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Die Woche beginnt und endet mit ANOM-Chat, oder: Wunder 2.0 – OLG München verneint Verwertbarkeit

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Und dann eine „Sondermeldung“ am Gebührenfreitag, die nichts mit Gebühren zu tun hat. Ich meine aber, dass ich die Entscheidung schnell einstellen und dazu hier berichten soll.

Es handelt sich um den OLG München, Beschl. v. 19.10.2023 – 1 Ws 525/23. Ich stelle ihn – außer der Reihe – ein, weil er auch die ANOM-Problematik zum Gegenstand habe, über die ich ja schon am Montag mit dem LG Memmingen, Urt. v. 21.08.2023 – 1 Kls 401 Js 10121/22 – berichtet habe (vgl. hier BtM II: Verwertbarkeit des ANOM-Chatverkehrs, oder: LG Memmingen nimmt Beweisverwertungsverbot an).

. Die Woche beginnt und endet also mit ANOM.

Und was viel wichtiger ist: Beide Entscheidungen lehnen die Verwertung der durch die Auswertung gesicherter Chatverläufe des Krypto-Messengerdienstes „ANOM“ erlangten Erkennntisse mangels Überprüfbarkeit, was zu einem Beweisverwertungsverbot führt, ab. dabei geht es im OLG München-Beschluss auch um ein beim LG Memmingen anhängiges Verfahren, es handelt sich aber nicht um das Verfahren, in dem das Urteil v. 21.08.2023 ergangen ist. Das OLG nimmt aber auf den Beschluss des LG Memmingen Bezug und tritt ihm in der Argumentation bei. Ich beschränke mich daher – auch wegen des Umfangs des Beschlusses – hier auf (meinen) Leitsatz, der (ebenfalls) lautet:

„Die Erkenntnisse aus der Auswertung gesicherter Chatverläufe des Krypto-Messengerdienstes „ANOM“ sind mangels Überprüfbarkeit, was zu einem Beweisverwertungsverbot führt, nicht verwertbar.“

Hinweisen will ich hier aber auf die Ausführungen des OLG zu EncroChat-Rechtsprechung des BGH:

„Der BGH verneint dabei die Anwendbarkeit des § 100e Abs. 6 Nr. 1 auf den Fallkomplex EncroChat mit der Begründung, die Maßnahmen der französischen Strafverfolgungs-behörden seien gerade keine Maßnahmen nach den §§ 100b, 100c gewesen, was § 100e Abs. 6 Nr. 1 voraussetze. Aufgrund der Besonderheiten des Rechtshilferechts und des europäischen Rechtsrahmens seien die Maßstäbe für die Verwertbarkeit von durch ausländische Ermittlungseingriffe erlangte Beweismittel nicht vollständig identisch mit denjenigen, welche für inländische Ermittlungsmaßnahmen gelten. Allerdings könne zur Gewährleistung des notwendigen Grundrechtsschutzes auf die in den strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen „verkörperten Wertungen“ – hier also § 100e Abs. 6 Nr. 1 – zurückgegriffen werden, um eine mangelnde Überprüfung der Eingriffsschwellen des französischen Strafverfahrensrechts auszugleichen. Die Voraussetzungen der in § 100e Abs. 6 Nr. 1 verkörperten Wertungen lägen indes vor, weil für die Bejahung des notwendigen Tatverdachts im Verwertungszeitpunkt auch auf die EncroChat-Daten selbst zurückgegriffen werden dürfe.

Weder bedürfe es allerdings einer über § 261 StPO hinausgehenden Rechtsgrundlage für die Umwidmung der Daten aus den französischen Strafverfahren zur Verwendung in deutschen Strafverfahren noch müsse es im deutschen Strafverfahrensrecht eine vergleichbare Ermittlungsmaßnahme geben. Diese Auffassung verkennt, dass sowohl nach deutschem Verfassungsrecht als auch nach europäischem Datenschutzrecht (Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 RL 2016/680/EU) jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer gesetzlichen, normenklaren und spezifischen Rechtsgrundlage bedarf – hierzu zählt insbesondere auch die zweckumwidmende Verwendung von Daten in strafprozessualen Ermittlungsverfahren. § 261 StPO stellt dabei nur eine Rechtsgrundlage für die Beweisverwertung durch die Tatgerichte, nicht aber eine Rechtsgrundlage für die Verwendung der Daten durch die Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren dar.

Der strafprozessuale Begriff der Verwendung umfasst dabei jede Nutzung der Daten durch die Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren, wie die Analyse, Auswertung, Speicherung, Übermittlung und das Ziehen von Schlüssen aus den Daten zur Gewinnung eines Tatverdachts für weitere Ermittlungsmaßnahmen oder die Anklageerhebung. Auf die §§ 161, 163 kann angesichts der massiven Grundrechtseingriffe durch die heimliche Infiltration von über 30 000 Mobilfunkgeräten offensichtlich auch nicht zurückgegriffen werden, da diese auf geringfügige Grundrechtseingriffe beschränkt sind.

Verneint der BGH nun die Anwendbarkeit von § 100e Abs. 6 Nr. 1 (und damit wohl auch die von § 479 Abs. 2 S. 1 für die „laufenden“ Telekommunikationsdaten), fehlt es an einer notwendigen Rechtsgrundlage für die Verwendung der EncroChat-Daten durch die Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren. Der BGH hätte sich somit auf Grundlage seiner Ablehnung der Anwendbarkeit von § 100e Abs. 6 Nr. 1 mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob aus der rechtsgrundlosen Verwendung der Daten durch die Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren (entspricht der Beweiserhebung) ein unselbständiges Beweisverwertungsverbot folgt.

Es geht bei der Prüfung der Eingriffsschwere im Rahmen der Beweisverwertung nämlich nicht um eine Überprüfung ausländischer Ermittlungsmaßnahmen an ausländischem Recht, sondern um die Anwendung des § 261 StPO als innerstaatliches Recht auf die Beweisverwertung im deutschen Urteil und damit um einen innerstaatlichen Sachverhalt. Der begehrte zweckumwidmende Transfer der Daten vom französischen in das deutsche Strafverfahren richtet sich im deutschen Recht nach §§ 100e Abs. 6 Nr. 1 (für auf den infiltrierten Geräten gespeicherte Daten jenseits der Grenze des § 100a Abs. 1 S. 3 StPO) und 479 Abs. 2 S. 1 StPO (für die „laufenden“ Telekommunikationsdaten). Dieser Weg würde somit ebenfalls zur Anwendbarkeit von § 100e Abs. 6 Nr. 1 und § 479 Abs. 2 S. 1 führen. Diese Prüfung hätte – wie oben ausgeführt ergeben, dass die Verwendung der Daten nicht zulässig gewesen wäre.

Die vorgenannten Zweifel an der – vom BGH jedoch bejahten – Verwertbarkeit der EncroChats haben im gegenständlichen Strafverfahren betreffend den Nachweis von Tathandlungen nur durch die ANOM-Chats umso stärkeres Gewicht, als hier bereits ausführliche Aufklärungsarbeit im Strafverfahren durch das Landgericht geleistet wurde, ohne dass ein Drittland benannt oder bekannt wurde und es auch in Zukunft offenbar nicht benannt werden wird. Auch das Vorbringen, es habe im Drittland Gerichtsentscheidungen gegeben, steht ohne Nachweis im Raum, auch dies hat die Hauptverhandlung vor dem Landgericht bereits ergeben. Im gegenständlichen Strafverfahren erscheint daher die Verwertbarkeit der ANOM-Chats mindestens zweifelhaft, weswegen die ANOM-Chats im derzeitigen Aktenstand keinen dringenden Tatverdacht begründen. Hierbei war folgendes zu bedenken:

Die ANOM-App diente dem FBI zur Abhörung vermeintlich abhörsicherer Handykommunikation. Diese App schuf das FBI selbst und vertrieb sie über ein Scheinunternehmen für verschlüsselte Telefone. Einmal installiert konnte auf dem Handy nur noch über ANOM kommuniziert werden. Alle außerhalb der USA versandten Nachrichten waren mittels eines Masterkeys des FBI zu entschlüsseln (OLG Frankfurt NJW 2022, 710), sie wurden automatisch gespiegelt und an einen zentralen Server weitergeleitet. Der Server durfte nicht auf US-amerikanischem Boden stehen und das FBI durfte mit dieser Methode keine US-Bürger abhören. Ein erster Server wurde deswegen in Australien gehostet, dessen Gerichte untersagten jedoch die Datenweitergabe an die USA und weitere Staaten.

Deswegen suchte das FBI nach einem neuen Drittstaat und fand ihn in der EU (BT-Drs. 20/1249, S. 6). Dort hat die Bundesregierung die Frage 10 (Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise sich das FBI für die „Operation Trojan Shield“ Zugang zu den Daten des Kryptodienstes „ANOM“ verschaffte?) geantwortet: Nach hier vorliegendem Informationsstand erhielt das Federal Bureau of Investigation (FBI) die Daten per Rechtshilfe von einem nicht bekannten Mitgliedstaat in der Europäischen Union, da die Daten zunächst an einen dort befindlichen Server ausgeleitet worden waren. Auf die weitere Frage (a. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die Daten von dem Kryptodienst direkt auf Server unter Kontrolle des FBI ausgeleitet oder auf Server in einem Drittstaat?) antwortete die Bundesregierung: Nach hier vorliegendem Informationsstand wurden die Daten zunächst an einen Server in einem nicht bekannten Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeleitet und erst von dort auf Grundlage eines Rechtshilfeersuchens an einen Server des FBI in den Vereinigten Staaten von Amerika weitergeleitet. Auf die weitere Frage (b. Ist dem BKA dieser Drittstaat bekannt, und falls nein, aus welchem Grund bleibt dieser ge-heim?) antwortete die Bundesregierung: Der Drittstaat ist dem Bundeskriminalamt ebenso wenig bekannt wie der Grund für dessen Geheimhaltung durch das FBI. Auf die weitere Frage (c. Erhielten deutsche Behörden bzw. erhielt Europol die Daten aus dem Kryptodienst „ANOM“ aus diesem Drittstaat oder vom FBI selbst?) antwortete die Bundesregierung: Das FBI stellte die Daten dem Bundeskriminalamt und Europol zur Verfügung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgenannte Bundestagsdrucksache Bezug genommen.

Der Drittstaat ist somit weder der Bundesregierung noch auch dem Bundeskriminalamt bekannt. Angeblich sollen die Gerichte dieses Drittstaats Beschlüsse erlassen haben, die eine Auswertung und Weitergabe dieser Daten an das FBI gestatteten. Auch dies kann nicht überprüft werden.

Die bekannt gewordenen gerichtlichen Entscheidungen zu ANOM-Chats gehen offensichtlich da-von aus, dass der Verteidigung keine weiteren Erkenntnisse außerhalb der Akten zur Verfügung gestellt werden müssten (vgl. „Strafverfolgung in Deutschland aufgrund US-amerikanischer Daten“ von Staatsanwalt Simon Pschorr und Prof. Dr. Liane Wörner, StV 2023, 274 ff., 279 ff.).

Durch die Trennung von beweiserhebendem und beweisverwertendem Staat werden bei der Verwertung von ANOM-Chats die Verteidigungsrechte von Angeklagten erheblich beschränkt; es werden aber auch die Aufklärungsmöglichkeiten des befassten Strafgerichts erheblich eingeschränkt, ohne dass bei Beginn der Abhörmaßnahmen ein individualisierter Tatverdacht gegen die betroffenen Personen überhaupt vorlag. Im Gegenteil, die ANOM-App wurde vom FBI unbeschränkt verbreitet und die Abhörung unbeschränkt vorgenommen, ob die Nutzer zuvor hinreichend verdächtig waren oder nicht. Aus diesem Grund bestehen erhebliche Zweifel daran, ob für die Datenerhebungen nach US-amerikanischem Recht oder nach deutschem Recht eine Ermächtigungsgrundlage besteht. Gleiches gilt für die Weitergabe von Daten an die ermittelnden Behörden.

Der BGH hat über die Verwertbarkeit von ANOM-Chats bislang nicht entschieden.

Die EncroChats, die vom BGH für verwertbar gehalten wurden, sind jedoch mit den Problemstellungen bei den ANOM-Chats nur schwerlich vergleichbar. Denn bei ANOM ist weder das vom FBI (nach Australien) als neues Drittland gewonnene Drittland bekannt, noch die von diesem unbekannten Drittland erlassenen gerichtlichen Beschlüsse….“

Man wird sehen, was daraus wird. Jedenfalls haben wir in dieser Woche zwei bayerische Wunder 🙂 .

Wunder/Pauschgebühren gibt es immer wieder, oder: Wunderentscheidung vom OLG München :-)

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Den Gebührenfreitag eröffne ich mit dem OLG München, Beschl. v. 27.09.2023 – 1 AR 263/23. Das ist eine Entscheidung, zu der das Lied von Katja Ebstein „Wunder gibt es immer wieder“ passen würde. Denn:

Es wird

  • eine Pauschgebühr nach § 51 RVG bewilligt,
  • es gibt mehr als die Wahlanwaltshöchstgebühr,
  • die Bezirksrevisorin hatte sich dem Antrag angeschlossen
  • und das Ganze in Bayern beim OLG München.

Das ist in meinen Augen nun wirklich eine „Wunderentscheidung“. Der Verteidiger hatte  beantragt, anstelle der Gebühren gemäß Nr. 4100 VV RVG und Nr. 4118 VV RVG in Höhe von 524 EUR unter Anrechnung der insoweit ausbezahlten Pflichtverteidigervergütung eine Pauschvergütung in Höhe von 2150 € zu bewilligen. Das OLG hat eine Pauschgebühr gewährt und begründet das wie folgt:

„Eine Pauschgebühr ist gemäß § 51 Abs. I S. 1 RVG auf Antrag zu bewilligen, wenn die im Vergütungsverzeichnis für den beigeordneten Rechtsanwalt bestimmten Gebühren für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind.

Die Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht München hat mit Stellungnahme vom 25.09.2023 dem Antrag zugestimmt und hierzu ausgeführt:

„Der Umfang dieses Verfahrens stellt vor der Wirtschaftsstrafkammer zunächst keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Der diesen Verfahren in der Regel innewohnende höhere Arbeits- und Planungsaufwand für den Pflichtverteidiger ist vom Gesetzgeber im RVG bereits durch die Festsetzung höherer Gebühren (vorliegend VV RVG 4118 und 4120) berücksichtigt worden und gibt deshalb für sich genommen noch keinen Anlass für die Festsetzung einer Pauschgebühr.

Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG München zu berücksichtigen, dass der erforderlichen Einarbeitung in den Sachstand nur ein Hauptverhandlungstag folgte, mithin nur eine Terminsgebühr (VV RVG 4121) angefallen ist. Es entspricht dem gesetzlichen Gebührenkonzept, dass der Verteidiger regelmäßig seine im Vorverfahren, für das relativ geringe Gebühren anfallen, gewonnenen Kenntnisse im Hauptverfahren nutzt. Dieser Synergieeffekt fehlt vorliegend. Zudem ist im vorliegenden Verfahren die Gebühr VV RVG 4104 wegen der späten Bestellung nicht angefallen.

Zur Vermeidung eines unbilligen Sonderopfers erscheint die Gewährung einer Pauschgebühr gem. § 51 Abs. 1 RVG erforderlich, zumal der Antragsteller, wie er zutreffend ausführt an der Verständigung und damit Verfahrensverkürzung maßgeblich mitgewirkt hat. Der Verständigung lag eine umfangreiche Vorbereitung zugrunde, die durch die geringeren Gebühren des Anwalts nicht angemessen entgolten wären, vgl. hierzu auch Nomos Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage Rn 20 zu § 51 RVG „Verfahrensverkürzung“. Weiter ist zu berücksichtigen, dass für die Teilnahme an dem Erörterungstermin keine Terminsgebühr anfällt – eine Pauschgebühr kann hierfür gerechtfertigt sein, vgl. Nomos a.a.O. „Verständigungsgespräche“. Mit Blick auf die Grund- und Verfahrensgebühren kann vorliegend von einem Ausnahmefall ausgegangen werden und es kann als Pauschgebühr wie beantragt eine Gebühr über der Wahlverteidigerhöchstgebühr i.H.v. 2150,– € bewilligt werden.“

Die Bewilligung einer Pauschvergütung ist die Ausnahme, die bei besonders umfangreichen und schwierigen Verfahren unzumutbare Sonderopfer des beigeordneten Rechtsanwalts vermeiden soll (B. v. 02.07.2020, 1 AR 75/20; so schon BGH, B. v. 01.06.2015, 4 StR 267/11).

Unzumutbar wäre die Versagung einer Pauschvergütung zunächst insbesondere dann, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt dadurch eine wirtschaftliche Existenzgefährdung erleiden würde (BVerfG, B. v. 01.06.2011, 1 BvR 3171/10, juris), wofür vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Erforderlich sind daher Umstände, die sich vom Regelfall wegen des besonderen Umfangs oder ihrer besonderen Schwierigkeit deutlich unterscheiden, und deshalb die bloße Festsetzung der vom Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren nicht zumutbar wäre.

Der Senat sieht vorliegend einen solchen Ausnahmefall als gegeben an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen an Stelle einer weiteren Begründung auf die Ausführungen der Bezirksrevisorin Bezug.

Die Pauschgebühr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Regelfall maximal mit dem Betrag der Wahlverteidigerhöchstgebühr anzusetzen. Vorliegend erkennt der Senat ebenso wie die Bezirksrevisorin insoweit einen außergewöhnlich besonderen Ausnahmefall, der ein Überschreiten der Wahlverteidigerhöchstgebühren ausnahmsweise zulässt.

Die Pauschgebühr errechnet sich somit aus einem Pauschvergütungsbetrag in Höhe von 2150 € mit Blick auf die Gebührentatbestände VV-RVG 4100 und 4118, sowie aus den Gebühren für die Hauptverhandlung in Höhe von 699 € (VV-RVG 4120/4122).

Insgesamt errechnet sich daraus eine vom Senat festzusetzende Pauschgebühr von 2849 €.“

Geht doch 🙂

Haft III: Zulässige Dauer der Organisationshaft, oder: Nicht in der Regel bis zu drei Monaten

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Und als letzte Entscheidung dann noch einmal etwa zur (zulässigen) Dauer der sog. Organisationshaft, und zwar den OLG München, Beschl. v. 15.03.2023 – 3 Ws 119/23.

Wegen des Verfahrensablaufs verweise ich auf den verlinkten Volltext. Das OLG hat die weitere Organisationshaft als unzulässig angesehen. Dazu der Leitsatz:

„Es gibt keinen Grundsatz, nachdem ein Vollzug von Organisationshaft bis zur Dauer von drei Monaten in der Regel rechtmäßig sei. Vielmehr ist der Vollzug von Organisationshaft nur dann rechtmäßig, wenn diese sich nicht vermeiden lässt, obwohl sich die Vollstreckungsbehörden, sobald ihnen bekannt wird, zu welchem Zeitpunkt ein Platz für den Vollzug einer Maßregel benötigt wird, unverzüglich im Rahmen des Möglichen darum bemühen, diesen Platz zu beschaffen.“

Rest dann bitte selbst lesen.

Notwendige Aufwendungen des Pflichtverteidigers, oder: Gerichtliche Feststellung bindet Kostenbeamten

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Und die zweite „Vorschussentscheidung“ kommt dann aus dem Strafverfahren bzw. einem Auslieferungsverfahren.

Das AG hatte in einem Auslieferungsverfahren dem Verfolgten die Kollegin E.Hößler, Dillingen a.d.Donau als Pflichtbeiständin (fürchterliches Wort 🙂 ) beigeordnet. Diese beantragte mit Schreiben vom 02.06.2021 gemäß § 46 Abs. 2 RVG die gerichtliche Feststellung, dass die Übersetzung von 259 Seiten aus den Verfahrensakten des dem Antrag auf Auslieferung zugrundeliegenden, in Serbien geführten Strafverfahren für eine ordnungsgemäße Verteidigung notwendig sei.

Mit Beschluss vom 15.06.2021 stellte das AG die Notwendigkeit der Übersetzung fest. Eine vorherige Anhörung des Bezirksrevisors erfolgte nicht. Der Beschluss enthält keine Gründe.

Mit Schreiben vom 04.08.2021 beantragte die Kollegin dann unter Rechnungsvorlage die Erstattung der angefallenen Übersetzerkosten in Höhe von insgesamt 25.000,63 EUR direkt an die Übersetzerin. Der Kostenbeamte verlangte mit Schreiben vom 01.09.2021 eine Glaubhaftmachung des Kostenansatzes. Nach Anhörung des Bezirksrevisors wurden die zu erstattenden Übersetzungskosten nur teilweise festgesetzt, weil der Kostenbeamte – ohne weitere Begründung – bei einer Vielzahl der übersetzten Dokumente deren Übersetzung für eine sachgerechte Verteidigung nicht für erforderlich erachtete. Die Kollegin hat Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhoben und unter Verweis auf die vom AG festgestellte Notwendigkeit der Übersetzung die Erstattung der gesamten beantragten Übersetzungskosten beantragt. Der Kostenbeamte half der Erinnerung nicht ab. Das AG hat der Erinnerung in vollem Umfang abgeholfen und die Kostenfestsetzungsbeschlüsse mit der Maßgabe aufgehoben, dass die weiteren Übersetzungskosten i.H.v. 7.808,48 EUR ebenfalls aus der Staatskasse zu erstatten sind. Die hiergegen von der Staatskasse eingelegte Beschwerde hat LG Augsburg mit dem LG Augsburg, Beschl. v. 28.09.2022 – 3 Qs 285/22 – verworfen. Die dagegen eingelegte weitere Beschwerde der Staatskasse hatte keinen Erfolg. Das OLG München gat sie im OLG München, Beschl. v. 07.12.2022 – 4 Ws 23/22 – zurückgewiesen:

„3. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Augsburg, deren Begründung der Senat beitritt, der Sach- und Rechtslage entspricht. Ergänzend ist anzumerken:

a) Die Entscheidung über die Erstattung von Auslagen des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwaltes erfolgt in zwei Stufen:

Auf der ersten Stufe entscheidet das Gericht, das den Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt hat, dem Grunde nach darüber, ob die geltend gemachten Auslagen für eine sachgemäße Durchführung der Sache, hier der Vertretung des Auszuliefernden im Rahmen des Auslieferungsverfahrens, erforderlich waren. In keinem Fall ist für Feststellung der Erforderlichkeit der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig. Denn es geht um solche Fragen, die nur das erkennende Gericht aus seiner Beurteilung der materiell-rechtlichen und prozessualen Gesamtsituation beantworten kann (vgl. Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 46 Rn. 38). Nach der ausdrücklichen und unmissverständlichen Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG ist die gerichtliche Feststellung der Notwendigkeit von Auslagen, zu denen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG auch die Kosten für Übersetzungen und Dolmetscher gehören, für das weitere Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Die Entscheidung des Gerichts, mit der die Erforderlichkeit festgestellt wird, erfolgt nach Anhörung des Bezirksrevisors und sie ist zu begründen. Sie ist jedoch nicht anfechtbar (vgl. Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 46 Rn. 46), auch nicht für die Staatskasse (NK-GK/Hagen Schneider, 3. Aufl. 2021, RVG § 46 Rn. 28).

Auf der zweiten Stufe, nämlich im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 55 RVG, entscheidet der zuständige Kostenbeamte, ob die auf der ersten Stufe vom Gericht für erforderlich erachteten Auslagen auch der Höhe nach erstattungsfähig sind. Werden Auslagen für Übersetzungen oder Dolmetscher geltend gemacht, so prüft er insbesondere, ob diese sich – wie in § 46 Abs. 2 Satz 3 2. HS RVG geregelt – auf die nach JVEG erstattungsfähigen Beträge beschränken.

b) Dies zugrunde gelegt hatte der Kostenbeamte die mit Beschluss vom 15.06.2021 getroffene Entscheidung des Amtsgerichts Dillingen a. d. Donau, dass die Übersetzung der fraglichen 259 Seiten für eine sachgerechte Verteidigung im Auslieferungsverfahren erforderlich war, hinzunehmen. Er war nicht berechtigt, unter Verstoß gegen die ausdrückliche gesetzliche Regelung und unter Missachtung der gesetzlich bestimmten Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Prüfung der Höhe inzident erneut und ohne Zuständigkeit die Erforderlichkeit der Übersetzungskosten zu prüfen, wie dies im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2022 geschehen ist.

Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil die Entscheidung des Amtsgerichts insofern fehlerhaft war, als weder eine Anhörung des Bezirksrevisors noch eine eigene Prüfung der beantragten Auslagen stattgefunden hat und der Beschluss außerdem jegliche Begründung vermissen lässt. Stellt ein Gericht, und sei es auch fehlerhaft, die Erforderlichkeit einer Reise oder anderer Auslagen fest, schafft es für den Rechtsanwalt einen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Rechtsanwalt verlassen darf (Hartung/Schons/Enders/Hartung, 3. Aufl. 2017, RVG § 46 Rn. 59).

Anzumerken ist, dass der Kostenbeamte, wenn er sich denn über eine gerichtliche Entscheidung hinwegsetzen möchte, seine eigene zumindest in einem solchen Umfang begründen sollte, damit eine inhaltliche Nachprüfung möglich ist. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2022 teilt zu keinem der als nicht für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich erachteten Dokumente mit, worauf sich diese Einschätzung stützt. Auch die Stellungnahme des Bezirksrevisors verhält sich dazu nicht.

Da die Höhe der geltend gemachten Kosten, dh. das für das jeweilige Einzeldokument geltend gemachte Zeilenhonorar, vom Kostenbeamten nicht beanstandet wurde, hat es mit der Entscheidung des Landgerichts Augsburg sein Bewenden.“

Die Entscheidung ist zutreffend und erinnert noch einmal daran, dass es für den Pflichtverteidiger sinnvoll ist/sein kann, beim Gericht die Feststellung der Notwendigkeit von als erforderlich angesehener Auslagen/Aufwendungen, also z.B. Kopien aus der Akte, Reisen oder eben auch Übersetzungen, zu beantragen. Stellt das Gericht die Notwendigkeit fest, gilt das auch für das Kostenfestsetzungsverfahren. An der Stelle sollte es dann keinen Streit mehr mit der Staatskasse geben. Lehnt das Gericht die Feststellung ab, ist damit nichts verloren. Denn diese Ablehnung ist anders als die positive Bescheidung für das Kostenfestsetzungsverfahren nicht bindend (s. Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 219 ff.).

Ich empfehle auch die Lektüre des Beschlusses des LG Augsburg. Denn das hat in seiner Entscheidung zudem darauf hingewiesen, dass die Staatskasse zu Recht moniere, dass die Übersetzung von insgesamt 259 Seiten, welche lediglich äußerst pauschal als „Aktenteile aus dem in Serbien gegen den Betroffenen geführten Strafverfahren nebst anwaltlichem Schriftverkehr und einen Social-Media-Chat“ bezeichnet worden seien, nicht zwingend – wie seitens des AG geschehen – vollumfänglich als erforderliche Aufwendung hätten angesehen werden müssen. Auf die Frage kam es dann letztlich aber wegen der grundsätzlichen Bindungswirkung des amtsgerichtlichen Feststellungsbeschlusses zwar nicht mehr an. Die Ausführungen des LG sollten jedoch Anlass sein, nicht ggf. „blind“ die gesamte Akte übersetzen zu lassen.

Pflichti III: Auferlegung der Kosten nach Aussetzung, oder: Offen, ob auch wegen „Krawallverteidigung“?

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Und als letzte Entscheidung dann noch der OLG München, Beschl. v. 31.08.2022 – 4 Ws 13/21 -, also schon etwas älter. Den Beschluss habe ich leider immer wieder übersehen. Heute dann aber endlich.

Das OLG München hat in der Entscheidung über die Frage entschieden, ob einem Pflichtverteidiher die Kosten auferlegt werden können, nachdem die Hauptverhandlung ausgesetzt worden ist. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem es „hoch hergegangen“ ist. Wie hoch, das ist bitte dem verlinkten Volltext zu entnehmen; das Verfahren hat im Übrigen auch die überörtliche Presse „beschäftigt“. In dem Verfahren ist es richtig hin und her gegangen. Schließlich hat das LG das Verfahren ausgesetzt und einem der Verteidiger die Kosten auferlegt. Die konkrete Begründung teilt der OLG-Beschluss (leider) nicht mit. Jedenfalls scheint man aber wohl § 145 Abs. 4 StPO auf andere als die in § 145 Abs. 1 StPO genannten Fälle, insbesondere solche der Konflikt- und Krawallverteidigung, analog angewendet zu haben. Gegen den Beschluss das Rechtsmittel, das Erfolg hatte:

„1. Gegen die Auferlegung der Kosten des Verfahrens gemäß § 145 Abs. 4 StPO ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO die Beschwerde statthaft. Das als Antrag auf Aufhebung bezeichnete Schreiben des Beschwerdeführers vom 01.12.2020 zielt auf die Beseitigung des als rechtsfehlerhaft angesehenen Beschlusses ab und war daher als Beschwerde auszulegen.

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert (§ 304 Abs. 3 StPO) überschritten und die Schriftform (§ 306 Abs. 1 StPO) gewahrt.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers iSv § 145 Abs. 1 StPO nicht festgestellt werden konnte.

a) Der Beschwerdeführer ist im Termin vom 19.10.2020 zwar ausgeblieben, weil er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschien, jedoch war der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt M. anwesend. Dieser war entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Ansicht auch zur Verteidigung bereit und in der Lage. Er machte von seinem Fragerecht im Rahmen der fortgesetzten Vernehmung der Zeugin A. K. Gebrauch und verhandelte über mehrere Stunden zur Sache. Da er an den vorhergehenden Verhandlungstagen, insbesondere zB. am 07.10.2020, ebenfalls zur Sache verhandelt und die Kammer den Angeklagten als ausreichend verteidigt angesehen hatte, musste der Beschwerdeführer auch nicht davon ausgehen, dass der Pflichtverteidiger die Verteidigung am 19.10.2020 nicht mehr sachgerecht würde wahrnehmen können. Ein Fall von § 145 Abs. 1 StPO lag daher am 19.10.2020 nicht vor (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 145 Rn 5).

Zum Termin 09.11.2020 war der Beschwerdeführer nach Aktenlage nicht ordnungsgemäß geladen, was bereits einem schuldhaften Ausbleiben entgegensteht. Ein solches war aber auch deshalb nicht möglich, weil der Termin bereits am 19.10.2020 auf Antrag des Pflichtverteidigers abgesetzt worden war. Dieser hatte für den 09.11. und 16.11. Verhinderung angezeigt und die Kammer eine Verhandlung mit dem Beschwerdeführer ausweislich des Aussetzungsbeschlusses nicht für angezeigt gehalten. Ein Ausbleiben in einem abgesetzten Termin ist schon begrifflich nicht möglich.

Die Kammer durfte auch nicht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer den Hauptverhandlungsterminen im Falle deren Nichtabsetzung vom 09.11. und 16.11. fernbleiben würde, denn er hatte bereits am 27.08.2020 angezeigt, an diesen Tagen verfügbar zu sein und auch später keine Verhinderung mitgeteilt. Seine Mitteilung vom 14.09.2020, vor einer Klärung der angeblichen Vorkommnisse vom 18.08.2020, namentlich der verhaltensbedingten zwangsweisen Entfernung des Rechtsanwalts R. aus dem Sitzungssaal, nicht weiter an der Hauptverhandlung teilnehmen zu können oder zu wollen, war dadurch überholt, dass er am 06.10.2020 aufgrund einer krankheitsbedingten Verhinderung Verlegung des Hauptverhandlungstermins vom 07.10.2020 beantragte, woraus zu schließen ist, dass er an diesem Termin teilnehmen wollte, obwohl eine Klärung der fraglichen Ereignisse noch nicht erfolgt war. Die Kammer konnte daher jedenfalls nicht ohne entsprechende Nachfrage, ob der Beschwerdeführer bereit ist, am 09.11.2020 an der Hauptverhandlung teilzunehmen, davon ausgehen, dass dies nicht der Fall sein würde.

b) Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht zur Unzeit aus der Hauptverhandlung entfernt. Unter einem unzeitigen Entfernen ist das vorzeitige Verlassen der Hauptverhandlung zu verstehen, obwohl wesentliche Teil noch bevorstehen. Ein solches fand nach Aktenlage nicht statt.

c) Schließlich hat der Beschwerdeführer auch nicht die Verteidigung verweigert. Eine solche Verweigerung wäre darin zu sehen, dass der Verteidiger untätig bleibt, obwohl er zu einer sachgerechten Verteidigung tätig werden müsste (vgl. Beulke in Satzger, Schluckebier, Widmaier, StPO, 3. Auflage, § 145 Rn. 8). Es kann vorliegend dahinstehen, ob die vom Beschwerdeführer entfalteten Tätigkeiten als sachgerechte Verteidigung angesehen werden können, denn er ist jedenfalls nicht untätig geblieben, wo er zu handeln verpflichtet gewesen wäre.

d) Der Senat konnte ferner offenlassen, ob § 145 Abs. 4 StPO – wie vom Landgericht angenommen – auf andere als die in § 145 Abs. 1 StPO genannten Fälle, insbesondere solche der Konflikt- und Krawallverteidigung, analog anwendbar ist (a.A. die wohl h.M., vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 145 Rn 17; KKStPO/Willnow, 8. Aufl. 2019, StPO § 145 Rn. 12). Zwar kann das Verhalten des Rechtsanwalts R. angesichts der Vielzahl der persönlichen Angriffe auf die Richter und die Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der unzähligen Beleidigungen dieser Personen, der demonstrativen Respektlosigkeit gegenüber der Justiz im Allgemeinen und der Kammer im Besonderen sowie seines in der Gesamtschau einem Organ der Rechtspflege unwürdigen Benehmens zwanglos als Krawallverteidigung qualifiziert werden. Auch hatte Rechtsanwalt R. bereits am ersten Verhandlungstag ausdrücklich mitgeteilt, dass das Verfahren lange und zwar mindestens bis zur Pensionierung der Vorsitzenden dauern werde und war jedenfalls sein Verteidigungsverhalten erkennbar darauf gerichtet, den Verfahrensfortgang zu behindern und eine Beendigung des Verfahrens vor dem Eintritt der Vorsitzenden in die Freistellung der Altersteilzeit zu verhindern. Dieses Verhalten von Rechtsanwalt R. kann dem Beschwerdeführer jedoch nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, die der Senat vorliegend nicht feststellen konnte, zugerechnet werden.

Die vorstehende Entscheidung erstreckt sich nicht auf Rechtsanwalt R. Dieser hat den Beschluss vom 18.11.2020 nicht angefochten. Die dort getroffene Kostenentscheidung ist grundsätzlich trennbar, sodass auch die Beschwerdeentscheidung keiner Erstreckung bedarf (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.01.1973 – 4 Ws 304/72, MDR 1973, 1042).

Eine analoge Anwendung des § 357 StPO scheidet aus (vgl. Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 357).“