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Vereinsrecht II: Verlust der Gemeinnützigkeit??? oder: Kein „actio pro socio“ des Vereinsmitglieds“

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandenburg, Urt. v. 11.05.2023 – 5 U 38/23 – wird um den Erlass einer einstweiligen Verfügung gekämpft. Und zwar verlangen die Kläger (Vereinsmitglieder) verlangen von dem Verfügungsbeklagten (dem Verein) im Wege der einstweiligen Verfügung, den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit der angestellten Geschäftsführerin zu unterlassen, weil sie hierin die Gemeinnützigkeit des Beklagten sowie in der Folge auch ihre Gemeinnützigkeit gefährdet sehen.

Nach dem Sachverhalt beabsichtigten der Vorstand des Beklagten und Frau B. im Herbst 2022, den Geschäftsführervertrag mit dieser vorzeitig zu beenden. Hierzu war zunächst eine Verkürzung der restlichen Vertragslaufzeit bis zum 31.12.2023 gegen Freistellung von der Dienstleistung bei gleichzeitiger Zahlung von Gehaltsbestandteilen beabsichtigt. Hiermit befasste sich der Vorstand des Beklagten zunächst auf seiner Sitzung vom 3.11.2022 und fasste am 23.11.2022 einen dahingehenden Beschluss, den er am 12.12.2022 nochmals bestätigte.

Am 21.12.2022 erklärten die Kläger zu 1, 3 und 4 den Austritt aus dem Beklagten. Auf Antrag des Beklagten vom 29.12.2022 erteilte das Finanzamt Potsdam dem Beklagten am 14. März 2023 die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, dass es der Auffassung zustimme, die Vergütungsfortzahlung im Sinne der im Antrag gestellten Regelung bei Freistellung sei nicht gemeinnützigkeitsschädlich. Grundlage der Anfrage war der Entwurf einer Beendigungsvereinbarung mit einer Restlaufzeit unter Freistellung von 6 Monaten ab Zugang der Auskunft des Finanzamts.

Das LG hat dem Beklagten bei Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, an Frau A. B. für Zeiträume ab dem 01.01.2023 Zahlungen auf Vergütungen, Nebenleistungen, sonstige Leistungen mit steuerwerten Vorteilen und Abfindungen zu leisten und sie gleichzeitig von arbeits- oder dienstrechtlichen Verpflichtungen freizustellen, oder mit ihr einen Vertrag abzuschließen, mit dem sich der Beklagte hierzu verpflichtet. Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, die beim OLG ERfolg hatte:

„Die Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg.

Jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, haben die Berufungsbeklagten weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund hinreichend schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht.

1. Einen Anspruch der Kläger, von dem Beklagten zu verlangen, den beabsichtigten Aufhebungsvertrag mit der Geschäftsführerin B. nicht abzuschließen, haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt.

a) Grundsätzlich obliegt der Abschluss des (Aufhebungs-)Vertrages dem Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführung (§ 27 Abs. 3 BGB) mit Vertretungsmacht für den Verein (§ 26 BGB). Grundsätzlich besteht Gleichlauf zwischen Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis. Die Satzung kann aber die Geschäftsführungsbefugnis so ausgestalten, dass sie hinter der Vertretungsmacht zurückbleibt. Dann ist ein Vorstandsverhalten, das von der Geschäftsführungsbefugnis nicht gedeckt ist, zwar eine wirksame Vertretungshandlung, im Innenverhältnis jedoch eine pflichtwidrige Geschäftsführungsmaßnahme (BeckOK/Schöpflin BGB § 27 Rn. 19).

Die Geschäftsführung des Vorstands für den Verein richtet sich nach den Vorschriften des Auftrags (§§ 27 Abs. 3, 664 bis 670 BGB). Im Verhältnis zum Vorstand ist der Verein durch seine Mitgliederversammlung als Geschäftsherr anzusehen. Wie beim Auftrag kann der Geschäftsherr Weisungen an den Vorstand erteilen. Enthält nicht bereits die Satzung Weisungen an den Vorstand, erfolgen sie also aufgrund Beschlussfassung der Mitgliederversammlung. An solche Weisungen der Mitgliederversammlung ist der Vorstand gebunden (§ BGB § 665); das Weisungsrecht gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern steht der Mitgliederversammlung als „Auftraggeber“ und nicht dem gesamten Vorstand zu (BGHZ 119 S. 379). Folglich können einzelne Vereinsmitglieder dem Vorstand nicht bestimmte Handlungen auferlegen, sondern allenfalls die Unterlassung und Beseitigung konkreter Satzungsverstöße verlangen sowie in der Mitgliederversammlung Missstände aufzeigen, die Entlastung verweigern oder bei einer Schädigung des Vereins Schadensersatz verlangen (BeckOK/Schöpflin BGB § 27 Rn. 20; MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 38 Rn. 25).

b) Hat demnach das einzelne Mitglied grundsätzlich gegenüber dem Vorstand keinen Anspruch darauf, dass dieser bestimmte Handlungen vornimmt, kommen Ansprüche allenfalls ausnahmsweise in der Form der action pro socio in Betracht (vgl. hierzu MüKoBGB a.a.O.). Die umstrittene Anwendung dieses Rechtsinstituts im Vereinsrecht kann damit begründet werden, dass ein Rechtsschutz durch die Einhaltung vereinsinterner Zuständigkeiten möglicherweise zu spät eingreift. Verfügt der Verein über kein Aufsichtsorgan, das in der Lage oder willens ist, die Ansprüche geltend zu machen, könnte eine actio pro socio in Betracht kommen (MüKoBGB/Leuschner a.a.O.).

c) Aufgrund dieser Besonderheiten wäre eine actio pro socio ausnahmsweise nur dann gegeben, wenn ein satzungs- oder gesetzwidriger Zustand durch die Mitgliederversammlung, insbesondere die Anfechtung rechtswidriger Beschlüsse der Versammlung, nicht mehr rechtzeitig repariert werden könnte. Sie führt nicht zu konkreten Handlungsansprüchen, sondern allenfalls zu Unterlassungs- oder Schadensersatzpflichten (OLG Köln Urteil vom 31. Januar 2020, Az. 6 U 187/19 = NZG 2020, 555 Rn. 15). Zudem kommt sie wegen des Ausnahmecharakters nicht bei jeder beabsichtigten Handlung des Vorstands in Betracht. Vielmehr ist entscheidend, ob Rechte der Vereinsmitglieder beeinträchtigt sind, weil durch die zu treffende Entscheidung der Vereinszweck aushöhlt wird. Hierzu gehört ein behaupteter drohender Verlust der steuerlich anerkannten Gemeinnützigkeit (§ 63 Abs. 1 AO) jedoch nicht. Insoweit ist zwischen Vereinszweck und der finanziellen Auswirkung eines konkreten Geschäfts zu unterscheiden. Die behauptete Gefahr des Verlustes der Gemeinnützigkeit ändert nichts daran, dass die Satzung selbst und der danach von dem Verein verfolgte Zweck nicht geändert werden. Gleiches gilt für die satzungsgemäßen Rechte der Mitglieder, die unverändert bestehen bleiben. Demgegenüber ist die Frage, ob das konkrete Handeln des Vorstandes dem Ziel der Gemeinnützigkeit entspricht, lediglich eine Frage der Steuerbegünstigung (OLG Celle Beschluss vom 12. Dezember 2017, Az. 20 W 20/17).

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Kläger bereits nicht schlüssig dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine actio pro socio vorliegen, so dass es auf die Frage der Anwendung dieses Rechtsinstituts auf das Vereinsrecht letztlich nicht ankommt.

aa) Die von den Klägern befürchtete finanzielle Auswirkung durch den Abschluss der Beendigungsvereinbarung mit Frau B. stellt von vornherein keinen den Vereinszweck des Beklagten aushöhlenden Satzungsverstoß dar, der in Umgehung der verbandsinternen Zuständigkeiten die Annahme einer actio pro socio rechtfertigen könnte. Es liegt demgemäß allein bei der Mitgliederversammlung, hier also der Landeskonferenz, die Vor- und Nachteile einer solchen Vereinbarung gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls den Vorstand anzuweisen (vgl. auch OLG Celle a.a.O.).

bb) Jedenfalls für den maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, ist nicht ersichtlich, dass die Kläger ausnahmsweise Rechte im Wege der actio pro socio geltend machen müssen, weil die Einhaltung vereinsinterner Zuständigkeiten zu spät greifen würde. Weder im erstinstanzlichen Verfahren noch auf den entsprechenden Berufungsangriff haben sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu dieser Voraussetzung vorgetragen.

Aus den eingereichten Unterlagen, insbesondere der Satzung des Beklagten, ergibt sich, dass die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, die einzig zu entsprechenden Weisungen gegenüber dem Vorstand berufen wäre, durch ein Drittel der Vereinsmitglieder verlangt werden kann (§ 8 Abs. 2 der Satzung; vgl. § 37 BGB). Vortrag, ob sie dieses Quorum nicht erreichen und bereits deshalb der vereinsinterne Entscheidungsprozess verschlossen ist, fehlt. Auch im Hinblick auf die Einberufungsfrist von 4 Wochen (§ 8 Abs. 2 S. 1 der Satzung) ist nicht ersichtlich, dass sie jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einer Entscheidung der Mitgliederversammlung entgegen gestanden hätte. Hierbei kann offen bleiben, ob die unzutreffende Verweisung in § 8 Abs. 2 S. 2 der Satzung ebenfalls zur Einhaltung der Vier-Wochen-Frist verpflichtet. War den Klägern jedenfalls bei ihrem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 19. Dezember 2022 die Absicht des Vorstandes bekannt, den verfahrensgegenständlichen Beendigungsvertrag abzuschließen, wäre ihr Verlangen auf Einberufung einer Landeskonferenz zeitgleich möglich gewesen. Sie haben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 27. April 2023 nicht vorgetragen, dass ihr Rechtsschutz durch ein solches Verlangen und die damit verbundene Einhaltung vereinsinterner Zuständigkeiten gleichwohl zu spät eingreifen würde. Letztlich gehen sie auch mit ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 3. Mai 2023 davon aus, dass die Einberufung einer Landeskonferenz (Mitgliederversammlung) zu Ende März 2023 hätte erfolgen können.

Ist folglich bereits aus dem Vortrag der Kläger nicht ersichtlich, dass sie ausnahmsweise zur Wahrung ihrer Rechte unter Umgehung der vereinsinternen Regelungen auf eine actio pro socio angewiesen sind, fehlt es an einem Anspruch, den Beklagten resp. dessen Vorstand zu einem Unterlassen zu verpflichten.“

Vereinsrecht I: Der Begriff „Institut“ im Vereinsnamen, oder: „Institut“ ist heute nicht mehr irreführend

Vereinsrecht- 11. Aufl.

Heute im „Kessel Buntes“ dann mal wieder etwas zum /aus dem Vereinssrecht, einem meiner „Vorkinder“ :-).

Im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.08.2023 – I-3 Wx 104/23 – geht es um den Namen einer GmbH/Gesellschaft. Ist also nicht direkt „Vereinsrecht“, die Fragen zum „richtigen“zulässigen Vereinsnamen werden aber ähnlich wie im HGB für Firmen beantwortet. Also passt die Entscheidung.

Gestritten worden ist um den (Firmen)Namen „Institut für Einfachheit GmbH“. Der war bei der Anmeldung der Firma genannt. Das Registergericht hatte abgelehnt. Die gewählte Firmenbezeichnung sei irreführend (§ 18 Abs. 2 HGB), da die Verwendung des Begriffs „Institut“ den Eindruck erwecke, dass es sich um eine öffentlich oder eine unter öffentlicher Aufsicht stehende Institution handele.das Handelsregister kostenpflichtig zurückgewiesen.

Dagegen die Beschwerde der Firma (des Vereins 🙂 ), die beim OLG Erfolg hatte:

„Die gemäß §§ 382 Abs. 3, 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Gemäß § 18 Abs. 1 HGB muss die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Gemäß § 18 Abs. 2 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.

Eine ersichtliche Irreführung durch die Verwendung der Firma „Institut für Einfachheit“ im Sinne der Vorschrift lässt sich nicht feststellen.

Zu den bedeutsamen Angaben über die gesellschaftlichen Verhältnisse gehören Angaben zu Art, Größe und Tätigkeit der Gesellschaft, zu ihrem Alter, ihrer Zusammensetzung oder ihren sonstigen Verhältnissen (Senat, Beschluss vom 16.04.2004 – I-3 Wx 107/04, Rn. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.04.2001 – 20 W 84/2001, Rn. 2, juris). Die durch die mögliche Täuschung in Betracht kommende Irreführung muss von einer gewissen Bedeutung für die angesprochenen Verkehrskreise sein, wobei ein objektiver Maßstab aus der Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises und deren verständiger Würdigung anzulegen ist (Senat, a.a.O., Rn. 16, juris).

Da es heutzutage zahlreiche in privater Rechtsform gewerblich tätige Organisationen gibt, die das Wort „Institut“ in ihrer Firma führen (z.B. Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, Kosmetikinstitut, Bestattungsinstitut, Reinigungsinstitut), führt – wie von der älteren Rechtsprechung angenommen – alleine die Bezeichnung „Institut“ für sich betrachtet den angesprochenen Verkehr nicht mehr zu der Vorstellung, es handele sich um eine öffentliche oder unter öffentlicher Aufsicht oder Förderung stehende, der Allgemeinheit und der Wissenschaft dienende Einrichtung mit wissenschaftlichem Personal, nicht aber um einen privaten Gewerbebetrieb oder um eine private Vereinigung (so noch BGH, Urteil vom 16.10.1986 – I ZR 157/84, Rn. 23, juris zu § 3 UWG a.F., jetzt § 5 UWG; zu § 18 Abs. 2 HGB a.F. BayObLG, Beschluss vom 26.04.1990 – BReg 3 Z 167/89, Rn. 25, juris, zu § 18 Abs. 2 HGB n.F. noch Senat, a.a.O., Rn. 17; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 26.10.2011 – 25 W 23/11, Rn. 10, juris). Dies gilt, obwohl der Begriff „Institut“ nach wie vor als Bezeichnung für eine wissenschaftliche Betriebseinheit einer Hochschule verwendet wird (vgl. z.B. BayObLG, a.a.O., Rn. 18; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4). So findet sich bei google zu den Stichworten „Institut“ und „GmbH“ zahlreiche Verweise auf Institute für Moderation und Management, für Facility Management, für Mitbestimmung, für Innovation und Transfer, ein Institut für Führungskräfte, das IST Studieninstitut, das Zukunftsinstitut und vieles mehr. Letztlich kann die Frage, ob und inwieweit vor dem dargestellten Hintergrund die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht fortentwickelt werden müssen, auf sich beruhen.

Denn auch bei Anwendung der bisherigen Rechtsgrundsätze folgt aus der Verwendung des Worts „Institut“ in der Firma vorliegend keine Irreführung. Danach muss die Bezeichnung „Institut“ für ein Privatunternehmen zur Vermeidung von Irreführungen mit klaren Hinweisen versehen werden, die einen solchen Charakter außer Zweifel stellen. Dabei kommt es stets auf die konkrete Art des Gebrauchs, insbesondere die im Zusammenhang mit dem Begriff „Institut“ verwendeten weiteren Bestandteile der Bezeichnung oder auf sonstige im Zusammenhang damit benutzte Angaben an (BGH, a.a.O. Rn. 23 zu § 3 UWG a.F.; zu § 18 Abs. 2 HGB BayObLG, a.a.O., Rn. 25; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; KG Berlin, a.a.O., Rn. 11, juris). Dabei reicht die Angabe des Rechtsformzusatzes, z.B. GmbH in der Regel nicht aus, um die Täuschungseignung auszuschließen (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 f., OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 4; vgl. Senat, a.a.O., Rn. 17 zu e.K.; KG Berlin, a.a.O., Rn. 12 zu e.V.).

Eindeutig als nicht täuschungsgeeignet und somit zulässig sind Bezeichnungen wie z.B. Beerdigungs-, Detektiv-, Eheanbahnungs- und Meinungsforschungsinstitut sowie Institut für Schönheitspflege beurteilt worden (vgl. BayObLG, a.a.O., Rn. 23, juris). Etwas anderes wurde angenommen, wenn die Tätigkeitsangabe im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Institut“ den Eindruck wissenschaftlicher Betätigung erweckt, z.B. bei Deutsches Vorsorgeinstitut, Kardiologisches Institut, Institut für Marktanalysen, Institut für Zelltherapie, Institut für physikalische Therapie, Institut für steuerwissenschaftliche Information, Institut für Politik und Wirtschaftswissenschaften, Dolmetscher-Institut (Ries in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 3. Akademie, Institut, Anstalt, Seminar, Kolleg, Rn. 50 mit Nachweisen zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung).

Nach diesen Grundsätzen ist – bei der im Hinblick auf die Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gebotenen grundrechtskonformen Auslegung des § 18 Abs. 2 HGB – eine Irreführung durch die Firma „Institut für Einfachheit“ nicht ersichtlich. Der Namenszusatz „für Einfachheit“ ist weder identisch mit universitären Studiengängen oder Forschungszweigen, noch weist er auf eine bestimmte Fachrichtung hin. Er ist auch nicht geeignet, die Vorstellung einer wissenschaftlichen Einrichtung, die mit dem Wort „Institut“ verbunden werden könnte, zu verstärken (vgl. KG Berlin, a.a.O., Rn. 12).“

Und als „Beitragsbild“ dann natürlich <<Werbemodus an>> ein Bild zu meinem „Vereinsrecht“, immerhin schon in der 11. Aufl., das man hier bestellen kann. <<Werbemodus“. Muss auch mal wieder sein 🙂 .

Schadensminderungspflicht und Mietwagenkosten, oder: Waren die Mietwagenkosten unverhältnismäßig?

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Und die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Celle, Urt. v. 13.09.2023 – 14 U 19/23 – vom OLG Celle. Gestritten worden ist in dem Verfahren um Mietwagenkosten. Die beklagte Versicherung hatte die nach einem Verkehrsunfall als unverhältnismäßig angesehen. Das LG war dem zum Teil gefolgt. Dagegen dann die Berufung der Klägering, die beim OLG Erfolg hatte:

„1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 5.939,17 € gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 6 AuslPflVG, § 398 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

a) Gem. § 249 Abs. 2 BGB sind grundsätzlich die Kosten zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines Fahrzeuges für erforderlich halten durfte (BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80, Rn. 9, juris). Allerdings dürfen dem Schädiger keine unverhältnismäßigen Aufwendungen auferlegt werden. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht. Die Vorschrift des § 254 Abs. 2 BGB findet im Rahmen des § 249 BGB sinngemäß, d.h. mit ihrem letztlich auf § 242 BGB zurückzuführenden Grundgedanken Anwendung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2014 – 13 U 213/11, Rn. 22, juris).

Der Unfallgeschädigte hat nach diesem Grundsatz die Pflicht, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach allgemeiner Auffassung nach Treu und Glauben von einem ordentlichen Menschen getroffen werden müssen, um den Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern, wobei für einen schuldhaften Verstoß gegen diese Pflicht bzw. diese Obliegenheit der Schädiger beweispflichtig ist (OLG Koblenz, Urteil vom 6. März 2023 – 12 U 1409/22, Rn. 6, juris).

Einen Verstoß gegen die der Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht konnte der Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht beweisen. Insoweit hätte festgestellt werden müssen, dass der Geschädigten bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten die grundsätzliche Möglichkeit einer Notreparatur und deren Wirtschaftlichkeit ggü. den anfallenden Mitwagenkosten bekannt waren und sie diese dennoch unterlassen haben. Eine derartige Behauptung hat bereits der Beklagte nicht erhoben und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

Unstreitig lag der Geschädigten ein Gutachten ihres Privatsachverständigen M. vom 17. August 2017 vor (Anlage K15, Bl. 82 ff), der eine Reparatur vorschlug und dafür ca. 8.247,12 € (brutto) veranschlagte. Mit Schreiben vom 28.3.2018 (Anlage K11, Bl. 44) wies er darauf hin: „Eine Notreparatur für das in Rede stehende Fahrzeug hätte einen erheblichen Aufwand erfordert und wäre unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt gewesen.“ Mit einer weiteren Stellungnahme vom 30. April 2018 (Anlage K19, Bl. 112) erläuterte der Privatsachverständige seine Auffassung wie folgt: „Um das Fahrzeug mittels Notreparatur in einen verkehrssicheren sowie fahrfähigen Zustand zu versetzen, wäre ein erheblicher Eingriff in die Karosserie notwendig.“

Die Geschädigte durfte dieser plausiblen und nachvollziehbaren Einschätzung ihres Sachverständigen folgen. Darauf, welche Schadensbehebung objektiv erforderlich und möglich gewesen wäre, kommt es wegen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht an; das sog. Werkstattrisiko (hier: welche Art der Schadensbehebung, Lieferverzögerung des Ersatzteils) geht zu Lasten des Schädigers (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Februar 2023 – 2 U 226/21, Rn. 7, juris).

Es muss vielmehr auf die zum Zeitpunkt der Schadensbeseitigung gegebenenfalls beschränkten Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abgestellt werden. Diese wirken im Rahmen der sog. subjektbezogenen Schadensbetrachtung allenfalls anspruchserweiternd, nicht jedoch anspruchsverkürzend (BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – VI ZR 393/18, Rn. 25; BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, Rn. 19; BGH, Urteil vom 7. Februar 2023 – VI ZR 137/22, Rn. 53, alle juris).

Es sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich oder von dem Beklagten behauptet, nach denen die Geschädigte Zweifel an der Unabhängigkeit oder an der Qualifikation des von ihr ausgewählten Sachverständigen hätte haben müssen.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die o.g. Feststellungen des Sachverständigen in letzter Konsequenz tragen. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat insoweit – entgegen den privatgutachterlichen Feststellungen – dargelegt, dass er eine Notreparatur für möglich und wirtschaftlich erachtet hätte. Er hat in seiner persönlichen Anhörung aber auch bekundet, dass der Privatgutachter die Wirtschaftlichkeit bzw. Möglichkeit einer Notreparatur nicht hätte erkennen können, weil dieser – unterstellt – keinen Zugriff auf das VW-Bestellsystem gehabt habe. Ebenso hätte die Geschädigte als Laiin nicht die Möglichkeit einer Notreparatur erkennen können (Protokoll vom 7.11.2022, Seite 3, Bl. 273).

Soweit das Landgericht der Rechtsprechung des OLG Oldenburg gefolgt ist, nach der der Geschädigte aus einem Verkehrsunfall mit wirtschaftlichem Totalschaden die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verletzt, wenn er das verunfallte Fahrzeug nach einer zumutbaren Notreparatur und Bestellung eines Ersatzwagens nicht weiterbenutzt, sondern einen Mietwagen anmietet (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 8. September 1989 – 6 U 106/89, juris, bzw. mit Entscheidungsgründen bei beck-online: OLG Oldenburg Urt. v. 8.9.1989 – 6 U 106/89, BeckRS 2008, 18830, beck-online), hält der Senat diesen Sachverhalt nicht für uneingeschränkt übertragbar.

Im dortigen Fall handelte es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden, es war aber unstreitig eine Notreparatur möglich, die der Geschädigte nicht hat vornehmen lassen. Der dortige Kläger stand demnach vor der Frage, ob er sein Fahrzeug notdürftig instandsetzen und bis zum Erwerb eines Ersatzfahrzeuges weiterbenutzen oder ob er ein anderes Fahrzeug mieten sollte. Bei verständiger Betrachtung hätte der dortige Kläger zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Mietwagenkosten gänzlich außer Verhältnis zu den Kosten einer Notreparatur stehen würden (OLG Oldenburg Urt. v. 8.9.1989 – 6 U 106/89, BeckRS 2008, 18830, beck-online).

Im hiesigen Fall war der Privatsachverständige der Geschädigten der Ansicht, eine Notreparatur sei gemessen an den anschließenden (erforderlichen) Reparaturkosten nicht wirtschaftlich. Dieser Ansicht durfte die Geschädigte folgen (s.o.). Überdies war auch unklar, wann das für die Reparatur erforderliche Seitenteil eintreffen würde (vgl. Anlage K12, Bl. 45; Anlage K8, Bl. 50). Der Prozessbevollmächtigte gibt an, der Geschädigten sei bei telefonischen Erkundigungen bei der Werkstatt mitgeteilt worden, es sei in „allernächster Zeit“ mit der Lieferung der Ersatzteile zu rechnen (Anlage K20, Bl. 114).

Eine durchgeführte Notreparatur und ein kurz darauf eintreffendes Seitenteil hätten ebenso zum Vorwurf der Schadensminderungspflichtverletzung für die Geschädigten werden können.

b) Es liegt auch kein Fall von unverhältnismäßig hohen Mietwagenkosten vor, die jeden Maßstab einer wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung sprengen und den Geschädigten veranlassen müssten, einen Gebrauchtwagen als Interimsfahrzeug anzuschaffen oder sich zunächst einmal mit einer Notreparatur zufrieden zu geben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, beide juris).

So lag der Sachverhalt in einem vom OLG Karlsruhe zu entscheidendem Fall:  Mietwagenkosten bei der Anschaffung eines Neufahrzeugs von über 100.000,00 € bei einem Wiederbeschaffungswert von 9.500,-€ brutto und Reparaturkosten von 9.802,57 €. Das dortige Fahrzeug wäre mit einem geringen Kosten- und Zeitaufwand in einen verkehrssicheren Zustand zu versetzen gewesen, aufgrund dessen es in dem zu überbrückenden Zeitraum bis zur Auslieferung des Neufahrzeugs ohne Bedenken als Rettungswagen von der Klägerin hätte eingesetzt werden können (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2014 – 13 U 213/11, juris).

Auch diese Rechtsprechung ist nicht vergleichbar. Zwar kann ein Vergleich von Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungswert seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren, wenn die Mietwagenkosten bei der Reparatur in krassem Missverhältnis zu denjenigen bei einer Ersatzbeschaffung stehen (siehe BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, juris).

Der Gesamtbetrag von Nettoreparaturkosten und Nettomietwagenkosten von insgesamt ca. 14.000,00 € liegt hier jedoch deutlich unter dem Betrag, der für eine Ersatzbeschaffung des beschädigten Fahrzeugs hätte aufgewendet werden müssen. Dieser Betrag dürfte nach einer überschlägigen Schätzung bei mindestens 30.000,00 € liegen, wobei sich die 3,5t Zuglastanforderung preiserhöhend auswirkt, wie der Senat aufgrund seiner Spezialisierung im Verkehrsunfallrecht einzuschätzen vermag.

Überdies war der Geschädigten die Möglichkeit einer Notreparatur als nicht möglich bzw. wirtschaftlich dargelegt worden (s.o.).“

Wenn ein vorausfahrender Traktor nach links blinkt, oder: Unklare Verkehrslage für den Überholenden

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Heute im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder zwei verkehrszivilrechtliche Entscheidungen, und zwar Unfallregulierung.

Ich mache den Opener mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 26.07.2023 – 7 U 42/23 – zur Haftung und zur Haftungsquote bei einem Linksabbiegerunfall. Der Beschluss hat folgenden Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Am 10.06.2021 kam es im Bereich einer Hofeinfahrt an der K.xx in T. zur Kollision zwischen dem Kläger mit seinem Motorroller Piaggio Vespa und dem vom Beklagten zu 2) geführten Traktorgespann Fendt 818 Vario mit Gülleanhänger. Der Kläger befuhr die K.xx in Richtung H.. Vor ihm fuhr der Beklagte zu 2) mit dem Traktorgespann in gleiche Richtung. Zur Kollision kam es, als der Kläger das Traktorgespann überholte und das Traktorgespann nach links in eine Hofeinfahrt abbog. Der Kläger stieß auf der Gegenfahrbahn gegen das linke Vorderrad des Traktors.

Streitig ist insbesondere, ob der Beklagte zu 2) vor dem Abbiegen am Traktor den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat.

Das Landgericht hat der Klage auf Grundlage einer Mithaftungsquote von 50 % teilweise stattgegeben. Dem Beklagten zu 2) sei ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO vorzuwerfen, weil er seiner doppelten Rückschaupflicht nicht hinreichend nachgekommen sei. Den hierfür streitenden Anscheinsbeweis hätten die Beklagten nicht erschüttert. Allerdings stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) rechtzeitig vor dem Abbiegen nach links geblinkt habe. Den Kläger treffe der Vorwurf aus § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, in einer unklaren Verkehrslage überholt zu haben. Ausgehend davon, dass das Traktorgespann nach links blinkte, hätte der – zumal ortskundige – Kläger nicht überholen dürfen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ungeeignet. Bei der nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotenen Abwägung ergäbe sich unter Berücksichtigung der wechselseitigen Mitverursachungsbeiträge und der unterschiedlichen Gewichtung der von den unfallbeteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr eine hälftige Schadensteilung.

Dagegen die Berufung des Klägers. Die hat – so das OLG in seinem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Beschluss:

„Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auf Grundlage einer Mithaftungsquote von 50 %.

1. Gemäß § 513 ZPO kann eine Berufung nur auf eine Rechtsverletzung oder darauf gestützt werden, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Feststellungen ein anderes als das landgerichtliche Ergebnis rechtfertigen. Beides liegt für die Berufung der Beklagten nicht vor. Das Landgericht hat zutreffend in der gebotenen Abwägung gemäß §§ 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG eine Haftungsquote des Klägers und der Beklagten von jeweils 50 % angenommen. Aufgrund der Beweisaufnahme ist es nachvollziehbar zu der Überzeugung gelangt, dass am Traktorgespann vor dem Abbiegen nach links in die Hofeinfahrt der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) berechtigt das Gericht, die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten, wobei der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze gebunden ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Auflage 2022, § 286, Rn. 13). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze ist nicht erkennbar. Im Übrigen steht die Wiederholung der Beweisaufnahme außerdem gemäß §§ 529, 531 ZPO nicht im reinen Ermessen des Berufungsgerichts. Sie ist im Sinne eines gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen und eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall einer Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand mehr haben werden, sich also ihre Unrichtigkeit herausstellt (Zöller/Heßler, a.a.O., § 529, Rn. 3). Solche konkreten Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich.

Das Landgericht hat zunächst den gegen den Beklagten zu 2) als Linksabbieger sprechenden Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO korrekt angewendet und sodann die zur Verfügung stehenden, geeigneten Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Es hat den Kläger persönlich angehört, den Beklagten zu 2) persönlich angehört und als Partei nach § 448 ZPO vernommen sowie den Zeugen I. vernommen. Es hat die Angaben umfassend und frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Die Überzeugungsbildung ist nachvollziehbar und verstößt nicht gegen Denk-, Natur- und Erfahrungsgesetze. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen bestehen danach nicht. Der Kläger will mit seiner Berufungsbegründung letztlich nur seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle des Landgerichts setzen. Ein Widerspruch zum Inhalt der Ermittlungsakte besteht nicht. Dass auf den dortigen Lichtbildern der Fahrtrichtungsanzeiger nicht im aufleuchtenden Zustand zu sehen ist, mag daran liegen, dass die Lichter eben nur zeitweilig aufleuchten und die Fotos nicht genau in diesem Moment aufgenommen wurden. Zudem haben die Fotos, die erst geraume Zeit nach dem Unfall gefertigt wurden, ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Aussagekraft hinsichtlich der Frage, ob der linke Fahrtrichtungsanzeigers im Zeitpunkt des Unfalls eingeschaltet war oder nicht. Hinsichtlich der Aussage des Zeugen I.l hat das Landgericht berücksichtigt, dass dieser den Unfall selbst nicht beobachtet hat. Die Würdigung der Zeugenaussage durch das Landgericht als (weiteres) Indiz für die Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 2) ist nicht zu beanstanden. Ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten war nicht einzuholen. Zutreffend hat das Landgericht dies als unerheblich und ungeeignet abgelehnt. Durch ein Sachverständigengutachten ließen sich zwar möglicherweise die Ausgangsgeschwindigkeiten und die Kollisionsstellung ermitteln. Beide Faktoren sind indes nicht entscheidungserheblich. Nicht durch ein Sachverständigengutachten ermitteln ließe sich hingegen, wer zuerst gebremst hat und mit welchem Abstand zum Traktorgespann der Kläger bis zum Überholen gefahren ist. Nach seinen eigenen Angaben sollen es nur ca. 5 m gewesen sein. Ein Sachverständiger könnte ex post auch nicht klären, ob am Traktorgespann zum Unfallzeitpunkt der linke Fahrtrichtungsanzeiger tatsächlich eingeschaltet war oder nicht.

2. Unter der Maßgabe, dass am Traktorgespann der linke Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet war, hat das Landgericht zu Recht ein Überholen des Klägers bei unklarer Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO angenommen. Blinkt ein Traktor nach links, ist stets damit zu rechnen, dass dieser kurzfristig abbiegt, und zwar ggf. auch ohne vorheriges Einordnen nach links (was wegen der Fahrzeugbreite häufig schon nicht möglich ist). Der Kläger hätte auch damit rechnen müssen, dass das Traktorgespann nach links in eine schwer erkennbare Hof- oder Feldeinfahrt einbiegen will. Bei dieser Verkehrslage war das Überholen unzulässig.

Die Bewertung der Verursachungsbeiträge durch das Landgericht ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Im Rahmen der bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei eine Abwägung und Gewichtung der jeweiligen Verursachungsbeiträge vorzunehmen, wobei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eine genaue Klärung des Unfallhergangs geboten ist (BGH, Urteil vom 28.02.2012, VI ZR 10/11, Juris Rn. 6; OLG Frankfurt, Urteil vom 31.03.2020, 13 U 226/15, Juris Rn. 43). Im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeuge ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige oder aber zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (ständige Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urteil vom 27.06.2000, VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.07.2018, 1 U 117/17, Juris Rn. 5). Die jeweils ausschließlich unstreitigen oder nachgewiesenen Tatbeiträge müssen sich zudem auf den Unfall ausgewirkt haben. Der Beweis obliegt demjenigen, welcher sich auf einen in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkt beruft (BGH, Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, NZV 1996, 231, 232; OLG Dresden, Urteil vom 25.02.2020, 4 U 1914/19, Juris Rn. 4 m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das Landgericht das Verschulden des Beklagten zu 2) wegen eines Verstoßes gemäß § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 StVO gegen das Verschulden des Klägers wegen eines Verstoßes gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unter Berücksichtigung der jeweiligen unterschiedlichen Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge gegeneinander abgewogen und die jeweiligen Verursachungsbeiträge im Ergebnis gleich hoch gewichtet. Dies findet die Billigung des Senats.“

beA I: Rechtzeitige Ersatzeinreichung wegen Störung, oder: Geht das auch in einem zweitem Schriftsatz?

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So, in die 38. KW. starte ich dann mit ein wenig beA und was damit zusammenhängt.

Hier zunächst das BGH, Urt. v. 25.07.2023 – X ZR 51/23, also vom „Patentsenat“. Der hat über die Berufung einer Patentinhaberin entschieden. Die hatte Berufung gegen die teilweise Nichtigerklärung eines gewerblichen Schutzrechts eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ihres Rechtsanwalts der Patentinhaberin ging am 20.04.2023, dem Tag des Ablaufs der Rechtsmittelfrist, um 15.15 Uhr per Telefax beim BGH ein. Am gleichen Tag um 20.09 Uhr ging ein weiteres Fax ein. Darin wurde eingehend erläutert, dass der Bevollmächtigte die Berufungsschrift aufgrund einer Störung beim elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) habe einreichen können.

Dem BGH hat die diese Glaubhaftmachung der Störung als Voraussetzung der Ersatzeinreichung als (noch) rechtzeitig eingestuft, auch wenn sie in zwei Schriftsätzen erfolgt sei. Eine Frist für die Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels dürfe grundsätzlich bis zum Ende des betreffenden Tags ausgenutzt werden. Beide Schriftsätze seien, so der BGH, noch innerhalb der laufenden Frist eingegangen. Die Glaubhaftmachung sei damit „gleichzeitig“ mit der Ersatzeinreichung erfolgt.

Die Entscheidung hat folgende Leitsätze:

1. Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (Ergänzung zu BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschl. v. 26.01.2023 – V ZB 11/22, WRP 2023, 833 Rn. 11).

2. Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.