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Pflichtverteidigerbestellung „für den heutigen Termin“, oder: Echternacher Springprozession beim OLG Koblenz

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Ich hatte Mitte Juni über den LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 12.05.2024 – 2 Qs 14/24 – berichtet, in dem über den Gebührenanspruch eines Pflichtverteidigers entschieden worden ist, der nur für einen Vorführtermin bestellt worden ist (vgl. Pflichtverteidigerbestellung „für den heutigen Termin“, oder: Alle Gebühren, auch die Nr. 4142 VV RVG). In dem Posting hatte ich darauf hingewiesen, dass ich, da das LG die weitere Beschwerde zum OLG zugelassen hatte, gespannt bin, was das OLG Koblenz dazu sagt. Und inzwischen hat das OLG Koblenz sich geäußert, und zwar so, dass ich angenehm überrascht bin (was bei Entscheidungen vom OLG Koblenz nicht so häufig der Fall ist 🙂 . Denn das OLG hat die weitere Beschwerde, die die Bezirksrevisorin natürlich nicht eingelegt hat – „es kann doch nicht sein, dass …..“ 🙂 – mit dem OLG Koblenz, Beschl. v. 04.07.2024 – 2 Ws 412/24 – als unbegründet zurückgewiesen:

„a) Im Ansatz zutreffend geht die Bezirksrevisorin davon aus, dass maßgebend für das Kosten-festsetzungsverfahren der insofern bindende Beiordnungsbeschluss ist (BGH, Beschluss vom 11. April 2018 – Az. XII ZB 487/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Mai 2018 – Az. III – 1 Ws 274/17; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. Januar 2015 – Az. 13 WF 67/15 – alle zitiert nach juris). Für die Abgrenzung zwischen einem „Vollverteidiger“ und einem mit einer Einzeltätigkeit beauftragten Rechtsanwalt ist gemäß § 48 Abs. 1 RVG der Wortlaut der Verfügung des Vorsitzenden oder des Gerichtsbeschlusses maßgebend, durch den die Bestellung zum Pflichtverteidiger erfolgt ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Januar 2023, Az. 4 Ws 13/23 – zitiert nach juris). Dem Wortlaut des hier vorliegenden Beiordnungsbeschlusses vom 21. Dezember 2022 ist eine Bei-ordnung „für den heutigen Termin“, mithin die Vorführung vor den Haftrichter gemäß § 115 StPO, zu entnehmen. Damit enthält der Beschluss eine zeitliche Beschränkung auf den Termin der Vorführung. Ob eine solche Beschränkung im Hinblick auf § 143 StPO zulässig ist, kann auf Grund der Bindungswirkung des Beiordnungsbeschlusses für das Kostenfestsetzungsverfahren dahinstehen. Eine inhaltliche Beschränkung auf die Haftfrage ist dem Beschluss dagegen nicht zu entnehmen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2023 – Az. 2 Ws 13/23 – zitiert nach juris; aA für den – hier nicht vorliegenden – Fall eines schon beauftragten Wahlverteidigers: OLG Stuttgart, aaO).

Demzufolge ist bei der Festsetzung der Gebühren von der für den Termin der Vorführung erforderlichen, tatsächlich angefallenen anwaltlichen Tätigkeit auszugehen, soweit sie sich im Rahmen dieses Beiordnungsbeschlusses hält. Dies ist jedenfalls dann, wenn wie vorliegend noch kein anderer Verteidiger bestellt ist, sondern ein solcher bloß die Bereitschaft zur Übernahme der Verteidigung erklärt hat, beim Vorführungstermin jedoch verhindert ist, nicht allein die Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 VV RVG. Nach Absatz 1 der Vorbemerkung 4.3 VV RVG entstehen die Gebühren für einzelne Tätigkeiten, ohne dass dem Rechtsanwalt sonst die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist. Der Verteidiger war hier jedoch nicht nur „für den Termin“ mit einer einzelnen Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 der Vorbemerkung zu 4.3 beauftragt, sondern ihm wurde vielmehr eine Vollverteidigung übertragen. Die Tätigkeit im Rahmen des Vorführtermins erschöpft sich nämlich nicht alleine in der insofern in Betracht zu ziehenden Betätigung nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG (Beistandsleistung für den Beschuldigten im Rahmen einer richterlichen Vernehmung). Die richterliche Vernehmung ist zwar gemäß § 115 Abs. 2 StPO Teil einer Eröffnung eines Haftbefehls, diese geht jedoch darüber hinaus. Vorliegend war eine Erstberatung noch nicht erfolgt. Daher war – unabhängig von der später erfolgten Beiordnung eines anderen Verteidigers – eine umfassende Beratung zur Verteidigungsstrategie im Termin zur Vorführung nach § 115 StPO zwingend geboten. So war beispielsweise bereits zu diesem Zeitpunkt zu entscheiden, ob sich durch eine Einlassung ein dringender Tatverdacht ausräumen lässt oder sich eine (geständige) Einlassung auf die Frage einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls auswirken kann. Die gewählte Vorgehensweise kann sich gegebenenfalls bestimmend für das Verteidigungsverhalten im weiteren Verfahrensverlauf auswirken. Dies gilt ebenso für die Frage der Beratung zu einer drohenden Einziehung.

Diesen Gegebenheiten wird bei bislang noch nicht erfolgter Erstberatung trotz zeitlicher Beschränkung der Aufgabenwahrnehmung nur durch eine volle Pflichtverteidigung Rechnung getragen (vgl. auch K. Sommerfeldt/T. Sommerfeldt in: BeckOK RVG, 64. Ed. § 48 Rdn. 121). Durch die Beiordnung eines Verteidigers für die Wahrnehmung eines Termins wird daher ein eigenständiges, vollumfängliches öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat.

b) Daraus folgt, wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat: die Grundgebühr nebst Haftzuschlag (Vorbemerkung 4 Ziffer 4 VV RVG) gemäß Nummer 4101 VV RVG deckt die erforderliche Einarbeitung in den Fall ab, daneben fällt die Verfahrensgebühr gemäß Nummer 4105 VV RVG an. Der Vorführungstermin zur Verkündung des Haftbefehls gemäß § 115 StPO erfüllt ohne weiteres die Voraussetzungen von Nummern 4102 Ziffer 3, 4103 VV RVG, wonach die Terminsgebühr mit Zuschlag für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung anfällt, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Gleiches gilt – im Hinblick auf die drohende Einziehung – gemäß Nummer 4142 VV RVG.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem Gebührentatbestand der Nummer 4301 Ziff. 4 VV RVG herleiten. Dieser regelt die Vergütung für die Beistandsleistung für den Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung im Rahmen einer Einzeltätigkeit. Die Einzeltätigkeit setzt voraus, dass dem Rechtsanwalt nicht die Verteidigung übertragen worden ist. Dies ist hier aber gerade nicht der Fall (vgl. oben 2. a)).

Hiergegen kann auch nicht angeführt werden, dass der Gebührentatbestand Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG ins Leere laufe, da als Anwendungsfall zumindest die Tätigkeit im Rahmen des § 140 Abs. 1 Nr. 10 StPO verbleibt.“

Anzumerken ist: Eine weitere (obergerichtliche) Entscheidung in der Frage, welche Gebühren für den nur für einen Vorführtermin bestellten Pflichtverteidiger anfallen. Allmählich kann man die Auffassung, die in diesen Fällen nicht nur von einer Einzeltätigkeit ausgeht, sondern den Pflichtverteidiger als „vollen Verteidiger“ ansieht, der nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG alle (Verteidiger)Gebühren abrechnen kann, als herrschende Meinung ansehen.

Mit der Begründung des OLG Koblenz kann ich mich allerdings nicht so richtig anfreunden, da das OLG das gefundene Ergebnis offenbar sogleich wieder einschränken will. Denn das OLG will – so ist es m.E. zu verstehen – von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG und damit vom Anfall aller Gebühren wohl nur dann ausgehen, „wenn wie vorliegend noch kein anderer Verteidiger bestellt ist, sondern ein solcher bloß die Bereitschaft zur Übernahme der Verteidigung erklärt hat.“ Diese Sicht der Dinge ist m.E. falsch. Denn auch, wenn bereits ein Verteidiger bestellt ist oder sich bestellt hat, muss der Verteidiger im/für den Vorführtermin die vom OLG beschriebenen Verteidigertätigkeiten erbringen. Das ist/wäre aber originäre volle Verteidigertätigkeit und geht weit über das hinaus, was über eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG abzurechnen wäre. Von daher ist die Entscheidung „unschön“ und mutet ein wenig wie die Echternacher Springprozession: Zwei Schritte vor, einer zurück.

Gegenstandswert bei der Einziehungsgebühr, oder: Gebührenrechtlicher Unsinn

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Als zweite Entscheidung dann der AG Arnstadt, Beschl. v. 07.09.2018 – 960 Js 34942/14 1 Ds -, in dem das AG zur Höhe der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG Strellung genommen hat. Wenn man den Beschluss gelesen hat, weiß mannicht, ob man lachen oder weinen soll. Jedenfalls muss man dem AG aber raten, vielleicht doch mal einen Blick in einen Kommentar zu werfen. Denn das, was das AG da gemacht hat, ist schlicht Unsinn.

Der Pflichtverteidiger hatte beantragt den Gegenstandswert für eine Ein­ziehung auf 25.358,00 € festzusetzen. Das AG lehnt den Antrag ab und stellt fest, „dass der Gegenstandswert der Einziehung nicht niedriger als 30 € ist.„:

„Gegenstand des strafrechtlichen Verfahrens war der Tatvorwurf der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 170 StGB.

Für den Fall einer Verurteilung wäre in dem festzustellenden Umfange auch über die Einziehung ge­mäß § 73c StGB zu entscheiden gewesen (wegen nicht gezahlten Unterhaltes/ersparter Unterhalts­leistungen). Diese hätten unter Berücksichtigung der titulierten Unterhaltspflicht bei Feststellung ent­sprechender Leistungsfähigkeit nach dem derzeitigen Stand unter Berücksichtigung von Unterhalts­vorschussleistungen durch Dritte 25.358,00 € betragen. Dieser Betrag wäre dann gegebenenfalls einzuziehen gewesen.

Dies ist in dem Verfahren mehrfach aktenkundig dargelegt.

Das Verfahren wurde letztendlich nicht durch Urteil, sondern durch endgültige Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dem war die vorläufige Einstellung vorausgegangen, bei der gemäß § 153a Abs. 2, Abs. 1 Ziff. 4 StPO dem Angeklagten als Auflage die Zahlung der titulierten Unterhaltsschuld abzüglich etwaiger Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 3 25.358,00 € auferlegt wurde. Die Auflage wurde vollständig erfüllt.

Mit Antrag vorn 27.07.2018 hat der Pflichtverteidiger unter Verweis auf Vergütungsverzeichnis 4142 RVG die Gegenstandswertfestsetzung auf 25.358,00 € und die entsprechende Zahlung einer Verfah­rensgebühr in Höhe von 863,00 € beantragt.

Der Antrag auf Feststellung des Gegenstandswertes der Einziehung ist insoweit unbegründet, als die Festsetzung des Gegenstandswertes der Einziehung über 30 € hinaus beantragt wird.

Das Kostenrecht sieht für die jeweilig an zu fallenden Gebühren unterschiedliche Gebühren vor. Hier sind neben so genannten Pauschgebühren, der Wertgebühren, Festgebühren und Rahmengebühren vorgesehen (Kostengesetze Einleitung II. A Rn. 7ff.).

Bei den im Strafverfahren anfallenden Gebühren handelt es sich um Rahmengebühren (soweit ein Wahlverteidiger die Festsetzung der Vergütung beantragt) und für den Pflichtverteidiger quasi um Festgebühren, da hier insoweit ein Betragsrahmen durch den Gesetzgeber nicht vorgesehen wurde (vergleiche Einleitung II, A Rn. 12, Kostengesetze, RVG § 2 Rn. 2 mit ausdrücklicher Verweisung auf das Vergütungsverzeichnis 4100ff.).

Ausnahmen wie etwa aus der amtlichen Vorbemerkung 4 Abs. 5 des Vergütungsverzeichnisses sind vorliegend nicht Gegenstand der Geltendmachung bzw. der zur Entscheidung anstehenden Fragen. (Etwas anderes gilt auch, wenn im Adhäsionsverfahren ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch des Geschädigten im Wege des Adhäsionsantrages/quasi zivilrechtliche Klage geltend gemacht wird und über den dann im Strafverfahren mit entschieden wird. Da dieses Verfahren quasi den zivilrechtli­chen Verfahren angelehnt ist, neben dem Hauptanspruch über eine etwaige Kostenverteilung ein­schließlich einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung zu treffen ist, ist hier eine Streitwert­festsetzung erforderlich.)

Ausweislich des Vergütungsverzeichnisses in Strafsachen Abschnitt 1 Gebühren des Verteidigers sind bei der Festsetzung etwaiger Vergütungen die dort aufgeführten Beträge in Ansatz zu bringen, Wie bereits oben aufgeführt unterscheidet der Gesetzgeber hier zum einen für den Wahlverteidiger die so genannten Rahmengebühren und für den Pflichtverteidiger die ausgehend von § 2 in Verbindung mit dem Vermögensverzeichnis festgesetzten Festgebühren.

Im Weiteren unterscheidet das Verfahren die so genannten allgemeinen Gebühren, die Gebühren die im vorbereitenden Verfahren und die Gebühren die im 1. Rechtszug entstehen.

Ausweislich Vergütungsverzeichnis 4106 entsteht für den Pflichtverteidiger einer Verfahrensgebühr für den 1. Rechtszug vor dem Amtsgericht in Höhe von 132,00 €.

Darüber hinaus kann der jeweilige Verteidiger zusätzliche Gebühren beanspruchen,

Ausweislich Vergütungsverzeichnis 4142 entsteht bei Maßnahmen der Einziehung oder Verwandten­maßnahmen eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,0, und zwar sowohl für den Wahlverteidiger als auch für den Pflichtverteidiger.

Die Verfahrensgebühr beträgt ausweislich des Vergütungsverzeichnisses 4106 für den Wahlverteidiger als Rahmengebühren 40,00 bis 290,00 €, für den Pflichtverteidiger 132,00 €.

Die Gebühr entsteht für Tätigkeiten des Rechtsanwaltes für den Beschuldigten. Dies ist vorliegend der Fall gewesen, da eine mögliche Einziehung Entscheidungsgegenstand des Verfahrens war.

Die 1,0 Verfahrensgebühr ist auch nicht gemäß Vergütungsverzeichnis 4142 Abs. 2 wegen Geringfü­gigkeit (niedriger als 30 €) in Wegfall geraten. Insoweit war vorsorglich oben genannte Feststellung zu treffen.

Der Pflichtverteidiger hat somit Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 132,00 € gemäß Vergü­tungsverzeichnis 4142.

Eine etwaige Wertfestsetzung/Gegenstandswertsfestsetzung im Sinne des § 33 RVG scheidet in An­betracht der klaren gesetzlichen Regelung von Rahmen-/Festgebühren für das Strafverfahren aus. Der entsprechende (weitergehende) Antrag war als unbegründet zurückzuweisen.“

Wie gesagt: Schlicht Unsinn bzw. gebührenrechtlicher Blödsinn.

Einziehung/Verfall, oder: Wertgebühr über 80.000 EUR Gegenstandswert oder Rahmengebühr?

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So, es ist Gebührenfreitag und damit stehen gebührenrechtliche Entscheidungen an. Zum Glück habe ich zwei – gerade gestern „rein gekommen“. Fangen wir mit dem OLG Köln, Beschl. v. 28.02.2018 – 2 Ws 73/18 –  an. Es geht um eine Frage in Zusammenhaag mit der Einziehung (§§ 73 ff. StGB). Und zwar wird der Angeklagte durch ein landgerichtliches Urteil wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilt. Ferner wird gegen ihn der Wertersatzverfall – es geht noch um „altes Recht“ – in Höhe von 80.000 EUR angeordnet. Nachdem das Urteil zunächst rechtskräftig geworden war, hebt der BGH auf die Revision eines Mitangeklagten des Angeklagten das Urteil teilweise auf; die Teilaufhebung erstreckte sich auch auf die gegen den Angeklagten ausgesprochene Verurteilung. Nicht betroffen von der Teilaufhebung waren jedoch vier gegen den Angeklagten verhängte Einzelstrafen sowie die gegen ihn getroffene Wertersatzverfallsanordnung.

Die nach Teilaufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den BGH befasste Strafkammer des LG Aachen stellt das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 206a StPO wegen eines Verfahrenshindernisses ein. Der Verteidiger des Angeklagten beantragt dann die Einstellung der Vollstreckung aus der Verfallsanordnung und eine entsprechende Mitteilung an die niederländischen Behörden, die u.a. die Vollstreckung des Wertersatzverfalls zwischenzeitlich übernommen hatten. Die StA Aachen weist das Begehren mit der Begründung zurück, die Verfallsanordnung sei als rechtskräftige Nebenentscheidung von dem Einstellungsbeschluss des LG Aachen nicht erfasst. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der keinen Erfolg hat. Die sofortige Beschwerde hat dann beim OLG Erfolg. Das OLG hat der Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt.

Der Verteidiger macht dann eine Gebühr Nr. 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 80.000 EUR geltend. Die wird nicht gewährt. Dagegen dann die Beschwerde, die keinen Erfolg hat:

„Die Einziehungsgebühr (Nr. 4142 VV RVG) ist für die mit Antragsschrift vom 11.01.2017 eingeleitete Tätigkeit des Verteidigers des Beschwerdeführers, mit dem die Einstellung der Vollstreckung aus der Verfallanordnung sowie eine entsprechende Unterrichtung der niederländischen Behörden begehrt worden ist, nicht angefallen. Nach der Anmerkung im Abs. 3 zu VV 4142 VV RVG entsteht die Einziehungsgebühr für das Verfahren des ersten Rechtszuges einschließlich des vorbereitenden Verfahrens und für jeden weiteren Rechtszug jeweils gesondert (vgl. NK-GK/Stollenwerk, 2. Aufl.,VV RVG Nr. 4141-4147, Rn. 29). Die anwaltliche Tätigkeit ist vorliegend jedoch erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens und damit nicht in einem „weiteren Rechtszug“ im Sinne von Nr. 4142 Abs. 3 VV RVG entfaltet worden. Die nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorgenommenen Bemühungen stellen Tätigkeiten im Rahmen der Strafvollstreckung dar und könnten damit nach Teil 4 Abschnitt 2 (Gebühren in der Strafvollstreckung) zu vergüten sein. Ob vorliegend eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4204 VV RVG zzgl. Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer angefallen ist, hatte der Senat im Hinblick auf den zu Grunde liegenden Festsetzungsantrag jedoch nicht zu prüfen, wobei sich der aus der Senatsentscheidung vom 27.10.2017 ergebende Kostenerstattungsanspruch ohnehin nur auf die im Beschwerdeverfahren 2 Ws 283/17 angefallenen Kosten bzw. Auslagen bezieht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt sich den Bestimmungen des RVG nicht entnehmen, dass die nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens vorgenommene Tätigkeit des Verteidigers im Zusammenhang mit der Vollstreckung des Wertersatzverfalls eine Einziehungsgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG auslösen würde. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen daraus, dass im Rahmen der Strafvollstreckung ein Rechtsmittelverfahren durchgeführt wurde, der Beschwerdeführer mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde erfolgreich war und ihm insofern die Erstattung der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zugesprochen wurde. Auch insofern ist nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens kein weiterer Rechtszug im Sinne der Ausführungen in Abs. 3 der Nr. 4142 VV RVG eröffnet worden und damit keine Einziehungsgebühr im Sinne der vorstehenden Bestimmung angefallen.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen im Verteidigerschriftsatz vom 05.02.2018, wonach durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffend der Urteilsaufhebung und Zurückverweisung ein neuer Rechtszug im Sinne des § 21 RVG eröffnet worden sei und die Gebühren der unteren Instanz somit neu entstehen würden. Denn die für den Anfall der Gebühr gemäß 4142 VV RVG maßgebliche Frage eines Wertersatzverfalls war nicht Gegenstand der Teilaufhebung durch den Bundesgerichtshof und damit auch nicht des nach Zurückverweisung durchgeführten weiteren Verfahrens vor dem Landgericht Aachen.“

M.E. richtig. Denn: Die erbrachten Tätigkeiten sind nicht mehr im Erkenntnisverfahren erbracht. Also findet Teil 4 Abschnitt 1 Vv RVG und die Nr. 4142 VV RVG keine Anwendung. Es handelt sich vielmehr um eine sonstige Tätigkeit im Rahmen der Strafvollstreckung, also nach Nr. 4204 VV RVG. Wird den Verteidiger nicht freuen, denn die Gebühr Nr. 4142 VV RVG ist als Wertgebühr natürlich interessanter 🙂 .

Unverständlich ist für mich, dass das OLG die entstandenen Gebühren nicht festsetzt, sondern nur sagt: Könnte entstanden sein, war aber nach dem Antrag nicht festzusetzen. Leuchtet nicht ein, wobei mir die Rechtsprechung zum „Austausch von Positionen“ im Kostenfestsetzungsverfahren bekannt ist. Aber, was soll das? Jetzt geht das Ganze wieder von vorn los. Eine praktische – verfahrensbeendende – Lösung ist das nicht.

Immer wieder Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV RVG – wie geht man damit im Berufungsverfahren um?

Vor ein paar Tagen erreichte mich folgende Anfrage eines Kollegen:

„Ich war Pflichtverteidiger des Mandanten beim AG. Das amtsgerichtliche Urteil wird im Strafausspruch rechtskräftig. Lediglich die im Urteil ausgesprochene Einziehung des Kfz. des Mandanten wird mit der Berufung angefochten. Ich habe nun auch für das Berufungsverfahren die Nr. 4142 VV RVG angesetzt. Das AG ist der Meinung, dass die Gebühr gem. Nr. 4142 VV RVG nicht angefallen sei mit folgender Begründung: „Eine derartige Gebühr ist dem Pflichtverteidiger nicht entstanden. Gegenstand der Berufung war ausschließlich die Einziehung des Pkw. Für die Tätigkeit im Berufungsverfahren zur Einziehung des Pkw hat der Pflichtverteidiger bereits eine Vergütung in Höhe von 942,48 € verdient. Insoweit kann keine gesonderte Einziehungsgebühr festgesetzt werden. Andernfalls würde der Rechtsanwalt für ein und dieselbe Tätigkeit 2 verschiedene Gebühren erhalten.“ Hat das AG Recht?

 Ich habe ihm geantwortet: 
„Für das Berufungsverfahren fallen die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr an. Diese decken grundsätzlich alle Tätigkeiten des Verteidigers im Berufungsverfahren ab. Neben diesen Gebühren kann als zusätzliche Gebühr die Nr. 4142 VV RVG anfallen, wenn der Rechtsanwalt Tätigkeiten im Hinblick auf Einziehung und verwandte Maßnahmen erbracht hat (allgemein zur Nr. 4142 VV RVG Burhoff RVGprofessionell 2009, 65). Das RVG sieht diese Gebühr ausdrücklich als „zusätzliche“ Gebühr vor, die nicht etwa auf andere Gebühren angerechnet wird. Auch kommt es nicht auf den Umfang der erbrachten Tätigkeiten an, da es sich um eine reine Wertgebühr handelt (Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Nr. 4142 VV Rn. 1 und 3). Dass hier im Berufungsverfahren nur noch die Einziehung eine Rolle spielte, ist eine verfahrensrechtliche Besonderheit, die auf die Beschränkung zurückgeht, hat aber auf die Nr. 4142 VV RVG keinen Einfluss.

 Beim Wahlanwalt könnte man daran denken, das ggf. bei der Höhe der Wahlanwaltsgebühren zu berücksichtigen, beim Pflichtverteidiger ist das aber wegen des Pauschalcharakters der Gebühren ausgeschlossen.“

Mal sehen, was der Rechtspfleger daraus macht. Ich ahne: Nishts Gutes………..

Wir haben dem Kollegen geraten, ggf. Erinnerung einzulegen.

Die ungehobenen Schätze des RVG

Im „Rechthaber-Blog“ ist vor einigen Tagen von „ungehobenen Schätzen“ des RVG berichtet worden, vgl. hier. Dabei ging es um die Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG, also Teil 3 VV RVG. Der Bereich interessiert den Verteidiger ja nun weniger, aber: Auch Teil 4 Vv RVG enthält „ungehobene Schätze“, bzw. Gebühren, die immer wieder übersehen werden, so dass mancher Euro verloren geht. Auf zwei will ich hier kurz eben hinweisen:

1. Das ist zunächst die Vorschrift der Nr. 4142 VV RVG, an die der Verteidiger immer denken muss, wenn Einziehung erfolgt oder Verfall angeordnet worden ist. Es handelt sich um eine Wertgebühr – ja, richtig gelesen, eine Wertgebühr, die auch der Pflichtverteidiger geltend machen kann, und zwar grds. in der Höhe wie der Wahlanwalt, allerdings ggf. mit den Beschränkungen aus § 49 RVG.

2. Die Vorbem. 4.2 VV RVG, die dazu führt, dass es für die Beschwerde in der Strafvollstreckung eine eigenständige Beschwerdegebühr gibt. Das ist eine wichtige Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Beschwerde im Strafverfahren nicht zusätzlich mit einer eigenen gebühr honoriert wird.

Also: Augen auf und dran gedacht, wenn die Abrechnungen gemacht werden. In den beiden o.a. Gebühren steckt eine Menge Geld.