Und dann habe ich im dritten Posting noch eine Entscheidung zur Akteneinsicht, und zwar den AG Stade, Beschl. v. 01.04.2025 – 34 Gs 143 Js 24725/24 (1039/25). In ihm geht es um das Akteneinsichtsrecht eine – nur mittelbar – Verletzten.
Die Staatsanwaltschaft führte wegen des Verdacht des Abrechnungsbetruges gegen die vormals Beschuldigten als Verantwortliche der T & F. GmbH in G. als Betreiber der M. in G ein Strafverfahren.
Ausgangspunkt des Ermittlungsverfahrens war eine Strafanzeige des B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H. Hierin warf der Anzeigeerstatter den Beschuldigten vor jedenfalls eine Zeugin E. als Übungsleiterin im Rahmen der durch die T & F. GmbH angebotenen Rehabilitationssportgruppen und Funktionstrainings eingesetzt und abgerechnet zu haben, obwohl die Zeugin nicht über die hierfür erforderliche Lizenz verfügt habe. Erst im Jahr 2024 habe die Zeugin die Ausstellung einer entsprechenden Lizenz beantragt. Eine Abrechnung gegenüber den Krankenkassen dürfe aber nur erfolgen, wenn ein anerkannter Leistungserbringer den Rehabilitationssport durch lizensierte Übungsleiter durchführen lasse. Dies sei hier gerade nicht der Fall gewesen.
Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin die Ermittlungen aufgenommen und u.a. Auskünfte bei der A. und dem D. eingeholt sowie die Zeugin E. vernommen. Mit Schreiben vom 22.08.2024 (Bl. hat der Anzeigeerstatter Akteneinsicht beantragt. Diesem Gesuch trat der Beschuldigte T. K. entgegen. Die Staatsanwaltschaft hörte dann die A. nach Nr. 90 RiStBV an und gab insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme, als dass die Staatsanwaltschaft beabsichtigte das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, da sich jedenfalls ein Täuschungs- und Bereicherungsvorsatz nicht nachweisen lasse. Der beabsichtigten Verfahrensweise trat die A. mit Schreiben vom 08.01.2025 nicht entgegen.
Die Staatsanwaltschaft hat dann Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und zugleich ds Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters zurückgewiesen, da dieser nicht Verletzter im Sinne des § 373b StPO bzw. § 172 StPO sei.
Hierauf beantragte der Anzeigeerstatter gerichtliche Entscheidung. Das berechtigte Interesse ergeben sich aus dem Umstand, dass der Anzeigeerstatter anerkannter Leistungserbringer nach § 64 SGB IX für Rehabilitationssport/Funktionstraining sei und seit 2010 entsprechende Kurse in der M. anbiete, die durch die Beschuldigten als Geschäftsführer der T & F. GmbH betrieben werde. Dem Anzeigeerstatter seien zur eigenen Nutzung durch die T & F. GmbH zahlreiche Nutzungszeiten entzogen worden. Auch sei zwischenzeitlich der Zugang zum Aktivbecken vollständig verwehrt worden. Hierdurch sei dem Anzeigeerstatter ein existenzbedrohender Schaden entstanden. Die T & F. GmbH habe durch den Einsatz einer nicht lizensierten Übungsleiterin eine wirtschaftliche Konkurrenz zum Anzeigeerstatter verhindert. Er sei mithin jedenfalls mittelbar geschädigt worden und damit auch Verletzter, woraus sich das Akteneinsichtsrecht ergebe.
Der Antrag hatte beim AG keinen Erfolg:
„Dem gemäß § 406e Abs. 5 S. 2 StPO zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt der Erfolg versagt.
Nach § 406e Abs. 1 StPO kann ein Rechtsanwalt für den Verletzten Einsicht in die Akten nehmen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Wer Verletzter im Sinne des § 406e StPO ist bestimmt sich nach dem Verletztenbegriff des § 373b Abs. 1 StPO (vgl. BeckOK StPO/Weiner StPO § 406e Rn. 2). Hiernach sind Verletzte diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.
Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Legaldefinition des § 373b Abs. 1 StPO, dass zwingende Voraussetzung stets eine unmittelbare Beeinträchtigung bzw. ein unmittelbarer Schaden ist. Eine solche Unmittelbarkeit liegt vor, wenn der eingetretene Schaden bzw. die Beeinträchtigung des Rechtsguts sich als Folge der begangenen Straftat darstellt, mit dieser einhergeht und sich der tatbestandspezifische Zusammenhang realisiert hat. Die dem Straftatbestand anhaftende Gefahr muss sich also gerade in dem Eintritt des Schadens bzw. der Beeinträchtigung des Rechtsguts niedergeschlagen haben (vgl. dazu MüKoStPO/Schreiner StPO § 373b Rn. 16, 20).
Vorliegend kommt der Anzeigeerstatter aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als unmittelbar Geschädigter in Betracht. Soweit er den beiden Beschuldigten als Verantwortliche der T & F. GmbH im Rahmen der Anzeigenerstattung vorgeworfen hat, nicht lizensierte Übungsleiter eingesetzt und dies im Rahmen der Abrechnung mit den Krankenkassen nicht offengelegt zu haben, kämen ausschließlich die Krankenkassen als Geschädigte in Betracht. Denn Erstattung der Kosten für die Erbringung von Rehabilitationssport/Funktionstraining durch die Krankenkassen ist erforderlich, dass diese Kurse von lizensierten Übungsleitern angeleitet werden. Sollte dies – wie nach dem Vorwurf des Anzeigeerstatters – nicht der Fall gewesen sein, so ergibt sich der Verdacht des Betruges. Der Schaden wäre in einem solchen Fall aber ausschließlich bei der die Erstattung übernehmenden Krankenkasse eingetreten. Der Anzeigeerstatter selbst hätte hierdurch gerade keinen unmittelbaren Schaden erlitten.
Soweit er vorträgt, dass ihm durch den Einsatz von nicht lizensierten Übungsleitern Kapazitäten zum Betrieb eigener Kurse verwehrt worden sei, ist bereits nicht ersichtlich, dass dies überhaupt tatsächlich der Fall gewesen sein könnte. Unabhängig davon, könnte es sich hierbei aber – wenn überhaupt – (wie der Anzeigeerstatter auch selbst erkennt) lediglich um einen mittelbaren Schaden handeln. Dieser begründet nach dem eindeutigen Wortlaut des § 373b Abs. 1 StPO aber gerade keine Verletzteneigenschaft.
Der Anzeigeerstatter kommt daher gerade nicht als Verletzter im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO in Betracht. Die Staatsanwaltschaft S. hat das Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H., mithin zu Recht abgelehnt.“
Kleiner Hinweis an diejenigen, die den Beitrag erst heute Abend (15.05.2025) oder später aufrufen: Es kann sein, dass die Verlinkung dann nicht funktioniert. Grund ist, dass ich mit meiner Homepage umziehe und sie – und daher auch die dort gespeicherten Entscheidungen – einige Zeit nicht erreichbar sind. Der „Fehler“ sollte aber schnell behoben sein.