. 1; Eschelbach in BeckOK StPO, 53. Ed. 1.10.2024, StPO § 329 Rn. 32). Demgemäß bestimmt § 329 Abs. 1 S. 1 StPO das Erfordernis des Nachweises einer besonderen Vertretungsvollmacht, soll ein Verteidiger den Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung vertreten. Die Pflichtverteidigerbestellung als solche genügt nicht (Quentin in MüKoStPO, 2. Aufl. 2024, StPO § 329 Rn. 26; OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2013 – 32 Ss 29/13 –, juris Rn. 13 m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 –, juris Rn. 12 und 13). Eine vormals im Rahmen des Wahlmandats erteilte Vertretungsvollmacht endet in entsprechender Anwendung von § 168 BGB (vgl. BayObLG, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 202 StRR 94/20 –, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 3 StR 386/21 –, BGHSt 67, 250 ff., juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 –, juris Rn. 12). Will der Angeklagte sich von dem nunmehrigen Pflichtverteidiger in der Berufungshauptverhandlung vertreten lassen, muss er diesem nach der Pflichtverteidigerbestellung eine neue Vollmacht erteilen (BayObLG a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 8. November 2022 – III-1 RVs 116/22 –, juris Rn. 9 m.w.N.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 24. Juni 2021 – 2 Ws 52/21 –, juris Rn. 13 zu § 145a StPO; OLG Celle, Beschluss vom 19. März 2013 – 32 Ss 29/13 –, juris Rn. 13; OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2012 – III-1 RVs 41/12 –, juris Rn. 13). Die Erteilung einer Vollmacht nach der Bestellung des Pflichtverteidigers behauptet auch die Revision nicht.“

Verwerfung II: Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten, oder: Aufklärungspflicht des Gerichts

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In der zweiten Entscheidung, dem KG, Urt. v. 18.10.2024 – 3 ORs 66/14 – 121 SRs 97/24 – geht es auch noch einmal um die (Un)Zulässigkeit der Verfahrensrüge im Rahmen des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Das LG hat die Berufung des Angeklagten gegen ein Urteil des AG nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen, weil der Angeklagte dem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt ferngeblieben sei. Dem lag das folgende Verfahrensgeschehen zu Grunde:

„Der ordnungsgemäß geladene Angeklagte reichte über seinen Verteidiger am Tag vor dem anberaumten Termin ein ärztliches Attest des Herrn Dr. A und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24. – 26.06.2024 ein. Das Attest hatte den folgenden Wortlaut:

„Der o.g. Patient stellte sich am 24.6.24 in unserer Arztpraxis vor. Er berichtet, seit dem Vorabend unter Übelkeit mit Erbrechen und Diarrhöen zu leiden. Zudem wird von Schnupfen und Halsschmerzen seit 3-4 Tagen berichtet. Der Pat. schildert, einen geplanten Gerichtstermin am 25.6.24 bei den aktuell vorherrschenden gesundheitlichen Problemen nicht wahrnehmen zu können. Es erfolgte eine AU-Bescheinigung vom 24.-26.6.24.“

Die Vorsitzende der zuständigen Strafkammer kontaktierte daraufhin am 25.06.2024 die Praxis telefonisch, in der sie Herrn Dr. A nicht erreichen konnte, aber dessen Kollegin Frau Dr. B. Diese teilte der Vorsitzenden mit, Herr Dr. Asei aufgrund auswärtiger Termine in einer Heimeinrichtung nicht erreichbar. Der Angeklagte sei am 24.06.2024 erstmals in der Praxis erschienen, was Herrn Dr. A verwundert habe. Eine Untersuchung der Symptome habe nicht stattgefunden und sei auch nicht üblich. Sie habe mit Herrn Dr. A über die Angelegenheit gesprochen, der Angeklagte habe etwas erschöpft gewirkt. Herr Dr. A habe sich schwergetan, das Attest auszustellen. Zur Schwere der Symptomatik könne sie anhand der Patientenakte keine Angaben machen.

Gegen das Verwerfungsurteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er trägt vor, das LG habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es nicht mit dem behandelnden Arzt selbst – gegebenenfalls per Mobiltelefon – Rücksprache gehalten habe. Ein solches Gespräch „hätte die Säumnis als [sic!] Angeklagten als unverschuldet aufgezeigt“.

Die GStA hat die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des LG beantragt. Das KG sieht das anders und hat verworfen. Hier die Leitsätze des KG:

1. Unterlässt es der Revisionsführer, das Ausmaß einer Erkrankung darzulegen oder die Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten am Terminstag zu schildern, ist seine auf eine unterbliebene Aufklärung des Gerichts gestützte Verfahrensrüge bereits unzulässig; das Revisionsgericht wird hierdurch nicht in den Stand versetzt, zu beurteilen, ob der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung entschuldigt war.

2. Bei „Auslösung“ der Aufklärungspflicht durch Einreichung eines ärztlichen Attests kann das Gericht sich nicht auf Informationen vom „Hörensagen“ einer Kollegin des das Attest ausstellenden Mediziners stützen.

Verwerfung I: Ausbleiben genügend entschuldigt?, oder: Stationär behandlungsbedürftige Erkrankung

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Und heute dann drei Entscheidungen zu „Verwerfungsfragen“, und zwar zweimal Verwerfung der Berufung und einmal Verwerfung des Einspruchs im Bußgeldverfahren.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.12.2024 – 203 StRR 591/24.

Das LG hat die Berufung des vom AG verurteilten Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, weil er unentschuldigt trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Termin zur Hauptverhandlung am 02.08.2024 ausgeblieben wäre. Die im Termin vorgelegte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 01.082024 belege keine Verhandlungsunfähigkeit. Dagegen die Revision des Angeklagten, die beim LG keinen Erfolg hatte:

„…..

3. Die Verfahrensrüge des Angeklagten genügt diesen Anforderungen nicht.

a) Wie oben dargestellt, hat die Revision, will sie eine fehlerhafte Beurteilung des Tatrichters rügen, umfassend und vollständig die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergeben soll, dass dem Angeklagten das Erscheinen unmöglich oder unzumutbar war und das Berufungsgericht von diesem Entschuldigungsgrund Kenntnis hatte. Nachträglich hinzugekommene Informationen sind insoweit nicht von Bedeutung. Danach ist zwar die Rechtsauffassung des Landgerichts, mangels rechtzeitigen Nachweises einer Verhandlungsunfähigkeit sei von einer nicht ausreichenden Entschuldigung auszugehen, zu beanstanden, da es nach § 329 Abs. 1 StPO auf eine Verhandlungsunfähigkeit nicht ankommt. Allerdings enthält die in der Revisionsschrift wiedergegebene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weder Angaben zu einer Diagnose noch zu einer Symptomatik. Aus ihr war daher eine genügende Entschuldigung nicht abzuleiten. Dass der Angeklagte sich laut seiner ebenfalls in der Rechtfertigungsschrift zitierten nächtlichen Mitteilung an den Verteidiger subjektiv „wegen Krankheit“ nicht in der Lage gesehen hat, an der Hauptverhandlung teilzunehmen, und beabsichtigt hat, am Morgen zur stationären Behandlung ein Krankenhaus aufzusuchen, genügt auch in Verbindung mit der auf die Bestätigung einer Arbeitsunfähigkeit beschränkten Bescheinigung für eine Entschuldigung des Fernbleibens nicht. Dafür hätte es zumindest der Angabe einer konkreten Symptomatik bedurft. Die vom Angeklagten behauptete stationäre Behandlungsbedürftigkeit ändert daran nichts. Denn nicht jede stationär behandlungsbedürftige psychische Erkrankung entschuldigt ein Fernbleiben von einem bereits seit längerem anberaumten Gerichtstermin. Zu einer sofortigen stationären Aufnahme des Angeklagten am Tag der Hauptverhandlung oder einer ambulanten ärztlichen Behandlung ist es auch nach dem Vorbringen der Revision nicht gekommen, vielmehr wurde die stationäre Behandlung zunächst aufgeschoben. Selbst ein stationärer Aufenthalt in einem Krankenhaus ist in der Regel kein Entschuldigungsgrund, wenn er aufschiebbar ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2024 – 2 ORs 3/24 –, juris Rn. 12 m.w.N.).

b) Soweit der Angeklagte ein Aufklärungsdefizit des Tatrichters rügt, fehlt es ebenfalls bereits an einer hinreichenden Darlegung der Erkrankung. Der Revisionsschrift lässt sich weder eine Diagnose noch ein genaues Ausmaß der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung entnehmen. Der Vortrag, der Angeklagte hätte an einer akuten psychischen Erkrankung gelitten, die sich am Vortag der Hauptverhandlung abgezeichnet, an diesem Tage zur Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geführt, eine Anreise zum und eine Teilnahme am Hauptverhandlungstermin verhindert, am Tag der Hauptverhandlung eine stationäre Aufnahme indiziert und nach der Vorstellung in der Notfallsprechstunde einer psychiatrischen Institutsambulanz einer psychiatrischen Fachklinik in G. zum Eintrag in die dortige Warteliste geführt hätte, genügt nicht. Soweit der Angeklagte seine Revision auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützt, enthebt ihn dies nicht von dem oben dargelegten Vortragserfordernis, weil das verfahrensgegenständliche Attest keinen Aufschluss über den Krankheitszustand des Angeklagten am Verhandlungstag erbringt (vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2023 – 3 ORs 38/23 –, juris Rn. 9).

c) Bezüglich der Angriffsrichtung eines Aufklärungsdefizits kommt es nicht mehr maßgeblich darauf an, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO kein Beweismittel bezeichnet hat, das dem Tatrichter in der Hauptverhandlung als Erkenntnismöglichkeit für eine verlässliche Klärung des Zustands des Angeklagten zur Verfügung gestanden hätte. Die Bescheinigung der Klinik ist erst nach dem Termin vorgelegt worden. Dass der Tatrichter zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung Kenntnis von der Institutsambulanz als möglicher Quelle für das Abschöpfen von Informationen zum Gesundheitszustand des Angeklagten gehabt hätte, ist ebenso wenig vorgetragen wie mögliches substanzielles Wissen des die Arbeitsunfähigkeit bestätigenden Arztes.

d) Das am 18. November 2024 in der Revision nachgeschobene Vorbringen zu einer während eines stationären Aufenthalts vom 3. September 2024 bis zum 23. Oktober 2024 diagnostizierten rezidivierenden depressiven Störung, schwere Episode ohne psychotische Symptome, ist nach dem Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO nicht mehr geeignet, die unzulässige Verfahrensrüge zu heilen.

II.

Die Rüge wäre auch unter Berücksichtigung des Vorbringens vom 18. November 2024 unbegründet. Denn dass dem Angeklagten am Tag der Hauptverhandlung nach den Umständen des Einzelfalles ein Erscheinen nicht zumutbar gewesen wäre und ihm deshalb wegen seines Ausbleibens billigerweise kein Vorwurf gemacht werden kann, ergibt sich daraus nicht. Der Angeklagte hat auch in diesem Vortrag nicht dargetan, dass und weshalb gerade am Terminstag eine sofortige stationäre oder ambulante Behandlung angezeigt oder dass er aus sonstigen objektivierbaren Gründen am Erscheinen gehindert gewesen wäre. Alleine der Umstand, dass er an einer Depression leidet und sich subjektiv nicht in der Lage gefühlt hat, zum Termin zu erscheinen, stellt keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund für sein Fernbleiben dar.“

Auslagen II: Falsch macht man es in Düsseldorf, oder: Richtig macht man es in Ravensburg

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Und dann noch drei Entscheidungen zur Auslagenerstattung nach Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen aus Düsseldorf. Das AG Düsseldorf hat im AG Düsseldorf, Beschl. v. 08.07.2024 – 312 OWi 143/23 – das Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen wegen Verjährung eingestellt. Es sieht dann von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse ab und „begründet“ (?) das mit: „Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO i.V.m. § 105 OWiG, weil nach dem Akteninhalt eine Verurteilung des Betroffenen ohne das Verfahrenshindernis wahrscheinlich gewesen wäre..

Dagegen dann die Beschwerde des Verteidigers, die das LG Düsseldorf im LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.08.2024 – 61 Qs 44/24 – verworfen hat und zwar mit der Begründung:

„Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen, weil nach Aktenlage eine Verurteilung des Betroffenen zu erwarten war. Inhaltliche Einwendungen sind von ihm nicht erhoben worden Das formularmäßige Anfordern von Daten und Unterlagen vermag als solches Zweifel an der Schlüssigkeit des Vorwurfs nicht zu begründen.“

Über die beiden Beschlüsse decken wir dann lieber den Mantel des Schweigens. Denn es ist schon „frech“, was AG und LG da gemacht haben. Entweder kennt man die Rechtsprechung des BVerfG nicht oder man negiert sie bewusst. Das reicht jedenfalls als Begründung nicht aus.

Im Gegensatz dazu steht der LG Ravensburg, Beschl. v. 11.11.2024 – 1 Qs 54/24 -, wo man es richtig macht und ausführt:

„a) Soweit in dem Beschluss des Amtsgerichts Leutkirch für eine Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO darauf abgestellt wird, dass nach Aktenlage – bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses – von einer Verurteilung des Betroffenen wegen des ihm zur Last gelegten Abstandsverstoßes auszugehen sei, kann letztlich dahinstehen, ob der Tatverdacht gegen den Betroffenen tatsächlich das für eine Anwendbarkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO erforderliche Maß erreicht hat.

b) Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen, besteht nämlich nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 2017, BvR 1821/16). Die erforderlichen besonderen Umstände dürfen dabei aber gerade nicht in der voraussichtlichen Verurteilung und der zu Grunde liegenden Tat gefunden werden, denn darin besteht bereits die Tatbestandsvoraussetzung für die Ermessensentscheidung des Gerichts (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20. Juli 2010, 1 Ws 218/10). Grundlage für ein Absehen von der Erstattung notwendiger Auslagen muss vielmehr ein hinzutretendes vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen sein. Bei einem in der Sphäre der Verwaltungsbehörde oder des Gerichtes eingetretenen Verfahrenshindernis hingegen wird es regelmäßig der Billigkeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzubürden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 2017. BvR 1821/16; Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Auflage 2023, § 467, Rn. 10b).

c) Nach dieser Maßgabe fehlt es vorliegend an den erforderlichen besonderen Umständen. Ein prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen ist nicht zu erkennen; vielmehr lag der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung darin, dass die Akte bei Gericht in Verstoß geraten war, und somit allein in der Sphäre der Justiz.

Vor diesem Hintergrund erscheint es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nach §§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG unbillig, den Betroffenen entgegen dem gesetzlichen Grundsatz aus §§ 467 Abs. 1 StPO. 46 OWiG mit seinen notwendigen Auslagen zu belasten.“