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StPO III: Immer wieder Zustellungsproblematik, oder: Vollmacht, ZU-Bevollmächtigter, Ersatzzustellung

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Und dann zum Tagesschluss ein paar Entscheidungen, die sich bei mir zu Zustellungsfragen angesammelt haben. Die haben ja in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung. Hier sind dann – jeweils nur die Leitsätze – leider sind die Entscheidungen zum Teil schon etwas älter:

Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war, diese muss folglich angeordnet worden sein.

Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 22.04.2017, Az.C-124/16, C-188/16 und C-213/16, C-124/16, C-188/16, C-213/16, sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Art. 6 der Richtlinie 2012/13 richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Beschuldigter keinen festen Wohnsitz hat und daher einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, und an diesen dann ein Strafbefehl zugestellt wird, in dem Moment, in dem der Beschuldigte vom Strafbefehl tatsächlich Kenntnis erlangt, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand über die volle Einspruchsfrist verfügen können muss.

1. Die nach § 43 StPO zu berechnende, zweiwöchige Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl beginnt ausweislich des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO mit dessen Zustellung. Für die Ausführung der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten nach § 37 Abs. 1 StPO Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend.

2. Bei der Verpflichtung des Zustellers bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 3 ZPO, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, handelt es sich um eine zwingende Zustellungsvorschrift im Sinne des § 189 ZPO mit der Folge, dass das Schriftstück bei einer Verletzung dieser Vorschrift erst mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt gilt.

Die Zustellung an den Wahlverteidiger ist unwirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nicht gemäß § 145a Abs. 1 StPO nachgewiesen ist. Die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ist hierfür nicht ausreichend.

Und zu der Zustellungsproblematik – und noch zu viel mehr – kann man dann schon und bald wieder << Werbemodus an>> Aktuelles lesen in den Neuauflagen von

  • Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., und in
  • der 3. Auflage von Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe.
  • und in den beiden Handbücher für das Ermittlungsverfahren – jetzt dann 10. Aufl. – und für die Hauptverhandlung – jetzt dann 11. Aufl.,

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OWi II: Einspruchsrücknahme durch den Terminsbevollmächtigten, oder: Ausreichende Ermächtigung?

Gut zum gerade vorgestellten OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2019 – 2 Ss OWi 123/19 (vgl. dazu OWi I: Nachträgliche Einspruchsbeschränkung, oder: Ausreichende Ermächtigung des Verteidigers?) passt der schon etwas ältere LG Kempten, Beschl. v. 04.07.2018 – 1 Qs 100/18, der zur ausreichenden Ermächtigung zur Einspruchrücknahme durch den Terminsvertreter Stellung nimmt:

„Lediglich klarstellend zur umfassenden und sorgfältigen Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts wird im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ausgeführt, dass eine ausdrückliche Vollmacht für den Terminsbevollmächtigten zur Zurücknahme des Einspruchs im Verfahren gem. § 302 Abs. 2 StPO vorlag.

Nach der vom Verteidiger im Schriftsatz vom 30.5.2018 zitierten Entscheidung des OLG Bamberg (3 Ss OWi 330/18) und der dort zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 31.08.2016, 2 StR 267/16) ist von einer Erteilung einer ausdrücklichen Vollmacht gem. § 302 Abs. 2 StPO dann auszugehen, wenn eine in der schriftlichen Vollmacht enthaltene Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln vorliegt, die gerade zum Zwecke der Einlegung des Rechtsmittels erteilt wurde.

So soll die in allgemeinen Strafprozessvollmachten enthaltene Formulierung, wonach der Verteidiger befugt sein soll, Rechtsmittel ganz oder teilweise zurückzunehmen, nach Ansicht der Rechtsprechung nicht automatisch eine derartige Ermächtigung darstllen. Nur dann, wenn die entsprechende Vollmacht gerade für das betreffende Rechtsmittelverfahren erteilt wurde, soll ihr eine solche Ermächtigung zu entnehmen sein.

Vorliegend wurde dem zunächst Bevollmächtigten am 17.01.2018 nach erfolgter mündlicher Anhörung des Betroffenen am 15.01.2018 Vollmacht für das Verfahren erteilt, die zur Vertretung und insbesondere auch zur Rücknahme von Rechtsmitteln ermächtigte.

Aufgrund dieser Vollmacht wurde durch den Verteidiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, um das gerichtliche Verfahren zu betreiben. Due Vollmachtserteilung zielte gerade darauf ab, Einspruch im Verfahren einzulegen und das Verfahren zu betreiben. Gerade dieser Einspruch wurde im Hauptverhandlungstermin zurückgenommen. Damit ist nach den oben genannten Grundsätzen von einer wirksamen ausdrücklichen Vollmacht zur Zurückahme des Einspruchs gem. § 302 Abs. 2 StPO auszugehen.

Auch liegt in der Vollmachtserteilung keine Beschränkung auf die Vertretung gem. § 233, 234 StPO. Diese Befugnis wurde nach dem Wortlaut kumulativ zur Vertretung bei Rücknahme von Rechtsmitteln erteilt.

Im Übrigen genügt an den Nachweis bestehender ausdrücklicher Vollmacht nach § 302 Abs. 2 StPO auch die anwaltliche Versicherung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 302, Rn. 33), die ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung, das hierfür vollen Beweis erbringt, abgegeben wurde.“