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Kosten- und Auslagen im Adhäsionsverfahren, oder: Wenn der Angeklagte seinen Einspruch zurücknimmt

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Und dann als zweite Entscheidung dann der LG München II, Beschl. v. 01.12.2023 – 6 Qs 7/23. Zwar nicht von einer Kollegin übersandt, sondern von einem Kollegen. Aber auch richtig.

Entschieden worden ist über die Kosten- und Auslagen im Adhäsionsverfahren (§ 472a StPO). Die Staatsanwaltschaft hatte am 15.02.2023 beantragt, gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung zu erlassen. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, als Fahrer eines Pkws an einem Fußgängerweg den Geschädigten verletzt zu haben, indem er das Vorderrad des vom Geschädigten geschobenen Fahrrads erfasste, wodurch der Geschädigte zu Boden fiel. Das AG hat den Strafbefehl am 01.03.2023 erlassen. Der Angeklagte legte am 07.03.2023 form- und fristgerecht Einspruch ein. Am 21.03.2023 bestimmte das AG Hauptverhandlungstermin auf den 22.06.2023, 11:00 Uhr.

Am 22.06.2023 ging um 08:26 Uhr beim AG ein Adhäsionsantrag des Geschädigten ein, mit dem dieser ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 700,00 EUR forderte. Mit einem am selben Tag um 08:46 Uhr eingegangenen Schreiben geschränkte der Angeklagte seinen Einspruch auf die Tagessatzhöhe und erklärte sein Einverständnis mit der Entscheidung im Beschlusswege. Daraufhin wurde der Termin am 22.06.2023 abgesetzt.

Der Angeklagte nahm über seinen Verteidiger zum Adhäsionsantrag Stellung und machte geltend, dieser sei bereits unzulässig. Das AG hat dann am 05.08.2023 die im Strafbefehl festgesetzte Tagessatzhöhe abgeändert. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag hat es abgesehen und dem Angeklagten die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Adhäsionsantrag nach vorläufiger Würdigung zulässig und begründet gewesen sei, weshalb die Kosten nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 472a Abs. 2 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen seien.

Dagegen die sofortige Beschwerde des Angeklagten, die beim LG Erfolg hatte, das LG hat die Kosten- und Auslagenentscheidung aufgehoben:

„2. Die statthafte Beschwerde des Angeklagten (vgl. BeckOK, 49. Ed., Stand 01.10.2023, Rz. 6 zu § 472a StPO) ist zulässig und in der Sache erfolgreich.

Eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen im Adhäsionsverfahren war nicht veranlasst, da aufgrund der Einspruchsbeschränkung keine Entscheidung mehr über den Adhäsionsantrag ergehen konnte.

Endet das Strafverfahren, so ist dem Adhäsionsverfahren die Grundlage entzogen, einer danach getroffene Anordnung dahingehend, dass von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen wird, kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu (OLG Stuttgart vom 30.09.2022, 1 Ws 201/22, Rz. 10 bei Juris). Dasselbe gilt im vorliegenden Fall für die Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe. Denn eine zusprechende Adhäsionsentscheidung kann gem. § 406 Abs. 1 StPO nur erfolgen, wenn der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen wird. Ein solcher Schuldspruch erfolgt nach Einspruchsbeschränkung nicht mehr, weshalb mit der Einspruchsbeschränkung der Adhäsionsantrag unzulässig wird (AG Kehl vom 09.10.2018, 2 Cs 503 Js 14484/17, bei Juris). Schon deshalb hatte im vorliegenden Fall eine Zustellung des Adhäsionsantrags durch das Gericht nicht mehr zu erfolgen. Aber auch auf die Zustellung des Adhäsionsantrags von Anwalt zu Anwalt kommt es daher nicht an. Zudem ist diese Zustellung – nach Angaben des Adhäsionsklägervertreters laut Empfangsbekenntnis um 08:55 Uhr – nach der Beschränkung des Einspruchs um 08:46 Uhr erfolgt.

Den Fall der späteren Einspruchsrücknahme bzw. -beschränkung, in dem die Adhäsions-klage ursprünglich zulässig war, nun aber unzulässig geworden ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Die nach § 472a StPO vorgesehene Billigkeitsentscheidung ist nicht möglich. Die dafür notwendige Bewertung der Erfolgsaussichten der Adhäsionsklage kann das Gericht nicht mehr vornehmen: Durch die Einspruchsrücknahme bzw. -beschränkung ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und dem Gerichte eine Entscheidung darüber entzogen, so dass die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Adhäsionsklage entfallen ist (LG Dortmund, 16.04.2018, 32 Qs – 269 Js 1213/16 V A – 45/18, bei Juris). Zwar erscheint es unbillig, einen Adhäsionskläger mit den Kosten des Adhäsionsverfahrens zu belasten, wenn die Adhäsionsklage erst nachträglich durch die Rücknahme bzw. Beschränkung des Einspruchs unzulässig wird, zumal ein Adhäsionskläger darauf keinen Einfluss hat. § 472a Abs. 1 StPO setzt jedoch die Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs voraus. Darüber enthält der Strafbefehl jedoch keine Entscheidung. Nach alldem bleibt dem Gericht wegen der festgestellten Regelungslücke nur, von einer Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Adhäsionsverfahrens abzusehen. Im Ergebnis muss dies für den Adhäsionskläger nicht unbillig sein, da in Betracht kommt, seine notwendigen Auslagen für die Adhäsionsklage als Rechtsverfolgungskosten im ohnehin anzustrengenden zivilgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. (Vgl. zu allem AG Kehl, a.a.O., OLG Stuttgart vom 30.09.2022, 1 Ws 201/22).

Dementsprechend ist vorliegend keine Entscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO veranlasst.“

Die Entscheidung ist m.E. richtig; manchmal klappt es ja auch in Bayern 🙂 . Ich halte es auch nicht für „unbillig“, den Adhäsionskläger in diesen Fällen mit den Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens zu belasten. Denn er ist derjenige, der sich eines Anspruchs gegen den Angeklagten berühmt hat, wobei ihm bewusst gewesen sein muss, dass das Gericht ggf. nach § 406 Abs. 1 Satz 3 u. 4 StPO von der Entscheidung absehen kann bzw. muss, wenn die Voraussetzungen für das Adhäsionsverfahren entfallen sind.  Das ist letztlich das Prinzip: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.

Als Rechtsanwalt muss man dieses Risiko natürlich im Auge behalten und den geschädigten Mandanten darüber belehren. Je nach der Sachlage empfiehlt es sich- zumindest in den Strafbefehlsfällen mit der dort gegebenen Möglichkeit der Verfahrensbeendigung durch Einspruchsrücknahme -, direkt das Zivilverfahren zu betreiben.

beA II: Anwendungsbereich der Formvorschriften, oder: Kostenfestsetzungsantrag „in eigener Sache“

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Und als zweite Entscheidung kommt dann der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.01.2024 – 18 W 120/23, der sich zum Kostenfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts äußert, wenn der in eigenen Sachen tätig wird. Die Entscheidung hätte auch an einem RVG-Tag „gepasst“, aber sie „passt“ wegen des Sachzusammenhangs auch heute.

Gestritten worden ist nach einem zivilgerichtlichen Verfahren im Rahmen einer sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss über das Erfordernis der Einreichung des Kostenantrags als elektronisches Dokument nach § 130d ZPO. Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar a.D. Er hat sich im Verfahren zuletzt selbst vertreten. Er hat darauf hingewiesen, kein elektronisches Postfach zu besitzen, weil er nur noch zwei Verfahren bearbeiten müsse. Nach mehrfachem Hinweis des LG auf § 130d ZPO hat er sich zwecks Zustimmung zum schriftlichen Verfahren durch Rechtsanwalt B vertreten lassen.

Nach Beendigung des Berufungsverfahrens hat der Kläger unter Verwendung seines Briefbogens als Rechtsanwalt und Notar a.D. einen als Rechtsanwalt unterzeichneten Kostenausgleichsantrag, den Rechtsanwalt B im Auftrag des Klägers per beA an das Gericht übermittelte. Der Beklagte rügte den Antrag wegen Verstoßes gegen § 130a Abs. 3 ZPO als formunwirksam. Auf eine inhaltliche Rüge des Rechtspflegers hin korrigierte der Kläger seinen Kostenausgleichsantrag mit einem erneut durch Rechtsanwalt B per beA übermittelten Antrag. Nach einem Hinweis des Rechtspflegers darauf, dass die Anträge nicht mit dem signierenden Rechtsanwalt übereinstimmten, wiederholte der Kläger seinen zuletzt gestellten Antrag auf seinem Anwaltsbriefpapier per Fax, wobei er bei der Namensangabe unter der Unterschrift die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ wegließ.

Das LG hat die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten festgesetzt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er rügt, der Kläger könne nicht zur Umgehung des gesetzlichen Formerfordernisses seinen Kostenfestsetzungsantrag formfrei als Partei stellen. Solange er als Rechtsanwalt tätig sei, habe er sich des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zu bedienen. Die sofortige Beschwerde hatte beim OLG Erfolg:

„Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Rechtspfleger hätte den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht erlassen dürfen, weil der Kostenfestsetzungsantrag entgegen § 130d ZPO nicht als elektronisches Dokument übermittelt wurde.

Nach § 130d S. 1 ZPO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt (..) eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Übermittlung als elektronisches Dokument ist eine von Amts wegen zu prüfende Wirksamkeitsvoraussetzung. Daher ist ein per Fax eingereichter Antrag – vom Sonderfall der technischen Störung nach § 130d S. 2 ZPO abgesehen – als unzulässig abzuweisen (Zöller/Greger, 35. A., § 130d ZPO Rn. 1).

Ein solcher Fall der unzulässigen Einreichung eines Antrags per Fax liegt hier vor.

1. Der sachliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO ist bei Einreichung eines Kostenfestsetzungsantrags durch einen Rechtsanwalt eröffnet.

a) § 130d S. 1 ZPO kommt allerdings nicht bereits deshalb zur Anwendung, weil ein Antrag nach § 103 ZPO nur durch einen Rechtsanwalt gestellt werden könnte. Für einen Antrag nach § 103 ZPO besteht kein Anwaltszwang, da § 78 Abs. 1 ZPO gemäß §§ 13, 21 Nr. 1 und Nr. 2 RPflG keine Anwendung findet (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – III ZB 63/05, Rn. 14, juris).

b) § 130d S. 1 ZPO ist aber deshalb anwendbar, weil es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag um einen „schriftlich einzureichenden Antrag“ im Sinne des § 130d S. 1 ZPO handelt. Zwar besteht für einen Antrag auf Kostenfestsetzung kein zwingendes Schriftformerfordernis; vielmehr kann er nach allgemeiner Meinung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts erklärt werden (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 103 Rn. 38). Dies ändert aber nichts daran, dass ein „schriftlich einzureichender Antrag“ vorliegt.

aa) Bei der Auslegung und Ermittlung des § 130d ZPO tragenden gesetzgeberischen Willens ist die Entwicklung des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG, der sich mit § 130d ZPO deckt, aufschlussreich.

Die durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 eingeführte Vorschrift des § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG sah eine Nutzungspflicht für „Anträge und Erklärungen durch einen Rechtsanwalt“ vor. Noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2022 wurde die Pflicht zur elektronischen Übermittlung durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 5. Oktober 2021 auf „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen“ beschränkt. In der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 19/28399 S. 39 f.) ist zu dieser Beschränkung ausgeführt, dass es sich um eine klarstellende Änderung handele, die erfolge, weil das FamFG im Unterschied zur Zivilprozessordnung kein allgemeines Schriftformerfordernis für Anträge und Erklärungen enthalte. Um den Besonderheiten des FamFG Rechnung zu tragen und Rechtssicherheit zu gewährleisten, werde entsprechend § 130d ZPO die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausdrücklich auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beschränkt. Dabei ist in der Gesetzesbegründung § 64 Abs. 2 FamFG als Beispiel für eine Vorschrift genannt, die ein ausdrückliches Schriftformerfordernis vorsehe. Nach dieser Vorschrift wird eine Beschwerde durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt.

Daraus lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung „schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen“ eine Abgrenzung zu – im FamFG möglichen – mündlichen Anträgen und Erklärungen vornehmen und sowohl schriftlich als auch zur Niederschrift abgegebene Erklärungen erfassen wollte. Dafür spricht auch, dass die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 130d ZPO überhaupt nicht auf eine bestimmte Form abstellt, sondern lediglich ausführt „Um den elektronischen Rechtsverkehr zu etablieren, sieht Satz 1 eine Pflicht für alle Rechtsanwälte und Behörden vor, Schriftsätze, Anträge und Erklärungen den Gerichten nur noch in elektronischer Form zu übermitteln.“ (BT-Drs. 17/12634, S. 27). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 130d S. 1 ZPO umfassend für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO gelten (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22, Rn. 8, juris).

bb) Auch der Umstand, dass es sich bei dem Kostenfestsetzungsantrag nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen das Kostenfestsetzungsverfahren einleitenden Antrag handelt, führt nach Auffassung des Senats nicht dazu, die Anwendbarkeit des § 130d S. 1 ZPO zu verneinen.

Der Bundesgerichtshof hat sich bislang in mehreren Entscheidungen dazu geäußert, dass zumindest Rechtsmittel/Beschwerden dem Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO, § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG unterfallen (BGH, Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22 [Rechtsmittel des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren]; Beschluss vom 7. Dezember 2022 – VII ZB 200/22 [Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch Rechtsanwalt]; Beschluss vom 31. Januar 2023 – VIII ZB 90/22 [Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch anwaltlichen Verfahrenspfleger]; BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22 [Einreichung einer Beschwerde nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG durch einen Berufsbetreuer]). Allerdings hat der Bundesgerichtshof in der zuletzt zitierten Entscheidung colorandi causa ausgeführt, der Vergütungsantrag des anwaltlichen Betreuers müsse nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden. Dazu heißt es (Rn. 18, juris):

„Der Vergütungsantrag des Betreuers nach § 292 Abs. 1 FamFG unterliegt, auch wenn mit ihm das Vergütungsfestsetzungsverfahren eingeleitet wird, vorbehaltlich (bislang nicht bestehender) abweichender landesrechtlichen Bestimmungen über die Verpflichtung zur Benutzung von Vordrucken (§ 292 Abs. 6 FamFG) keinem zwingenden Schriftformerfordernis. Nach § 25 Abs. 1 FamFG können Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit – anders als nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren – nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab (vgl. § 23 FamFG), zu denen § 14 b Abs. 1 FamFG für Rechtsanwälte hinzutreten könnte. Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass für den Großteil von Anträgen und Erklärungen in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Schriftformerfordernis besteht und diese deshalb dem § 14 b Abs. 2 FamFG unterfallen (BT-Drucks. 19/28399 S. 40). Der Betreuer darf seinen Vergütungsantrag deshalb auch dann in gewöhnlicher Schriftform stellen, wenn er als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 14 b Abs. 2 Satz 2 FamFG).“

Aus dieser Entscheidung könnte zu folgern sein, dass es für die sachliche Anwendbarkeit des § 130d ZPO darauf ankommt, ob es für den Antrag bzw. die Erklärung bestimmte – über die Schriftlichkeit als solche hinausgehende – Formerfordernisse (wie z.B. bei einer Beschwerde, vgl. § 569 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 64 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG) gibt, und § 130d S. 1 ZPO nicht zur Anwendung kommt, wenn ein Antrag ohne jegliche Formerfordernisse auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann. Dagegen spricht nach Auffassung des Senats jedoch die oben angeführte Gesetzesbegründung zu § 130d ZPO, die ein weites Verständnis hinsichtlich der der Vorschrift unterfallenden Anträge und Erklärungen aufzeigt. Hinzu kommt ein Unterschied zwischen § 130d ZPO und § 14b FamFG. Da das FamFG im Gegensatz zur ZPO kein allgemeines Schriftformerfordernis vorsieht, besteht nach § 14b Abs. 2 FamFG für nicht schriftlich einzureichende Anträge die Möglichkeit der Einreichung eines Antrags in gewöhnlicher Form. Zugleich sieht § 14b Abs. 2 S. 2 FamFG die Verpflichtung vor, auf Anforderung des Gerichts ein elektronisches Dokument nachzureichen. Eine § 14b Abs. 2 FamFG entsprechende Vorschrift enthält die ZPO nicht, was deutlich macht, dass dort grundsätzlich alle (stets) schriftlich einzureichenden Erklärungen und Anträge der Vorschrift des § 130d ZPO unterfallen.

Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Kostenfestsetzungsverfahren um einen Teil des Rechtsstreits handelt (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 – V ZB 237/10, Rn. 7, juris), was ebenso dafür spricht, den Kostenfestsetzungsantrag wie sonstige Anträge und Erklärungen zu behandeln und § 130d S. 1 ZPO unterfallen zu lassen.

Danach ist der sachliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO für einen durch einen Rechtsanwalt eingereichten Kostenfestsetzungsantrag eröffnet.

2. Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 130d S. 1 ZPO ist eröffnet.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 130d S. 1 ZPO und § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG nicht nur dann besteht, wenn sie einen Beteiligten vertreten, sondern auch dann, wenn sie – z.B. als Verfahrenspfleger (BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023, aaO.), Insolvenzverwalter (BGH, Beschluss vom 24. November 2022, aaO.) oder anwaltlicher Berufsbetreuer (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO.) – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten. Der Bundesgerichtshof begründet die generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren mit der auf eine „Nutzungspflicht für Rechtsanwälte“ abstellenden amtlichen Überschrift der Vorschriften, ihrem weit gefassten Wortlaut, der Gesetzesbegründung und dem Zweck der Normen, der für ein statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht spreche (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO., Rn. 11 ff.).

Nach dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, war dem Antrag des Klägers vom 20. Juni 2023 entgegen der Auffassung des Landgerichts mangels Übermittlung als elektronisches Dokument und wegen Verstoßes gegen § 130d S. 1 ZPO nicht zu entsprechen. Dabei kann dahinstehen – was der Bundesgerichtshof offen gelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO., Rn. 16, juris) -, ob § 130d S. 1 ZPO auch dann zur Anwendung kommt, wenn ein Rechtsanwalt bewusst als Privatperson in eigener Sache auftritt, wofür sprechen könnte, dass ein Rechtsanwalt ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen muss und jenseits eines Auftretens in eigener Sache als Privatperson einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliegt (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023, aaO., Rn. 14). Vorliegend hat der Kläger nämlich keine deutliche Trennung von seiner Stellung und seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt vorgenommen. Zwar hat er bei seinem Antrag unter seiner Unterschrift lediglich seinen Namen wiedergegeben und dabei den zunächst vorhandenen Zusatz „Rechtsanwalt“ weggelassen. Er ist aber in der Gesamtschau weiterhin als Rechtsanwalt im eigenen Namen aufgetreten. Denn er hat weiterhin sein Anwaltsbriefpapier verwendet, das im Briefkopf die Bezeichnung „Anwaltskanzlei Vorname1 Nachname1“ enthält und ihn als „Rechtsanwalt Nachname1“ bzw. „Rechtsanwalt und Notar a.D.“ bezeichnet. Zudem macht er neben den Kosten der 1. Instanz entsprechend einer vorgelegten Kostennote seines damaligen Prozessbevollmächtigten bezüglich der Kosten der 2. Instanz eigene Anwaltsgebühren in Form einer Verfahrens- und Terminsgebühr nebst einer Pauschale für Post und Telekommunikation geltend. Damit betrifft sein Antrag gerade seine eigene Stellung und sein Kosteninteresse als Rechtsanwalt. Vor diesem Hintergrund war er gehalten, als Rechtsanwalt die Form des § 130d S. 1 ZPO einzuhalten. Da dies nicht geschehen ist, war der Kostenfestsetzungsantrag unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als unzulässig abzuweisen.“

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zum BGH – leider – nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordere (§ 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO). Abweichende obergerichtliche Entscheidungen seien nicht ersichtlich und der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des § 130d ZPO sei hinreichend geklärt. Nun ja: Nachdem der BGH im Beschl. v. 31.01.2023 (VIII ZB 90/22) auch, wenn auch „colorandi causa“. etwas zum Kostenfestsetzungsantrag gesagt hat, hätte man dann vielleicht doch gern etwas „Tragendes“ vom BGH gehört.