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KCanG III: Entziehung der Fahrerlaubnis nach StVG, oder: Wann liegt Cannabismissbrauch vor?

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Und dann habe ich hier im dritten Posting noch etwas aus dem Verkehrsrecht, und zwar mit dem VG Ansbach, Beschl. v. 03.01.2025 – AN 10 S 24.3086 – etwas aus dem Verkehrsverwaltungsrecht-

Eragangen ist der Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betreffend die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen den Entzug einer Fahrerlaubnis sowie die damit verbundene Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins und eines Fahrgastbeförderungsscheins.

Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B, L und einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Der Antragsgegner erhielt Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 03.05.2024 gegen 18.55 Uhr mit seinem Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis gefahren ist. Eine bei ihm daraufhin um 19.42 Uhr entnommene Blutprobe ergab folgende Werte: 7,6 ng/ml THC, 2,9 ng/ml 11-Hydroxy-THC und 132 ng/ml THC-Carbonsäure. Ausweislich des ärztlichen Berichts waren keine Ausfallerscheinungen ersichtlich. Der Gang war sicher, die Sprache deutlich, das Bewusstsein klar und der Denkablauf geordnet. Im Aktenvermerk der Polizeiinspektion wurde zudem festgehalten, dass keine Fahrfehler festgestellt werden konnten und der Antragsteller während der Kontrolle angegeben habe, dass er regelmäßig Marihuana konsumiere.

Daraufhin  forderte der Antragsgegner zur zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auf. Als das nicht kommt, wird dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen. Zugleich verpflichtete der Antragsgegner ihn, seinen Führerschein sowie den Fahrgastschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides abzugeben. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Der Antragsteller gibt dann Führerschein und Fahrgastschein an, legt aber Widerspruch ein und begehrt dann einstweiligen Rechtsschutz. Ohne Erfolg:

„(II.) Die materiellen Anforderungen zur Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV lagen im maßgeblichen Zeitpunkt, dem Erlass der Begutachtungsanordnung (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – juris Rn. 14), vor. Danach muss die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ein medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern, wenn sonstige Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen.

Der Antragsgegner ist zutreffend davon ausgegangen, dass sonstige Tatsachen vorliegen, die einen Cannabismissbrauch begründen. Gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV liegt ein Missbrauch von Cannabis vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen des Fahrzeugs nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.

Die seit 1. April 2024 geltende Rechtslage unterscheidet zwischen einer Cannabisabhängigkeit (Nr.9.2.3 der Anlage 4 zur FeV), dem Cannabismissbrauch (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) und einem fahrerlaubnisrechtlich unbedenklichen Cannabiskonsum (so auch: BVerwG, B. v. 14.6.2024 – 3 B 11.23, BeckRS 2024, 15306 Rn. 9 f.), welcher nach Vorstellung des Gesetzgebers gelegentlich oder auch regelmäßig erfolgen könne (BT-Drs. 20/11370 S.11). Damit hat der Gesetzgeber die bisherige Annahme, dass mit einem regelmäßigen Konsum in der Regel auch eine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliege, aufgegeben. Im Übrigen erscheint es vorliegend schon zweifelhaft, einen regelmäßigen Konsum anhand eines THC-Carbonsäurewertes von 132 ng/ml anzunehmen, da dies nach (bisheriger) ständiger Rechtsprechung erst ab einem Wert von 150 ng/ml THC-COOH im Blutserum zu bejahen ist (vgl. BayVGH, B. v.19.4.2022 – 11 CS 21.3010, BeckRS 2022, 9296 Rn. 10). Auch die Frage, ob der Antragsteller selbst angegeben habe, regelmäßig Cannabis zu konsumieren, ist damit nicht mehr entscheidungserheblich.

Mangels gesetzlicher Festlegung eines THC-Wertes in Nr. 9.2.1. der Anlage 4 zur FeV sowie mangels der Anpassung der Begutachtungsleitlinien an die neuen Vorgaben der FeV, greift das Gericht vorliegend auf die Gesetzesbegründung zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zurück (BT-Drs. 20/11370). Aus dieser geht hervor, dass nach dem aktuellen Kenntnisstand der Wissenschaft die Festlegung eines THC-Grenzwertes, bei welchem der Betroffene im Rahmen der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV regelmäßig nicht hinreichend sicher zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum trennt, nicht möglich sei. Dennoch sei die Legaldefinition des Cannabismissbrauchs aufgrund der Feststellungen der Expertengruppe (vgl. Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr (§ 24a StVG)) dahingehend angepasst worden, dass dieser mit dem gesetzlichen Wirkungswertes von 3,5 ng/ml THC-Blutserum in § 24a StVG korrespondiere. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwertes sei nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges nicht fernliegend. Der Begriff des „nicht Fernliegens“ sei dabei ein Wahrscheinlichkeitsgrad für die Verwirklichung des Straßenverkehrssicherheitsrisikos und sei so zu verstehen, dass der Risikoeintritt möglich, jedoch nicht wahrscheinlich, aber auch nicht ganz unwahrscheinlich sei (vgl. BT-Drs. 20/11370 S.13). Ausweislich der Darstellungen der Expertengruppe bestehe ab einem THC-Gehalt von über 7 ng/ml THC im Blutserum ein erhöhtes Unfallrisiko und eine verkehrssicherheitsrelevante Leistungseinbuße (vgl. Empfehlungen der interdisziplinären Expertengruppe für die Festlegung eines THC-Grenzwertes im Straßenverkehr (§ 24a StVG) S. 5 f.). Der Antragsteller wies zum Zeitpunkt der Blutuntersuchung ein THC-Wert von 7,6 ng/ml auf und lag damit im Bereich eines erhöhten Unfallrisikos. Durch das 2-fache Überschreiten des THC-Grenzwertes von 3,5 ng/ml war eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeuges zumindest nicht fernliegend und im Übrigen nach obigen Ausführungen sogar wahrscheinlich. Die Prognoseentscheidung, ob der Antragsteller in Zukunft sicher zwischen einem verkehrssicherheitsrelevanten Cannabiskonsum und dem Führen eines Fahrzeuges trennen könne, fällt in Anbetracht seines erhöhten THC-Wertes negativ aus. Ein Cannabismissbrauch läge damit vor.

Diese alleinige Feststellung stünde jedoch im Widerspruch zu § 13a Nr. 2b FeV. Danach ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, sofern eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurde. Im Umkehrschluss daraus und in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 13 Nr. 2a, b FeV wird eine einmalige cannabisbedingte Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG nicht zur Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV ausreichen. Im Falle einer Trunkenheitsfahrt stellt nach ständiger Rechtsprechung das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille eine Zusatztatsache im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2a Alt. 2 FeV dar, da die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch eingeschätzt werden können (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.2021 – 3 C 3/20 – SVR 2021, 433). Es spricht demnach viel dafür, dass auch im Falle des § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV Zusatztatsachen, wie fehlende Ausfallerscheinungen, vorliegen müssen, die bei einem erstmaligen Verstoß gegen § 24a StVG auf einen Cannabismissbrauch hindeuten, da auch der Wortlaut von sonstigen Tatsachen spricht.

Ausweislich des ärztlichen Berichts vom 3. Mai 2024 waren keine Ausfallerscheinungen beim Antragsteller ersichtlich. Der Gang war sicher, die Sprache deutlich, das Bewusstsein klar und der Denkablauf geordnet. Auch im Aktenvermerk der Polizeiinspektion … vom 4. Mai 2024 wurde festgehalten, dass keine Fahrfehler festgestellt werden konnten. Die fehlenden Ausfallerscheinungen stellen eine sonstige Tatsache dar, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs auch bei einem erstmaligen Verstoß begründen. Es kann möglicherweise durch eine Cannabisgewöhnung und das Fehlen von Warnsignalen die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch eingeschätzt werden.

Auch die in der Begutachtungsanordnung gestellten Fragen sind nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die gestellten Fragen orientieren sich am anlassgebenden Sachverhalt, dem Führen eines Kraftfahrzeugs mit einer THC-Blutkonzentration von 7,6 ng/ml. Dieser Sachverhalt begründet einen Mangel, der bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründet, dass der Betroffene sich als Führer eines Kraftfahrzeugs nicht verkehrsgerecht umsichtig verhalten werde. Demnach ist die Fragestellung geeignet, um zu klären, ob der Antragsteller in Zukunft sicher zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen könne.

Gemäß § 13a Nr. 2a Alt. 2 FeV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, sofern sonst Tatsachen vorliegen, welche die Annahme eines Cannabismissbrauchs begründen. Ermessen ist nicht gegeben.

Dem Antragsgegner stand wegen der Nichtvorlage des zu Recht geforderten Gutachtens nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV kein Ermessensspielraum zu (vgl. BayVGH, B. v.22.1.2024 – 11 CS 23.1451 – juris Rn. 15; BayVGH, B. v.30.3.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 14). Die Entscheidung erweist sich schließlich auch als verhältnismäßig, da dem Interesse der Allgemeinheit an einem sicheren und verkehrsgerechten Straßenverkehr der Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragstellers an dem weiteren Besitz seiner Fahrerlaubnis einzuräumen ist. Billigkeitserwägungen, wie die Notwendigkeit der Fahrerlaubnis zur Berufsausübung, können an dieser Stelle nicht entgegengehalten werden. Gründe, die den Antragsteller daran gehindert haben, das rechtmäßig verlangte Fahreignungsgutachten rechtzeitig beizubringen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich.

bb) Aufgrund der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis in Ziffer 1, erweist sich voraussichtlich auch die akzessorische Ablieferungspflicht des Führerscheins in Ziffer 2 und des Fahrgastscheins in Ziffer 3 des Bescheids als rechtmäßig, § 47 Abs. 1 FeV.

4. Aus diesen Gründen wird die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben, weswegen das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids dem Interesse des Antragstellers einstweilen weiter am Straßenverkehr teilzunehmen, überwiegt. Insbesondere in Anbetracht der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen, wiegt das öffentliche Interesse am Schutz von Leben, Gesundheit sowie Eigentum der Fahrgäste und anderer Verkehrsteilnehmer besonders schwer. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher insgesamt, auch hinsichtlich des unter Ziffer 2 gestellten Antrags auf Vollzugsfolgenbeseitigung, abzulehnen.“

KCanG II: Neufestsetzung einer Strafe nach dem KCanG, oder: Dann gibt es einen Pflichtverteidiger

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Im zweiten Posting dann etwas Verfahrensrechtliches, nämlich den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 10.01.2025 – 7 Qs 3/25 – zur Bestellung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren, wenn zu prüfen ist, ob eine Freiheitsstrafe unter Anwendung der Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG neu festzusetzen bzw. zu ermäßigen wäre.

„Die gem. §§ 142 Abs. 7 Satz 1, 311 StPO zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Beschwerdeführer war ein Pflichtverteidiger zu bestellen, da im Vorliegenden ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO analog gegeben ist.

Im Vollstreckungsverfahren ist dem Verurteilten in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig oder sonst ersichtlich ist, dass sich der Betroffene nicht selbst verteidigen kann (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 140 Rdn. 34), oder wenn die Entscheidung von besonderem Gewicht ist (vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2003, 284; OLG Karlsruhe, StV 1994, 552). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Vollstreckungsverfahren in weitaus geringerem Maße als in dem kontradiktorisch ausgestalteten Erkenntnisverfahren ein Bedürfnis nach Mitwirkung eines Verteidigers auf Seiten des Verurteilten besteht (vgl. BVerfG, NM 2002, 2773) und die drei abschließend genannten Merkmale des § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO daher einschränkend zu beurteilen sind (vgl. KG, NStZ-RR 2006, 211). Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt es insbesondere dar-auf an, in welchem Umfang die vollstreckungsrechtliche Entscheidung in die Rechte des Verurteilten eingreift (vgl. KG, NJW 2015, 1897; KG, BeckRS 2016, 119933).

Danach sind die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung hier gegeben.

Der Gesichtspunkt der Schwere der Tat gebietet grundsätzlich nicht die Mitwirkung eines Verteidigers. Da im Vollstreckungsverfahren – anders als im Erkenntnisverfahren – die Höhe der Strafe feststeht, lässt sich die Rechtsprechung über die Notwendigkeit der Verteidigung wegen der Schwere der Tat grundsätzlich nicht ohne Weiteres auf das Vollstreckungsverfahren übertragen. Vielmehr ist auf die Schwere des Vollstreckungsfalles für den Verurteilten abzustellen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 140 StPO Rdn. 34). Vorliegend wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Im gegenständlichen Vollstreckungsfall wäre zu prüfen, ob diese Freiheitsstrafe – als freiheitsentziehende Straftatfolge – unter Anwendung der Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG neu festzusetzen bzw. zu ermäßigen wäre. Insoweit nahm die Kammer die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung zu Freiheitsstrafen von über einem Jahr zu § 140 Abs. 2 StPO in den Blick (vgl. LG Neuruppin, BeckRS 2024, 31189). Weiter nahm die Kammer auch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in Blick. Auch hierbei verkennt die Kammer nicht, dass sich diese ebenfalls nicht nach den Verhältnissen im Erkenntnisverfahren beurteilt. Denn der Beschwerdeführer muss sich nicht gegen einen Tatvorwurf verteidigen; das Vollstreckungsgericht ist an die rechtskräftigen Feststellungen des Tatrichters in dem zu vollstreckenden Urteil gebunden. Maßgebend ist vielmehr auch, ob die rechtliche Lage schwierig ist (vgl. KG, BeckRS 2016, 119933). Dies ist hier jedoch aufgrund divergierender gerichtlicher Entscheidungen zur Neufestsetzung bzw. Ermäßigung in Fällen in denen der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal verwirklicht der Fall, da die Vorschrift des Art. 313 EGStGB hierzu keine ausdrückliche Regelung enthält (vgl. LG Magdeburg, BeckRS 2024, 23106; Saarländisches OLG, Beschluss vorn 16.04.2024 – 1 Ws 37/24).

Aufgrund einer Gesamtschau dieser Umstände war dem Beschwerdeführer im Vorliegenden ein Pflichtverteidiger für das Nach-/Prüfverfahren gem. Art. 313, 316p EGStGB i.V.m. Art. 13 CanG zu bestellen.“

KCanG I: BGH äußert sich zu „Herstellen von Cannabis“, oder: OLG Hamm zur „nicht geringen Menge“

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Und heute dann ein Tag mit neuen Entscheidungen zum KCanG.

Ich beginne hier zunächst mit zwei Entscheidungen zum materiellen Recht, und zwar einmal BGH und einmal OLG Hamm.

Im BGH, Beschl. v. 23.10.2024 – 2 StR 411/24 – nimmt der BGH zum Begriff des Herstellens von Cannabis Stellung. Nach den Feststellungen des LG hatte sich der Angeklagte gegenüber unbekannten Hintermännern bereit erklärt, für zehn Tage als Erntehelfer gegen eine Entlohnung von 100 Euro pro Tag auf einer von diesen in einem Reihenhaus betriebenen Marihuanaplantage tätig zu werden. Er begann am 24.06.2023 nach Anleitung und Weisung eines Tatgenossen mit der Ernte in einem Raum im Erdgeschoss des Hauses, wobei er wusste, dass das Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Er wurde am 27.06. 2023 in der Nähe des Objekts verhaftet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er 254 Pflanzen mit einer Gesamtmenge von 8.417,20 g Marihuana und einem Wirkstoffgehalt von 1.508 g THC abgeerntet und die Marihuanablüten auf drei Trockennetzen mit jeweils acht Etagen in der Mitte des Erdgeschossraumes ausgelegt. Aufgrund der Verhaftung unterblieb die Ernte von weiteren 588 Pflanzen in drei weiteren Räumen mit einem Gewicht von 26.390,8 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 3.200 g THC.

Das LG hatte „nur“ wegen Beihilfe zum Handeltreiben verurteilt, der BGH ändert den Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte des Herstellens von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist:

„a) Der Angeklagte hat durch die Ernte und durch das anschließende Auslegen zur Trocknung der Marihuanapflanzen (vgl. § 1 Nr. 8 KCanG) nicht nur die unbekannt gebliebenen Hintermänner der Plantage bei deren Handeltreiben unterstützt, sondern darüber hinaus, vom Landgericht nicht gewürdigt, täterschaftlich Cannabis hergestellt. Das Herstellen umfasst in Anlehnung an die Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Reinigen und Umwandeln (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 119). Der Begriff umfasst damit eine Palette von Tätigkeiten. Gewinnen ist die Entnahme von Pflanzen, Pflanzenteilen oder Pflanzenerzeugnissen aus ihrer natürlichen (wildwachsenden) oder künstlich angelegten Umgebung (MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., BtMG, § 2 Rn. 32). Die Ernte von Marihuanablättern stellt ein Gewinnen im Sinne der Vorschrift und damit eine Form des Herstellens dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2024 – 3 StR 98/24, Rn. 9, vom 31. Juli 2024 – 2 StR 204/24, Rn. 13 und vom 7. August 2024 – 3 StR 278/24, Rn. 10). Da der Angeklagte damit sämtliche Tatbestandsmerkmale der Straftat in eigener Person verwirklicht hat, steht hier sein fehlender Täterwille im Hinblick auf den gesamten Produktionsprozess seiner (unmittelbaren) Täterschaft bei der Entnahme der Pflanzen nicht entgegen (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 26. November 1986 – 3 StR 107/86, NStZ 1987, 224, 225 und vom 10. Februar 2015 – 1 StR 488/14, Rn. 56; vom 21. Oktober 2020 – 2 StR 72/20, NStZ 2022, 170, Rn. 14).

b) Das (täterschaftliche) Herstellen von Cannabis steht in Tateinheit zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (vgl. MüKo-StGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., BtMG, § 29 Rn. 511; vgl. auch BGH, Beschluss vom 2. März 2022 – 5 StR 340/21, Rn. 1). Insofern hat sich die konkurrenzrechtliche Bewertung gegenüber den bisherigen Grundsätzen im Betäubungsmittelrecht nicht geändert (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2024 – 4 StR 187/24, Rn. 9 mwN).“

Und dann das OLG Hamm mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2025 – III-4 ORs 172/24 – kurz und zackig zur „nicht geringen Menge“:

„Der Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG steht ersichtlich bereits entgegen, dass sich die Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auch auf Kokain, also eine harte Droge bezog und dass hinsichtlich des Cannabis der Grenzwert zur nicht geringen Menge von 7,5 g Tetrahydrocannabinol – (vgl. nur BGH, Beschluss vorn 18. April 2024 — 1 StR 106/24 – juris) vorliegend um mehr als das Dreifache überschritten worden ist.“

Wie gesagt: Kurz und zackig. Ob richtig, ist eine ganz andere Frage.

 

KCanG III: Regelmäßiger Konsum – altes/neues Recht, oder: Sofortige Vollziehung der Entziehung der FE?

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Im dritten Posting des Tages habe ich dann noch eine Entscheidung aus dem Verkehrsverwaltungsrecht. Normalerweise kommen Entscheidungen aus dem Bereich ja am Samstag, aber der VG Magdeburg, Beschl. v. 21.06.2024 – 1 B 95/24 MD – passt thematisch auch heute.

Es geht um die Auswirkungen der neuen Rechtslage bei Cannabis auf die Fahrerlaubnisentziehung. Dazu hatte ich ja bereits auch den OVG Lüneburg, Beschl. v. 23.09.2024 – 12 PA 27/24 – vorgestellt, das zu den Auswirkungen ja bereits Stellung genommen hat (vgl. Änderungen der FeVO durch das CanG und KCanG, oder: Auswirkungen auf Entziehungsverfahren?).

Nun also auch das VG Magdeburg. Gestritten wird in dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung. Dem Antragsteller war von der Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen worden. Er war mit einem Joint und Cannabis in Form einer Blüte angetroffen worden. Gegenüber dem kontrollierenden Beamten hatte er angegeben, dass er regelmäßig Cannabis konsumiere, um seine Psyche zu beruhigen. Er verwende es wie ein Feierabendbier. Deshalb hatte man an seiner Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs gezweifelt und die Fahrerlaubnis entzogen.

Der u.a. dagegen gerichtete Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gegen den (auch) angeordneten Sofortvollzug hatte beim VG Erfolg:

„…..

c) Die Interessenabwägung fällt jedoch zuungunsten der Antragsgegnerin aus, da das im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch das Gericht zu prüfende überwiegende, besondere Vollzugsinteresse der Allgemeinheit an der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers nicht gegeben ist.

Ein solches, materielles Interesse am Vollzug vor Eintritt der Bestandskraft eines Veraltungsaktes muss stets vorliegen, da eine sofortige Vollziehung auf Basis einer behördlichen Anordnung eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel darstellt, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat und daher das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit grundsätzlich überwiegt. Es ist gesondert zu prüfen, ob das vorläufige Vollzugsinteresse der Allgemeinheit die Interessen des Betroffenen überwiegen. Dabei kommt es nicht alleine auf die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens an, sondern diese stellt lediglich einen Gesichtspunkt in der von dem Gericht vorzunehmenden Abwägung dar (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 –, NVwZ 1992, 687; VGH München, Beschluss vom 12. März 1996 – 14 CS 95.3873 –, NVwZ-RR 1997, 445; BVerfG, Beschluss vom 12. September 1995 – 2 BvR 1179/95 –, NVwZ 1996, 58; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 ME 24/14 –, BeckRS 2014, 49116; VG München, Beschluss vom 11. Juni 2021 – M 7 S 21.1849, BeckRS 2021, 55414 Rn. 45; vgl. ebenfalls zum Maßstab: Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 156 ff.). Hiernach überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit an der Entziehung der Fahrerlaubnis. Dies ergibt sich maßgeblich aus der gesetzgeberischen Neubewertung und Neugewichtung des Gefährdungspotentials des Cannabiskonsums, nach der der dem Antragsteller zur Last gelegte Sachverhalt keine Eignungszweifel mehr begründen kann.

Mit dem zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) vom 27. März 2024 hat der Gesetzgeber in Artikel 14 dieses Gesetzes in Bezug auf die Beeinträchtigung der Fahreignung durch den Konsum von THC-haltigen Cannabis eine Neubewertung vorgenommen. Nach dieser neuen Bewertung ist eine Fahreignung bei Cannabiskonsum nur noch dann im Regelfall nicht gegeben, wenn Missbrauch (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) vorliegt, oder eine Abhängigkeit (Nr. 9.2.3 der Anlage 4 zur FeV) festgestellt ist. Ob für die Bestimmung der Abhängigkeit auf die Maßstäbe der ICD-10F 12.2 (Psychische und Verhaltensstörung durch Konsum von Cannabinoiden Abhängigkeitssyndrom) abzustellen ist, oder ob andere Grundsätze gelten, kann dahinstehen. Denn in jedem Fall setzt eine Abhängigkeit auch im Vergleich zum Missbrauch eine quantitative Konsumsteigerung voraus (vgl. zur Alkoholproblematik: Siegmund, in: Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage, § 13 FeV (Stand: 6. Juni 2024) Rn. 26). Vorliegend sind indes selbst die Voraussetzungen eines Missbrauchs nicht feststellbar. Missbrauch ist nach der in der Nr. 9.2.1 enthaltenen Legaldefinition dann gegeben, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Mithin hat der Gesetzgeber auf Grund einer neuerlichen Gefährdungsbeurteilung des Cannabiskonsums diesen den in der Nr. 8 der Anlage 4 FeV enthaltenen Regelungen zur (regelmäßig fehlenden) Fahreignung bei Alkoholkonsum gleichgestellt. Anhaltspunkte für einen Missbrauch durch den Antragsteller sind nicht erkennbar. Es ist nicht durch die Antragsgegnerin ermittelt oder sonst feststellbar, dass der Antragsteller in zeitlicher Hinsicht nicht zwischen seinem Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennt. Hierfür bedürfte es Anhaltspunkte für einen fehlenden zeitlichen Abstand zwischen beiden oder für eine zeitliche Überlagerung von beiden Handlungen, wofür vorliegend jedoch nichts spricht. Auch aus der Aussage des Antragstellers, er konsumiere Cannabis wie ein „Feierabendbier“ folgt nicht, dass der Konsum des Antragstellers ein missbräuchlicher ist. Hierfür bedürfte es weiterer Anhaltspunkte, dass der Konsum quantitativ im Übermaß stattfindet oder der Antragsteller keine hinreichende Zeit nach dem Konsumakt verstreichen lässt, um erneut ein Fahrzeug zu führen. Aus dieser Neugewichtung durch den Gesetzgeber folgt, dass, wenn ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit von Cannabis nicht feststellbar ist, keine Eignungszweifel bestehen. Mithin überwiegt in einem solchen Fall das Mobilitätsinteresse des Betroffenen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit. Auf Grund der gesetzgeberischen Neubewertung ist in Fällen, in denen ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit nicht gegeben ist, das Gefährdungspotential für die Rechtsgüter Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) sowie das Eigentum (Art. 14 GG) der anderen Verkehrsteilnehmer als nicht hinreichend groß anzusehen, um dem Betroffenen die Teilnahme am Straßenverkehr zu versagen. Dass der Antragsteller im Klageverfahren voraussichtlich unterliegen wird, ändert hieran – wie dargestellt – nichts.“

Im Zweifel wird der Antragsteller im Hauptsachverfahren keinen Erfolg haben. Denn Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist, anders als in Bußgeldverfahren, wo nach § 4 Abs. 3 OWiG das mildeste Gesetz Anwendung findet, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist: Das ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (siehe dazu OVG Lüneburg, a.a.O.).

Eine andere Frage ist, ob dem Antragsteller die Fahrerlaubnis auf Antrag nicht sofort wieder erteilt werden muss/müsste, da insoweit die neue Rechtslage Anwendung findet. Es ist also zu überlegen, ob man nicht den Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtskräftig werden lässt und sogleich einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stellt.

KCanG II: Zuständigkeit für Neufestsetzung der Strafe, oder: Noch nicht erledigte Maßregel der Unterbringung

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Im zweiten Posting zum KCanG dann zwei Entscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe, und zwar:

Der BGH hat im BGH, Beschl. v. 23.10.2024 – 2 ARs 179/24 – zur Zuständigkeit für die Neufestsetzung der Strafe, zu der sich ja auch schon einige OLG geäußert haben, Stelllung genommen, und zwar wie folgt:

1. Zuständig für die Entscheidungen nach Art. 316p in Verbindung mit Art. 313
EGStGB ist nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern stets das Gericht
des ersten Rechtszugs.

2. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB ist in den Fällen des Art. 313 Abs. 3 EGStGB
entsprechend anzuwenden.

Damit dürfte das Problem, wenn es denn eins war, erledigt sein. Die Entscheidung ist übrigens zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt.

Und dann habe ich noch den OLG Hamm, Beschl. v. 19.11.2024 – 3 Ws 368/24 – zur Frage, was bei Neufestsetzung einer (Gesamt)Strafe eigentlich aus einer – noch nicht erledigten – Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird, wenn dazu keine Entscheidung getroffen wird:

1. Trifft ein Gericht bei der Neufestsetzung einer Gesamtstrafe nach Art. 316p i. V. m. Art. 313 Abs. 4 EGStGB keine ausdrückliche Entscheidung zu der mit der Gesamtstrafe angeordneten – noch nicht erledigten – Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, so ist damit die Maßregel nicht zwangsläufig in Wegfall gebracht. Ob sich der (Einzel-)Straferlass unter Neufestsetzung einer Gesamtstrafe auf die Maßregel erstreckt, ist vielmehr durch Auslegung zu ermitteln.

2. Zwar ordnet das Gesetz in Art. 313 Abs. 1 S. 2 EGStGB an, dass sich der Straferlass auch auf Maßregeln erstreckt. Aber erst dann, wenn durch den Straferlass die für die Maßregelanordnung maßgeblichen Anlasstaten betroffen sind, ist überhaupt eine Entscheidung über dieselbe veranlasst gewesen.