Archiv der Kategorie: Strafvollstreckung

KCanG II: Zuständigkeit für Neufestsetzung der Strafe, oder: Noch nicht erledigte Maßregel der Unterbringung

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Im zweiten Posting zum KCanG dann zwei Entscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe, und zwar:

Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 23.10.2024 – 2 ARs 179/24 – zur Zuständigkeit für die Neufestsetzung der Strafe, zu der sich ja auch schon einige OLG geäußert haben, Stelllung genommen, und zwar wie folgt:

1. Zuständig für die Entscheidungen nach Art. 316p in Verbindung mit Art. 313
EGStGB ist nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern stets das Gericht
des ersten Rechtszugs.

2. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB ist in den Fällen des Art. 313 Abs. 3 EGStGB
entsprechend anzuwenden.

Damit dürfte das Problem, wenn es denn eins war, erledigt sein. Die Entscheidung ist übrigens zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt.

Und dann habe ich noch den OLG Hamm, Beschl. v. 19.11.2024 – 3 Ws 368/24 – zur Frage, was bei Neufestsetzung einer (Gesamt)Strafe eigentlich aus einer – noch nicht erledigten – Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird, wenn dazu keine Entscheidung getroffen wird:

1. Trifft ein Gericht bei der Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p i. V. m. Art. 313 Abs. 4 EGStGB keine ausdrückliche Entscheidung zu der mit der Gesamtstrafe angeordneten – noch nicht erledigten – Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, so ist damit die Maßregel nicht zwangsläufig in Wegfall gebracht. Ob sich der (Einzel-)Straferlass unter Neufestsetzung einer Gesamtstrafe auf die Maßregel erstreckt, ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln.

2. Zwar ordnet das Gesetz in Art. 313 Abs. 1 S. 2 EGStGB an, dass sich der Straferlass auch auf Maßregeln erstreckt. Aber erst dann, wenn durch den Straferlass die für die Maßregelanordnung maßgeblichen Anlasstaten betroffen sind, ist überhaupt eine Entscheidung über dieselbe veranlasst gewesen.

KCanG III: Ggf. mildere Strafe nach dem KCanG, oder: Reicht das für eine Halbstrafenaussetzung?

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Und da ja aller guten Dinge drei sind, gibt es natürlich heute auch ein drittes Posting. In dem stelle ich den OLG Schleswig, Beschl. v. 02.12.2024 – 2 Ws 145/24, vor, der sich zur Halbstrafenaussetzung nach § 57 StGB im Hinblick auf eine ggf. mildere Strafe nach dem KCanG äußert. Hier die Leitsätze:

1. Im Rahmen der nach § 57 Abs. 1 StGB und nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt dem Unrechtsgehalt der begangenen Tat Bedeutung für die künftige Sozial- und Legalprognose bei der Fragestellung zu, welche Taten mit welchem Unrechtsgehalt der Verurteilte nach Haftentlassung begehen könnte.

2. In diesem Rahmen kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass nach § 34 KCanG zu bestrafende künftige Taten einen geringeren Unrechtsgehalt aufweisen als die früheren Verurteilungen auf der Grundlage des BtMG. Für eine nachträgliche Korrektur des Strafmaßes einer auf der Grundlage des BtMG erfolgten Verurteilung ist allerdings außerhalb des Anwendungsbereichs der Art. 316 p, 313 StGB kein Raum.

3. Die Wahrscheinlichkeit einer bei Geltung des KCanG milderen Verurteilung ist kein besonderer Umstand im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Anschluss an OLG Celle, Beschluss vom 12. Juni 2024 – 2 Ws 137/24).

KCanG II: Verwertung „alter“ Überwachungsdaten, oder: Bewährung bei Neufestsetzung der Strafe?

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Und im zweiten KCanG-Posting des Tages dann drei Entscheidungen aus der Instanz, und zwar zum Verfahrensrecht. Die beiden OLG Entscheidungen befassen sich noch einmal mit der Verwertung „alter“ Erkenntnisse aus der Überwachung von Messenger-Diensten unter Geltung des KCanG. Die LG Entscheidung befasst sich mit der Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG.

Hier sind:

Soweit einige Obergerichte unter Anwendung der Encro-Chat-Rechtsprechung des BGH aufgestellten Grundsätze die Zulässigkeit der Verwertung von Daten aus Kryptierdiensten beim Vorliegen von „nur“ Vergehen, auch bei Verwirklichung besonders schwerer Fälle, nach dem KCanG verneint, da der seitens des BGH fruchtbar gemachte Schutzbereich von §§ 100e Abs. 6, 100b StPO insoweit mangels Vorliegens von Katalogtaten nicht (mehr) eröffnet sei, tritt der Senat dieser Rechtsprechung nicht bei. Der Entscheidung des BGH zum Kryptierdienst kann eine Beschränkung dahingehend, dass stets der „fruchtbar gemachte Grundgedanke der Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO)“ in allen gleichgelagerten Fallgestaltungen heranzuziehen ist, nicht entnommen werden. Vielmehr sind nach dieser Entscheidung auch Verwendungsschranken unterhalb des Schutzniveaus von §§ 100e Abs. 6, 110b StPO in Betracht zu ziehen.

Die Verwertung von Informationen, die aufgrund der Überwachung und Entschlüsselung von Kommunikationsvorgängen in den Kryptiersystemen SkyECC und An0m durch Ermittlungsbehörden ausländischer Staaten erhoben und im Wege der Rechtshilfe erlangt wurden, erfüllt dann die Voraussetzung der strikten Verhältnismäßigkeit, wenn die zugrunde liegende Tat vom Katalog des § 100a Abs. 2 StPO (vorliegend: § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KCanG) erfasst ist und auch die übrigen Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO gegeben sind.

1. Eine nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB veranlasste Neufestsetzung der Strafe erfordert bei Festsetzung einer aussetzungsfähigen Strafe auch eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung.

2. Mit der Aussetzungsentscheidung ist die Bewährungszeit neu festzusetzen. Die Bewährungszeit beginnt nach § 56a Satz 1 StGB mit Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung.

3. Auf die neue Bewährungszeit ist die Zeit, in der der Verurteilte seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils unter Bewährung stand, anzurechnen.

KCanG III: Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG, oder: Mildere Strafe ==> Nachträgliche Strafmilderung?

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Und dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 20.08.2024 – 5 Ws 230/24. Gestritten wird um eine Neufestsetzung von Einzel- und Gesamtstrafen. Das hatte die Strafkammer Recht abgelehnt. Das OLG sagt: Zu Recht.

„Die Strafkammer hat eine Neufestsetzung der im Urteil des Landgerichts Hagen vom 22. November 2021 festgesetzten Einzel- und Gesamtstrafen zu Recht abgelehnt.

Der Anwendungsbereich des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist nicht eröffnet. Die mit der Einführung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) zum 1. April 2024 geschaffene Regelung des Art. 316p EGStGB sieht eine Verweisung auf Art. 313 EGStGB ausdrücklich nur für solche Fälle vor, die nach dem neuem Recht des KCanG weder strafbar noch mit Bußgeld bedroht sind. Das abgeurteilte Verhalten des Angeklagten ist dagegen auch nach der Einführung des KCanG noch strafbar (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KCanG). Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach der neuen Gesetzeslage im Vergleich zu der in dem Urteil des Landgerichts Hagen noch zur Anwendung gelangten Strafvorschrift (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung (vgl. BGH, Urt. v. 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24 -, BeckRS 2024, 13152; OLG Jena, Beschl. v. 25. Juni 2024 – 1 Ws 204/24 -, BeckRS 2024, 16416; OLG Brandenburg Beschl. v. 21. Mai 2024 – 2 Ws 54/24 -, BeckRS 2024, 12707; LG Karlsruhe, Beschl. v. 15. Mai 2024 – 20 StVK 228/24 -, BeckRS 2024, 10817; AG Köln, Beschl. v. 16. Mai 2024 – 583 Ds 135/22 -, BeckRS 2024, 12051).

Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor. Da es sich bei den genannten Normen um Ausnahmevorschriften handelt, ist bei der Annahme einer Analogie grundsätzlich Zurückhaltung geboten, zumal diese die Abänderung rechtskräftiger Entscheidungen ermöglichen. Gemessen daran vermag der Senat eine für den Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelunglücke weder dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, noch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 155) zu entnehmen (so im Ergebnis auch LG Karlsruhe a.a.O.; a.A. BeckOK StGB/Seel, 62. Ed., Art. 316p EGStGB, Rn. 2). Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung des KCanG keine eigenständige Amnestieregelung schaffen wollen, sondern mit dem Verweis in Art. 316p EGStGB die bereits 1974 in Kraft getretenen Regelungen des Art. 313 EGStGB zur Anwendung gebracht. Hierzu war bereits höchstrichterlich anerkannt, dass diese Regelungen keine Fälle erfassen, in denen die Strafandrohung durch das neue Gesetz lediglich gemildert wird (BGH, Urt. v. 16. August 1977 – 1 StR 390/77 -, BeckRS 1977, 233). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des KCanG diesbezüglich von der bestehenden Rechtslage abweichen wollte. Aus einer allgemein geänderten Risikobewertung des Gesetzgebers in Bezug auf den Umgang mit Cannabis (vgl. BeckOK StGB/Seel a.a.O.) lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.“

KCanG II: Absehen von weiterer Strafvollstreckung, oder: Herabsetzen der Mindeststrafe durch das KCanG

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Im zweiten Posting hier dann der BayObLG, Beschl. v. 17.10.2024 – 203 VAs 380/24 – zum Absehen von weiterer Strafvollstreckung (§ 456a StPO). In der Entscheidung des BayObLG macht dieses Ausführungen zur Frage des Ermessens – insoweit bitte selbst lesen. Und zum KCanG wird ausgeführt:

„d) Dass es sich beim Verurteilten um einen Ausländer handelt, dessen Angehörige in seinem Heimatstaat leben und der aus persönlichen Gründen gerne dorthin zurückkehren würde, hat die Vollstreckungsbehörde nicht aus dem Blick verloren. Einen Anspruch auf ein Absehen von der weiteren Vollstreckung nach Verbüßung der Halbstrafe kann der Antragsteller daraus jedoch nach der Begehung von schweren Straftaten (auch in der Form der Beihilfe) nicht herleiten (vgl. auch Senat a.a.O. Rn. 12; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2020 – 2 VAs 3/20 –, juris Rn. 13). Die Herabsetzung der Mindeststrafe durch den Gesetzgeber in § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in der Fassung vom 20. Juni 2024 infolge Inkrafttretens des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 109) führt auch unter Berücksichtigung von Art. 316p EGStGB bezogen auf § 456a StPO nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Die Ausnahmevorschrift des Art. 313 EGStGB ist in diesem Fall nicht anwendbar (vgl. bereits BGH, Urteil vom 16. August 1977 – 1 StR 390/77 –, juris Rn. 14). Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 313 EGStGB bleiben rechtskräftig ausgesprochene Strafen bestehen (BGH, Urteil vom 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24 –, juris Rn. 15). Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung des KCanG keine eigenständige Amnestieregelung geschaffen (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 20. August 2024 – III-5 Ws 230/24 –, juris). Es besteht somit kein Anlass, einen ausländischen Verurteilten zwingend besser zu stellen, zumal der Antragsteller übersehen hat, dass das Landgericht Nürnberg-Fürth in seinem Urteil vom 19. Dezember 2017 seiner Strafzumessung eine Strafuntergrenze von nur einem Jahr zugrunde gelegt hat. Die persönlichen Verhältnisse und Belange eines Verurteilten sind zwar, soweit dies geboten erscheint, bei der zu treffenden Entscheidung angemessen zu berücksichtigen, stehen jedoch nicht im Vordergrund (Senat a.a.O. Rn. 12; OLG Hamm, Beschluss vom 6. November 2012 – III-1 VAs 104/12 –, juris Rn. 8).“