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KCanG I: Nochmals zur neuen „nicht geringen Menge“, oder: Alter Wein in neuen Schläuchen

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Und in die 27. Woche – die erste Juli-Woche 2024 – geht es mit KCanG-Entscheidungen.

Zunächst hier noch einmal etwas vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 24.04.2024 – 4 StR 50/24. In ihm äußert sich nun auch der 4. Strafsenat des BGH zum Grenzwert für die neue „nicht geringe Menge“:

„3. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird bei der gebotenen Prüfung, ob die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG gegeben sind, das Folgende zugrunde zu legen haben:

a) Der Grenzwert der nicht geringen Menge im Sinne der Vorschrift liegt bei 7,5 g THC. Der Senat sieht weder Anlass noch Möglichkeit, den bislang unter der Geltung des BtMG für Cannabisprodukte anerkannten Grenzwert abweichend festzusetzen (so bereits BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff.; Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24).

aa) Der Gesetzgeber hat – nicht anders als im Bereich des Betäubungsmittelgesetzes – die Bestimmung des konkreten Wertes einer nicht geringen Menge der Rechtsprechung überlassen. Soweit er hierzu ausgeführt hat, dass dieser Wert „abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis (…) aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln“ sei, man „im Lichte der legalisierten Mengen“ an der bisherigen Definition „nicht mehr festhalten“ könne und der Grenzwert „deutlich höher“ angesetzt werden müsse (BT-Drucks. 20/8704, S. 132), kann dem zwar entnommen werden, dass dem Gesetzgeber ein höherer Grenzwert vor Augen stand, als er bisher von der Rechtsprechung unter der Geltung des BtMG für Cannabis angenommen worden ist. Der Senat vermag aber weder in tatsächlicher Hinsicht noch unter normativen Gesichtspunkten einen belastbaren Anknüpfungspunkt für eine von dem bisherigen Grenzwert abweichende Bestimmung zu finden.

bb) Bei der herkömmlichen Bestimmung des Grenzwertes der nicht geringen Menge für Cannabisprodukte hat sich der Bundesgerichtshof in tatsächlicher Hinsicht an der durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Rauschzustand orientiert und diese gestützt vor allem auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf 15 Milligramm THC festgelegt. Das Vielfache der so bestimmten Konsumeinheit hat er mit der Maßzahl 500 bestimmt. Hiermit sollte die wesentlich geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten im Verhältnis zu Heroin abgebildet, aber auch – angesichts der gegenüber § 29 Abs. 1 BtMG „außerordentlichen“ Verschärfung der Strafrahmen in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und insbesondere in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG – den Unsicherheitsfaktoren bei der Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit Rechnung getragen werden. Auf dieser Grundlage errechnet sich die nicht geringe Menge als 500 Konsumeinheiten zu je 15 Milligramm, was 7,5 Gramm THC entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8 ff.). Dies hat der Bundesgerichtshof unter ausführlicher Auseinandersetzung mit neueren Erkenntnissen zur Gefährlichkeit von Cannabis insoweit bestätigt gesehen und am Grenzwert festgehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 11 ff., 14; Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92, BVerfGE 90, 145).

Dass sich die wissenschaftlichen Grundlagen zur Einschätzung der Gefährlichkeit von Cannabis maßgeblich geändert hätten, lässt sich weder der Gesetzesbegründung entnehmen (vgl. zu den – fortbestehenden – gesundheitlichen Risiken vielmehr BT-Drucks. 20/8704, S. 68; siehe dazu auch HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24, juris Rn. 30) noch legen dies gutachterliche Stellungnahmen, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens von ärztlichen Verbänden und Gesellschaften abgegeben wurden, nahe (vgl. insbesondere die Stellungnahmen der Bundesärztekammer vom 30. Oktober 2023 [BT – Ausschuss f. Gesundheit, Ausschussdrucks. 20(14)154(11)], der Bundespsychotherapeutenkammer vom 19. Oktober 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(1)], des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärztinnen vom 20. Oktober 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(4)], der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. vom 2. November 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(30)], der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. vom 2. November 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(27)] sowie die gemeinsame Stellungnahme mehrerer kinder- und jugendmedizinischer, -psychiatrischer und -psychotherapeutischer Fachverbände und -gesellschaften vom 2. November 2023 [Ausschussdrucks. 20(14)154(29)]).

cc) Auch unter normativen Gesichtspunkten bieten weder der Gesetzestext noch der den Gesetzesmaterialien entnehmbare Wille des Gesetzgebers einen Anhaltspunkt für eine abweichende Festsetzung des Grenzwertes (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 21). Soweit darauf abgehoben wird, dass der Erwerb von Cannabis im illegalen Handel wegen des unbekannten THC-Anteils oder möglicher „giftige(r) Beimengungen“ mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden sei (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1 und 68) und deshalb ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis auf der Grundlage eines (mengenlimitierten) Eigenanbaus oder eines nicht gewerblichen gemeinschaftlichen Anbaus mit kontrollierter Weitergabe erleichtert werden solle, kann dem lediglich ein Strategiewechsel in Bezug auf den angestrebten Schutz der Volksgesundheit vor den Gefahren des Cannabiskonsums entnommen werden.

Vor diesem Hintergrund haben auch die den Eigenanbau rechtlich erst ermöglichenden und auf Rohmengen oder Pflanzenzahlen bezogenen Besitz- und Anbauerlaubnisse in § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 9 Abs. 1 KCanG keine weitergehende Aussagekraft. Die sich daraus ergebenden sog. legalisierten Mengen sind unabhängig von ihrem THC-Anteil. Zugleich wird der Umgang mit ihnen – über die mengenmäßige Limitierung hinaus – weiter in personaler (Volljährigkeit) und sachlicher Hinsicht (Eigenkonsum, räumliche Beschränkungen, partielle Konsumverbote, Schutzmaßnahmengebote etc.) eingegrenzt, wobei diese Einhegungen partiell in einer Abhängigkeit zur Mengendefinition stehen (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 KCanG). Normative Anknüpfungspunkte für die Bewertung von Cannabis, das diesem Schutzregime entzogen worden ist, weil es zum Beispiel nicht für den Eigenkonsum angebaut (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 b) KCanG) oder illegal weitergegeben wurde (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, 7, 8, 9 und 10 KCanG), enthalten sie nicht (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24 Rn. 19; Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 Rn. 21; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24, juris Rn. 28 ff.). Dies gilt im Ergebnis auch für den – hier vorliegenden – Anbau zum Eigenkonsum, der allein die dafür vorgesehenen Umfangs- und Mengenvorgaben verletzt. Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Vorgabe, wonach ersichtlich eine nicht geringe Menge zu bestimmen ist, bleibt für die Annahme einer insoweit abweichenden Definition, etwa im Sinne einer Bestimmung anhand der Bruttomenge (vgl. dazu Sobota, NJW 2024, 1217 Rn. 12 ff.), kein Raum.

b) Bei der Prüfung, ob und in welchem Maß sich die Tathandlung auf eine in diesem Sinn nicht geringe Menge bezogen hat, wird – ebenso wie in den weiteren Fällen des straffreien Umgangs mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 12 KCanG) – derjenige Teil der Gesamtmenge, mit dem der jeweilige Umgang straffrei wäre, außer Betracht zu bleiben haben und erst die die Grenze zur Strafbarkeit überschreitende Stoffmenge daraufhin zu untersuchen sein, ob und inwieweit sie ihrem Wirkstoffgehalt nach den Grenzwert von 7,5 g THC erreicht bzw. überstiegen hat.

Dieses Verständnis des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm, denn dieser lässt offen, ob unter der auf eine nicht geringe Menge bezogenen „Handlung“ das gesamte Verhalten des Straftäters oder lediglich derjenige Teil desselben zu verstehen ist, durch das er die Schwelle zur Strafbarkeit überschreitet (also beispielsweise das Einpflanzen von vier Setzlingen oder nur das die Straftat begründende Einpflanzen des vierten). Auch der Gesetzesbegründung ist eine eindeutige Aussage dazu, ob die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 a) und Nr. 12 KCanG genannten Stoffgewichte bzw. Pflanzenmengen gleichsam strafrechtliche Freibeträge oder lediglich strafrechtliche Freigrenzen darstellen, nicht zu entnehmen. Allerdings dürften die Ausführungen in der Gesetzesbegründung zu § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (BT-Drucks. 20/8704, S. 132) hier eher für Ersteres sprechen, wenigstens aber dafür, dass diejenigen Mengen, die selbst einem verwaltungsrechtlichen Verbot nicht unterliegen, bei der Prüfung der nicht geringen Menge unberücksichtigt zu bleiben haben. Denn dort wird der Zweck der Strafrahmenerhöhung mit den Risiken gerade des illegalen Umgangs mit nicht geringen Mengen erklärt.

Maßgeblich gegen die Auslegung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG als bloße Freigrenze – bei der jegliche Bruttomenge, die die Werte des straffreien Besitzes, Anbaus, Erwerbs oder der Entgegennahme überschreitet, als Ganzes der Prüfung auf einen die Voraussetzungen des besonders schweren Falles erfüllenden Wirkstoffgehalt unterläge – sprechen aber Systematik und Zweck der Norm. Die in ihr geregelten Höchstmengen straffreien Umgangs mit Cannabis sind jeweils durch eine Bruttomenge an Pflanzen oder ein Bruttogewicht an Pflanzenmaterial definiert. Demgegenüber bestimmt sich die nicht geringe Menge – wie ausgeführt – nach dem Wirkstoffgehalt (so auch BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Wären die Teilmengen, mit denen der jeweilige Umgang straffrei ist, bei der Ermittlung der nicht geringen Menge im Sinne des Regelbeispiels nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG mit zu berücksichtigen, so könnte diese gesetzliche Regelungstechnik dazu führen, dass bereits eine äußerst geringfügige Überschreitung der straffreien Bruttostoffmenge das Regelbeispiel eröffnen würde. Besäße beispielsweise jemand 61 g Haschisch mit einem THC-Gehalt von 20 % (vgl. zur Entwicklung der durchschnittlichen Wirkstoffgehalte von Cannabis-Produkten Patzak/Dahlenburg, NStZ 2022, 146, 147) in seiner Wohnung, so wäre regelmäßig ein besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG gegeben, wohingegen der Besitz einer um ein Gramm geringeren Menge straflos und einer um 11 g geringeren Menge trotz jeweils deutlichen Überschreitens eines Wirkstoffgewichts von 7,5 g THC sogar erlaubt wäre. Mit dem in der Gesetzesbegründung niedergelegten Zweck der Strafrahmenerhöhung, den – besonderen – Gefahren des illegalen Umgangs mit nicht geringen Mengen an THC zu begegnen, wäre dies kaum zu vereinbaren.

Zwar liegt es im Wesen jedes rechtlichen Grenzwerts, dass selbst ein für sich genommen geringes Maß an Überschreitung desselben die hieran geknüpften Rechtsfolgen auslösen kann. Auch erscheint nach dem Regelungskonzept des Konsumcannabisgesetzes zwingend, dass die Grenze zwischen dem straflosen und dem strafbaren Umgang mit Cannabis allein von der Bruttomenge abhängt. Dies und die Konsequenz hieraus, dass deshalb der Besitz einer größeren Wirkstoffmenge straffrei sein kann, während – bei größerem Bruttogewicht – derjenige einer kleineren Wirkstoffmenge die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 KCanG erfüllen und damit (nach dem Normalstrafrahmen) strafbar sein kann, ist allerdings ersichtlich dem Umstand geschuldet, dass Wirkstoffgehalte für die Normadressaten nicht ohne weiteres erkennbar sind und daher als Orientierungsgröße wenig geeignet wären. Es ändert freilich nichts daran, dass es systemwidrig erschiene, könnte auch das – im Gegensatz zu der Strafbarkeitsschwelle des § 34 Abs. 1 KCanG – an die besondere Gefährlichkeit hoher Wirkstoffmengen anknüpfende Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG schon durch eine unter diesem Gesichtspunkt unerhebliche Differenz zu einer nicht strafbewehrten Besitzmenge (also beispielsweise 12 g THC bei 60 g Bruttostoffmenge und 12,2 g THC bei 61 g) eröffnet werden.

Hinzu kommt, dass auch die Begrifflichkeit des besonders schweren Falles gegen eine Auslegung spricht, in deren Folge schon bei durchschnittlichen Wirkstoffgehalten und nur ganz geringfügig oberhalb der Strafbarkeitsgrenze liegender Bruttomenge nicht mehr der Normalstrafrahmen, sondern regelmäßig der erhöhte Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG heranzuziehen wäre. Dies wäre aber jedenfalls in Teilen der in Frage kommenden Sachverhaltskonstellationen der Fall, würde man bei der Bestimmung der nicht geringen Menge die gesamte Stoffmenge und nicht lediglich den die straffreie Menge übersteigenden Anteil betrachten: Bei durchschnittlichen Wirkstoffgehalten von über 13 % (Cannabisblüten) und über 20 % (Haschisch) (vgl. Patzak/Dahlenburg, aaO) würde etwa in Fällen des durch Besitz dieser Cannabisprodukte verwirklichten Straftatbestandes des § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG Raum für den Normalstrafrahmen nur noch in Fällen deutlich unterdurchschnittlicher Qualität der Bezugsobjekte bleiben (vgl. zum Erfordernis eines verbleibenden Anwendungsbereichs des Normalstrafrahmens – dort betreffend einen Fall von zur Veräußerung bestimmtem Cannabis – auch BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 Rn. 19).

Weiter bestärkt wird diese gesetzessystematische Erwägung durch die Vorschrift des § 35a KCanG. Nach dieser kann die Staatsanwaltschaft unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen von der Verfolgung von Vergehen nach § 34 Abs. 1, 2 oder 5 KCanG absehen (bzw. das Gericht das Verfahren einstellen), wenn der Täter nur zum Eigenverbrauch Cannabis in geringer Menge anbaut oder eine der weiteren aufgezählten Tathandlungen begeht. Da hiervon die Fälle, in denen straflose Cannabismengen geregelt sind (§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 a) u. 12 KCanG), nicht ausgenommen, sondern Anbau, Erwerb und Besitz sogar ausdrücklich erwähnt sind, kommt eine Auslegung, die der Vorschrift des § 35a KCanG in diesen Fällen ihren Anwendungsbereich wenigstens weitgehend nehmen würde, nicht in Betracht. So läge es aber, müsste die straffreie Menge mitgerechnet werden, sobald sie (auch nur geringfügig) überschritten ist. Denn dann wäre, wie ausgeführt, vielfach bereits eine nicht geringe Menge oder jedenfalls eine dieser nahekommende Gesamtmenge erreicht, was die Annahme einer geringen Menge im Sinne des § 35a KCanG ausschließen oder jedenfalls fernlegen würde.

4. Hiervon ausgehend wird das neue Tatgericht für die Wahl des Strafrahmens im vorliegenden Fall drei der Cannabispflanzen von der Gesamtmenge in Abzug bringen müssen. Da die Straffreiheit des Anbaus von nicht mehr als drei Pflanzen unabhängig von deren Wirkstoffgehalt ist, wird es hierfür zugunsten des Angeklagten gegebenenfalls diejenigen Pflanzen mit dem höchsten (aktuellen) THC-Gehalt auszuwählen und für die Prüfung der nicht geringen Menge allein die übrigen 49 Pflanzen in den Blick zu nehmen haben. Wie bereits im Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes wird insoweit nötigenfalls auf eine Schätzung zurückgegriffen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – 3 StR 53/21, NStZ 2023, 46, 47 mwN), etwa durch Zugrundelegung des aus der festgestellten Gesamtzahl der Pflanzen und der festgestellten Gesamtwirkstoffmasse zu ermittelnden durchschnittlichen Wirkstoffgehalts je Pflanze für jede der drei Pflanzen unter Hinzurechnung jeweils eines angemessenen Sicherheitsaufschlags, der dem Gedanken Rechnung trägt, dass gerade die drei wirkstoffreichsten Pflanzen abzuziehen sind.“

Also: Wie gehabt. Nichts Neues aus Karlsruhe. Hätte mich inzwischen auch gewundert.

KCanG I: 6. Ss zur „neuen“ „nicht geringen Menge, oder: Auch du mein Sohn Brutus..

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Ich starte in die neue Woche mit Entscheidungen zum KCanG, leider nicht unbedingt Erfreuliches. Ich stelle hier zunächst den BGH, Beschl. v. 29.04.2024 – 6 StR 132/24 – vor. Der äußert sich noch einmal zur „neuen“ nicht geringen Menge.

„aa) Nach den Feststellungen verwahrte und verpackte der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf 43,55 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 11,8 Gramm THC in seinem Zimmer, in dem sich griffbereit an der Rückseite des Kühlschranks eine geladene und funktionstüchtige Schreckschusspistole befand, bei der der Explosionsdruck nach vorn austritt. Die Strafkammer hat dieses Verhalten – im Urteilszeitpunkt zutreffend – als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewertet.

bb) Seit dem 1. April 2024 werden Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis nicht mehr vom Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) erfasst. Dies ist hier das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat. Der Senat kann ausschließen, dass der Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle nach § 34 Abs. 4 KCanG nicht zur Anwendung gelangt, obgleich dem Umstand, dass es sich bei Cannabis um eine „Droge mit geringem Gefährdungspotential“ handelt, unter dem KCanG keine strafmildernde Bedeutung (vgl. zum BtMG BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 3 StR 295/22, Rn. 30 mwN) beizumessen ist. Denn die Strafkammer hat die Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG nicht maßgeblich auf diesen Umstand gestützt, sondern mit zahlreichen weiteren Umständen begründet.

cc) Das vom Landgericht festgestellte Geschehen erfüllt den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG.

Bei Haschisch handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 5 KCanG). Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt und hinsichtlich des Handeltreibens zudem auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Der Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG ist § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Soweit § 34 Abs. 4 KCanG das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge Cannabis verlangt, beträgt der Grenzwert der nicht geringen Menge des maßgeblichen Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (§ 1 Nr. 2 KCanG) 7,5 Gramm und ist hier überschritten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24).“

Bitte nicht wundern und/bzw. nein, ich habe nichts vergessen. Das war es, was der 6. Strafsenat zur Frage der „neuen“ „nicht geringen Menge“. Praktisch nichts. Während der 1. und der 5. Strafsenat ja nun wenigstens ihre (falsche) Auffassung begründet haben, hält der 6. Strafsenat das nicht einmal mehr für nötig. Es wird auf den 1. Strafsenat verwiesen und das war es. Im Examen hätte ein Zitat nicht gereicht. Man ist schon erstaunt. Zudem hätte man ja schon gern gewusst, was der 6. Strafsenat an der Auffassung des 1. und des 5 Strafsenat so überzeugend findet.

Und: Das Gemunkel über die Absicht des 6. Strafsenats, dem Großen Senat vorzulegen, ist/war damit also eine Fehlmeldung. Man kann das Fazit ziehen, das neulich ein Kollege gezogen hat: „Der BGH negiert den Gesetzgeber so konsequent wie mich meine Frau, wenn sie richtig sauer auf mich ist. “

BtM I: 5. Ss des BGH pampt zur „nicht geringen Menge“, oder: Gesetzesbegründung „verhallt“ beim BGH

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Heute gibt es BtM-Entscheidungen, die ich mit einem Paukenschlag aus Leipzig eröffne. Denn von dort kommt der BGH, Beschl. v. 23.04.2024 – 5 StR 153/24 – mit dem dann ein weiterer Senat des BGH zur „nicht geringen Menge“ nach dem Inkrafttreten des KCanG Stellung genommen hat. Über den BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24 hatte ich ja schon berichtet (siehe hier: KCanG III: „Nicht geringe Menge“ bleibt bei 7,5 g, oder: Auch beim BGH: Neuer Wein in alten Schläuchen) und auch hier: KCanG I: Peinlicher Lapsus (?) beim BGH zum KCanG, oder: Neufestsetzung JGG-Weisungen/Jugendstrafe).

Jetzt also das zweite Machwerk des BGH. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem das LG den Angeklagten u.a. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Nach den Feststellungen des LG hatte der der Angeklagte einen unbekannten Dritten bei dem gewinnbringenden Absatz von Cannabis unterstützt, indem er dieses für den Unbekannten lagerte und es nach dessen Anweisung an Abnehmer auslieferte. Zu diesem Zweck verwahrte er am etwa 88 Kilogramm Haschisch sowie rund 4 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von zusammen rund 28 Kilogramm THC in seiner Wohnung und weitere 150 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 25 Kilogramm THC in einem vor der Wohnung geparkten Fahrzeug. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich der Strafausspruchs Erfolg. Zudem hat BGH denSchuldspruch dahin neu gefasst, „dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz voninsgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis schuldig ist.“

Zur Aufhebung des Strafausspruchs führt der BGH aus:

„3. Die gesetzliche Neuregelung zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs.

a) Der Senat kann trotz des – angesichts der großen Cannabismenge – beachtlichen Schuldumfangs und der im Verhältnis dazu vergleichsweise milden Strafe, bei deren Zumessung das Landgericht die herabgesetzte Gefährlichkeit von Cannabis ausdrücklich in den Blick genommen hat („weiche Droge“), nicht ausschließen, dass es bei Anwendung der Strafrahmen des KCanG eine niedrigere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).

b) Die zum Strafausspruch gehörigen Feststellungen werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung des Strafausspruchs nicht berührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

4. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass hier die Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG in Betracht kommen könnte, weil sich die Tat nach den Feststellungen des Landgerichts auf eine nicht geringe Menge Cannabis bezieht und damit die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr.4 KCanG erfüllt sind.

Die nicht geringe Menge liegt auch für das KCanG bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) in der Cannabismenge vor. Der Senat sieht keinen Anlass, den bislang unter der Geltung des BtMG für Cannabisprodukte anerkannten Grenzwert abweichend zu bestimmen (so bereits BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24; HansOLG Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24). Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

a) Den Begriff der nicht geringen Menge hat der Gesetzgeber für das KCanG unverändert dem BtMG entnommen. Beide Gesetze enthalten keine gesetzliche Definition dieses Mengenbegriffs. Für das BtMG hat sich durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für Auslegung und Anwendung dieses wertausfüllungsbedürftigen Begriffs ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20a.).

Danach wird die nicht geringe Menge des jeweiligen Wirkstoffs stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festgelegt. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 462/22, NJW 2023, 3248 f. mwN).

Für Cannabisprodukte hat der Bundesgerichtshof den Grenzwert der nicht geringen Menge nach dem BtMG ab einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC angenommen. Maßgebend hierfür waren folgende Erwägungen: Zu einer äußerst gefährlichen, gar tödlichen Dosis des Wirkstoffs durch die bisher bekannten Konsumformen von Cannabisprodukten waren keine Angaben möglich. Deswegen hat sich der Bundesgerichtshof an der durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Rauschzustand orientiert und diese gestützt vor allem auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse auf 15 Milligramm THC festgelegt. Das Vielfache der so bestimmten Konsumeinheit hat er mit der Maßzahl 500 bestimmt. Hiermit sollte die wesentlich geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten im Verhältnis zu Heroin abgebildet, aber auch – angesichts der gegenüber § 29 Abs. 1 BtMG deutlichen Verschärfung der Strafrahmen in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und insbesondere in § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG – den Unsicherheitsfaktoren bei der Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit Rechnung getragen werden. Auf dieser Grundlage errechnet sich die nicht geringe Menge als 500 Konsumeinheiten zu je 15 Milligramm, was 7,5 Gramm THC entspricht (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8 ff.). Dies hat der Bundesgerichtshof unter ausführlicher Auseinandersetzung neuerer Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Cannabis insoweit bestätigt gesehen und am Grenzwert festgehalten (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92, BVerfGE 90, 145). Dieser Grenzwert wird von der Rechtsprechung praktisch ausnahmslos zugrunde gelegt (so schon HansOLG Hamburg aaO); er ist allgemein als praktikabel anerkannt und akzeptiert worden (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 11).

b) Der Senat sieht keinen Grund, den Grenzwert der nicht geringen Menge für das KCanG davon abweichend zu bestimmen.

aa) Der Gesetzgeber hat den seit Jahrzehnten etablierten Begriff der nicht geringen Menge, der durch die skizzierte gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung Konturierung erfahren hat und deshalb insbesondere auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit genügt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20a. Rn. 107), aus dem bisherigen BtMG unverändert in das KCanG übernommen. Diese Vorgehensweise legt nahe, dass er diesem Rechtsbegriff keine andere Bedeutung unterlegen und nicht zwei inhaltlich verschiedene Begriffe der nicht geringen Menge kreieren wollte. Hierzu passt, dass er für andere Begriffe, die auch im BtMG Verwendung finden, auf Definitionen nach dem BtMG zurückgegriffen hat, so zum Beispiel in § 1 Nr. 10 KCanG, und Straftatbestände denjenigen im BtMG nachgebildet hat, so zum Beispiel § 34 Abs. 4 Nr. 2 und 4 KCanG.

bb) Weder der Schutzzweck des KCanG im Allgemeinen noch der Regelungen, die eine nicht geringe Menge zur Voraussetzung haben, rechtfertigen eine abweichende Bestimmung. Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt das KCanG darauf ab, zu einem „verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention zu stärken, den illegalen Markt für Cannabis einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten soll die Qualität von Konsumcannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 68). Zur strafschärfenden Berücksichtigung des Handels mit einer nicht geringen Menge Cannabis wird ausgeführt, hierdurch werde insbesondere gefördert, „dass Cannabis in einem nicht geringen Ausmaß illegal in den Verkehr kommt bzw. in ihm bleibt“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Gemessen an diesen Schutzzwecken wäre nicht einsichtig, die nicht geringe Menge anders als in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit zu bestimmen. Diese hängt maßgeblich vom Wirkstoffgehalt ab (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 10). Wohl auch deswegen hat der Gesetzgeber mit Blick auf die inzwischen hohen Wirkstoffgehalte jedenfalls bei Cannabisblüten und Haschisch (vgl. auch Patzak/Dahlenburg, NStZ 2022, 146, 149) bestimmt, dass der Wirkstoffgehalt bei Abgabe von Cannabis innerhalb von Anbauvereinigungen an unter Einundzwanzigjährige auf zehn Prozent begrenzt ist (§ 19 3 Satz 3 KCanG).

cc) Muss es danach bei einer an der Gefährlichkeit orientierten Festsetzung eines Grenzwerts des Wirkstoffs THC bleiben, so fehlt es an belastbaren Belegen für eine geänderte Beurteilung der Anknüpfungstatsachen für diese Mengenbestimmung. Weder zur durchschnittlichen Konsumeinheit noch zur Gefährlichkeit in Abgrenzung zu anderen Stoffen gibt es wissenschaftlich fundierte abweichende Erkenntnisse. Auch die Gesetzesbegründung vermittelt solche nicht; vielmehr werden darin die nach wie vor bestehenden gesundheitlichen Risiken aufgezeigt (BT-Drucks. 20/8704, S. 68).

dd) Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass aufgrund einer „geänderten Risikobewertung“ ein konkreter Wert von der Rechtsprechung zu entwickeln sein werde, man „im Lichte der legalisierten Mengen“ an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten“ könne und „der Grenzwert deutlich höher liegen“ müsse „als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Dies verhallt schon deswegen, weil sich dem Gesetz selbst keine Abstriche von dem durch die Rechtsprechung konturierten Begriff der nicht geringen Menge entnehmen lassen. Dem hierzu legitimierten Gesetzgeber wäre es unbenommen gewesen, einen deutlich höheren Grenzwert, etwa als Vielfaches des nach der Methode der Rechtsprechung gewonnenen Werts, oder zumindest einen Weg zur Bestimmung eines anders als bisher zu ermittelnden Grenzwerts gesetzlich festzuschreiben. All dies hat er nicht getan, sondern sich auf die Verwendung eines im BtMG etablierten Rechtsbegriffs beschränkt.

Darüber hinaus steht die „geänderte Risikobewertung“ hermeneutisch für sich; weder im Gesetzestext noch in dessen Begründung findet sich eine solche Bewertung im Sinne einer Abstufung der Gefährlichkeit von Cannabis etwa im Verhältnis zur bisherigen Bewertung durch die Rechtsprechung. Letztere stellt vor allem auf das Verhältnis von Cannabis zu den Stoffen ab, die weiterhin dem BtMG unterliegen. Die Rechtsprechung hat aber seit nunmehr fast 40 Jahren Cannabisprodukten eine vergleichsweise geringe Gefährlichkeit im Verhältnis zu anderen Betäubungsmitteln bescheinigt und dies bei der Bestimmung des Grenzwerts ausdrücklich berücksichtigt (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 2016 – 1 StR 492/15 Rn. 29; vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84, BGHSt 33, 8, 12 f.).

Schließlich lässt auch die in der Begründung angesprochene Orientierung an den legalisierten Besitzmengen außer Acht, dass andere Umgangsformen, wie das Handeltreiben mit Cannabis, ohne Einschränkung strafbar sind.

ee) Sollte die „geänderte Risikobewertung“ nicht auf die Gefährlichkeit von Cannabis bezogen sein, sondern den Strategiewechsel umschreiben, mit dem durch eine Teillegalisierung trotz erkannter Gefährlichkeit ein „verantwortungsvoller Umgang“ mit Cannabis erleichtert werden soll (BT-Drucks. 20/8704, S. 68), führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Anders als dem Gesetzgeber, der infolge dieser Neubewertung die Strafrahmen bereits reduziert hat und dem es ohne Weiteres möglich gewesen wäre, ein Vielfaches der bisherigen nicht geringen Menge als Grenzwert festzuschreiben, kommt der Rechtsprechung eine solche wertende Bestimmung nicht zu (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95, BGHSt 42, 1, 2). Denn es fehlt hierfür sowohl an Anhaltspunkten im Gesetz, die eine solche Handhabung vorgeben könnten, als auch an gefestigten höchstrichterlichen Vorgaben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2023 – 2 BvL 3/20a.). Danach müsste die nicht geringe Menge, losgelöst von üblichen Auslegungsmethoden frei rechtschöpfend bestimmt werden, was sich verbietet.“

Wenn man es gelesen hat, muss man erst mal Luft holen und fragt sich, ob das alles so sein kann. Man will es nicht glauben.

Aber wenn ich schon lese: „Die gesetzliche Neuregelung zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs.“, ahne, nein besser: weiß ich, was mich erwartet: Eine Entscheidung, der man deutlich anmerkt, dass den Herren und Damen in den roten Roben des 5. Strafsenats des BGH (ich schreibe bewusst nicht: des BGH) die gesetzlichen Neuregelungen und die Intention des Gesetzgebers nicht passen. Das kann ich nachvollziehen, man muss das ja alles nicht mögen. Aber so kann man m.E. mit dem Gesetzgeber auch nicht umgehen. Letztlich ist das der zweite pampige Affront vom BGH gegenüber dem Gesetzgeber. Der wird sich sehr freuen, wenn er liest: „Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung entnehmen, dass aufgrund einer „geänderten Risikobewertung“ ein konkreter Wert von der Rechtsprechung zu entwickeln sein werde, man „im Lichte der legalisierten Mengen“ an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten“ könne und „der Grenzwert deutlich höher liegen“ müsse „als in der Vergangenheit“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Dies verhallt schon deswegen, weil sich dem Gesetz selbst keine Abstriche von dem durch die Rechtsprechung konturierten Begriff der nicht geringen Menge entnehmen lassen. Dem hierzu legitimierten Gesetzgeber wäre es unbenommen gewesen, einen deutlich höheren Grenzwert, etwa als Vielfaches des nach der Methode der Rechtsprechung gewonnenen Werts, oder zumindest einen Weg zur Bestimmung eines anders als bisher zu ermittelnden Grenzwerts gesetzlich festzuschreiben. All dies hat er nicht getan, sondern sich auf die Verwendung eines im BtMG etablierten Rechtsbegriffs beschränkt.“  Man fragt sich: Warum so viel Worte? Schreibt doch gleich: Der Gesetzgeber und seine Intention interessieren uns nicht, „mia san mia“.

Etwas beruhigt bin ich, wenn man das Gemunkel hört, dass der 6. Strafsenat des BGH die Frage der „nicht geringen Menge“ wohl dem Großen Senat vorlegen will. Das wäre eine zu begrüßende Entwicklung. Allerdings dürfte das dann wohl nur wegen „grundsätzlicher Bedeutung“ gehen Denn wir haben es sowohl beim 1. als auch beim 5. Strafsenat nur mit nicht tragende Erwägungen und/oder  Segelanweisungen zu tun und dürften keine Divergenz begründen (dazu hier bei de legibus-blog: Der Bundesgerichtshof hat keinen Grenzwert für THC „festgesetzt”). Allerdings setzt auch die grundsätzliche Bedeutung eine Entscheidungserheblichkeit beim vorlegenden Senat voraus. Ich hoffe, dass das „Vorlagegerücht“ stimmt und der 6. Strafsenat (oder auch ein anderer) nur auf den richtigen Fall wartet.

Im Übrigen: Man muss sich dann im Grunde auch die Frage stellen: Hätte der 5. Strafsenat nach seinem eigenen Ansatz den Regelbeispieltatbestand nicht als verfassungswidrig ansehen müssen mit der Folge der Vorlage an das BVerfG? Denn wenn es einen solchen Dissens zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung über die Auslegung des Tatbestandsmerkmals gibt, ist der Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG nicht mehr gewahrt, oder? Nun ja, aber solche Fragen sind in der Beratung dann wohl „verhallt.“

Die Knallgeräusche, die man nach der Veröffentlichung gehört hat, waren übrigens die Sektkorken, die beim KG und beim OLG Hamburg geflogen sind.

KCanG I: Handel mit „nicht geringer Menge“ strafbar?, oder: Einmal hopp, einmal topp zum neuen KCanG

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In die neue Woche starte ich heute mit Entscheidungen zu Betäubungsmittelfragen.

Es kommt hier zunächst der KG, Beschl. v. 30.04.2024 – 5 Ws 67/24 – zur Strafbarkeit des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge nach Inkrafttreten des CanG. Es handelt sich um die erste obergerichtliche Entscheidung zu der Frage

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem dem Angeschuldigten zur Last gelegt wird, in zwei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Im Fall 1 soll sollen der Angeschuldigte und sein Mittäter unter Nutzung kryptierter Mobiltelefone des Anbieters „EncroChat“ an einen anderen User dieses Dienstes 30 Kilogramm Marihuana aus der Ernte einer von ihnen in der Umgebung von G. (Brandenburg) betriebenen Cannabisplantage verkauft haben. Durch den Verkauf sollen die beiden Angeschuldigten mindestens 70.000 EUR erlangt haben.

Im Fall 2 der Anklage sollen sich drei der fünf Angeschuldigten sowie einer gesondert Verfolgte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zusammengeschlossen haben, um in arbeitsteiligem Zusammenwirken mehrere Cannabisplantagen an mehreren Standorten zu betreiben und deren Ertrag gewinnbringend – entsprechend der zuvor gefassten Bandenabrede – an unbekannte Abnehmer zu verkaufen.

Das LG Berlin hat den Haftbefehl gegen den Angeschuldigetn außer Vollzug gesetzt. Dagegen die Haftbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Die hatte Erfolg. Das KG hat den Haftbefehl wieder in Vollzug gesetzt, allerdingsnur „teilweise“. Einen Vorwurf, nämlich den der Tat 1 hat man entfallen lassen.

In dem Zusammenhang führt das KG aus zur Verwertung der EncroChat-Daten aus::

„Daraus folgt: Die erlangten Informationen dürfen auf der Grundlage des § 261 StPO (im Ermittlungsverfahren nach § 161 Abs. 1 StPO) nur zur Verfolgung von auch im Einzelfall besonders schwerwiegenden Straftaten im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO verwendet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtlos und der Kernbereich privater Lebensführung nicht berührt ist (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 69 ff.; Senat, Beschluss vom 31. Mai 2022 – 5 Ws 52/22 –).

Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Verwertung der Beweisergebnisse abzustellen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 70). In der Verwendung der aus einem anderen Strafverfahren stammenden personenbezogenen Daten in einem anhängigen Verfahren und in deren Verwertung in einer in diesem Verfahren zu treffenden gerichtlichen Entscheidung liegt ein eigenständiger Grundrechtseingriff. Ob für diesen eine gesetzliche Grundlage besteht, kann lediglich nach der für den Verwendungs- bzw. Verwertungszeitpunkt geltenden Rechtslage beurteilt werden. Bei sich im Verlaufe eines anhängigen Strafverfahrens ändernden strafprozessualen Vorschriften ist die neue Rechtslage maßgebend (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2012 – 1 StR 310/12 –, juris Rn. 45, m. w. Nachw. = BGHSt 58, 32 ff.). Eine zulässige Verwertung muss danach dann ausscheiden, wenn der Charakter als Katalogtat durch die Gesetzesänderung entfällt und es an entsprechenden Übergangsbestimmungen mangelt (vgl. Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl., § 479 Rn. 7).

(2) Das ist vorliegend der Fall. Zu den Katalogtaten des § 100b Abs. 2 StPO gehört zwar das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (§ 100b Abs. 2 Nr. 5.b) StPO), der auf den Fall 1 des Haftbefehls betreffenden Vorwurf bislang zur Anwendung kam. Dieser Straftatbestand erfasst nach der am 1. April 2024 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG, BGBl. I 2024, Nr. 109) jedoch nicht mehr den dort beschriebenen Umgang mit Cannabis. Dieses wird durch das Gesetz nicht weiter als Betäubungsmittel behandelt und unterliegt damit jetzt nicht mehr den Vorschriften des BtMG (vgl. Art. 3 CanG; BT-Drs. 20/8704, S. 56, 151). Die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Tat ist nunmehr stattdessen (als besonders schwerer Fall) nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 KCanG mit Strafe bedroht. Dadurch hat das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge nicht nur seinen Verbrechenscharakter, sondern auch seine Eigenschaft als Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO verloren. Auch diese Vorschrift hat durch das Cannabisgesetz eine Neuregelung erfahren (Art. 13a Nr. 2 CanG) und umfasst aus dem Konsumcannabisgesetz (lediglich) – im Fall 1 nicht vorliegende – Straftaten nach § 34 Abs. 4 Nr. 1, 3 oder 4 KCanG (§ 100b Abs. 2 Nr. 5a. StPO).

Wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in ihrer Zuschrift vom 3. April 2024 zutreffend ausführt, dürfen die im Wege der „EncroChat“-Überwachung gewonnenen Beweisergebnisse im vorliegenden Strafverfahren nach der derzeit gültigen Rechtslage daher nicht (weiter) verwertet werden und haben bei der Beurteilung des dringenden Tatverdachts im Rahmen der hier zu treffenden gerichtlichen Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft außer Betracht zu bleiben. Weitere (verwertbare) Beweismittel, die im Fall 1 des Haftbefehls des Landgerichts Berlin I vom 13. März 2024 einen dringenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten – der sich bislang nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen eingelassen hat – stützen könnten, liegen nicht vor. Der Haftbefehl war daher durch den Senat im Wege eigener Sachentscheidung nach § 309 Abs. 2 StPO entsprechend anzupassen.“

Und zum Fall 2 – nicht geringe Menge:

bb) Der Angeschuldigte ist der ihm in dem Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 13. März 2024 zur Last gelegten Tat zu 2. nach dem in der Anklageschrift dargestellten Ermittlungsergebnis aufgrund der dort aufgeführten Beweismittel unverändert dringend verdächtig. Er ist dem Vorwurf im Verfahren vor dem Senat auch nicht entgegengetreten. Diese Beweismittel, die durch weitere Ermittlungen auf der Grundlage der im „EncroChat“-Komplex gewonnenen und jetzt nicht mehr verwertbaren Erkenntnisse bekannt geworden sind, unterliegen keinem eigenständigen Verwertungsverbot. Das Beweisverwertungsverbot beschränkt sich auf die Tat zu 1.; ihm kommt insoweit keine Fernwirkung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 1 StR 316/05 –, juris Rn. 21 ff., m. w. Nachw.). Die Strafbarkeit in Fall 2 beurteilt sich gemäß § 2 Abs. 3 StGB nach der neuen (milderen) Gesetzeslage und insoweit – da er das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, betrifft – nach §§ 1 Nr. 8, 2 Abs. 1 Nr. 4, 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG.

Der Senat sieht keine Veranlassung, in Ansehung der geänderten Rechtslage von dem von der obergerichtlichen Rechtsprechung festgelegten Grenzwert der nicht geringen Menge Cannabis von 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) abzuweichen.

(1) In seiner diesbezüglichen Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof herausgestellt, dass für die Bestimmung der nicht geringen Menge insbesondere der Wirkungsweise und Gefährlichkeit des jeweiligen Rauschmittels sowie den Konsumgewohnheiten entscheidende Bedeutung zukommt. Dabei hat er sich an einer durchschnittlichen Konsumeinheit für einen Rauschzustand orientiert und erläutert, dass die Wirkung von Cannabisprodukten vom dem Anteil des reinen Wirkstoffes THC abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 – 3 StR 183/84 –, juris Rn. 5 ff. = BGHSt 33, 8 ff.). Für die Hauptkonsumform, das Rauchen, hat er nach Auswertung verschiedener wissenschaftlicher Studien, die sich insbesondere mit den klinischen und psychologischen Auswirkungen von Cannabis bei Menschen beschäftigt hatten, die für die Erzielung eines Rauschzustandes erforderliche Einzeldosis mit 15 mg THC bestimmt (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 15 ff.). Hauptsächlich wegen der im Vergleich zu anderen Drogen (insbesondere Heroin) geringeren Gefährlichkeit von Cannabis hat der Bundesgerichtshof – der dabei auch berücksichtigt hat, dass dessen Konsum gleichwohl unter anderem zu Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Depressionen, bisweilen bis hin zu Psychosen, führen kann und diesem eine erhöhte Gefahr des Umsteigens auf harte Drogen innewohnt – für den Grenzwert der nicht geringen Menge ein Vielfaches der zum Erreichen eines Rauschzustands notwendigen Wirkstoffmenge als maßgeblich und den Wert von 500 durchschnittlichen Konsumeinheiten und damit 7,5 g THC als dafür erforderlich, aber auch ausreichend erachtet (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 23 ff.). Dabei hat er zudem den Unsicherheitsfaktoren bei der Bestimmung des THC-Gehalts einer durchschnittlichen Konsumeinheit von Cannabisprodukten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Qualität der in der Drogenszene tatsächlich auftauchenden Stoffe ausdrücklich Rechnung getragen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 26).

(2) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die maßgeblichen Grundlagen dieser Bewertung seither eine Änderung erfahren hätten. Dementsprechend hat die Rechtsprechung an dem so ermittelten Grenzwert bis heute durchgängig festgehalten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 30. Mai 1995 – 1 StR 223/95 –, juris Rn. 2, 20. Dezember 1995 – 3 StR 245/95 –, juris Rn. 13 ff., 6. August 2013 – 3 StR 212/13 –, juris Rn. 2, und 14. November 2023 – 6 StR 505/23 –, juris Rn. 3).

Es ist daher nicht nachzuvollziehen, wenn der Gesetzgeber des Cannabisgesetzes fordert, der Wert der nicht geringen Menge sei von der Rechtsprechung aufgrund einer geänderten Risikobewertung neu zu entwickeln und deutlich höher zu bemessen (vgl. BT-Drs., a. a. O., S. 132). Weder teilt er mit, worauf diese geänderte Bewertung beruhen soll, noch lassen sich der Gesetzesbegründung Vorgaben oder Maßstäbe für die von ihm für erforderlich gehaltene Neubestimmung entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24 –, juris Rn. 21, und Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 9. April 2024 – 5 Ws 19/24 –, juris Rn. 30). Die Aufforderung erscheint umso unverständlicher, als im Gesetzgebungsverfahren an anderer Stelle die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums – insbesondere für junge Menschen – ausdrücklich betont werden und der Gesundheitsschutz neben anderen Beweggründen der Legitimation der Gesetzesnovellierung dienen soll (vgl. BT-Drs., a. a. O., S. 1, 68 ff.). Es trifft zwar zu, dass Cannabis vom Schwarzmarkt das Risiko für Schäden an der Gesundheit zusätzlich verstärkt, da sein THC-Gehalt in der Regel unbekannt ist – was die Gefahr von Überdosierungen erhöht – und es giftige Beimengungen und Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide mit nicht abschätzbarer Wirkungsweise enthalten kann (vgl. BT-Drs., a. a. O., S. 1, 68, 72, 113). Die unterschiedliche Qualität der in der Drogenszene im Verkehr befindlichen Stoffe hatte der Bundesgerichtshof bei der Bestimmung des Grenzwerts der nicht geringen Menge aber bereits berücksichtigt. Ungeachtet der von möglichen Zusatzstoffen ausgehenden zusätzlichen Gesundheitsgefahren enthält auch das vom Gesetzgeber nunmehr privilegierte „Konsumcannabis“ den reinen Wirkstoff THC, dem allein schon unverändert die gesundheitsgefährdende Wirkung innewohnt, welcher der Bundesgerichtshof bei der von ihm vorgenommenen Grenzziehung maßgebliche Bedeutung beigemessen hat. Soweit die gesellschaftliche Akzeptanz des Rauschmittels Cannabis – worauf ein stetig wachsendes Konsumverhalten der Bevölkerung Hinweis bieten könnte (vgl. BT-Drs., a. a. O., S. 71 ff.) – mittlerweile eine Änderung erfahren haben sollte, hat diese in dem nach der neuen Rechtslage teilweise legalisierten Umgang sowie den milderen Strafrahmen für die vom Gesetzgeber weiterhin als strafwürdig bewerteten Handlungsweisen bereits Niederschlag gefunden. Vor dem Hintergrund der ungeachtet dessen unveränderten Wirkungsweise und Gefährlichkeit von Cannabisprodukten besteht aus Sicht des Senats jedoch kein Grund zu einer zusätzlichen Privilegierung in der Weise, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge anzuheben wäre (so auch BGH, a. a. O.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a. a. O., Rn. 28 ff.).

(3) Auch gesetzliche Wertungswidersprüche, die es insbesondere vor dem Hintergrund des gemäß §§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3, 3 und 9 KCanG nunmehr großzügig für straflos erklärten Besitzes und privaten Eigenanbaus unvertretbar erscheinen ließen, an dem für die nicht geringe Menge Cannabis entwickelten Grenzwert festzuhalten (so aber BT-Drs., a. a. O.), sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 14 ff.; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a. a. O., Rn. 32 f.).

Das Merkmal der nicht geringen Menge erlangt für drei Strafvorschriften des Konsumcannabisgesetzes Bedeutung.Soweit § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG sich auf sämtliche Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG erstreckt, sofern sich diese auf eine nicht geringe Menge beziehen, ist damit zwar auch der Besitz Volljähriger von mehr als 30 Gramm Cannabis außerhalb des eigenen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts zum Zwecke des Eigenkonsums bzw. der Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis auch an diesen Orten erfasst und überschreiten diese verbotenen Mengen die nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG erlaubten – die nach den am Markt vorkommenden Wirkstoffgehalten unterschiedlicher und immer weiter steigender Qualität insbesondere bei Haschisch und Cannabisblüten vereinzelt auch eine Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC oder mehr erwarten lassen können (vgl. Patzak/Dahlenburg, NStZ 2022, 146 ff.) – nicht wesentlich. Jedoch hat diese Norm den Charakter eines benannten besonders schweren Falles, der es erlaubt, auch in Fällen des Vorliegens des Regelbeispiels im Einzelfall von der Anwendung des erhöhten Strafrahmens abzusehen (vgl. Fischer, StGB 71. Aufl., § 46 Rn. 91) und damit insbesondere der vom Gesetzgeber angenommenen geringeren Strafwürdigkeit des unerlaubten Besitzes in Grenzfällen Rechnung zu tragen. Das KCanG bezweckt zudem lediglich, den Konsumenten zu privilegieren. Die Strafwürdigkeit der übrigen in § 34 Abs. 1 KCanG enthaltenen und nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG in Bezug genommenen Handlungsweisen (etwa das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge) bleibt davon unberührt (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, a. a. O., Rn. 33).

Bei dem – vorliegend einschlägigen – Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG handelt es sich um eine Qualifikation, die Handlungsweisen erfasst, die jedenfalls im Zusammenhang mit dem weiteren unrechtserhöhenden Merkmal der bandenmäßigen Begehungsweise typischerweise gegen den (ausschließlichen) Umgang mit Cannabis zum Zwecke des Eigenverbrauchs sprechen.

Vergleichbares gilt für die in § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG aufgeführten Begehungsformen, die mit dem weiteren, das Unrecht der Tat ebenfalls besonders erhöhenden Umstand des Mitsichführens einer Schusswaffe oder eines sonstigen seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstandes verknüpft sind, weshalb der im Vergleich zum Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG erhöhte Strafrahmen selbst im Falle eines Sichverschaffens nicht geringer Mengen Cannabis ausschließlich zum Eigenverbrauch gerechtfertigt erscheint.

KCanG III: „Nicht geringe Menge“ bleibt bei 7,5 g, oder: Auch beim BGH: Neuer Wein in alten Schläuchen

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Nun, wer hätte das gedacht: Heute morgen in Zusammenhang mit dem OLG Hamburg, Beschl. v. 09.04.2024 – 5 Ws 19/24 – noch gemeckert und auf den BGH gehofft, und nun ist sie dann schon da.

Die erste Entscheidung des BGH zur neuen „nicht geringen Menge“ nach dem KCanG. Und wer gehofft hatte, dass der BGH in eine andere Richtung marschieren würde, wird enttäuscht. Er, zumindest der 1. Strafsenat, tut es nicht. Denn er hat im BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24 – (Achtung: Siehe unten) auch nichts Neues bz. nichts anders gemacht, sondern: Alter Wein in neuen Schläuchen, oder: Es bleibt bei den 7,5 g THC für Cannabis.

In der dazu ergangenen Pressemitteilung heißt es:

Das Landgericht Ulm hatte die Angeklagten A. und M. wegen Betäubungsmitteldelikten im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Marihuanaplantage nach der bisher geltenden Rechtslage jeweils zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil im Verfahren über die Revisionen der beiden Angeklagten entsprechend den zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Bestimmungen des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) im Schuldspruch jeweils neu gefasst. Zudem hat er den Grenzwert der nicht geringen Menge i.S. von § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG auf 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) festgesetzt.

Infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmens des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und insoweit zur erneuten Strafbemessung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.“

Das begründet der BGH wortreich, ob überzeugend ist eine andere Frage, m.E. nicht unbedingt. Letztlich sind es die Argumente: Haben wir schon immer so gemacht und schuld ist der Gesetzgeber, der hätte ja sagen können, wenn er etwas anderes gewollt hätte. Hat er aber nicht.

Ich schenke mit die umfangreiche Begründung hier. Wer Interesse hat, kann es bitte nachlesen. Wie wichtig der BGh die Entscheidung selbst ansieht, kann man daran ablesen, dass sie schon vier Tage nach Erlass online. Das ist beim BGH recht ungewöhnlich.

Man muss sehen, wie es weitergeht. Es gibt ja noch fünf andere Senate. Aber ein Pflock ist ka schon mal eingehauen.

Edit: Achtung! Inzwischen steht auf der Homepage des BGH eine andere Version des Beschlusses, der BGH hat seinen Beschluss „berichtigt“. Dazu Näheres hier bei de legisbus und auch bei LTO. Und zum „richtigen“ Beschluss geht es hier: BGH, Beschl. v. 18.04.2024 – 1 StR 106/24 .