Schlagwort-Archive: Pflichtverteidiger

Pflichti III: Entscheidungen von der „Resterampe“, oder: Abfall ?, Haftentlassung, Rückwirkung, Wahlanwalt

© Coloures-pic – Fotolia.com

Und dann hier im dritten Posting der „Rest“, also „Resterampe“, und zwar einige Entscheidungen zur Rückwirkung, zu den Bestellungsgründen und zu Bestellung. Auch hier gibt es nur die Leitsätze, und zwar:

Von einer schwierigen Rechtslage im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO ist auszugehen, wenn in einem Strafverfahren die Frage entscheidungserheblich ist, ob und unter welchen Voraussetzungen Autowracks Abfall im Sinne von § 326 StGB darstellen.

Sowohl die Aufhebung der Bestellung nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO als auch nach § 143 Abs. 2 S. 2 StPO steht im Ermessen des Gerichts. Bei der Ermessensentscheidung ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die frühere, auf der Inhaftierung beruhende Behinderung der Verteidigungsmöglichkeiten es weiter notwendig macht, dass der Angeschuldigte trotz Aufhebung der Inhaftierung durch einen Pflichtverteidiger unterstützt wird, was in der Regel der Fall sein wird.

1. Die rückwirkende Bestellung eines notwendigen Verteidigers kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines notwendigen Verteidigers zum Zeitpunkt eines rechtzeitig hierauf gerichteten Antrages gegeben waren und die Bestellung allein aufgrund justizinterner Gründe unterblieben ist.

2. Unverzüglich im Sinne des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO bedeutet, dass die Pflichtverteidigerbestellung zwar nicht sofort, aber so bald wie möglich ohne schuldhaftes Zögern, mithin ohne sachlich nicht begründete Verzögerung erfolgen muss.

3. Die Ausnahmeregelung nach § 141 Abs. 2 S. 3 StPO, wonach in den Fällen des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO die Bestellung unterbleiben kann, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen, greift nicht, wenn die Pflichtverteidigerbestellung nicht von Amts nach den genannten Bestimmungen, sondern aufgrund des Antrages des vormaligen Beschuldigten veranlasst ist.

Hat der Wahlverteidiger des Angeklagten, dem bisher noch kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, sein Mandat niedergelegt und seine Bestellung als Pflichtverteidiger beantragt, ist einem Bestellungsantrag zu entsprechen, da der Beschuldigte mit der Niederlegung des Wahlmandats unverteidigt im Sinne von § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ist.

 

Pflichti III: Einhaltung einer Stellungnahmefrist, oder: Verlängerung der Zustellzeiten durch „4-Tagesfiktion“

Frist Termin

Und dann habe ich noch den LG Braunschweig, Beschl. v. 24.02.2025 – 1 Qs 46/25. Es geht um eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer Pflichtverteidigerbestellungmit folgendem Sachverhalt:

Gegen den (ehemaligen) Angeklagten wurde durch die Staatsanwaltschaft am 28.08.2024 Anklage erhoben. Mit Beschluss des AG vom 30.10.2024 wurde die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Hauptverhandlungstermin wurde bestimmt auf den 19.12.2024. Die Ladung wurde dem Angeklagaten laut Postzustellungsurkunde am 07.11.2024 zugestellt.

Da der Angeklagte der Hauptverhandlung fernblieb, beantragte die Staatsanwaltschaft nach Aussetzung der Hauptverhandlung gegen den ihn wegen der in der Anklageschrift vom 28.08.2024 bezeichneten Tat einen Strafbefehl nach § 408a StPO zu erlassen. Das Gericht teilte dem Angeklagten mit Schreiben vom 19.12.2024, abgesandt am 02.01.2025, mit, dass es erwäge, dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattzugeben. Gemäß § 408b StPO sei dem ihm daher für das Strafbefehlsverfahren ein Verteidiger zu bestellen. Der Angeklagte wurde aufgefordert innerhalb einer Woche mitzuteilen, ob er bereits einen Rechtsanwalt beauftragt habe bzw. welcher Rechtsanwalt bestellt werden solle. Falls kein Rechtsanwalt beauftragt oder bezeichnet werde, solle Herr Rechtsanwalt R 1 beauftragt werden.

Mangels Rückmeldung des Angeklagten wurde seitens des AG vom 10.01.2025 Rechtsanwalt R 1 als Pflichtverteidiger bestellt. Der Beschluss wurde am 15.01.2025 an den Angeklagten und Rechtsanwalt R 1 versandt.

Mit Schreiben vom 13.01.2025, beim AG am 14.01.2025 eingegangen, gab der Angeklagte an, sich von Rechtsanwalt R 2 vertreten lassen zu wollen. Mit Schreiben vom 14.01.2025, am selben Tag beim AG eingegangen, versicherte Rechtsanwalt R 2 von dem Angeklagten beauftragt worden zu sein und beantragte die Beiordnung seiner Person.

Der Beschluss zur Pflichtverteidigerbestellung vom 10.01.2025 wurde Rechtsanwalt R 1 laut Empfangsbekenntnis am 16.01.2025 zugestellt. Mit Schreiben vom 21.01.2025, beim AG am 22.01.2025 eingegangen, beantragte Rechtsanwalt R 1 daraufhin Akteneinsicht.

Mit Schreiben vom 26.01.2025, beim AG am selben Tag eingegangen, legte Rechtsanwalt R 2 namens und in Vollmacht des Angeklagten gegen die Beiordnung von Rechtsanwalt R 1 und die faktische Ablehnung der Beiordnung seiner Person sofortige Beschwerde ein. Er habe sich am 14.01.2025 rechtszeitig legitimiert und die Beiordnung seiner Person beantragt. Aus völlig unklaren Gründen habe das Gericht einen Tag später jedoch Rechtsanwalt R 1 als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Die Staatsanwaltschaft hat dann die Akten an das LG mit dem Antrag übersandt, der sofortigen Beschwerde vom 26.01.2025 stattzugeben, den Beschluss des AG vom 10.01.2025 aufzuheben, mit dem Rechtsanwalt R 1 als Pflichtverteidiger bestellt wurde und stattdessen zu beschließen, Rechtsanwalt R 2 als Pflichtverteidiger zu bestellen.

Zur Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus, dass gem. § 37 Abs. 1 StPO für das Verfahren bei Zustellungen die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend gelten. Der Lauf einer richterlichen Frist beginne gem. § 221 ZPO, sofern nicht bei ihrer Fristsetzung ein anderes bestimmt wird, mit der Zustellung des Dokuments, in dem die Frist festgesetzt ist. Da das Anhörungsschreiben zur Verteidigerbestellung nach § 408b StPO vom 19.12.2024 als einfaches Schreiben – ohne Zustellungsnachweis – verfügt worden sei, könne die tatsächliche Zustellung des Schreibens nicht festgestellt werden. Der „Abvermerk“ lasse jedoch erkennen, dass das Schreiben erst am 02.01.2025 von der Geschäftsstelle des AG bearbeitet und in den Postausgang gelegt worden sei. Es sei folglich von einer Aufgabe zur Post frühestens am 03.01.2025 zu rechnen. Nach der seit dem 01.01.2025 geltenden 4-Tagesfiktion (durch die Verlängerung der Zustellzeiten durch das bereits am 23.07.2024 beschlossene Postrechtsmodernisierungsgesetz) habe mit einer Zustellung somit nicht vor dem 07.01.2025 gerechnet werden können. Am 10.01.2025 sei die Wochenfrist folglich noch nicht abgelaufen gewesen und die rechtzeitige Beantragung der Pflichtverteidigerbeiordnung mit Schreiben vom 14.01.2024 sei folglich nicht zu widerlegen.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Das LG hat keine eigene Begründung angeführt, sondern hat „auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig Bezug genommen, welche sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung zu eigen [ge]macht“ hat.

Die Ausführungen des LG 🙂 muss man sich merken. Sie haben nicht nur in Fällen, die mit dem vorliegenden vergleichbar sind, Bedeutung, sondern immer, wenn es um die Einhaltung einer Stellungnahmefrist geht.

Pflichti II: Nochmals rückwirkende Bestellung, oder: Das LG Bochum zeigt, wie es richtig geht

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Und dann hier noch einmal ein Beschluss zur nachträglichen Beiordnung eines Pflichtverteidigers, und zwar der LG Bochum, Beschl.  v. 17.02.2025 – 11 Qs 4/25. Ich stelle ihn vor, weil es ein sehr schöner Beschluss ist, in dem das LG alle maßgeblichen Fragen „kurz und zackig“ anspricht.

Der Sachverhalt wie gehabt: Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 13.08.2024 gegen den Angeklagten Anklage wegen versuchten Diebstahls beim AG erhoben. Dort wird Hauptverhandlungstermin auf den 29.11.2024 bestimmt. Mit beim AG am 28.11.2024 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag zeigte der Verteidiger seine Beauftragung durch den Angeklagten an. Unter dem Hinweis, dass der sich derzeit in Haft in der JVA Gelsenkirchen befinde, beantragte er seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Ferner beantragte er den Termin am 29.11.2024 aufzuheben, da er erst am 28.11.2024 von diesem Kenntnis erlangt habe.

Mit Beschluss vom 28.11.2024 stellte das AG das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein. Über den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger entschied das Amtsgericht nicht. Darum wird dann gestritten. Das AG hat dann letztlich den Antrag zurückgewiesen. Dagegen die sofortige Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte:

„Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 142 Abs. 7 StPO statthaft und in der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt. In der Sache hat sie Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Antrag des Beschwerdeführers auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen.

1. Gemäß § 141 Abs. 1 StPO hätte dem Beschwerdeführer unverzüglich nach Antragstellung ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen.

a) Die Voraussetzungen des § 140 StPO für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers lagen bis zur Einstellung des Verfahrens und bereits im Zeitpunkt der rechtzeitigen Antragstellung vor.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung war ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO gegeben. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Antragstellung am 28.11.2024 in einer Anstalt, der JVA Gelsenkirchen, inhaftiert.

b) Der Beschwerdeführer war auch unverteidigt im Sinne des § 141 Abs. 1 StPO.

Er ist unverteidigt, wenn der Beschwerdeführer noch keinen Verteidiger hat oder der gewählte Verteidiger bereits mit dem Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung ankündigt, das Wahlmandat mit der Bestellung niederzulegen (vgl. BeckOK StPO/Krawczyk, 54. Ed. 1.1.2025, StPO § 141 Rn. 2). Durch diese Regelung soll der Vorrang der Wahlverteidigung aufrechterhalten werden. Grundsätzlich ist in dem Bestellungsantrag indes bereits konkludent die Ankündigung enthalten das Wahlmandat niederzulegen (vgl. BeckOK StPO/Krawczyk, 54. Ed. 1.1.2025, StPO § 141 Rn. 2). So liegt der Fall hier. Der Verteidiger hat ausdrücklich und erkennbar im Namen des Beschwerdeführers um seine Beiordnung als Pflichtverteidiger nachgesucht, wobei diesem Vorbringen zu entnehmen ist, dass das Wahlmandat im Falle der Beiordnung niedergelegt werden soll.

2. Der zwischenzeitliche Abschluss des Verfahrens durch Einstellung steht einer Beiordnung ausnahmsweise und aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht entgegen.

Dem Grunde nach zutreffend stellt das Amtsgericht fest, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Einstellung des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt. Denn im Falle einer Einstellung des Verfahrens, sei es auch nur nach § 154 StPO, kann das Ziel, dem Beschuldigten eine angemessene Rechtsverteidigung zu ermöglichen, nicht mehr erreicht werden.

Von diesem Grundsatz sind aber im Einzelfall Abweichungen zuzulassen und die Rechtslage anders zu beurteilen. Ein solcher Einzelfall liegt hier vor.

Ein solcher Einzelfall liegt vor, wenn der Beschuldigte einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gestellt hat, die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung zum Zeitpunkt der Antragstellung offensichtlich vorgelegen haben, das Gebot der unverzüglichen Pflichtverteidigerbestellung missachtet wurde und dies auf behördeninteme Vorgänge zurückzuführen ist (vgl. LG Bonn (13. große Strafkammer), Beschluss vom 23.12.2024 – 63 Qs 61/24 (930 Js 309/24); LG Amberg (1. Strafkammer), Beschluss vom 27.05.2024 -11 Qs 43/24).

Der Beschwerdeführer hat einen Tag vor dem angesetzten Hauptverhandlungstermin, am 28.11.2024, den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gestellt. Zu diesem Zeitpunkt lag auch ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO (siehe unter II. 1. a.) vor. Das nunmehr über die Inhaftierung und somit den Grund der notwendigen Pflichtverteidigung in Kenntnis gesetzte Gericht hat am selben Tag – nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft – das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und nicht über den Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung entschieden. Eine Entscheidung wäre ihm ungleich möglich gewesen. Über den Beiordnungsantrag ist folglich nicht unverzüglich gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO entschieden worden, da eine Entscheidung über diesen weder vor noch zusammen mit der Einstellungsentscheidung getroffen wurde.

Der Grundsatz der grundsätzlich nicht rückwirkenden Beiordnung darf vor diesem Hintergrund nicht insofern missbraucht werden, dass vor der Entscheidung des bereits gestellten Beiordnungsantrags auf die Einstellung des Verfahrens hingewirkt und so planmäßig die Verfahrensrechte der Beschuldigten unterlaufen werden (vgl. LG Bonn (13. große Strafkammer), Beschluss vom 23.12.2024 – 63 Qs 61/24 (930 Js 309/24).

Auch § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO steht im vorliegenden Fall der Beiordnung nicht entgegen. Die Möglichkeit, von einer Bestellung in denjenigen Fällen abzusehen, in denen beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen, gilt ausdrücklich nur für die Fälle des § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 und nicht für Fälle einer notwendigen Verteidigung nach § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO, demzufolge einem Angeklagten unverzüglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, wenn er dies ausdrücklich beantragt (vgl. LG Wuppertal, Beschluss vom 08.04.2024, Az. 26 Qs 333/23). Eine entsprechende Anwendung des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO auch auf Fälle einer ausdrücklichen Antragsstellung nach § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO kommt nicht in Betracht, da aufgrund des eindeutigen Wortlautes keine planwidrige Regelungslücke ersichtlich ist (AG Wuppertal Beschl. v. 8.5.2024 – 722 Js 1914/24, BeckRS 2024, 11985).“

Pflichti III: Zulässigkeit rückwirkender Bestellung, oder: Unverzügliche Entscheidung, Betreuung, EuGH

Bild von Richard Duijnstee auf Pixabay

Und dann habe ich noch – wie könnte es anders sein  – Entscheidungen zur Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung. Beide „unschön“, da beide entscheidenden LG die Zulässigkeit – grundsätzlich – verneint haben. Es handelt sich um – hier die Leitsätze:

1. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers, namentlich nach Einstellung des Verfahrens, ist i.d.R. nicht zulässig.

2. Ob etwas anderes gilt, wenn durch ein justizinternes schuldhaftes Verhalten die Entscheidung über einen gestellten Beiordnungsantrag verzögert worden ist, bleibt offen. Denn „unverzüglich“ im Sinne des § 141 Abs. 1 StPO bedeutet nicht „sofort“, sondern vielmehr ohne schuldhaftes Zögern. Ein solches schuldhaftes Zögern nicht vor, wenn zwischen dem Eingang des Antrags und der Einstellung des nur eine Woche, vergangen ist.

1. Die Kammer hält daran fest, dass die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht zulässig ist

2. Es besteht keine Pflicht, die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung, dem EuGH vorzulegen.

3. Auch wenn der Beschuldigte unter Betreuung steht, was regelmäßig zu einer Beiordnung gemäß § 140 Abs. 2 StPO führt, ist eine Unfähigkeit der Selbstverteidigung nicht ersichtlich, wenn das Verfahren unmittelbar nach dem Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft aufgrund eines Verfahrenshindernisses ohne weitere Ermittlungen eingestellt worden ist.

Pflichti I: Auswechselung des Nebenklägerbeistands, oder: Aufhebung der Bestellung nach Haftentlassung

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und heute dann „Pflichti-Entscheidungen“ bzw. auch Entscheidungen zu Beiständen bei der Nebenklage und im Auslieferungsverfahren.

Ich beginne mit Auswechselungs- bzw. Aufhebungsentscheidungen. Da stelle ich aber (auch) jeweils nur die Leitsätze vor.

Zunächst kommt der BGH, Beschl. v. 27.01.2025 – 2 StR 454/24  – zur Auswechselung des Beistands eines Nebenklägers. Da bestätigt der BGH die dazu vorliegende Rechtsprechung, denn:

Eine Beistandsbestellung für den Nebenkläger (hier: Bestellung in einem Verfahren mit dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung) wirkt bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens fort und erstreckt sich somit auch auf die Revisionsinstanz. Ein Wechsel in der Person des Beistands durch Rücknahme der ursprünglichen Beiordnung und Bestellung eines neuen Beistands kommt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes in entsprechender Anwendung des § 143a Abs. 2 StPO in Betracht.

Und dann Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung. Der Pflichtverteidiger war nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO wegen Haft bestellt worden. Die Bestellung wurde nach Haftentlassung durch den AG Kaiserslautern, Beschl. v. 26.07.2024 -1 Cs 6010 Js 10172/21– aufgehoben. Das LG Kaiserslautern hat das im LG Kaiserslautern, Beschl. v. 28.08.2024 – 5 Qs 87/24 – anders gesehen und hat den AG Beschluss aufgehoben:

Die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung nach § 143 Abs. 2 Satz 1 StPO steht im Ermessen des Gerichts, wobei Aspekte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sind. Haben sich die für die Bestellung maßgeblichen Umstände nicht wesentlich geändert, darf der Angeklagte auf den Fortbestand der Bestellung vertrauen.