Archiv der Kategorie: Rechtsmittelverfahren

StPO III: Zulässige/unzulässige Nebenklägerrevision, oder: Erhebung der allgemeinen Sachrüge

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Und dann haben ich noch den schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 08.10.2024 – 5 StR 358/24 – zur Nebenklägerrevision.

Das LG hat die Angeklagte, u.a.  vom Vorwurf des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Nebenklägerin greift das Urteil mit der unausgeführten Sachrüge umfassend an. Hinsichtlich der Angeklagten A. A. hat der BGH die mit der Sachrüge geführte Revision der Nebenklägerin als unzulässig, hinsichtlich der Angeklagten S.A. hingegen als zulässig angesehen:

„1. Die Revision der Nebenklägerin ist hinsichtlich der Angeklagten A.A.unzulässig.

Nach § 400 Abs. 1 StPO kann ein Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung seiner Revision muss daher erkennen lassen, dass er mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, welche die Berechtigung zum Anschluss an das Verfahren begründet; wird eine derartige Präzisierung bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht vorgenommen, ist das Rechtsmittel unzulässig (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 – 5 StR 546/23 mwN).

So liegt der Fall hier. Die Nebenklägerin hat die Revision lediglich mit der unausgeführten Sachrüge begründet, obwohl die Angeklagte wegen eines Waffendelikts verurteilt und lediglich teilweise freigesprochen worden ist. Sie hat daher entgegen den Anforderungen des § 400 Abs. 1 StPO nicht hinreichend dargelegt, inwieweit sie in ihrer Stellung als Nebenkläger durch das Urteil beschwert und welches ihre Anschlussbefugnis stützende Strafgesetz verletzt sein soll. Vielmehr kann angesichts ihrer unbeschränkt eingelegten Revision nicht ausgeschlossen werden, dass sie lediglich eine andere Rechtsfolge für das abgeurteilte Waffendelikt erstrebt. Die Erhebung der unausgeführten Sachrüge genügt den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Nebenklägerrevision daher nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2019 – 3 StR 400/18; vom 27. Februar 2018 – 4 StR 489/17). Mit Blick auf die strengen Formvorgaben des Rechtsmittelrechts und die Dispositionsbefugnis der – anwaltlich vertretenen – Beschwerdeführerin über die Weite ihres Rechtsmittelangriffs kommt eine eigenmächtige Reduktion auf den gesetzlich zulässigen Anfechtungsumfang nicht in Betracht (vgl. LK-Wenske, StPO, 27. Aufl., § 400 Rn. 19).

2. Die Revision der Nebenklägerin ist hinsichtlich der Angeklagten S.A. hingegen zulässig.

Zwar hat die Nebenklägerin auch insoweit lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Es ergibt sich aber in der Zusammenschau mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift unzweifelhaft, dass sie insofern ein berechtigtes Anfechtungsziel im Sinne des § 400 Abs. 1 StPO verfolgt:

Die Angeklagte ist umfassend freigesprochen worden. Bei den ihr zur Last gelegten Delikten handelt es sich ausschließlich um solche, die die Beschwerdeführerin zum Anschluss als Nebenkläger berechtigen. Die gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) ist ein Nebenklagedelikt nach § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO; die Anschlussberechtigung ist daher schon durch die Anschlusserklärung im Sinne des § 396 Abs. 1 Satz 1 StPO begründet worden, ohne dass es hierfür eines gerichtlichen Zulassungsbeschlusses bedurft hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2024 – 6 StR 365/23 mwN). Im Übrigen hat die Strafkammer gemäß § 396 Abs. 2 StPO „beschlossen“, dass „die Nebenklägerin … berechtigt [ist], sich dem Verfahren anzuschließen“. Damit ist die Beschwerdeführerin (konstitutiv) auch hinsichtlich des der Angeklagten zur Last gelegten Nebenklagedelikts des besonders schweren Raubes nach § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (§ 395 Abs. 3 StPO) als Nebenklägerin zugelassen. Betrifft der Freispruch eines Angeklagten aber allein nebenklagefähige Delikte, für die – wie hier – die Nebenklagebefugnis nach § 395 Abs. 1, § 396 Abs. 1 StPO und § 359 Abs. 3, § 396 Abs. 2 StPO gegeben ist, genügt die unausgeführte Sachrüge ausnahmsweise den Anforderungen des § 400 Abs. 1 StPO, weil dann das (berechtigte) Anfechtungsziel keinem Zweifel unterliegt (vgl. LK-Wenske, aaO, Rn. 22; ebenso KK-StPO/Allgayer, 9. Aufl., § 400 Rn. 3).“

StPO II: Bei der Urteilsbegründung rausgeflogen, oder: Keine Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe

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Als zweite Entscheidung habe ich dann den BGH, Beschl. v. 17.12.2024 – 1 StR 429/24 – (noch einmal) zur Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe an einen Ausländer.

Das LG hat die Angeklagte in einem Verfahren mit dem Vorwurf  des Mordes verurteilt. Dagegen hat die Angeklagte Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des Fair-trial-Grundsatzes gemäß Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Buchstabe e) EMRK in Verbindung mit § 187 Abs. 2 GVG, weil die Übersetzung der schriftlichen Gründe des angefochtenen Urteils in die russische Sprache unterblieben sei.

Der Verfahrensrüge liegt zu Grunde, dass die der deutschen Sprache nicht mächtige Angeklagte, für die während der gesamten Hauptverhandlung eine Dolmetscherin für die russische Sprache anwesend war, nach abgeschlossener Verlesung der Urteilsformel (§ 268 Abs. 2 Satz 1 StPO) durch den Vorsitzenden der Strafkammer gemäß § 231b Abs. 1 Satz 1 StPO zur Wahrung der Ordnung aus dem Hauptverhandlungssaal entfernt wurde. Nachdem die Angeklagte die mündliche Urteilsbegründung mehrfach durch lautes Dazwischenreden ohne Worterteilung gestört hatte und sich hiervon durch mehrfache vorausgegangene Androhungen und Belehrungen für den Wiederholungsfall nicht hatte abhalten lassen, erging der Beschluss des LG, die Angeklagte zur Wahrung der Ordnung für die weitere Urteilsbegründung aus dem Sitzungszimmer zu entfernen. Der Beschluss wurde vollzogen und die Hauptverhandlung gemäß § 231b Abs. 1 Satz 1 StPO in Abwesenheit der Angeklagten fortgesetzt; ihr Verteidiger wohnte der Hauptverhandlung bis zu deren Abschluss bei. Eine schriftliche Rechtsmittelbelehrung wurde der Angeklagten danach in ihrer Zelle ausgehändigt und von der Dolmetscherin übersetzt. Dem Antrag der Angeklagten auf Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe wurde nicht entsprochen.

Der BGH hat die Revision als unbegründet verworfen:

„Die Rüge der Verletzung des Fair-trial-Grundsatzes gemäß Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 Buchstabe e) EMRK in Verbindung mit § 187 Abs. 2 GVG, mit der sich die Angeklagte gegen die unterbliebene Übersetzung der schriftlichen Gründe des angefochtenen Urteils in die russische Sprache wendet, erweist sich bereits als unzulässig. Denn aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin kann sich ein Verfahrensfehler nicht ergeben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

a) Der Verfahrensrüge liegt zu Grunde, ……

b) Ein Verfahrensfehler liegt danach nicht vor.

Die Verfahrensrüge genügt den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO – wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat – schon deshalb nicht, weil die Beschwerdeführerin es versäumt hat, den Beschluss des Vorsitzenden der Strafkammer, mit dem der Antrag auf Übersetzung des schriftlichen Urteils zurückgewiesen wurde, jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen. Darüber hinaus fehlt es auch an der Darstellung der hiergegen gerichteten Beschwerde.

Ein Verfahrensfehler scheidet nach dem Beschwerdevortrag aber auch sonst aus. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:

„Ausgehend vom abgestuften System in § 187 Abs. 2 GVG ist eine schriftliche Übersetzung regelmäßig dann nicht notwendig, wenn die Angeklagte verteidigt ist (§ 187 Abs. 2 Satz 5 GVG) und ihr die mündlichen Urteilsgründe übersetzt werden. In diesem Fall wird die effektive Verteidigung der sprachunkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und die Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – zu besprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19, BGHSt 64, 283-301; Beschluss vom 22. Januar 2018 – 4 StR 506/17, Rn. 5).

Nichts anderes kann gelten, wenn eine Angeklagte – wie hier – aufgrund eigenen Verschuldens nach Maßgabe des § 231b Abs. 1 StPO nach der Verkündung der Urteilsformel aus der Hauptverhandlung entfernt werden muss. Die Angeklagte hätte es andernfalls in der Hand, durch eigenes Fehlverhalten eine schriftliche Urteilsübersetzung zu erzwingen und sich damit – im Vergleich zu einer sich ordnungsgemäß führenden Angeklagten – prozessual besserzustellen.

Der Beschwerdeführerin ist es des Weiteren unbenommen, sich eine Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe anfertigen zu lassen. Daneben ist ihr aber auch die Möglichkeit eröffnet, bei einem Gespräch mit ihrem Verteidiger – das die sprachunkundige Angeklagte ohnehin nur unter Hinzuziehung eines Dolmetschers führen kann – die schriftlichen Urteilsgründe eingehend zu erörtern.

Schließlich ergibt sich ein berechtigtes Interesse an der Übersetzungsleistung auch nicht wegen der besonderen Sachkunde der Angeklagten oder einem anderen durch die Verteidigung vorgetragenen Gesichtspunkt. Dergleichen ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2020 – 3 StR 430/19 –, BGHSt 64, 283-301, Rn. 15-16).“

StPO I: Verwertung von SkyECC-Überwachungsdaten, oder: Ergänzung zur BGH-Grundsatzentscheidung

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Und dann heute ein paar StPO-Entscheidungen – und zwar alle vom BGH.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 09.01.2025 – 1 StR 142/24 – zum Dauerbrenner: Verwertung von Daten aus der Überwachung von Messengerdiensten. Stichwort: Encro-Chat. In dem Beschluss des ersten Strafsenats geht es um die Verwertung von SkyECC-Kommunikationsüberwachungsdaten.

Ich erspare mir (und dem Leser) den (technischen) Sachverhalt. Das dürfte bekannt sein. Mit der Verfahrensrüge wird dann die Unverwertbarkeit der Daten geltend gemacht. Ohne Erfolg:

„bb) Die Verfahrensrüge dringt nicht durch.

(a) Sie ist bereits unzulässig, weil sie in einem für maßgeblich gehaltenen, von der Stoßrichtung umfassten Punkt nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend vorträgt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 1 StR 509/20 unter 1. mwN); dies schlägt auf die Verfahrensrüge insgesamt durch. Die Revision behauptet, die deutschen Strafverfolgungsbehörden hätten spätestens ab März 2020 von der laufenden SkyECC-Kommunikationsüberwachung gewusst und diese entgegen ihrer Verpflichtung aus § 91g Abs. 6 IRG nicht untersagt; hierin unterscheide sich die Beweiserhebung maßgeblich von den sogenannten EncroChat-Fällen. Die Verfahrensbeanstandung stützt sich insoweit auf einen verfahrensfremden Vermerk des Bundeskriminalamts vom 17. Juni 2021, in dem auf der ersten Seite ausgeführt wird, die SkyECC-Überwachung sei im März 2020 durch eine mediale Berichterstattung allgemein bekannt geworden. Dass es sich bei der Datumsangabe „März 2020“ um ein Schreibversehen handelt, ergibt sich zum einen aus dem Vermerk selbst. Denn dort wird auf Seite fünf angegeben, im März 2021 sei über Europol bekannt geworden, dass bei Ermittlungen in Frankreich Daten des Kryptodienstes SkyECC erhoben worden seien. Allein dies deckt sich zum einen mit der am 10. März 2021 durch Europol veröffentlichten Pressemitteilung über den „Aktionstag“ vom 9. März 2021. Zum anderen belegt der gesamte zeitliche Ablauf der Ermittlungen, dass die Strafverfolgungsbehörden SkyECC-Daten erst Ende des Jahres 2020 entschlüsseln konnten; vorher wurde darüber wegen der Gefährdung des Ermittlungserfolgs nicht in den Medien berichtet.

(b) Im Übrigen hätte die Verfahrensrüge auch in der Sache keinen Erfolg. Die von den französischen Strafverfolgungsbehörden erhobenen und im Wege der Beweismittelrechtshilfe für deutsche Strafverfolgungszwecke zur Verfügung gestellten Daten von SkyECC-Nutzern sind verwertbar. Aufgrund des ähnlichen Verfahrensablaufs wie bei Verwertung der über den Messengerdienst EncroChat erhobenen und transferierten Daten gelten die in der Grundsatzentscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2. März 2022 – 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 24 ff.) aufgestellten Maßstäbe. Mit Blick auf die im Anschluss ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 30. April 2024 – C-670/22) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2024 – 2 BvR 684/22) ist ergänzend auszuführen:

(aa) Die Beweismittelgewinnung der französischen Behörden verstößt nicht gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des nationalen oder europäischen ordre public (vgl. Artikel 1 Abs. 4 RL EEA, § 73 IRG). Aus der Beschlagnahme der SkyECC-Telefone zusammen mit dem Betäubungsmittelfund im Hafen von An.             ergab sich ein Anfangsverdacht für die Begehung von Betäubungsmittelstraftaten. Dieser wurde durch die dargestellten Besonderheiten der Telefone, dem Verhalten der kanadischen Firma und der Auswertung der 9.000 Chat-Nachrichten von französischen SkyECC-Nutzern erhärtet. Dass bei einer solchen Verdachts- und Beweislage zunächst ein Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber des Unternehmens eingeleitet und im Zuge dessen die zeitlich befristete Erhebung aller Nutzerdaten des SkyECC-Dienstes richterlich angeordnet und überprüft wird, lässt – wie bei der Überwachung der EncroChat-Nutzer (vgl. hierzu BGH aaO Rn. 34 ff.) – auch angesichts der Gesamtdauer der Überwachung, die ersichtlich der zunächst erforderlichen Analyse der Server zur Entwicklung einer Entschlüsselungslösung geschuldet war, grundlegende Rechtsstaatsdefizite oder einen Verstoß gegen menschen- oder europarechtliche Grundwerte nicht erkennen. Auch eingedenk der großen Anzahl der überwachten Mobilfunkanschlüsse sind die Ermittlungsmaßnahmen weit von geheimdienstlichen „anlasslosen Massenüberwachungen und Massendatenauswertungen“ entfernt. Der Austausch der Nachrichten wurde nicht aufgrund eines allgemeinen Verdachts gegen eine verschlüsselte Kommunikationsinfrastruktur überwacht, sondern – wie zuvor aufgezeigt – aufgrund konkreter Verdachtsmomente. Die französischen Behörden gingen ersichtlich davon aus, dass der gezielt auf die Bedürfnisse der organisierten Kriminalität ausgerichtete Absatzweg gepaart mit den erheblichen Kosten des Erwerbs und Betriebs der Krypto-Telefone sowie des durch die Ermittlungen bestätigten kriminellen Einsatzbereichs die Erfassung Unverdächtiger ausschloss.

(bb) Aus dem Verstoß der französischen Behörden gegen die Pflicht zur Benachrichtigung des von einer grenzüberschreitenden Telekommunikationsüberwachung betroffenen Zielstaates Deutschland aus Artikel 31 RL EEA bzw. gegen die diese Vorgaben umsetzende französische Vorschriften (wonach die RL EEA unmittelbar in die französische Rechtsordnung integriert wurde, vgl. hierzu BGH, aaO Rn. 39 mwN) folgt kein Beweisverwertungsverbot. Zwar handelt es sich bei Artikel 31 RL EEA um eine rechtshilferechtliche Bestimmung, die neben der Achtung der Souveränität des zu unterrichtenden Zielstaats auch den Schutz der Zielperson u.a. vor einer Verwendung der Daten in diesem Mitgliedstaat – hier also Deutschland – bezweckt (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024 – C-670/22 Rn. 121, 124 und 125) und somit individualschützenden Charakter hat. Aber bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt das des Staates an einer umfassenden Aufklärung besonders schwerer Straftaten. Insoweit gilt (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2024 – 2 BvR 684/22 Rn. 98; Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 und 1857/10, BVerfGE 130, 1 Rn. 117 mwN):

(1) Nicht jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften zieht ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich; darüber ist nach den Umständen im Einzelfall, insbesondere nach der Art der verletzten Vorschrift und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägen der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Nur ausnahmsweise ist ein Beweisverwertungsverbot aufgrund gesetzlicher Vorschrift wie etwa § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO oder aus übergeordneten wichtigen Gründen anzunehmen. Denn ein Beweisverwertungsverbot schränkt eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, und zwar den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Maßgeblich beeinflusst wird das Ergebnis der danach vorzunehmenden Abwägung einerseits durch das Ausmaß des staatlichen Aufklärungsinteresses, dessen Gewicht im konkreten Fall vor allem unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit weiterer Beweismittel, der Intensität des Tatverdachts und der Schwere der Straftat bestimmt wird. Andererseits ist das Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes von Belang, das sich vor allem danach bemisst, ob das staatliche Ermittlungsorgan den Rechtsverstoß gutgläubig, fahrlässig oder vorsätzlich begangen hat. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist ein Beweisverwertungsverbot geboten, wenn die Auswirkungen des Rechtsverstoßes dazu führen, dass dem Angeklagten keine hinreichenden Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Gang und Ergebnis des Verfahrens verbleiben, die Mindestanforderungen an eine zuverlässige Wahrheitserforschung nicht mehr gewahrt sind oder die Informationsverwertung zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht führen würde. Zudem darf eine Verwertbarkeit von Informationen, die unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften gewonnen wurden, nicht bejaht werden, wenn dies zu einer Begünstigung rechtswidriger Beweiserhebungen führen würde. Ein Beweisverwertungsverbot kann daher insbesondere nach schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten sein.

(2) Nach diesen Maßstäben folgt aus einem Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht kein Beweisverwertungsverbot: Es geht um die Aufklärung besonders schwerwiegender Straftaten im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO, nämlich Verbrechen nach § 30a Abs. 1 BtMG, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von 15 Jahren bedroht sind (vgl. zur Notwendigkeit der effektiven Bekämpfung solcher Straftaten; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 57; Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels, ABl. L 335, S. 8). Andere Beweismittel stehen hier für die Überführung des Angeklagten nicht zur Verfügung. Die SkyECC-Protokolle sind als Beweismittel besonders ergiebig, da die Beteiligten darin offen über Drogengeschäfte in erheblichem Umfang kommunizierten. Der Angeklagte konnte sich im Strafprozess auch mittelbar gegen die Abhörmaßnahme durch einen Verwertungswiderspruch wehren, so dass er unter anderem hierdurch seine Verteidigungsrechte effektiv wahren konnte (vgl. zu diesem Erfordernis EuGH, Urteile vom 30. April 2024 – C-670/22 Rn. 130 und vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u.a. – C-511/18, C-512/18, C-520/18 Rn. 226). Demgegenüber fällt der Umstand, dass den französischen Behörden bereits früh klar war, dass die Überwachung der Telekommunikation eine Vielzahl von Personen in anderen Ländern betrifft, wegen des geringen Grads der Persönlichkeitsrelevanz der Chatnachrichten nicht erheblich ins Gewicht. Zudem durfte der Kernbereich der Lebensführung infolge der Einschränkung der Beschlagnahmeanordnung nicht aufgezeichnet werden.

(cc) Gegen Artikel 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA ist ebenfalls nicht verstoßen worden.

(1) Artikel 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA, der die EEA zur Übermittlung von Beweismitteln regelt, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates befinden, setzt für deren Rechtmäßigkeit voraus, dass die Übermittlung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können. Dagegen verlangt Artikel 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA gerade nicht, dass der Erlass einer EEA, die auf einen Beweismitteltransfer gerichtet ist, denselben materiell-rechtlichen Voraussetzungen unterliegt, wie sie im Anordnungsstaat (Deutschland) für die Erhebung dieser Beweise gelten (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024 – C-670/22 Rn. 91 ff.). Selbst unter Heranziehung einer Online-Durchsuchung nach § 100b StPO, deren Erkenntnisse der strafprozessual restriktivsten Verwendungsschranke des § 100e Abs. 6 StPO unterliegen, hätten die Beweismittel in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter den gleichen Bedingungen übermittelt werden können. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden ersuchten die französischen Behörden in einem gegen namentlich bekannte Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren u.a. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG), mithin einer Katalogtat nach § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe b StPO, um Übermittlung von Inhaltsdaten konkreter SkyECC-Nutzer. Der Tatverdacht, der auch im Einzelfall besonders schwer wog (§ 100b Abs. 1 Nr. 2 StPO), ergab sich aus technischen Überwachungsmaßnahmen, der Beschlagnahme des Marihuanas sowie der Sicherstellung und Auswertung der von gesondert verfolgten Beschuldigten genutzten SkyECC-Telefone. Das weitere Aufklären des Sachverhalts sowie die Ermittlung der an der Tatbegehung maßgeblich beteiligten, durch die jeweiligen SkyECC-IDs konkretisierten, jedoch noch namentlich unbekannten Personen wie der Angeklagte wären ohne diese Beweismittel nicht möglich gewesen. Die sich hieraus gegen den Angeklagten nach § 100b Abs. 1 und Abs. 2 StPO ergebende erforderliche Verdachtslage, die auch im Einzelfall schwer wiegt, bestand spätestens im Verwertungszeitpunkt der Beweisergebnisse (vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. November 2024 – 2 BvR 684/22 Rn. 99; BGH, aaO Rn. 70 mwN). Die Daten betreffen zudem keine Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung (§ 100d Abs. 2 Satz 1 StPO).

(2) Schließlich führt die Neuregelung durch das KCanG zu keiner anderen Beurteilung. Denn das bandenmäßige Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) ist Katalogtat der Online-Durchsuchung (§ 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO).

(dd) Ein Beweisverwertungsverbot ergibt sich letztlich auch nicht aus einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers.“

 

Zustellung II: HV-Protokoll ohne Datum/Unterschrift, oder: Zustellung vor Fertigstellung des Protokolls

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Im zweiten Beitrag stelle ich dann den den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.01.2025 – 3 ORbs 330 SsBs 645/24 – vor. Man erkennt am Aktenzeichen es ist ein Beschluss aus einem Bußgeldverfahren. Die vom OLG entschiedene Problematik kann aber auch im Strafverfahren auftreten. Es geht nämlich um die Wirksamkeit der Urteilszustellung, die ja von der Fertigstellung des Protokolls abhängt. Und da lag hier einiges im Argen.

Das AG hatte am 14. Juni 2024 gegen den – vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen, in der Hauptverhandlung nicht erschienenen und dort auch nicht von einem Verteidiger vertretenen – Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes eine Geldbuße festgesetzt und ein Fahrverbot verhängt. Gegen das dem Betroffenen am 13.07.2024 und dem Verteidiger des Betroffenen am 12.07.2024 zugestellte Urteil hat dieser mit am 17.07.2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit Schreiben vom 16.08.2024, eingegangen am selben Tag bei Gericht, begründet hat.

Das AG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, da das Rechtsmittel nicht innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung der Entscheidung begründet worden sei. Hiergegen beantragte der Verteidiger mit Faxschreiben vom 16.09.2024 die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts herbeizuführen und führte aus, dass die Rechtsmittelbegründungsfrist am 16.08.2024 noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Das OLG hat den Verwerfungsbeschluss des AG aufgehoben:

„1. Der Verwerfungsbeschluss des Amtsgerichts Konstanz vom 10.09.2024 war aufzuheben. Mangels wirksamer Urteilszustellung wurde vorliegend weder die Rechtsbeschwerdeeinlegungs- noch die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist in Lauf gesetzt, so dass diese auch noch nicht abgelaufen sind.

Gemäß § 79 Abs. 4 OWiG beginnt die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde mit der Zustellung des Urteils, wenn es – wie hier – in Abwesenheit des Betroffenen verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 OWiG durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten worden ist. Die Zustellung des Urteils darf jedoch nach § 71 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 273 Abs. 4 StPO nicht erfolgen, bevor nicht das Sitzungsprotokoll fertig gestellt ist. Die Zustellung vor der Fertigstellung ist unwirksam und setzt die von der Urteilszustellung abhängigen Fristen nicht in Lauf (vgl. BGHSt 27, 80; Meyer-Goßner, StPO, 67. Aufl., § 273 Rn. 34; LR-Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 273 Rn. 65; KK-Hadamitzky, OWiG, 5. Aufl., § 79 Rn. 55), mithin auch nicht die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, da diese an die Urteilszustellung anknüpft.

Vorliegend ist das Hauptverhandlungsprotokoll noch nicht fertig gestellt.

Dabei kann dahinstehen, ob die Urteilsformel an sich noch als hinreichend protokolliert anzusehen ist, da in dem Protokoll des Amtsgerichts über die Hauptverhandlung vom 14. Juni 2024 insofern lediglich ein nicht als Anlage gekennzeichnetes Loseblatt mit der Urteilsformel in das vierseitige und ausschließlich auf der ersten Seite überhaupt ausgefüllte Protokollvordruckformular eingefügt ist; insofern heißt es zwar ausweislich des Vordrucks auf Seite 4, dass „folgendes Urteil“ verkündet worden sei, sodann erfolgten jedoch keinerlei tatsächliche (nicht vorgedruckte) Ausfüllungen oder zumindest Bezugnahmen.

Dabei ist zwar in der von dem Senat geteilten obergerichtlichen Rechtsprechung und Kommentarliteratur anerkannt, dass das Protokoll grundsätzlich mit dem Vollzug der erforderlichen Unterschriften der Urkundspersonen, dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 271 Abs. 1 StPO), oder – wie vorliegend bei Absehen der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß § 226 Abs. 2 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG – mit der Unterschrift des Richters bzw. der Richterin fertig gestellt ist, und zwar unabhängig davon, ob es unrichtig oder lückenhaft ist oder sonstige formelle Mängel aufweist (vgl. BGH, NStZ 1984, 89; LR-Stuckenberg, a. a. O., § 273 Rn. 65; KK-Greger, StPO, 9. Aufl., § 271 Rn. 8; Meyer-Goßner, a. a. O., § 271 Rn. 19).

Allerdings fehlt es vorliegend neben dem Datum auch insbesondere an der Unterschrift der Richterin, mithin ist das Protokoll überhaupt nicht unterzeichnet worden. Allein die Unterschrift auf dem nicht als Anlage gekennzeichneten Beiblatt, welches lediglich den Tenor enthält, ist nicht ausreichend um einen Fertigstellungswillen hinsichtlich des gesamten Protokolls anzunehmen.

Mit dieser Protokollierung hat das Amtsgericht Konstanz gegen die – gemäß § 71 Abs. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren geltende (vgl. Göhler-Bauer, OWiG, 19. Aufl., § 71 Rn. 55) – Vorschrift des § 273 Abs. 1 S. 1 StPO verstoßen, wonach das Protokoll die für den gesamten Protokollinhalt notwendige Unterschrift enthalten muss. Der Verstoß gegen die Protokollierungspflicht hat hier zur Folge, dass die Sitzungsniederschrift als noch nicht fertig gestellt anzusehen ist und das Urteil daher noch nicht hätte zugestellt werden dürfen.

2. War danach die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde mangels wirksamer Urteilszustellung und damit, weil an den Ablauf der Einlegungsfrist anknüpfend, auch die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i. V. m. § 345 Abs. 1 StPO) noch nicht in Lauf gesetzt, ist der Senat derzeit nicht befugt, über die Rechtsbeschwerde zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel noch weiter, auch mit (weiteren) Verfahrensrügen begründen könnte. Bei dieser Sachlage waren die Akten an das Amtsgericht zur Fertigstellung des Protokolls über die Hauptverhandlung, zur erneuten Zustellung einer Urteilsausfertigung sowie zur anschließenden erneuten Vorlage nach §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 347 StPO zurückgegeben (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 347 Rn. 5 m. w. N.).“

Wenn es für den Verteidiger noch etwas „nachzubessern“ gibt, das ist noch möglich.

Zustellung I: Wenn die Zustellungsurkunde fehlt, oder: Kommunikation Verteidiger/Mandant?

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Heute am Mittwoch dann mal ein Zustellungstag mit einer BGH-Entscheidungen und zwei OLG-Beschlüssen, beide vom OLG Karlsruhe.

Ich eröffne den Reigen mit dem BGH Beschluss v. 4 StR 191/24 – schon etwas älter, aber erst Ende Februar auf der Homepage des BGH veröffentlicht.

Das LG hat den Angeklagten am 20.12.2023 verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten.

Die Zustellung des – schriftlich – begründeten Urteils an den Pflichtverteidiger unter der aus dem bisherigen Verfahren bekannten Anschrift scheiterte dann, da der Pflichtverteidiger unter dieser Anschrift nicht zu erreichen war. Eine Zustellung über das elektronische Postfach misslang, weil der Pflichtverteidiger ein Empfangsbekenntnis nicht zurücksandte. Vor diesem Hintergrund ordnete die Vorsitzende der Strafkammer dann am 0 die Zustellung an den Angeklagten mit einer schriftlichen Rechtsmittelbelehrung und mit dem Zusatz an, dass das Urteil an den Verteidiger nicht zugestellt werden konnte und deshalb dem Angeklagten übersandt werde. Mit Schreiben vom , eingegangen beim Landgericht am , teilte der Pflichtverteidiger seinen geänderten Kanzleisitz mit. Das Urteil wurde dem Angeklagten mit Rechtsmittelbelehrung am in der Justizvollzugsanstalt zugestellt. Eine Revisionsbegründung ging in der Folge nicht ein.

Das LG hat die Revision des Angeklagten als unzulässig, weil bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Revisionsbegründung eingegangen war (§ 346 Abs. 1 StPO). Am 0 ordnete die Vorsitzende die Zustellung des Beschlusses mit Rechtsbehelfsbelehrung an den Angeklagten an, der Verteidiger erhielt den Beschluss formlos unter Hinweis, dass die förmliche Zustellung an den Angeklagten erfolgt ist. Eine Zustellungsurkunde ist nicht zu den Akten gelangt. Auf dem Zustellungsauftrag vom 0 ist vermerkt, dass die Zustellung an den Angeklagten am 0 erfolgt ist, war durch eine schriftliche Auskunft der JVA bestätigt wird. Mit Schreiben vom 0, eingegangen beim LG am , beantragte der Angeklagte die Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss vom . Es sind dann keine Revisionsanträge gestellt worden.

Der Antrag nach § 346 StPO hatte keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist unzulässig, weil der Angeklagte die Frist des § 346 Abs. 2 StPO versäumt hat.

Die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 StPO begann mit Zustellung des Verwerfungsbeschlusses (§§ 36, 37 StPO i.V.m. § 166 ZPO) an den Angeklagten am ; § 145a Abs. 1 StPO hindert eine solche Zustellung nicht, denn diese Vorschrift begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen an den Verteidiger zu bewirken (vgl. , BGHSt 18, 352, 354; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 145a Rn. 6 mwN).

Der Wirksamkeit der Zustellung steht auch nicht entgegen, dass die Zustellungsurkunde fehlt, da eine hierdurch bewirkte Beurkundung des Zustellungsvorgangs keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung ist, sondern lediglich eine Möglichkeit ihres Nachweises (BT-Drucks. 14/4554 S. 15; , NVwZ-RR 2004, 724; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 1). Den Nachweis einer Zustellung und ihres Zeitpunkts kann der Zustellende durch die in den einzelnen Vorschriften hierfür vorgesehenen Beurkundungen, aber auch in anderer Weise führen (BT-Drucks. 14/4554 S. 15; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 1; SSW-StPO/Claus, 5. Aufl., § 37 Rn. 49; KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl., § 37 Rn. 26). Vorliegend folgt der Nachweis der Zustellung aus dem auf dem Zustellungsauftrag (§ 176 Abs. 2 ZPO) abgedruckten Vermerk „Zugestellt am “ in Zusammenhang mit der schriftlichen Auskunft der Justizvollzugsanstalt, dass die Zustellung des Beschlusses an den Angeklagten tatsächlich an diesem Tag erfolgt ist.

Damit lief die Wochenfrist vom bis zum (§ 43 StPO), so dass der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom , der erst am bei Gericht eingegangen ist, verspätet war.

2. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da weder durch den Verteidiger noch durch den Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle Revisionsanträge gestellt worden sind und die Revision damit entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht begründet worden ist.

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist von Amts wegen gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine formgerechte Revisionsbegründung bist heute nicht vorliegt. Der Angeklagte war auch nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Revision gehindert (§ 44 StPO). Weder aus dem Vorbringen des Angeklagten noch aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass dem Verteidiger überhaupt ein entsprechender Auftrag erteilt worden ist. Die Führung der Verteidigung ist aber Sache des Angeklagten und seines Verteidigers. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandanten zu überwachen. Eine Verpflichtung zum Eingreifen besteht nur, wenn das Versagen eines Verteidigers für die Justiz offenkundig ist oder sie davon unterrichtet wird (EGMR, Urteil vom 59519/00 – Staroszczyk/Polen Tz. 122, 133; Rn. 4 f.; Beschluss vom 6 StR 86/24 Rn. 9; Beschluss vom – 3 StR 422/20 Rn. 7; Beschluss vom 4 StR 68/20 Rn. 5 ff.). Allein der Umstand, dass das Landgericht das Urteil nicht an den Pflichtverteidiger zustellen konnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ein etwaiger Mangel war spätestens am – mithin noch einen Tag vor Zustellung des Urteils an den Angeklagten – mit Mitteilung der geänderten Anschrift des Pflichtverteidigers behoben.“