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StGB III: Falsche Anzeige angeblich bevorstehender Tat, oder: Reicht das für falsche Verdächtigung?

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Als dritte Entscheidung habe ich dann hier noch das AG Calw, Urt. v. 05.11.2024 – 8 Cs 32 Js 18114/24. Das AG hat die Angeklagte vom Vorwurf der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) frei gesprochen.

Gegenstand der Anklage war folgender Sachverhalt:

„Am pp. um pp.:53 Uhr teilten Sie fernmündlich, vermutlich von Ihrer Wohnadresse pp. unter dem auf Sie lautenden Anschluss pp. dem Polizeirevier Calw mit, dass der Zeuge pp. stark alkoholisiert und im Begriff sei, mit dessen zwei Kindern von dem Vereinsheim des pp. mit dem Auto nach Hause zu fahren. Dabei gaben Sie Ihren früheren Nachnamen pp. und das der Alkoholfahrt zuzuordnende amtliche Kennzeichen pp. an und wussten, dass der Zeuge pp. weder alkoholisiert noch unmittelbar im Begriff war, Auto zu fahren. Wie von Ihnen beabsichtigt, verlegten die anzeigeaufnehmenden Polizeibeamten des Polizeireviers Calw an die pp. Vereinsgaststätte, um wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt gegen den Zeugen pp. zu ermitteln.

Sie werden daher beschuldigt, einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen,

strafbar als falsche Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB.“

Das AG hat dann zusätzlich festgestellt, dass die Angeklagte das Polizeirevier Calw nicht über eine bekannte Kurzwahlnummer für Notfälle (namentlich 110 oder 112) sondern über die normale Festnetznummer anrief, in ihren Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten in nichts zum Ausdruck brachte, dass bereits die Fahrt unter Alkoholeinfluss auf öffentlichen Straßen unternommen worden sei, und dass der von ihr Angezeigte sich die Stellung eines Strafantrags vorbehalten hat, jedoch die Frist ohne weitere dahingehende Äußerung von ihm verstrichen ist.

Das AG hat aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Hier die Leitsätze:

1. Die vorsätzlich falsche Anzeige einer angeblich bevorstehenden Trunkenheitsfahrt eines anderen bei der Polizei über deren Festnetzanschluss ist allenfalls als Beleidigungsdelikt verfolgbar.

2. Gegenstand der falschen Verdächtigung gem. § 164 Abs. 1 StGB muss eine bereits unternommene Straftat bzw. entsprechende Amtspflichtverletzung sein.

3. Ein missbräuchlicher Notruf im Sinn von § 145 StGB setzt entweder einen entsprechenden Kommunikationsinhalt oder seine Absetzung über einen Notrufanschluss nach §164 TKG und NotrufV voraus.“

Strafe II: Berücksichtigung der sog. „Aufklärungshilfe“, oder: Wenn mehrere Tatbeteiligte „helfen“

Die zweite Entscheidung zur Strafzumessung stammt auch aus dem BtM-Bereich. Der BGH hat im

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– u.a. auch zur „Aufklärungshilfe“ Stellung genommen, und zwar wie folgt:

„3. Dies ergibt sich bereits aus der unterbliebenen Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Soweit angegriffen halten die Strafaussprüche rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zudem bemängelt die Staatsanwaltschaft zu Recht, dass die Ausführungen der Strafkammer die Voraussetzungen einer erfolgreichen Aufklärungshilfe im Sinne des zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung auf alle abgeurteilten Taten anzuwendenden § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht hinreichend belegen.

a) Eine Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG iVm § 49 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a BtMG, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte. Die Aufklärungshilfe muss vor Eröffnung des Hauptverfahrens geleistet werden (§ 31 Satz 3 BtMG iVm § 46b Abs. 3 StGB) und zu einem Aufklärungserfolg geführt haben, zu dem der Täter wesentlich beigetragen hat. Dieser Aufklärungserfolg und die ihm zugrunde liegende richterliche Überzeugung müssen im Urteil konkret und nachprüfbar dargestellt werden. Dazu gehört es, dass die Angaben des Angeklagten, jedenfalls in ihrem tatsächlichen Kern, der Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden und etwaige durch die Angaben veranlasste Strafverfolgungsmaßnahmen dargelegt werden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Februar 2023 – 3 StR 440/22 Rn. 8; vom 19. Juni 2024 – 5 StR 217/24 Rn. 5).

Offenbaren mehrere Tatbeteiligte ihr Wissen über gemeinsame Taten, so ist zu beachten, dass die alleinige Bestätigung bereits bekannter Erkenntnisse grundsätzlich keine Aufdeckung im Sinne von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG darstellt (BGH, Urteil vom 13. September 1990 – 4 StR 253/90, StV 1991, 66). Die dort normierte Vergünstigung kommt in der Regel vielmehr nur demjenigen Mittäter zugute, der als erster einen über seinen Tatbeitrag hinausgehenden Aufklärungsbeitrag leistet und damit die Möglichkeit der Strafverfolgung im Hinblick auf begangene Taten nachhaltig verbessert (BGH, Beschluss vom 17. März 1992 – 5 StR 60/92, NStZ 1992, 389; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 55/12, NJW 2013, 883, 885). Eine zeitlich nachfolgende Aussage, die die bereits bekannten Erkenntnisse wiederholt und darüber hinaus lediglich unwesentliche Randdetails des Tatgeschehens schildert, kann nur dann noch einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag darstellen, wenn erst durch diese Aussage den Strafverfolgungsorganen die erforderliche Überzeugung vermittelt wird, dass die bisherigen Erkenntnisse zutreffen.

b) Das Landgericht hat diese Maßgaben teilweise nicht beachtet. Es hat ungeachtet der gebotenen Differenzierung für beide Angeklagte im Ergebnis unterschiedslose Beiträge zur Aufklärung der Taten 1 bis 16 der Urteilsgründe festgestellt. Hierfür fehlt eine Grundlage, da im Urteil ungeklärt geblieben ist, ob und inwieweit einer oder beide Angeklagte die genannten Voraussetzungen erfüllt haben. Zur hierfür wesentlichen Reihenfolge und dem etwaigen zeitlichen Abstand ihrer Angaben enthält es keine Angaben. Angesichts dessen besteht auch kein Anlass für die Annahme, dass sich die Angeklagten zur selben Zeit eingelassen haben.

Strafe I: BtM-Delikt mit Cannabis und Kokain, oder: Vollständige Sicherstellung

Bild von Alexa auf PixabayHeute dann mal wieder drei Strafzumessungsentscheidungen vom BGH.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 07.01.2025 – 3 StR 305/24. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln verurteilt. Dagegen die Revision, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„Während die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch und zum Absehen von der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, hat der Strafausspruch keinen Bestand.

Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung nicht bedacht, dass das jeweils von den Taten erfasste Kokain und Cannabis vollständig sichergestellt wurde und nicht in den Verkehr gelangte. Dabei handelt es sich – jedenfalls insoweit, als Drogen zum Handeltreiben bestimmt sind – wegen des damit verbundenen Wegfalls der von Betäubungsmitteln und Cannabis üblicherweise ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO, der sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu beachten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2023 – 3 StR 217/23, StV 2024, 427 Rn. 15 mwN).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer geringeren Strafe gelangt wäre, wenn es die Sicherstellung zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hätte.

Die Sache bedarf daher zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass der Grenzwert zur nicht geringen Menge auch nach dem Konsumcannabisgesetz unverändert bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) anzunehmen ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 – 3 StR 154/24, NStZ 2024, 547 Rn. 8 mwN). Eine Aufhebung der zugehörigen Feststellungen war indes nicht angezeigt, weil es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.“

KCanG/BtM III: Einfuhr von Cannabis zum Handel, oder: Einfuhr als unselbständiger Teilakt des Handeltreibens

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Und dann als dritte Entscheidung habe ich heute noch den BGH, Beschl. v. 15.08.2024 – 5 StR 243/24. Schon etwas älter, aber erst jetzt veröffentlicht.

Das LG hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die teilweise Erfolg hatte. Der BGH hat das Urteil des LG im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte (nur) der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist und hat den Strafausspruch aufgehoben:

„1. Der Angeklagte unterstützte in den zwei Fällen unbekannte Dritte bei dem Export von Cannabisblüten aus Spanien nach Deutschland zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs, indem er als Geschäftsführer einer nur zu solchen Zwecken gegründeten spanischen Transportfirma fungierte und seine persönlichen Daten für die getarnte Beförderung des Cannabis durch gutgläubige internationale Speditionen zur Verfügung stellte. Zudem fuhr er weisungsgemäß an die jeweiligen Ankunftsadressen, um das Cannabis entgegenzunehmen und an Abnehmer zu transportieren. Im Fall II.1 handelte es sich um 74 kg Cannabisblüten mit einer Wirkstoffmenge von 11,3 kg THC und im Fall II.2 um 77 kg Cannabisblüten mit einer Wirkstoffmenge von 11,2 kg THC, die jeweils von den Polizeibehörden sichergestellt wurden und nicht in den Verkehr gelangten.

Das Landgericht hat die Taten rechtlich jeweils als Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB gewertet und die Strafen dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG entnommen.

2. Da sich die festgestellten Handlungen ausschließlich auf Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG beziehen, hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB die seit dem 1. April 2024 geltende Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 KCanG (BGBl. I 2024 Nr. 109) als hier milderes Recht zur Anwendung zu bringen; die Voraussetzungen des den gleichen Strafrahmen wie § 30 Abs. 1 BtMG eröffnenden § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG (Bande) hat die Strafkammer nicht festgestellt.

a) Dies führt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO zur Umstellung des Schuldspruchs jeweils auf Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB. Den Schuldspruchänderungen steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

b) Eine tateinheitliche Verurteilung auch wegen Beihilfe zur Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) kommt nicht in Betracht.

Die Einfuhr von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG, die wie hier dem gewinnbringenden Umsatz dient, geht als unselbständiger Teilakt im Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG auf (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2024 – 5 StR 296/24; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 92, 108; zu § 29 Abs. 1 BtMG vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 StR 35/13; vom 1. März 2007 – 3 StR 55/07; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 534).

Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn sich die Einfuhrhandlungen zum Zwecke des Handeltreibens mit Cannabis, so wie hier, auf eine nicht geringe Menge beziehen (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG). Denn anders als beim Handel mit Betäubungsmitteln (§§ 29a, 30 BtMG) sieht das KCanG keinen höheren Strafrahmen für eine Einfuhr von Cannabis im Verhältnis zum Handeltreiben vor. Beide Begehungsvarianten (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 und 5 KCanG) werden vom Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, das pauschal auf Handlungen gemäß § 34 Abs. 1 KCanG verweist, einheitlich erfasst (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2024 – 5 StR 296/24). Eine parallele Handhabung der Bewertung des Konkurrenzverhältnisses wie im Betäubungsmittelgesetz hinsichtlich der Tatbestände der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) und dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), zwischen denen nach herrschender Meinung Tateinheit besteht (vgl. nur BGH, Urteile vom 24. Februar 1994 – 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73; vom 24. November 1982 – 3 StR 384/82, BGHSt 31, 163), kommt deshalb nicht in Betracht.

3. Die Einzelstrafen können nicht bestehen bleiben, weil der nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB zu verschiebende Strafrahmen des § 34 Abs. 1 und 3 KCanG (vgl. zur nicht geringen Menge im Sinne von § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24; vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24; Urteil vom 24. April 2024 – 5 StR 516/23) eine mildere Strafe androht als der von der Strafkammer angewendete gemilderte Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG. Dies zieht den Wegfall des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).“

KCanG/BtM I: Inbesitznahme von Cannabissetzlingen, oder: Ist das schon Handeltreiben?

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Und die Berichterstattung geht dann heute weiter mit Entscheidungen des BGH zum KCanG bzw. zum BtMG.

Zunächst stelle ich den BGh, Beschl. v. 27.11.2024 – 3 StR 25/24 – vor. Es handelt sich um einen sog. Anfragebeschluss des 3. Strafsenats beim 5. und 6. Strafsenat, ob die entgegenstehende Rechtsprechung zu einer beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats aufrechterhalten.

Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten am 09.10.2023 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und 899 sichergestellte Cannabissetzlinge eingezogen. Der Angeklagte hatte zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Januar 2023 oder davor an einem unbekannt gebliebenen Ort in Deutschland eine Plantage mit dem Ziel eingerichtet, Marihuana zu erzeugen und es gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die Plantage war spätestens am 11.04.2023 vollständig eingerichtet und bot Platz für mindestens 899 Cannabispflanzen. Sie war hinsichtlich Bewässerung, Düngung, Belüftung und Beleuchtung technisch so beschaffen, dass
die angebauten Pflanzen einen Mindestertrag von 25 Gramm Marihuana je Pflanze mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5%, mithin einen Gesamtertrag von 22.475 Gramm mit 1.123,75 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Ernte erbracht hätten. Jährlich wären drei Ernten möglich gewesen.

Am 11.04.2023 fuhr der Angeklagte mit seinem PKW in die Niederlande und übernahm bei einem Züchter 899 weibliche Cannabissetzlinge, um sie anschließend zu der Plantage zu transportieren, sie dort in größere Pflanztöpfe umzutopfen und nach Erreichen der Erntereife Erträge in der beschriebenen Größenordnung zu erzielen. Die zwölf bis 15 Zentimeter großen Setzlinge hatten Wurzeln ausgebildet. Sie waren in mit Erde befüllten Pflanzmulden von sieben
Kunststoffplatten (sog. Setzlingstrays) eingebracht. Bei einer polizeilichen Kontrolle im Anschluss an den Grenzübertritt nach Deutschland wurden die Setzlinge entdeckt und sichergestellt. Sie hatten nach Trocknung ein Gewicht von 200,15 Gramm und enthielten 7,005 Gramm THC.

Das LG hat die Tat als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet. Bereits der Ankauf und der Transport der Cannabissetzlinge mit dem Ziel, Cannabisprodukte zu gewinnen und zu veräußern, stellten eine auf den Umsatz mit Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit und keine bloßen Vorbereitungshandlungen dar.

Der 3. Strafsenat möchte den Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin ändern, dass der
Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist, den Strafausspruch
aufzuheben sowie im Übrigen unter Verwerfung der weitergehenden Revision wegen des Strafausspruchs zurückverweisen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass die Übernahme von Cannabissetzlingen in der Absicht, die zu einem späteren Zeitpunkt erwarteten Blüten als Marihuana (vgl. § 1 Nr. 6 und 8 KCanG) gewinnbringend zu verkaufen, bereits eine auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit dar und sie nicht dem Stadium der straflosen Vorbereitung – ebenso wenig demjenigen des Versuchs (§ 34 Abs. 2 KCanG) – zuzurechnen ist.

Da das in der Rechsprechung des BGH zum Teil anders gesehen worden ist, fragt der 3. Strafsenat:

1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Wer Cannabissetzlinge in Besitz nimmt, um ihren Ertrag nach weiterer Aufzucht in einer eingerichteten Plantage gewinnbringend zu verkaufen, verwirklicht den Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis, ohne dass ihre Einpflanzung in der Plantage erforderlich ist.

2. Der Senat fragt bei dem 5. und dem 6. Strafsenat an, ob an der anderslautenden Rechtsauffassung festgehalten wird (vgl. Urteil vom 15. März 2012 – 5 StR 559/11; Beschluss vom 27. Mai 2021 – 5 StR 337/20; Urteil vom 2. November 2022 – 6 StR 239/22), sowie vorsorglich bei den anderen Strafsenaten, ob dortige Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung entgegensteht und gegebenenfalls an dieser festgehalten wird.

Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf den Volltext.