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OWi III: Kostenerstattung für privates Gutachten, oder: Erheblicher Verstoß/unvollständige Messunterlagen

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Und zum Schluss des heutigen Tages dann noch einmal eine Entscheidung zur Frage der Erstattung der Kosten eines privaten Sachverständigengutachten. Das LG hat die im LG Zwickau, Beschl. v. 10.02.2025 – 5 Qs 173/23 jug – bejaht.

Gegen den Betroffenen ist ein Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhängig gewesen. Durch Bußgeldbescheid waren eine Geldbuße von 400,00 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden. Ferner wurde die Tat mit zwei Punkten im Fahreignungsregister bewertet.

Nach Einlegung des Einspruchs durch den Betroffenen hat am AG das gerichtliche Verfahren stattgefunden. Die Hauptverhandlung wurde zweimal ausgesetzt, bevor das Verfahren schließlich wegen Verjährung eingestellt worden ist. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen sind der Staatskasse auferlegt worden.

Der Verteidiger hat mit seinem Kostenfestsetzungsantrag u.a. auch die Aufwendungen in Höhe von 1.655,94 EUR brutto für ein außergerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten geltend gemacht. Das AG hat diese nicht festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers hatte vollen Erfolg:

„Zu Recht geht der Verteidiger davon aus, dass für eine effektive Verteidigung die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens notwendig war. In erster Instanz hatte er bereits vorgetragen, dass dies verfassungsrechtlich aus Gründen der „Waffengleichheit“ auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren notwendig sei.

Nach herrschender Auffassung sind aber eigene private Ermittlungen in der Regel nicht notwendig, das gilt auch für die Kosten von Privatgutachten (OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, Seite 127; Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, 63. Auflage, § 464a Rn. 16 m.w.N.; Karlsruher Kommentar zur StPO/Gieg, 8. Auflage, § 464a, Rn. 7). Dies wird damit begründet, dass die Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind.

Eine Ausnahme gilt unter anderem bei komplizierten technischen Fragen, z. B. wegen eines etwaigen Informationsvorsprungs der Staatsanwaltschaft im Interesse einer effektiven Verteidigung (OLG Hamburg, NStZ 1983, Seite 284; OLG Schleswig, Schleswig-Holstein Archiv 1986, Seite 29, OLG Köln, NJW 1992, Seite 586; OLG Celle, Juristisches Büro 1994, Seite 297; Karlsruher Kommentar a.a.O.).

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts darf ein Privatgutachten nicht ohne triftigen Grund in Auftrag gegeben worden sein. Wenn sich bei einer Geschwindigkeitsmessung im Rahmen der Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit keine besonderen Anhaltspunkte auf Messfehler oder sonstige Unregelmäßigkeiten ergeben, ist die Einholung eines solchen Gutachtens nicht angebracht.

Im vorliegenden Fall stellte der Bußgeldbescheid für den Betroffenen aber eine nicht unerhebliche Sanktion dar. Gegen ihn wurde ein für Verkehrsordnungswidrigkeiten relativ hohes Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 € verhängt. Außerdem wurde das ihm vorgeworfene Verhalten mit zwei Punkten im Fahreignungsregister bewertet. Am schwersten wog jedoch das verhängte einmonatige Fahrverbot. Er trug hierzu nachvollziehbar vor, dass ein solches für ihn schwerwiegende berufliche Nachteile bringen würde.

Insofern ist es gerechtfertigt, dass er durch seinen Verteidiger eine besonders genaue und eingehende Prüfung der Geschwindigkeitsmessung veranlasst hat.

Da die Messunterlagen nicht vollständig waren, musste er im Rahmen seiner Verteidigung darlegen, welche Unterlagen zur Prüfung einer Messung unbedingt erforderlich waren. Im Verlaufe des Verfahrens ging es auch um die technische Frage der Größe des Messfeldes und der Rohmessdaten. Da weder der Betroffene noch sein Verteidiger die erforderliche Sachkunde hatten, hat er völlig zu Recht ein privates Sachverständigengutachten eingeholt. Im Termin vom 08.06.2022 hat der Verteidiger des Betroffenen die Einholung des Gutachtens bestätigt und dieses im Beschwerdeverfahren auch vorgelegt.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kommt es nicht darauf an, ob das private Gutachten verwertet werden konnte oder musste. Vorliegend wurde das Verfahren wegen Verjährung durch Urteil vom 19.01.2023 eingestellt. Entscheidend ist, ob der Betroffene bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Einholung eines Privatgutachtens für erforderlich halten durfte. Dies war aus den o. g. Gründen der Fall.“

Den Ausführungen des LG ist nichts hinzuzufügen. Sie treffen so in einer Vielzahl von Bußgeldverfahren zu (vgl. u.a. auch noch LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 04.05.2023 – 6 Js 394 Js 26340/21 (56/23); LG Wuppertal, Beschl. v. 08.02.2018; LG Aachen, Beschl. v. 12.7.2018 – 66 Qs 31/18, RVGreport 2019, 71). Ob allerdings der allgemeine Ansatz des LG zutrifft, dass die Aufwendungen für ein privates Sachverständigengutachten in der Regel nicht erstattungsfähig sein sollen – was allerdings der wohl h.M. in der Rechtsprechung entspricht – kann dahinstehen. Denn darauf kam es hier aus den vom LG zutreffend dargelegten Gründen nicht an.

Was mich allerdings mal wieder erstaunt: Der Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers datiert vom 22.02.2023, die Festsetzung durch das AG dann vom 23.08.2023 und die Beschwerde des Verteidigers vom 12.09.2023. Über die entscheidet das LG am 10.02.2025! Unfassbar und so nicht hinnehmbar.

Auslagen II: Nochmals Aktenversendungspauschale, oder: Haben Rechtspfleger nichts zu tun?

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Im zweiten Posting geht es um den AG Tiergarten, Beschl. v. 17.03.2025 – 288 OWi 11 56/24 – und in ihm noch einmal um die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG. Ja, schon 🙂 .

Das AG hat das Verfahren gegen die Betroffene nach § 206a StPO i.V.m. §46 OWiG wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses eingestellt und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse auferlegt. Mit seinem Kostenfestset-zungsantrag hat der – nicht in Berlin ansässige – Verteidiger u.a. auch die Erstattung der Akten-übersendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer beantragt.
Der Rechtspfleger hat diese nicht festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Aktenver-sendungspauschale gehöre nur dann zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen der Be-troffenen, wenn die Hinzuziehung dieses Rechtsanwaltes zu einer zweckentsprechenden Ver-teidigung notwendig gewesen sein. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, denn die Betroffene habe ihren Wohnsitz in Berlin und es sei ihr daher zuzumuten gewesen und auch naheliegen-der, einen ortsansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes entstandenen Mehrkosten habe sie daher selbst zu tragen. Dazu gehöre auch die Aktenversendungspauschale, da diese einem Berliner Verteidiger nicht erstat-tet werde. Die Akteneinsicht sei jederzeit an Behördenstelle möglich und eine Versendung der Akte entsprechend nicht erforderlich. Die Aktenversendung stelle vielmehr einen Service der Behörde dar, so dass Kostenschuldner der Rechtsanwalt sei (§ 28 GKG).
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Verteidigers, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Diese hatte dann aber beim Gericht Erfolg.:

„Gemessen daran ist die durch den Verteidiger geltend gemachte Aktenversendungspauschale als Auslage auch notwendig und daher erstattungsfähig.

Denn der auswärtige Verteidiger kann das Recht auf Akteneinsicht vernünftigerweise und sachdienlich nur durch Übersendung der Gerichtsakte ausüben. Bei persönlicher Abholung der Akte entstünde ein Anspruch auf Vergütung der Reisekosten, welche in aller Regel höher als die Akten-versendungspauschale ausfielen. In diesem Fall ist die Aktenübersendung die für den Mandanten kostengünstigste Maßnahme zur Durchführung der Akteneinsicht mit der Folge, dass die Kosten für die Aktenübersendung eine notwendige Auslage darstellen.

Eine Kostenerstattung kann hier auch nicht mit dem Argument ausgeschlossen werden, die Betroffene hätte einen ortsansässigen Verteidiger beauftragen können, der seinerseits in der Lage gewesen wäre, die Akte abzuholen, so dass eine Versendung nicht notwendig und daher nicht erstattungsfähig gewesen wäre. Denn auch bei einem ortsansässigen Rechtsanwalt kann sich die Aktenversendungspauschale als notwendig erweisen, wenn es ihm wegen der Entfernung zum Gericht nicht ohne weiteres zumutbar ist, dieses wegen jeder Akteneinsicht persönlich aufzusuchen oder einen Boten zu schicken (AG Tiergarten, Beschluss vom 13.12.2018, 229 Ds 1 89/15; AG Köln, Beschluss vom ü8.06.2018, 707 Ds 101/15; AG Tiergarten, Beschluss vom 10.12.2024, 350 Gs 464/24). Das Kriterium der Ortsansässigkeit hat in einer Großstadt wie Berlin und angesichts der teilweise erheblichen Entfernungen zum Gericht auch für formal ortsansässige Rechtsanwälte kaum Trennschärfe (vgl. auch AG Tiergarten, Beschl. v. 10.12.2024, a.a.O.). Die Verweisung auf die hypothetische Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwaltes verfängt daher nicht.“

Das AG Tiergarten bestätigt mit der Entscheidung seine Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Aktenversendungspauschale auch für den ortsansässigen Verteidiger (vgl. dazu schon AG Tiergarten, Beschl. v. 10.12.2024 – 350 Gs 464/24 m.w.N.). Hier hatten wir es allerdings mit dem Sonderfall zu tun, dass es sich zwar um einen nicht ortsansässigen Verteidiger gehandelt hat, der Erstattung aber entgegen gehalten werden sollte, dass die Auslage deshalb nicht notwendig gewesen wäre, weil die Betroffene einen ortsansässigen Rechtsanwalt hätte beauftragen können, dem die Auslage dann nicht zu erstatten gewesen wäre; Stichwort: Versendung ist Serviceleistung der Justiz. Dem hat das AG erneut zur Recht eine Absage erteilt.

In dem Zusammenhang fragt man sich angesichts der Vielzahl der Entscheidungen, die sich mit der Aktenversendungspauschale befassen (müssen), ob Rechtspfleger eigentlich nichts oder zu wenig zu tun haben und daher diese Fragen immer wieder zum Spruch stellen. Die häufige lange Dauer von Kostenfestsetzungsverfahren dürfte eher für das Gegenteil sprechen.

Auslagen I: Reproduktion von Datenträgern/DVD, oder: Ersatz der Sachkosten

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Und als „gebührenrechtliche“ Entscheidungen  gibt es heute zwei Beschlüsse zu Auslagen.

Da mache ich mit dem AG Leipzig, Beschl. v. 23.01.2025 – 202 Ls 607 Js 28838/22 (2) – den Opener.

Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Ihm ist Akteneinsicht gewährt wor-den. Nach Abschluss des Verfahrens hat der Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen ge-genüber der Staatskasse geltend gemacht. Abgerechnet hat er u.a. auch eine Gebühr für Ko-pierkosten nach Nr. 7000 Ziff. 2 VV RVG in Höhe von 20,- EUR im Hinblick auf ihm im Rahmen der Akteneinsicht überlassenen 4 DVDs. Die Rechtspflegerin hat diese festgesetzt. Dagegen richtet sich die Erinnerung der Staatskasse. Die hatte jedoch beim Gericht keinen Erfolg:

„Die Erinnerung der Staatskasse gegen den Beschluss der Rechtspflegerin ist zulässig, jedoch unbegründet, so dass sie zurückzuweisen war.

Dem Pflichtverteidiger sind nach der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB die Aufwendungen, die für die Kopie von DVD’s erforderlich waren, mithin 5,- Euro pro DVD (netto) zu erstatten.

Zwar führt der Bezirksrevisor zunächst zu Recht aus, dass sich der Erstattungsanspruch nicht aus Nr. 7000 VV RVG ergibt. Denn der Pflichtverteidiger hat weder Ablichtungen oder Ausdrucke aus den Gerichtsakten hergestellt (Nr. 7000 Ziffer 1 VV RVG) noch hat er „im Ein-verständnis mit dem Auftraggeber“ elektronisch gespeicherte Dateien überlassen (Nr. 7000 Ziffern 2, 1d VV RVG).

Der Gebührentatbestand der Nr. 7000 VV RVG findet auf die Überlassung bzw. Reproduktion von bei den Akten befindlichen Datenträgern keine unmittelbare Anwendung. Dies folgt bereits dadurch, dass Nr. 7000 Ziffer 2, welche auf Ziffer 1d Bezug nimmt, im Verhältnis zwischen Landeskasse und Pflichtverteidiger nicht anwendbar ist (Kroiß, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Auflage 2021,7000 VV RVG Rn. 9 m.w.N.). Die Regelung in Nr. 7000 Ziffer 1d VV RVG bezieht sich ausschließlich auf das privatrechtliche Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.03.2008 – III-3 Ws 72/08 -, NJW 2008, 2058). Hingegen sind weder das Gericht noch der Beschuldigte Auftraggeber des Pflichtverteidigers (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Auflage 2023, Nr. 7000 VV RVG, Rn. 155), dessen Bestellung als besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken einem begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. BVerfGE 39, 238; NJW 1975, 1015; OLG Düsseldorf a.a.O.), nicht aber einem Auftragsverhältnis gleicht.

Der Pflichtverteidiger hat jedoch bezüglich seiner Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung bzw. Reproduktion von bei den Akten befindlichen Datenträgern einen Anspruch nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB.

Wie vorstehend dargestellt kann eine entsprechende Erstattung der Auslagen nicht nach Nr. 7000 VV RVG erfolgen. Zudem sind die Aufwendungen keine Gemeinkosten, die für den allgemeinen Bürobetrieb angefallen sind, sondern diese sind durch die Bearbeitung des kon-kreten Mandats veranlasst. Die durch den Pflichtverteidiger getätigten Aufwendungen waren auch erforderlich i.S.d. § 670 BGB. Denn die kopierten Datenträger waren Bestandteile der Sachakten und enthielten Beweismittel, deren Kenntnis für eine sachgerechte Verteidigung unerlässlich war.

Nach der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG i.V.m. §§ 675, 670 BGB seien dem Pflichtverteidiger die tatsächlich entstandenen Aufwendungen zu ersetzen. Hierzu zählen vorliegend die Sachkosten für 4 DVD’s sowie die für die Erstellung der Kopien entstehenden Personalkosten, nicht aber die (anteiligen) Beschaffungskosten für die Hard- und Software, die als Gemeinkosten nicht gesondert erstattungsfähig sind. Dabei scheint es angemessen, sich im Hinblick auf den Aufwand hierfür an den Beträgen der Nr. 7000 Ziffer 2 VVRVG zu orientieren, welche für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien an einen Dritten für die in einem Arbeitsgang überlassenen, bereitgestellten oder in einem Arbeitsgang auf denselben Datenträger übertragenen Dokumente insgesamt bis zu 5,- Euro je Datenträger festsetzen. Da vorliegend insgesamt 4 DVD’s überlassen wurden, beträgt die Gesamtsumme der Erstattung hierfür 20,- Euro zzgl. Umsatzsteuer.“

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Zwar handelt es sich in diesem und in vergleich-baren Fällen häufig nicht um hohe Beträge, aber bekanntlich macht ja auch „Kleinvieh Mist“ und die Erstattung reduziert den Kostenapparat des Verteidigers. Die Entscheidung liegt auf der Linie der (ober)gerichtlichen Rechtsprechung.  Aber: Erstattet werden immer nur die Sachkosten für die Hilfsmit-tel, nicht aber (anteilige) Beschaffungskosten für Hard- und Software, die gem. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG als Gemeinkosten nicht gesondert erstattungsfähig sind.

Etwas zu Auslagenerstattung nach Einstellung, oder: Verfassungsbeschwerde, Straf-, Bußgeldverfahren

Und dann heute noch einmal vorbereitete Beiträge – bin ja erst seit gestern wieder vor Ort.

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Ich habe dann hier zunächst einige Entscheidungen, die sich noch einmal mit der Auslagenerstattung befassen. Es geht einmal von „ganz oben“, nämlich vom BVerfG über LG nach „ganz unten“, nämlich AG. Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

Es entspricht der Billigkeit dem Beschwerdeführer einer Verfassungsbeschwerde seine Auslagen gem. § 34a Abs. 3 BVerfGG nach einer Erledigungserklärung zu erstatten, wenn sich die Verfassungsbeschwerde gegen als unionsrechtswidrig gerügte Regelungen gerichtet hatte – hier: Vorschriften zur anlasslosen Datenspeicherung – und diese Regelungen durch den EuGH wegen Verstoßes gegen Unionsrecht für unanwendbar erklärt wurden.

Wird das Verfahren nach § 206a StPO eingestellt, erscheint eine Ermessensentscheidung, dem Beschuldigte seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen, zweifelsfrei unbillig, wenn ihm der zur Einstellung führende Fehler in keiner Weise angelastet werden kann, sondern der zur Einstellung führende Verfahrensfehler in der Sphäre der Staatsanwaltschaft liegt, die einen Strafbefehl am örtlich unzuständigen Gericht beantragt hat, sowie beim AG, das seine örtliche Zuständigkeit vor dem Erlass eines Strafbefehls von Amts wegen zu prüfen gehabt hätte. Das anzuwendende Ermessen auf der Ebene der Auslagenentscheidung ist dann auf Null reduziert.

Wenn nicht einmal die vollständige Gewährung von Akteneinsicht gerichtlich festgestellt ist, kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass ein Einspruchsverfahren aufgrund nicht vollständiger Akteneinsicht zumindest gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt worden wäre, was der Annahme eines Falles gem. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO entgegensteht.

 

BtM/KCanG III: Besitz lebender Cannabispflanzen, oder: Einstellung aus tatsächlichen Gründen

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Und dann habe ich hier noch zwei Entscheidungen des LG Kaiserslautern, die an sich auch an einem „Gebührentag“ hätten Gegenstand der Berichterstattung sein können.

Ausgangspunkt ist der LG Kaiserslautern, Beschl. v. 24.04.2024 – 3 NBs 6214 Js 2740/23. Mit dem hat das LG ein Verfahren wegen des strafbaren Besitzes lebender Cannabispflanzen aus tatsächlichen Gründen eingestellt, aber davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen:

„Das Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat galt (Anlagen zu § 29 BtMG), wurde geändert. Die Strafbarkeit des Besitzes lebender Cannabispflanzen richtet sich nunmehr nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 c) KCanG, wonach nur der Besitz von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen strafbar ist. Zwar wurden im vorliegenden Fall vier Cannabispflanzen bei den Angeklagten gefunden. Inwiefern sich die Besitzverhältnisse hinsichtlich dieser Cannabispflanzen gestalten, kann jedoch nicht mehr aufgeklärt werden. Zugunsten der Angeklagten muss daher unterstellt werden, dass getrennter Besitz vorlag und keiner der beiden Angeklagten mehr als drei Pflanzen besessen hat. Eine solche Tat ist jedoch nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 c) KCanG nicht mehr strafbar, weshalb das Verfahren gemäß § 206b StPO einzustellen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 467 Abs. 1 und 3 StPO. Unter Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls wird daher davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung gefällt dem Verteidiger nicht. Er legt Beschwerde ein und hat mit der Erfolg. Das LG hilft ab und legt mit dem LG Kaiserslautern, Beschl. v. 08.05.2025 – 3 NBs 6214 Js 2740/23 – auch die notwendigen Auslagen der Landeskasse auf:

„Die Angeklagten hätten – wäre es zu einer Berufungshauptverhandlung gekommen – aus den Gründen des Beschlusses vom 24.04.2024 (Bl. 392 d.A.) freigesprochen werden müssen, woraufhin der Staatskasse neben den Verfahrenskosten auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten aufzuerlegen gewesen wären. Da die Einstellung des Verfahrens nach § 206b StPO insofern den Freispruch ersetzt, erscheint es angezeigt, hier eine entsprechende Kostenentscheidung zu treffen.“