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StPO III: Akteneinsicht des nur mittelbar Verletzten?, oder: Wer Verletzter ist, bestimmt das Gesetz

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Und dann habe ich im dritten Posting noch eine Entscheidung zur Akteneinsicht, und zwar den AG Stade, Beschl. v. 01.04.2025 – 34 Gs 143 Js 24725/24 (1039/25). In ihm geht es um das Akteneinsichtsrecht eine – nur mittelbar – Verletzten.

Die Staatsanwaltschaft führte wegen des Verdacht des Abrechnungsbetruges gegen die vormals Beschuldigten als Verantwortliche der T & F. GmbH in G. als Betreiber der M. in G ein Strafverfahren.

Ausgangspunkt des Ermittlungsverfahrens war eine Strafanzeige des B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H. Hierin warf der Anzeigeerstatter den Beschuldigten vor jedenfalls eine Zeugin E. als Übungsleiterin im Rahmen der durch die T & F. GmbH angebotenen Rehabilitationssportgruppen und Funktionstrainings eingesetzt und abgerechnet zu haben, obwohl die Zeugin nicht über die hierfür erforderliche Lizenz verfügt habe. Erst im Jahr 2024 habe die Zeugin die Ausstellung einer entsprechenden Lizenz beantragt. Eine Abrechnung gegenüber den Krankenkassen dürfe aber nur erfolgen, wenn ein anerkannter Leistungserbringer den Rehabilitationssport durch lizensierte Übungsleiter durchführen lasse. Dies sei hier gerade nicht der Fall gewesen.

Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin die Ermittlungen aufgenommen und u.a.  Auskünfte bei der A. und dem D. eingeholt sowie die Zeugin E. vernommen. Mit Schreiben vom 22.08.2024 (Bl. hat der Anzeigeerstatter Akteneinsicht beantragt. Diesem Gesuch trat der Beschuldigte T. K. entgegen. Die Staatsanwaltschaft hörte dann die A. nach Nr. 90 RiStBV an und gab insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme, als dass die Staatsanwaltschaft beabsichtigte das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, da sich jedenfalls ein Täuschungs- und Bereicherungsvorsatz nicht nachweisen lasse. Der beabsichtigten Verfahrensweise trat die A. mit Schreiben vom 08.01.2025 nicht entgegen.

Die Staatsanwaltschaft hat dann Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und zugleich ds Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters zurückgewiesen, da dieser nicht Verletzter im Sinne des § 373b StPO bzw. § 172 StPO sei.

Hierauf beantragte der Anzeigeerstatter gerichtliche Entscheidung. Das berechtigte Interesse ergeben sich aus dem Umstand, dass der Anzeigeerstatter anerkannter Leistungserbringer nach § 64 SGB IX für Rehabilitationssport/Funktionstraining sei und seit 2010 entsprechende Kurse in der M. anbiete, die durch die Beschuldigten als Geschäftsführer der T & F. GmbH betrieben werde. Dem Anzeigeerstatter seien zur eigenen Nutzung durch die T & F. GmbH zahlreiche Nutzungszeiten entzogen worden. Auch sei zwischenzeitlich der Zugang zum Aktivbecken vollständig verwehrt worden. Hierdurch sei dem Anzeigeerstatter ein existenzbedrohender Schaden entstanden. Die T & F. GmbH habe durch den Einsatz einer nicht lizensierten Übungsleiterin eine wirtschaftliche Konkurrenz zum Anzeigeerstatter verhindert. Er sei mithin jedenfalls mittelbar geschädigt worden und damit auch Verletzter, woraus sich das Akteneinsichtsrecht ergebe.

Der Antrag hatte beim AG keinen Erfolg:

„Dem gemäß § 406e Abs. 5 S. 2 StPO zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt der Erfolg versagt.

Nach § 406e Abs. 1 StPO kann ein Rechtsanwalt für den Verletzten Einsicht in die Akten nehmen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse hat. Wer Verletzter im Sinne des § 406e StPO ist bestimmt sich nach dem Verletztenbegriff des § 373b Abs. 1 StPO (vgl. BeckOK StPO/Weiner StPO § 406e Rn. 2). Hiernach sind Verletzte diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.

Es ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Legaldefinition des § 373b Abs. 1 StPO, dass zwingende Voraussetzung stets eine unmittelbare Beeinträchtigung bzw. ein unmittelbarer Schaden ist. Eine solche Unmittelbarkeit liegt vor, wenn der eingetretene Schaden bzw. die Beeinträchtigung des Rechtsguts sich als Folge der begangenen Straftat darstellt, mit dieser einhergeht und sich der tatbestandspezifische Zusammenhang realisiert hat. Die dem Straftatbestand anhaftende Gefahr muss sich also gerade in dem Eintritt des Schadens bzw. der Beeinträchtigung des Rechtsguts niedergeschlagen haben (vgl. dazu MüKoStPO/Schreiner StPO § 373b Rn. 16, 20).

Vorliegend kommt der Anzeigeerstatter aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als unmittelbar Geschädigter in Betracht. Soweit er den beiden Beschuldigten als Verantwortliche der T & F. GmbH im Rahmen der Anzeigenerstattung vorgeworfen hat, nicht lizensierte Übungsleiter eingesetzt und dies im Rahmen der Abrechnung mit den Krankenkassen nicht offengelegt zu haben, kämen ausschließlich die Krankenkassen als Geschädigte in Betracht. Denn Erstattung der Kosten für die Erbringung von Rehabilitationssport/Funktionstraining durch die Krankenkassen ist erforderlich, dass diese Kurse von lizensierten Übungsleitern angeleitet werden. Sollte dies – wie nach dem Vorwurf des Anzeigeerstatters – nicht der Fall gewesen sein, so ergibt sich der Verdacht des Betruges. Der Schaden wäre in einem solchen Fall aber ausschließlich bei der die Erstattung übernehmenden Krankenkasse eingetreten. Der Anzeigeerstatter selbst hätte hierdurch gerade keinen unmittelbaren Schaden erlitten.

Soweit er vorträgt, dass ihm durch den Einsatz von nicht lizensierten Übungsleitern Kapazitäten zum Betrieb eigener Kurse verwehrt worden sei, ist bereits nicht ersichtlich, dass dies überhaupt tatsächlich der Fall gewesen sein könnte. Unabhängig davon, könnte es sich hierbei aber – wenn überhaupt – (wie der Anzeigeerstatter auch selbst erkennt) lediglich um einen mittelbaren Schaden handeln. Dieser begründet nach dem eindeutigen Wortlaut des § 373b Abs. 1 StPO aber gerade keine Verletzteneigenschaft.

Der Anzeigeerstatter kommt daher gerade nicht als Verletzter im Sinne des § 406e Abs. 1 StPO in Betracht. Die Staatsanwaltschaft S. hat das Akteneinsichtsgesuch des Anzeigeerstatters B. e. V., vertreten durch die erste Vorsitzende C. H., mithin zu Recht abgelehnt.“

Kleiner Hinweis an diejenigen, die den Beitrag erst heute Abend (15.05.2025) oder später aufrufen: Es kann sein, dass die Verlinkung dann nicht funktioniert. Grund ist, dass ich mit meiner Homepage umziehe und sie – und daher auch die dort gespeicherten Entscheidungen – einige Zeit nicht erreichbar sind. Der „Fehler“ sollte aber schnell behoben sein.

StPO III: Wer ist für das Rechtsmittel zuständig, oder: Drittbetroffene mit eigenem Ermittlungsverfahren

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In diesem dritten Posting komme ich dann noch einmal auf Durchsuchungsmaßnahmen zurück. Es geht im OLG Celle, Beschl. v. 14.04.2025 – 2 Ws 93/25 – um das „richtige“ Rechtsmittel von sog. Drittbetroffenen.

Die Staatsanwaltschaft führte unter dem Az.: 453 Js 24649/15 ein Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten K., G. und S. Mit Beschluss vom 29.07.2024 (Az.: 9a Gs 2526/24) ordnete der Ermittlungsrichter des AG die Durchsuchung der Wohnung des Drittbetroffenen gem. §§ 103, 105 StPO zur Ergreifung des Beschuldigten B. G. sowie die Beschlagnahme elektronischer Kommunikationsmittel des Drittbetroffenen sowie zielfahndungsrelevanter Gegenstände und Unterlagen an, welche Hinweise auf den Aufenthaltsort von B. G. enthalten.

Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung wurde am 05.082024 vollstreckt, wobei im Rahmen der Durchführung der Maßnahme durch die Ermittlungsbehörden zahlreiche Lichtbilder angefertigt wurden. Der Drittbetroffene wandte sich gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vom 29.07.2024 und beantragte zugleich gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog festzustellen, dass die Anfertigung der Lichtbilder im Rahmen der Durchführung der Maßnahme rechtswidrig war. Zugleich begehrte er die Löschung der angefertigten Lichtbilder einschließlich sämtlicher Auszüge und Abdrücke.

Das AG hat der Beschwerde des Drittbetroffenen nicht abgeholfen und das LG daraufhin die Beschwerde des Drittbetroffenen vom 18.08.2024. Zugleich wies das LG in den Gründen der Entscheidung darauf hin, dass die Kammer zur Entscheidung über die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefertigten Lichtbilder und Löschung derselben nicht berufen sei, weil insoweit zunächst das nach § 162 Abs. 1 StPO zuständige AG zu entscheiden habe. Mit der am 05.11.2024 erfolgten Anklageerhebung gegen die am 26.02.2024 festgenommene Angeklagte K. trennte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die weiter flüchtigen Beschuldigten G. und S. ab. Dieses wird nunmehr unter dem Az.: 1128 Js 56288/24 geführt..

Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte des Drittbetroffenen die Anträge nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog ergänzend begründete, verwarf die Strafkammer, die für die Durchführung der Hauptverhandlung gegen die Angeklagte K. zuständig ist, die Anträge als unbegründet.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Drittbetroffene mit seiner Beschwerde, die Erfolg hatte:

„Die gem. § 304 StPO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet, weil die 1. große Strafkammer des Landgerichts Verden für die Entscheidung über die Anträge gemäß § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog nicht zuständig ist, so dass der angefochtene Beschluss deswegen aufzuheben war. Zuständig für die Entscheidung ist vielmehr der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Verden.

Für den Fall, dass die richterliche Durchsuchungsanordnung – wie hier – keine ausdrückliche Regelung über die Modalitäten der Durchsuchung enthält, ist die Überprüfung der Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchung durch die richterliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO zu beantragen (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1999 – StB 7/99 –, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 20. Januar 1999 – 1 VAs 3/98 –, juris). Zuständig für diese richterliche Entscheidung ist bis zur Anklageerhebung gem. §§ 98 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 162 Abs. 1 S. 1 StPO der Ermittlungsrichter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat, hier mithin der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Verden.

Dessen Zuständigkeit ist vorliegend entgegen der Auffassung der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Verden mit der am 5. November 2024 erfolgten Anklageerhebung gegen die Angeklagte K. nicht entfallen.

Denn für Ermittlungseingriffe gegenüber Personen, gegen die wegen der Beteiligung an einer bereits angeklagten Tat noch ein gesondertes Ermittlungsverfahren geführt wird, gilt nicht § 162 Abs. 3 S. 1, sondern § 162 Abs. 1 StPO (vgl. MüKoStPO/Kölbel/Ibold, 2. Aufl. 2024, StPO § 162 Rn. 16; Ziegler in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 3. Auflage, 2018, § 162, Rn. 19).

So liegt der Fall hier, nachdem die Staatsanwaltschaft Verden das Verfahren gegen die Beschuldigten G. und S. abgetrennt hat und dieses unter dem Az.: 1128 Js 56288/24 gesondert führt. Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass das Verfahren im Zeitpunkt der Durchführung der Durchsuchungsanordnung noch gegen alle drei Beschuldigte gemeinsam geführt wurde, keine Relevanz zu. Denn der in § 162 Abs. 3 S. 1 StPO geregelte Zuständigkeitswechsel vom Ermittlungsrichter zum Hauptsachegericht soll divergierende Entscheidungen verhindern, die einer Parallelzuständigkeit des Ermittlungsrichters innewohnen würden (MüKoStPO/Kölbel/Ibold, a.a.O., § 162, Rn. 19). Eine solche Gefahr divergierender Entscheidungen ist hier wegen der erfolgten Abtrennung des Verfahrens nicht gegeben. Die vom Landgericht angenommene „unnatürliche Aufspaltung des Lebenssachverhaltes“ ist zudem nicht gegeben, denn die angeordnete Durchsuchung diente allein der Ergreifung des weiterhin flüchtigen Beschuldigten G., so dass auch der vom Landgericht angenommene Sachbezug der Durchsuchungsmaßnahme zum Verfahren gegen die Angeklagte K. nicht gegeben ist. „

StPO II: Verletztenbegriff im Sinne der Nebenklage, oder: Wenn (noch) kein Strafantrag gestellt ist

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Im zweiten Posting stelle ich hier den KG, Beschl. v. 17.02.2025 – 3 Ws 4/25 – vor. Thematik: Verletztenbegriff im Sinne der Nebenklagevorschriften und prozessuale Tat bei Nebenklagedelikten.

Die Staatsanwaltschafthat gegen den Angeklagten Anklage wegen Mordes erhoben und zum Tatgeschehen im konkreten Anklagesatz u.a. wie folgt ausgeführt:

„… Am Abend des 28. August 2024 hielt sich der Angeschuldigte, der sich zuvor mit einem Messer mit einer Klinge von ca. 10 cm bewaffnet hatte, gegen 20 Uhr erneut vor dem Haus der Geschädigten in der H-straße in B. verborgen und wartete auf die Geschädigte, die kurz darauf das Haus verließ, um zu ihrem Auto zu gehen. Trotz der Vorfälle in den vergangenen Jahren rechnete sie zu diesem Zeitpunkt nicht damit, dass ihr der Angeschuldigte auflauern würde und wurde daher völlig von dem plötzlichen Auftauchen des Angeschuldigten überrascht, wodurch sie in ihrer Verteidigungsbereitschaft eingeschränkt war. Der Angeschuldigte, der genau diesen Umstand zur Umsetzung seines Tatentschlusses ausnutzen wollte, nachdem es der Geschädigten bei vorangegangenen Begegnungen gelungen war, die Polizei zu verständigen oder sich auf andere Weise zur Wehr zu setzen, ging sofort auf sie los und versetzte ihr Schläge und Tritte, sodass die Geschädigte auf den Boden fiel. Daraufhin setzte er sich auf die Geschädigte und schlug weiterhin auf sie ein, während er sie als „Hure“ und „Schlampe“ beschimpfte und äußerte, dass sie sterben müsse. Der Geschädigten gelang es jedoch kurz, sich aufzurappeln und ein paar Meter in Richtung H-straße zu flüchten, als die Zeugin X und der Zeuge Y versuchten, verbal auf den Angeschuldigten einzuwirken und laut um Hilfe riefen. Der Angeschuldigte holte die Geschädigte jedoch auf Höhe des Müllplatzes wieder ein und versetzte ihr einen weiteren massiven Tritt, wodurch die Geschädigte erneut zu Boden fiel. Der Angeschuldigte stach ihr anschließend in unbedingtem Tötungswillen mit dem Messer drei Mal in die Brust, wobei ein Stich das Herz traf und die rechte Herzkammer verletzte.

Die Zeugin Dr. Z versuchte daraufhin einzugreifen und legte sich mit ihrem Körper schützend über die am Boden liegende, bereits tödlich verletzte Geschädigte. Dem Angeschuldigten gelang es dennoch, der Geschädigten einen weiteren Messerstich in den Oberschenkel und mehrere wuchtige Tritte gegen den Kopf zu versetzen. Anschließend ließ er von der Geschädigten ab und beobachtete daraufhin die Rettungsversuche der Zeugin Dr. Z und der weiteren hinzukommenden Zeugen, denen gegenüber er angab, dass die Geschädigte es nicht verdient hätte, zu leben und dass er so handeln musste, da es um seine Ehre gegangen sei. Trotz unmittelbar eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen durch die Zeugin Dr. Z sowie der Fortführung dieser am offenen Herzen durch die herbeigerufenen Rettungskräfte verstarb die Geschädigte auf Grund des massiven Blutverlustes durch die Eröffnung der rechten Herzkammer.“

Die Anklage wurde unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Zeugin hat ihre Zulassung als Nebenklägerin sowie die Beiordnung eines Rechtsbeistandes beantragt und Schadensersatzansprüche im Ädhäsionswege geltend gemacht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei im Rahmen der Tatausführung durch den Angeklagten ebenfalls erheblich verletzt worden, so habe sie u.a. Abschürfungen, einen Dreifachbruch im linken Kniegelenk und Prellungen erlitten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bd. IV Bl. 207 – 210 d. A. verwiesen.

Das LG hat die und darauf verwiesen, die Beschwerdeführerin sei nicht Verletzte im Sinne der Nebenklagevorschriften, da sie durch die Tat (ihre Begehung unterstellt) nicht unmittelbar verletzt worden sei. Im Übrigen habe sie auch keinen Strafantrag gestellt und die Staatsanwaltschaft habe aufgrund ihrer zeugenschaftlichen Angaben von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen.

Dagegen die Beschwerde, die beim KG Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 StPO) und hat in der Sache (überwiegend) Erfolg.

1. Die Beschwerdeführerin ist – nach vorläufiger Würdigung – als verletzte Person einer rechtswidrigen Tat nebenklageberechtigt gemäß §§ 395 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO, 223, 224 StGB. Die Nebenklagebefugnis aus § 395 Abs. 1 StPO besteht schon dann, wenn nach der Sachlage oder aufgrund des tatsächlichen Vorbringens des Antragstellers die Verurteilung des Angeklagten rechtlich möglich erscheint (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 352; NStZ-RR 2002, 340; LG Koblenz NJW 2004, 305; OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.4.2010 – 1 Ws 54/10 –, juris; LG Hamburg, Beschluss vom 23. April 2018 – 606 Qs 8/18 –, juris; OLG Düsseldorf NStZ 1997, 204; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 396 Rn. 10). In den Fällen des § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO genügt es deshalb, wenn nach dem von der Anklage umfassten Sachverhalt (§§ 155, 264 StPO) die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung materiell-rechtlich in Betracht kommt (BGH NStZ-RR 2008, 352; OLG Düsseldorf, a. a. O.; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 9. November 1978 – 3 Ws 758/78 –, beck online). Die Nebenklagebefugnis setzt dagegen keinen dringenden oder auch nur hinreichenden Tatverdacht für eine zum Anschluss berechtigende Tat voraus (BGH a.a.O., OLG Brandenburg, a.a.O.; LG Hamburg, a.a.O.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.); sie besteht sogar dann, wenn die tatsächliche Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Verurteilung gering ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.). Die Nebenklage ist bereits dann zuzulassen, wenn auch nur die geringe Möglichkeit vorhanden ist, dass der Angeklagte nach der Sachlage oder aufgrund des tatsächlichen Vorbringens des Beschwerdeführers wegen einer Nebenklagestraftat verurteilt wird (vgl. LG Hamburg, a.a.O.). Ob diese Möglichkeit gegeben ist, ist unabhängig davon zu beurteilen, ob die Anklage die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat in rechtlicher Hinsicht als eine Nebenklagestraftat bewertet hat oder ob die Voraussetzungen eines Nebenklagedelikts im Eröffnungsbeschluss bejaht oder verneint worden sind (LG Hamburg, a. a. O.).

2. Zur Frage, welche Tat im Sinne des § 264 StPO von der Anklage umfasst ist, gilt Folgendes: Die Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, der gegebenenfalls zur Aufhebung des Urteils führt (BGH, Urteil vom 30. September 2020 – 5 StR 99/20 –, juris).

Bezugspunkt dieser Prüfung ist die Tat im Sinne von § 264 StPO, also ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juni 2020 – 5 StR 435/19 –, juris).
3. In Ansehung der vorstehenden Grundsätze ist die Nebenklage hier zuzulassen. Nach Ansicht des Senats liegt hier ein einheitlicher Sachverhalt und eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO vor. Auf der Grundlage des von der Anklage mitgeteilten Sachverhalts, dem tatsächlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie dem weiteren Akteninhalt, insbesondere der vorliegenden Atteste, besteht auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher, mindestens aber vorsätzlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zum Nachteil der Beschwerdeführerin.

Bereits aus dem konkreten Anklagesatz der Anklageschrift ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin versuchte, die Geschädigte während des Angriffs zu schützen, indem sie sich mit ihrem Körper schützend über sie legte. Weiterhin ist der Anklage zu entnehmen, dass dies den Angeklagten nicht davon abgehalten hat, weiterhin mit einem Messer auf die am Boden liegende Geschädigte einzuwirken und ihr „mehrere wuchtige Tritte gegen den Kopf“ zu versetzen. Aus dem Inhalt der Akten ergibt sich zudem, dass die Beschwerdeführerin bereits am Tattag und am Tatort gegenüber dem Zeugen PKA W. angegeben hat, während des Geschehens leicht an den Unterschenkeln verletzt worden zu sein (Bd. I Bl. 12 d. A.). Im Rahmen ihres Zulassungsantrages vom 15. Januar 2025 trägt die Beschwerdeführerin weitere erhebliche Verletzungen vor, die sie aufgrund des Geschehens erlitten hat. Warum sie erstmals im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung unter Beifügung eines ärztlichen Attestes vorträgt, sie habe aufgrund des Vorfalles auch oberflächliche Schnittverletzungen erlitten, bleibt unklar. Fest steht aber, dass eine solche Verletzung – sowie auch die übrigen als typische Abwehrverletzungen bezeichneten Verletzungen – angesichts des offensichtlich sehr dynamischen Geschehens und geschilderten aggressiven Vorgehens des Angeklagten keinesfalls abwegig erscheint. Bereits in ihrer Vernehmung am 30. August 2024 (Bd. I Bl. 145 ff.) schilderte die Beschwerdeführerin, dass der Angeklagte auch weiterhin auf die Beine der Geschädigten eingestochen habe, nachdem sie sich schützend über diese gebeugt habe. Außerdem habe der Angeklagte „überall hingetreten“. Ferner berichtet die Beschwerdeführerin von einer kurzen Rangelei, die sie mit dem Angeklagten gehabt habe. Dass die nunmehr geschilderten Verletzungen, die durch Vorlage von Attesten belegt werden, Ausfluss des Geschehens sein können, liegt somit auf der Hand. Hieran ändert auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin angegeben hat, der Angeklagte habe nicht sie, sondern zielgerichtet die Geschädigte angegriffen, offenkundig nichts. Im Rahmen eines derartigen Geschehensablaufes unter Einsatz eines Messers ist es naheliegend, dass der Angeklagte, der sein Vorhaben weiterhin durchsetzte auch nachdem die Beschwerdeführerin sich mit ihrem Körper schützend über die Geschädigte gebeugt hatte, billigend in Kauf nahm, auch diese – wenn auch nicht zielgerichtet – zu verletzen. Dabei stellte sich dieses Geschehen zweifelsohne als Teil der angeklagten prozessualen Tat dar.

Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts liegt eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher, mindestens aber vorsätzlicher Körperverletzung nicht fern. Dass Anklage und Eröffnungsbeschluss nicht von einer Tat zum Nachteil der Beschwerdeführerin ausgehen, hat – wie bereits ausgeführt – für die Beurteilung, ob eine nebenklageberechtigte Tat vorliegt, keine Bedeutung. Es ist nach dem in der Anklage dargestellten Sachverhalt und insbesondere den Ausführungen der Beschwerdeführerin möglich, dass der Angeklagte wegen gefährlicher bzw. vorsätzlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 StGB und mithin einem nebenklagefähigen Delikt nach § 395 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO verurteilt wird. Dies wäre prozessual über die Erteilung eines Hinweises im Sinne des § 265 StPO auch möglich.

Im Hinblick auf den Einwand eines fehlenden Strafantrages gemäß § 230 StGB gilt, dass ein Verletzter zum Anschluss als Nebenkläger auch berechtigt ist, wenn er keinen Strafantrag gestellt hat, die Tat aber wegen Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses – was nachholbar wäre – verfolgt wird (vgl. Eschelbach in BeckOK StGB, 64. Ed., § 230 Rn. 5). Dass das Eingreifen der Beschwerdeführerin bei dem hier zugrundeliegenden Geschehen nicht bloß in ihrem privaten Interesse stand, sondern in besonderem Maße dem öffentlichen Interesse diente, bedarf keiner weiteren Erörterung.“

OWi I: Dauerbrenner Verwerfung des Einspruchs, oder: Vertrauen auf Verteidiger/Inhaftierung und mehr

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Und dann das eigentliche OWi-Programm des Tages.

Ich beginne mit Entscheidungen, die sich u.a. mit dem Dauerbrenner „Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen befassen, und zwar:

1. Die Rüge, ein nach § 74 Abs. 2 OWiG erlassenes Verwerfungsurteil sei prozessrechtswidrig, weil der Betroffene auf den Antrag des Verteidigers von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens hätte entbunden werden müssen, bedarf der Darlegung, dass der Verteidiger durch „nachgewiesene Vollmacht“ zur Vertretung und damit zur Antragstellung befugt war.

2. Jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände darf ein Betroffener nicht der Aussage seines Verteidigers vertrauen, er werde von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens entbunden und müsse daher zur Hauptverhandlung nicht erscheinen.

3. Zu den Voraussetzungen sog. „subjektiven Entschuldigtseins“.

1. Der tatsächliche Zugang eines Schriftstücks ist ggf. dadurch belegt, dass der Verteidiger gegen den Bußgeldbescheid für den Betroffenen Einspruch eingelegt hat und darüber hinaus Akteneinsicht genommen hat, so dass dann jedenfalls im Zeitpunkt der Einsichtnahme in die Bußgeldakte die Heilung des Zustellungsmangels wirksam geworden und die Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist.

2. Es ist nicht erforderlich, dass der Zustellungsadressat und der tatsächliche Empfänger eines Schriftstücks identisch sind; vielmehr reicht es aus, wenn das Dokument nicht dem genannten Adressaten, sondern einer Person zugeht, an die die Zustellung ebenfalls hätte gerichtet werden können.

3. Macht die Verteidigung zur Begründung eines Entbindungsantrags geltend, dass der Betroffene weiterhin in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert sei und er deshalb weder zu dem Hauptverhandlungstermin wirksam geladen worden sei, noch habe erscheinen können, gibt dieses offensichtlich nicht ungeeignete Entschuldigungsvorbringen Anlass für eine Erörterung in den Urteilsgründen geben.

1. Gegen einen möglicherweise verhandlungsunfähigen Betroffenen findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

2. Durch die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Hauptverhandlung trotz möglicher Verhandlungsunfähigkeit eines Mitbetroffenen wird die Verteidigung unzulässig beschränkt.