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StPO III: Zustellung an Zustellungbevollmächtigten, oder: Fehlen von festem Wohnsicht oder Aufenthalt

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Und im dritten Tagesposting dann noch etwas zur Wirksamkeit einer Zustellung, und zwar die Frage nach der wirksamen Zustellung einen tZustellungsbevollmächtigten (§ 132 2 StPO). dazu führt das LG Hof im LG Hof, Beschl. v. 08.10.2025 – 3 Qs 82/25 aus:

„2. Eine wirksame Zustellung des Strafbefehls vom 01.02.2023 ist bislang nicht erfolgt.

a) Die Zustellung vom 03.09.2024 gegenüber dem Zustellungsbevollmächtigten pp. ist unwirksam. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO lagen nicht vor, was die Unwirksamkeit der vom Beschwerdeführer erteilten Zustellungsvollmacht vom 14.08.2024 nach sich zieht.

aa) Der Beschluss vom 24.04.2024 ist zu Unrecht ergangen.

Wesentliche Voraussetzung einer Anordnung nach § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO ist, dass der Beschuldigte im Geltungsbereich der Strafprozessordnung keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Der Inhalt des Begriffs Wohnsitz richtet sich dabei nach den §§ 7 ff. BGB. Ein Wohnsitz ist dadurch gekennzeichnet, dass sich eine Person an einem Ort ständig niederlässt. Er wird nach § 7 Abs. 3 BGB dadurch aufgehoben, dass die Niederlassung mit dem entsprechenden Willen aufgegeben wird. Der Begriff des (gewöhnlichen) Aufenthalts wird in § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB 1 und § 9 Satz 1 AO übereinstimmend definiert als der Ort, an dem sich eine Person unter solchen Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Er beschreibt daher das rein tatsächliche Verhältnis einer Person zu ei-nem bestimmten Ort oder einer Region (vgl. MüKo-StPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5, m.w.N.).

Das Fehlen eines festen Wohnsitzes oder Aufenthalts ist nach dem Ermittlungsstand positiv festzustellen. Es genügt hingegen nicht, wenn lediglich der Aufenthalt des Beschuldigten unbekannt ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.01.2020 – 1 Ws 255/19, BeckRS 2020, 9982, Rn. 11; LG Hamburg, Beschl. v. 25.04.2025 – 615 Qs 37/25, BeckRS 2025, 13183, Rn. 27; LG Dresden, Beschl. v. 23.01.2015 – 3 Qs 7/15, BeckRS 2015, 132781, Rn. 11; LG Magdeburg, Beschl. v. 30.01.2007 – 26 Qs 14/07, BeckRS 2007, 3178; Gercke/Temming/Zöller/Ahlbrecht, StPO, 7. Aufl. 2023, § 132 StPO Rn. 4; MüKoStPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5; BeckOK-StPO/Niesler, 56. Ed. 1.7.2025, StPO § 132 Rn. 2).

Nach diesen Maßstäben hätte der Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 24.04.2024 nicht ergehen dürfen. Insoweit stößt es bereits auf durchgreifende Bedenken, dass in den Gründen des Beschlusses maßgeblich darauf abgestellt wird, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts sei (BI. 118 d.A.). Wie oben ausgeführt, kann dies den Erlass einer Anordnung gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO gerade nicht rechtfertigen. Überdies gibt auch die Aktenlage zum damaligen Zeitpunkt keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme her, der Beschwerdeführer sei dauerhaft im Ausland ansässig oder es handle sich bei ihm um eine „durch das Staatsgebiet vagabundierende Person“ (so die Formulierung bei MüKo-StPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5). Vielmehr war zum damaligen Zeitpunkt davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Zimmer in Hof, hatte (vgl. insbesondere die Mitteilung der PI Weilheim vom 24.03.2024, BI. 107 d.A.).

Auf die melderechtlichen Verhältnisse kann es dabei nicht ankommen, da – wie ausgeführt – die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich sind. Dass der Strafbefehl postalisch nicht an der Anschrift zugestellt werden konnte (BI. 113 d.A.) und der Beschwerdeführer dort durch die Polizei nicht ermittelt werden konnte (BI. 115 d.A.), mag allenfalls darauf hindeuten, dass der Beschwerdeführer sich verborgen hielt. Dann wäre indes eine (erneute) Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (vgl. MüKo-StPO/Gerhold, 2. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 5) oder gegebenenfalls der Erlass eines Haftbefehls (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) angezeigt gewesen, nicht jedoch eine Anordnung nach § 132 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO.

Ohne dass es noch darauf ankäme, zeigt sich das Vorhandensein eines gewöhnlichen Aufenthalts des Beschwerdeführers an der vorgenannten Adresse auch darin, dass er beim Vollzug der Anordnung am 14.08.2024 an ebendieser Anschrift angetroffen wurde und ausweislich der Mitteilung der Polizei zum damaligen Zeitpunkt dort auch noch lebte (BI. 130 d.A.).

bb) Die Fehlerhaftigkeit der Anordnung führt zur Unwirksamkeit der Zustellungsvollmacht.

Dabei kann offenbleiben, ob jeglicher Fehler bei der Anordnung die Unwirksamkeit der Vollmacht herbeiführt. Jedenfalls bei besonders qualifizierten Fehlern ist dies aufgrund der für den Beschuldigten unter Umständen weitreichenden Folgen einer erteilten Zustellungsvollmacht aus rechts-staatlichen Gründen anzunehmen (vgl. zur Umgehung des Richtervorbehalts: LG Hamburg, Beschl. v. 25.04.2025 – 615 Qs 37/25, BeckRS 2025, 13183, Rn. 29; LG Dresden, Beschl. v. 23.01.2013 – 5 Qs 149/13, BeckRS 2013, 204710; KK-StPO/Glaser, 9. Aufl. 2023, StPO § 132 Rn. 7). Vorliegend handelt es sich um einen derart qualifizierten Fehler, da das Amtsgericht ausweislich der Begründung des Beschlusses vom 24.04.2024 von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen ist, indem es alleine auf den – für die Anordnung nicht maßgeblichen – unbekannten Aufenthalt des Beschwerdeführers abgestellt hat, ohne die eigentlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen.

Anhaltspunkte dafür, dass eine freiwillige rechtsgeschäftliche Zustellungsbevollmächtigung gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 171 ZPO beabsichtigt gewesen sein könnte, bestehen nicht. Insoweit dürfte zumindest zu fordern sein, dass der Beschuldigte zuvor auf die Freiwilligkeit der Vollmachtserteilung hingewiesen wurde (vgl. LG Freiburg, Beschl. v. 06.09.2021 – 16 Qs 27/21, BeckRS 2021, 29664, Rn. 8; vgl. ferner Mayer, NStZ 2016, 76, 82, m.w.N.). Hierzu lässt sich der Akte nichts entnehmen.

b) Eine Zustellung des Strafbefehls vom 01.02.2023 kann auch nicht darin erblickt werden, dass dem Verteidiger des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 02.09.2024 Akteneinsicht gewährt wurde. Zwar können Zustellungsmängel gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO geheilt werden. Jedoch reicht die Kenntniserlangung hinsichtlich des zuzustellenden Schriftstücks durch Akteneinsicht als Zugang i.S.v. § 189 ZPO nicht aus (vgl. BayObLG, Beschl. v. 16.06.2004 – 2Z BR 253/03, BeckRS 2004, 7235, m.w.N.). Hinzukommt, dass der Verteidiger mangels nachgewiesener Bevollmächtigung (vgl. § 145a Abs. 1 Satz 2 StPO) nicht gemäß § 145a Abs. 1 Satz 1 StPO als ermächtigt gelten konnte, Zustellungen für den Beschwerdeführer in Empfang zu nehmen.

c) Eine Zustellung ist schließlich auch nicht dadurch erfolgt, dass dem Beschwerdeführer am 31.05.2025 der Strafbefehl durch die Polizei persönlich übergeben wurde. Hier fehlte es jedenfalls am Zustellungswillen. Die Heilung eines Zustellungsmangels gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO setzt nämlich voraus, dass eine förmliche Zustellung von dem für das Verfahren zuständigen Organ – im Fall des § 36 Abs. 1 StPO also vom Vorsitzenden – beabsichtigt war (vgl. BGH, Beschl. v. 06.03.2014 – 4 StR 553/13, BeckRS 2014, 8141, Rn. 7, m.w.N.). Dafür reicht jedoch eine formlose Übergabe durch die Polizei auf Veranlassung der für die Zustellung jenes Strafbefehls nicht zuständigen Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft (BI. 155 f. d.A.) nicht aus, weil das so übersandte, lediglich inhaltsgleiche Schriftstück nicht mit Zustellungswillen des Gerichtes zugeht (vgl. KG, Beschl. v. 12.10.2010 – 2 Ws 521/10, BeckRS 2010, 29601).“

Pflichti III: Zulassungsverlust beim Pflichtverteidiger, oder: Wirksamkeit der Zustellung an den „Pflichti“

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Und im letzten Beitrag dann noch zwei Entscheidungen vom BGH, in denen dieser noch einmal zwei Fragen anspricht, zu den er sich auch in der Vergangenheit bereits geäußert hat.

Im BGH, Beschl. v. 03.09.2025 – 2 StR 156/24 – heißt es (noch einmal) zur Aufhebung der Bestellung des Pflichtverteidigers wegen Zulassungsverlustes:

“ Ist der Verteidiger nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen, erfüllt er nicht mehr die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 5 StR 617/01, BGHSt 47, 238, 239). Entsprechend ist seine Bestellung aufzuheben (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO).“

Im BGH, Beschl. v. 26.08.2025 – 4 StR 358/25 – geht es noch einmal um die wirksame Zustellung des Urteils des Tatgerichts, nachdem das Tatgericht die Revision wegen Fristversäumung nach § 346 Abs. 2 StPO verworfen hatte:

„….. Der Verwerfungsbeschluss erweist sich als rechtsfehlerhaft, da die Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO mangels wirksamer Zustellung des Urteils gemäß § 345 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht zu laufen begonnen hatte. Denn eine Zustellung ist grundsätzlich nicht ordnungsgemäß bewirkt, wenn anstelle des Pflichtverteidigers eine andere Person das Empfangsbekenntnis unterschreibt. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Unterzeichnerin des Empfangsbekenntnisses, eine Kollegin des vormaligen Pflichtverteidigers, als dessen Vertreterin eingesetzt war und auftrat, sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 – 3 StR 118/21 Rn. 4 f.)….“

StPO II: Beweiskraft eines Empfangsbekenntnisses, oder: Falsches Datum auf dem Empfangsbekenntnis

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Im zweiten Posting kommt dann hier der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.04.2025 – 1 Ws 10/25 – zur Beweiskraft eines Empfangsbekenntnisses.

Das Verfahren eingestellt worden, weil der Angeklagte verstorben. Gegen die für ihn nachteilige Kosten- und Auslagenentscheidung hat der Nebenkläger sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG führt in seinem Verwerfungsbeschluss zur Zulässigkeit des Rechtsmittels aus:

„1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

a) Die sofortige Beschwerde wurde insbesondere innerhalb der sich aus den §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 1, Abs. 2, 35 Abs. 2, 43 Abs. 1 StPO ergebenden Wochenfrist und damit fristgemäß eingelegt.

Zwar ist in dem am 26.12.2024 an das Landgericht gefaxten Empfangsbekenntnis als nach § 37 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 175 Abs. 3 ZPO maßgebliches Zustellungsdatum der 17.12.2024 angegeben; danach wäre die am 26.12.2024 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Nebenklägers verfristet. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erst am 24.12.2024 mit einer vom Willen des Empfängers – hier des Nebenklagevertreters – getragenen Empfangnahme bewirkt worden ist. Das Empfangsbekenntnis beweist gemäß § 175 Abs. 3 ZPO und der darin enthaltenen gesetzlichen Beweisregel (§ 286 Abs. 2 ZPO) grundsätzlich das in ihm angegebene Zustellungsdatum, da in dem Empfangsbekenntnis zunächst der Zeitpunkt zu vermerken ist, zu dem der Empfänger das Schriftstück entgegengenommen hat. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, allerdings nicht ausgeschlossen, denn § 175 Abs. 3 ZPO sieht Datum und Unterschrift nur als Mittel zum Nachweis, nicht hingegen als Voraussetzung der Zustellung an. Ein falsches Datum auf dem Empfangsbekenntnis verhindert nicht den Nachweis des tatsächlichen Zugangstages (BGH NJW 1990, 2125; NJW 2001, 2722; NJW 2012, 2117; NJW-RR 2021, 158); der Zeitpunkt der Zustellung kann daher auch auf andere Weise festgestellt werden (MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl. 2023, StPO § 37 Rn. 48 mwN). Nicht ausreichend ist aber eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis; vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet werden (Musielak/Voit/Wittschier, 22. Aufl. 2025, ZPO § 175 Rn. 4 mwN).

Danach ist die vom Willen des Nebenklagevertreters getragene Empfangnahme des ihm übersandten Beschlusses vom 06.12.2024 (erst) am 24.12.2024 erfolgt. Der Nebenklagevertreter hat durch die von ihm eingereichten Reiseunterlagen belegt, dass er sich bis zum 24.12.2024 auf einer Reise in Südamerika befand; nach dem Schreiben vom 03.04.2025 ist anzunehmen, dass dem Nebenklagevertreter das Empfangsbekenntnis auch nicht (elektronisch) vor dem 24.12.2024 an seinen Urlaubsort zugegangen ist. Der Nebenklagevertreter kann demnach das ihm übersandte Empfangsbekenntnis erst nach Rückkehr von seiner Reise und damit nicht vor dem 24.12.2024 mit Annahmewille entgegengenommen haben. Das auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelldatum – der 17.12.2024 – ist damit entkräftet.“

Zustellung III: Nicht erkannte Unwirksamkeit, oder: Welche Folgen hat das im Rechtsmittelverfahren?

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Als drittes Posting dann noch der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.02.2025 – 2 Ws 19/25 – zu den Folgen einer nicht erkannten Unwirksamkeit der Zustellung für das Rechtsmittelverfahren

Ergangen ist der Beschluss in einem Widerrufsverfahren.  Die Ladung zu der mündlichen Anhörung, zu der der Verurteilte dann nicht erschien ist, war dem Verurteilten im Weg der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt worden. Die Zustellung des Widerrufsbeschlusses erfolgte in der gleichen Weise am 13.09.2024. In einer E-Mail an das AG vom 12.10.2024 teilte der Verurteilte mit, dass sich seine Wohnanschrift bereits am 01.01.2024 geändert habe. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 28.10.2024 legte der Verurteilte sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss ein und beantragte, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dazu wurde unter Vorlage des Mietvertrags vorgetragen, dass der Verurteilte bereits seit 01.01.2024 in Ludwigshafen wohnhaft sei und er deshalb den Widerrufsbeschluss nicht erhalten habe. Vielmehr habe er von dem Widerruf erst durch die Ladung zu Strafantritt am 22.10.2024 erfahren. Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die sofortige Beschwerde als unzulässig verwrofen. Hiergegen legte der Verurteilte sofortige Beschwerde ein. Mit Erfolg:

„Die sofortige Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 2.8.2024 richtet, gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihr kann auch ein (vorläufiger) Erfolg in der Sache nicht verwehrt bleiben.

1. Zwar geht der Angriff gegen die Versagung der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehl, weil gar kein Fall der Säumnis vorliegt (vgl. MK-Valerius, StPO, § 44 Rn. 7 m.w.N.). Denn die am 13.9.2024 (vermeintlich) bewirkte Zustellung des Widerrufsbeschlusses vom 2.8.2024 war unwirksam, weshalb die Rechtsmittelfrist dadurch nicht in Gang gesetzt wurde.

a) Gemäß §§ 37 Abs. 1 StPO, 180 Satz 1 ZPO kann an einen Zustellungsempfänger, der in seiner Wohnung nicht angetroffen wird, die Zustellung durch Einlegung des zuzustellenden Schriftstückes in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten bewirkt werden. Diese ist jedoch nur wirksam, wenn der Zustellungsempfänger unter der Zustellanschrift wohnhaft ist. Eine Wohnung in diesem Sinn sind aber nur Räumlichkeiten, die der Adressat tatsächlich für eine gewisse Dauer in der Weise zum Wohnen nutzt, dass er dort seinen räumlichen Lebensmittelpunkt hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 174). Der Senat hat dazu den vorgelegten Mietvertrag zum Anlass genommen, bei der Vermieterin – einer kommunalen Wohnungsgesellschaft – Nachfrage zu halten, die das Ergebnis erbracht haben, dass dem Verurteilten tatsächlich ab dem 1.1.2024 eine Mietwohnung in Ludwigshafen zum Gebrauch überlassen worden war, für die in der Folge auch Mietzinszahlungen erfolgten. Danach kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerrufsbeschlusses am 13.9.2024 noch unter der Zustellanschrift in Dossenheim wohnhaft war.

b) Dass der Verurteilte im Bewährungsbeschluss angewiesen worden war, jeden Wohnungs- und Aufenthaltswechsel unverzüglich mitzuteilen, vermag an der sich hieraus ergebenden Unwirksamkeit der Zustellung nichts zu ändern. Denn der Gesetzgeber hat in §§ 37 Abs. 1 StPO, 179 ZPO nur der Annahmeverweigerung rechtliche Bedeutung zugemessen, dem sonstiges pflichtwidriges Verhalten des Zustellungsempfängers nicht gleichgestellt ist (OLG Koblenz ZfS 2005, 363).

2. Gleichwohl kann derjenige, der wie ein Säumiger behandelt wird, obwohl er gar nicht säumig ist, im Ergebnis nicht schlechter gestellt sein, als ein Säumiger, den an der Säumnis kein Verschulden trifft (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1981, 471; BayObLG NJW 1972, 1097). Nachdem der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Zustellung des amtsgerichtlichen Widerrufsbeschlusses der Boden entzogen ist, unterliegt er deshalb der Aufhebung. Da der Senat bezüglich der Widerrufsentscheidung selbst nicht entscheidungsbefugt ist, muss das Landgericht, an das die Sache deshalb zurückzuverweisen ist, darüber erneut auf der geänderten tatsächlichen Grundlage entscheiden. Da sich erst danach beurteilen lässt, ob das Rechtsmittel des Verurteilten endgültig Erfolg hat, ist dabei auch über die Kosten des Rechtsmittel mit zu befinden.“

Zustellung I: Wenn die Zustellungsurkunde fehlt, oder: Kommunikation Verteidiger/Mandant?

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Heute am Mittwoch dann mal ein Zustellungstag mit einer BGH-Entscheidungen und zwei OLG-Beschlüssen, beide vom OLG Karlsruhe.

Ich eröffne den Reigen mit dem BGH Beschluss v. 4 StR 191/24 – schon etwas älter, aber erst Ende Februar auf der Homepage des BGH veröffentlicht.

Das LG hat den Angeklagten am 20.12.2023 verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten.

Die Zustellung des – schriftlich – begründeten Urteils an den Pflichtverteidiger unter der aus dem bisherigen Verfahren bekannten Anschrift scheiterte dann, da der Pflichtverteidiger unter dieser Anschrift nicht zu erreichen war. Eine Zustellung über das elektronische Postfach misslang, weil der Pflichtverteidiger ein Empfangsbekenntnis nicht zurücksandte. Vor diesem Hintergrund ordnete die Vorsitzende der Strafkammer dann am 0 die Zustellung an den Angeklagten mit einer schriftlichen Rechtsmittelbelehrung und mit dem Zusatz an, dass das Urteil an den Verteidiger nicht zugestellt werden konnte und deshalb dem Angeklagten übersandt werde. Mit Schreiben vom , eingegangen beim Landgericht am , teilte der Pflichtverteidiger seinen geänderten Kanzleisitz mit. Das Urteil wurde dem Angeklagten mit Rechtsmittelbelehrung am in der Justizvollzugsanstalt zugestellt. Eine Revisionsbegründung ging in der Folge nicht ein.

Das LG hat die Revision des Angeklagten als unzulässig, weil bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Revisionsbegründung eingegangen war (§ 346 Abs. 1 StPO). Am 0 ordnete die Vorsitzende die Zustellung des Beschlusses mit Rechtsbehelfsbelehrung an den Angeklagten an, der Verteidiger erhielt den Beschluss formlos unter Hinweis, dass die förmliche Zustellung an den Angeklagten erfolgt ist. Eine Zustellungsurkunde ist nicht zu den Akten gelangt. Auf dem Zustellungsauftrag vom 0 ist vermerkt, dass die Zustellung an den Angeklagten am 0 erfolgt ist, war durch eine schriftliche Auskunft der JVA bestätigt wird. Mit Schreiben vom 0, eingegangen beim LG am , beantragte der Angeklagte die Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss vom . Es sind dann keine Revisionsanträge gestellt worden.

Der Antrag nach § 346 StPO hatte keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist unzulässig, weil der Angeklagte die Frist des § 346 Abs. 2 StPO versäumt hat.

Die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 StPO begann mit Zustellung des Verwerfungsbeschlusses (§§ 36, 37 StPO i.V.m. § 166 ZPO) an den Angeklagten am ; § 145a Abs. 1 StPO hindert eine solche Zustellung nicht, denn diese Vorschrift begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen an den Verteidiger zu bewirken (vgl. , BGHSt 18, 352, 354; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 145a Rn. 6 mwN).

Der Wirksamkeit der Zustellung steht auch nicht entgegen, dass die Zustellungsurkunde fehlt, da eine hierdurch bewirkte Beurkundung des Zustellungsvorgangs keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Zustellung ist, sondern lediglich eine Möglichkeit ihres Nachweises (BT-Drucks. 14/4554 S. 15; , NVwZ-RR 2004, 724; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 1). Den Nachweis einer Zustellung und ihres Zeitpunkts kann der Zustellende durch die in den einzelnen Vorschriften hierfür vorgesehenen Beurkundungen, aber auch in anderer Weise führen (BT-Drucks. 14/4554 S. 15; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 37 Rn. 1; SSW-StPO/Claus, 5. Aufl., § 37 Rn. 49; KK-StPO/Schneider-Glockzin, 9. Aufl., § 37 Rn. 26). Vorliegend folgt der Nachweis der Zustellung aus dem auf dem Zustellungsauftrag (§ 176 Abs. 2 ZPO) abgedruckten Vermerk „Zugestellt am “ in Zusammenhang mit der schriftlichen Auskunft der Justizvollzugsanstalt, dass die Zustellung des Beschlusses an den Angeklagten tatsächlich an diesem Tag erfolgt ist.

Damit lief die Wochenfrist vom bis zum (§ 43 StPO), so dass der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom , der erst am bei Gericht eingegangen ist, verspätet war.

2. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da weder durch den Verteidiger noch durch den Angeklagten zu Protokoll der Geschäftsstelle Revisionsanträge gestellt worden sind und die Revision damit entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht begründet worden ist.

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist von Amts wegen gemäß §§ 44, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine formgerechte Revisionsbegründung bist heute nicht vorliegt. Der Angeklagte war auch nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung der Revision gehindert (§ 44 StPO). Weder aus dem Vorbringen des Angeklagten noch aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass dem Verteidiger überhaupt ein entsprechender Auftrag erteilt worden ist. Die Führung der Verteidigung ist aber Sache des Angeklagten und seines Verteidigers. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandanten zu überwachen. Eine Verpflichtung zum Eingreifen besteht nur, wenn das Versagen eines Verteidigers für die Justiz offenkundig ist oder sie davon unterrichtet wird (EGMR, Urteil vom 59519/00 – Staroszczyk/Polen Tz. 122, 133; Rn. 4 f.; Beschluss vom 6 StR 86/24 Rn. 9; Beschluss vom – 3 StR 422/20 Rn. 7; Beschluss vom 4 StR 68/20 Rn. 5 ff.). Allein der Umstand, dass das Landgericht das Urteil nicht an den Pflichtverteidiger zustellen konnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ein etwaiger Mangel war spätestens am – mithin noch einen Tag vor Zustellung des Urteils an den Angeklagten – mit Mitteilung der geänderten Anschrift des Pflichtverteidigers behoben.“