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StGB I: NSDAP-Zeichen auf Corona-Schutzmaske, oder: Veröffentlichung bei Twitter

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In die neue Woche geht es dann mit zwei StGB-Entscheidungen, beide zu – man sieht es an der Überschrift – § 86a StGB. Also Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Orgnaisationen, und zwar beide Male das Hakenkreuz.

Ich eröffne mit dem KG, Urt. v. 30.09.2024 – 2 ORs 14/24 – 121 SRs 43/24. Das ist bisher nur als PM veröffentlicht, aber noch nicht im Volltext. Ich hatte es mir vom KG „besorgt“.

Es geht um einen Fall aus dem Sommer 2022, also noch Corona-Pandemie-Zeit. Nach den Feststellungen des AG hatte der Angeklagte am 24.08.2022 um 17.51 Uhr und am 27.08.2022 um 8.47 Uhr auf seinem bei Twitter geführten, öffentlich einsehbaren Nutzerprofil mit dem Benutzernamen @c…_f…. ein Foto veröffentlichte, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, wel­che mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt.

Der Veröffentlichung des Fotos am 24.08.2022 fügte er den folgenden Text bei: „Die #Masken sind Symbole der Ideologiekonformität. Das ist alles, was sie sind. Das waren sie schon immer. Hören Sie auf, so zu tun, als wären sie jemals etwas anderes, oder gewöhnen Sie sich daran, sie zu tragen. #MaskensindkeinmildesMittel“. Der Veröffentlichung des Fotos am 27.08.2022 fügte er den folgenden Text bei: „,Von der Maske geht immer auch ein Signal aus‘ – K… L…, August 2022“. Darunter verlinkte er einen Artikel der „Welt“ mit dem Titel „Von der Maske geht immer auch ein Signal aus“.

Das AG ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte wusste, dass dieser Post durch einen größeren, durch persön­liche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden könnte. Ihm war ferner bewusst, dass es sich bei dem Hakenkreuz um ein Symbol der verbotenen NSDAP handelt.

Das AG hat den Angeklagten  vom Vorwurf, im Inland Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation in zwei Fällen verbreitet zu haben, „aus tatsächlichen Gründen“ mit der Begründung freigesprochen, dass die Veröffentlichungen des Angeklagten nicht vom Tatbestand des § 86a StGB erfasst seien.

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte. Das KG hat den Freispruch aufgehoben, den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Or­ganisationen in zwei Fällen schuldig gesprochen und die Sache dann zur Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch an dass AG zurückverwiesen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf den verlinkten Volltext. Ich stelle hier nur die Passagen ein, die sich mit der sog. Tatbestandsrestriktion befassen: Danach kann im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen der Gebrauch eines Kennzei­chens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in of­fenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Be­kämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, dem Schutzzweck ersichtlich nicht zu­widerlaufen und daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst werden. Das hat das KG aber verneint:

„cc) Ein solcher Ausnahmefall, der eine zulässige Verwendung des verbotenen Kenn­zeichens begründen würde, liegt hier nicht vor.

(1) Die Ausführungen des Amtsgerichts Tiergarten zur Begründung einer Tatbestands­restriktion überzeugen nicht. Danach sei ohne weiteres erkennbar, dass die Verbin­dung zum Nationalsozialismus in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn hergestellt werde; es sei ersichtlich, dass der Angeklagte als Verfasser den Nationalsozialismus scharf ablehne. Der Angeklagte habe – auch für seine Anhänger erkennbar – durch die Verwendung des Hakenkreuzes im Zusammenhang mit der Maske als Symbol der Corona-Maßnahmen gerade seine Ablehnung des durch das Hakenkreuz repräsen­tierten nationalsozialistischen Totalitarismus zum Ausdruck bringen wollen, um seine Kritik an den Corona-Maßnahmen zu verdeutlichen. Damit fehle den Posts jede Eig­nung, einer Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts oder gar ehemali­ger nationalsozialistischer Organisationen zu dienen.

(2) Eine solche eindeutige Abkehr vom Nationalsozialismus ist aus den Posts des An­geklagten, die dem Senat aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme des Amtsgerichts nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in den Urteilsgründen aus eigener Anschauung zu­gänglich und damit in seine revisionsgerichtliche Prüfung einzubeziehen sind, nicht erkennbar.

Aus Sicht eines objektiven Betrachters zeigt die Fotomontage in Form einer weißen Mund-Nasen-Bedeckung mit einem weißen Hakenkreuz allenfalls indirekt eine kriti­sche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Ziel der Verwendung der Ab­bildung sollte nach den Feststellungen des Amtsgerichts die Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie sein. Durch die Verbindung des Abbildes der Mund-Nasen-Bedeckung mit dem weißen Hakenkreuz solle nach den Vorstellungen des Angeklagten darauf hingewiesen werden, dass das Handeln der Regierung an die Methoden des Nationalsozialismus erinnere und das Vorgehen der Regierung mit den Methoden des NS-Staats vergleichbar sei. Kritisiert werden damit allein die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie, nicht aber der Nationalsozialismus. Es sollen jedoch nur solche Handlungen nicht vom Tat­bestand des § 86a StGB erfasst werden, in denen das Kennzeichen offenkundig ge­rade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zu Grunde lie­genden Ideologie eingesetzt wird, woran es hier fehlt.

Der Vergleich von Corona-Maßnahmen, die durch die Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung verkörpert werden sollen, mit dem durch das Hakenkreuz symbolisierten NS-Terrorregime stellt eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und des national­sozialistischen Völkermordes an Millionen Juden dar, nicht aber eine Kritik daran (zu § 130 StGB vgl. BayObLG, Urteil vom 20. März 2023 – 206 StRR 1/23 –). Selbst die teilweise – nicht jedoch vom Senat (vgl. Urteil vom 13. Februar 2023 – [2] 121 Ss 140/22 [44/22] –, juris) – vertretene Auffassung, dass Gegner der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie durch entsprechende Vergleiche das durch Na­tionalsozialisten zugefügte Unrecht gerade nicht bagatellisieren, sondern das eigene Leid lediglich im Sinne einer überzogenen Dramatisierung aufwerten wollen, führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn auch darin liegt keine für die Tatbestandsrest­riktion des § 86a StGB erforderliche Abkehr vom Nationalsozialismus, die voraussetzt, dass sich – wie der Senat ausgeführt hat – die Gegnerschaft eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag.

Eine andere Beurteilung folgt ebenso wenig aus dem Zusammenhang mit den den Abbildungen jeweils beigefügten Texten. Aus den Texten ist eine Ablehnung des Na­tionalsozialismus ebenfalls nicht zu erkennen, diese beziehen sich jeweils nur auf die Maßnahme der Maskenpflicht; aus ihnen wird allein deren Ablehnung deutlich.

Auch liegt es nicht fern, dass derartige Abbildungen einer Wiederbelebung nationalso­zialistischen Gedankenguts oder ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen dienen. Eine Maske mit einem Symbol des Nationalsozialismus erweckt bei einem ein­sichtigen Betrachter ohne Weiteres den Eindruck, die Verwendung des Hakenkreuzes werde in der Bundesrepublik Deutschland geduldet (vgl. BGHSt 25, 133).“

Edit: Der Beitrag hatte zunächst eine andere Überschrift. Aber mit „Hakenkreuz“ im Titel wird er bei FB als gewaltverherrlichendes Spam eingeordnet. So viel zur KI 🙂 .

Pauschgebühr im Strafvollstreckungsverfahren, oder: Mit falscher Begründung mal wieder abgelehnt

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Und im zweiten Posting dann der KG, Beschl. v. 23.09.2024 – 1 AR 1/24 – zur Pasuchgebühr nach § 51 RVG, die (natürlich) nicht gewährt worden ist:

„Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr von 228,48 Euro (nach dem Antrag bestehend aus: einer Terminsgebühr i.H.v. 192,00 Euro gemäß VV Nrn. 4202, 4203 RVG zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer i.H.v. 36,48 Euro) ist unbegründet.

Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 51 RVG sind aus den zutreffenden Gründen der Stellungnahme des Bezirksrevisors des Kammergerichts vom 24. Juli 2024, die dem Antragssteller bekannt ist, nicht gegeben.

Eine Pauschvergütung ist nicht schon dann zu bewilligen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und/oder besonders schwierig war. Sie kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die gesetzlichen Gebühren augenfällig unzureichend und unbillig sind, weil die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen -Sachen in exorbitanter Weise abhebt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 267/11 – juris, Rn. 5; Senat, Beschluss vom 9. November 2015 -1 ARs 20/15 -). Denn die Pauschvergütung dient allein dem Zweck, unzumutbare Belastungen des Pflichtverteidigers in angemessener Weise auszugleichen. Der Gesetzgeber hat durch das eigenständige Kriterium der Unzumutbarkeit den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 RVG zugleich einschränken und den Ausnahmecharakter dieser Regelung zum Ausdruck bringen wollen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 291). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, richtet sich nach dem Umfang der Tätigkeit des Verteidigers in dem gesamten Verfahren (vgl. Senat Beschluss vom 23. September 2015 – 1 ARs 5/15). So kann ein erhöhter Arbeits- und Zeitaufwand in einem Verfahrensabschnitt durch eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme in anderen Teilen mit der Folge kompensiert werden, dass mit den im Vergütungsverzeichnis des RVG bestimmten Gebühren in der Summe die erbrachte Tätigkeit des Rechtsanwalts noch ausreichend bezahlt ist.

Eine unter Berücksichtigung-der danach geltenden Maßstäbe ausgerichtete Gesamtschau ergibt, dass die Inanspruchnahme des Antragsstellers mit den gesetzlich bestimmten Gebühren in Höhe von 722,33 Euro (1 x Verfahrensgebühr nach VV Nrn. 4201, 4200 Nr. 1 a RVG von 395,00 Euro und 1 x Terminsgebühr nach W Nm. 4203, 4202 RVG von 192,00 Euro, 1 x VV Nr. 7002 RVG von 20,00 Euro zuzüglich (19 % Mehrwertsteuer) zumutbar vergütet ist.

Zwar musste der Antragsteller in dem Verfahren an zwei Anhörungsterminen (21. April 2024 und 19. Mai 2023) teilnehmen, weil sein Mandant am 21. April 2023 unverschuldet nicht teilnehmen konnte. Jedoch begründet dies kein unzumutbares Sonderopfer, das durch eine Pauschvergütung kompensiert werden müsste. Der Antragsteller selbst stützt seinen Antrag allein auf dem Umstand, dass es zu zwei Anhörungsterminen gekommen ist, ohne substantiiert darzulegen, wieso sein Arbeitsaufwand hierdurch erheblich und unzumutbar geworden sein soll, wozu er im Rahmen des Verfahrens nach § 51 RVG allerdings verpflichtet ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2024 – 1 AR 17/23 – m.w.N.). Aus dem Wortlaut des VV 4202 RVG im Vergleich zu den sonstigen Regelungen VV Nrn. 4108, 4114, 4120, 4126 und 4132 RVG, in denen die Gebührentatbestände für Terminsgebühren definiert werden, ergibt sich, dass im Strafvollstreckungsverfahren, entsprechend der Regelung in § 15 Abs. 2 RVG, nur eine Terminsgebühr geltend gemacht werden kann, auch wenn mehrere Anhörungstermine erforderlich sind (vgl. KG, Beschluss vom 26. Mai 2006 – 5 Ws 258/06 -, juris; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl., VV 4200-4207 Rn. 8 m.w.N.). Vor dem Hintergrund hätte der Antragsteller konkret vortragen müssen, wieso er entgegen der gesetzlichen Wertung ein Sonderopfer erbracht haben will.

Schließlich ergibt sich, wie vom Bezirksrevisor zutreffend dargelegt, aus der Aktenlage ebenfalls keine exorbitante Mühewaltung des Antragstellers, die eine Pauschvergütung rechtfertigen könnte. Der Antragsteller betreut den Untergerbachten seit vielen Jahren, ist mit dessen psychischen Erkrankung und der Unterbringungssituation vertraut, eine umfängliche und arbeitsintensive Einarbeitung war daher nicht nötig.“

Dazu könnte man eine Menge schreiben. Aber es lohnt nicht. Die OLG interessiert es nicht. Sie beharren auf der falschen Rechtsprechung des BGH zur „exorbitanten Mühewaltung“, die dem RVG widerspricht. Aber der BGH und die OLG wissen es eben besser bzw. meinen, es besser zu wissen. Auch die Ansicht des KG zur Kompensation ist falsch. Aber auch daran hält man fest getreu dem Grundsatz: Einmal falsch, immer falsch.

Zutreffend ist es aber, dass der Kollege hier sicherlich besser ein wenig mehr zur Begründung hätte vortragen sollen. Aber egal. Denn dem KG wäre sicherlich etwas eingefallen, warum das dann auch noch nicht gereicht hätte.

OWi III: Entbindung und rechtlicher Hinweis, oder: Rechtsbeschwerde – Anlagenkonvolut/Unterzeichnung

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Und dann habe ich hier im letzten Posting des Tages noch Rechtsprechung zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren; auch hier nichts Neues, das hatten wir alles schon:

1. War der Verteidiger nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG „mit nachgewiesener Vollmacht“ zur Vertretung befugt und deshalb auch nicht berechtigt, einen Entbindungsantrag für den Betroffenen zu stellen, so ist der Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen.

2. Hat das Amtsgericht gleichwohl zur Sache verhandelt und entschieden, so ist der Betroffene mit dem Einwand ausgeschlossen, in der fälschlich abgehaltenen Verhandlung sei Verteidigervortrag unberücksichtigt geblieben.

3. Hat die prozessordnungswidrige Verhandlung für den Betroffenen zu einer Verschlechterung geführt (Erhöhung der Geldbuße), so stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der auf Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des Urteils zumindest im Rechtsfolgenausspruch führen würde. Ein Zulassungsgrund nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ergibt sich aber nicht, weil sich die Fehlerhaftigkeit des Urteils nicht aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt, sondern aus der irrtümlichen Annahme, der Verteidiger sei zur Vertretung befugt.

Möchte der Tatrichter die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße erhöhen, so bedarf dies grundsätzlich keines Hinweises entsprechend § 265 StPO.

Gibt der Verteidiger durch einen distanzierenden Zusatz zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen will oder kann, ist die Rechtsbeschwerdebegründung nach § 345 StPO formunwirksam.

1. Ein unübersichtliches Konvolut aus Ablichtungen des Bußgeldbescheides, Ablichtungen aus dem amtsgerichtlichen Sitzungsprotokoll, Gesetzeszitaten, Ablichtungen aus einem privaten Sachverständigengutachten sowie von Schreiben des Verteidigers an das Gericht genügt den Anforderungen an einen ausreichenden Vortrag nicht.

2. Aus dem Rechtsbeschwerdevortrag muss erkennbar sein, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sich das Gericht zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen sollen.

3. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, sich aus einem unübersichtlichen Vortrag das für die jeweilige Rüge Passende herauszusuchen.

OWi II: Nachfahren mit ungeeichtem Tacho, oder: „Richtigkeitsvermutung“ bei standardisierter Messung

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Im zweiten OWi-Posting dann zwei (KG-)Entscheidungen, und zwar zur Geschwindigkeitsüberschreitung. Hier kommen dann die Leitsätze;

1. Wie hoch der bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer in Abzug zu bringende Sicherheitsabschlag ist, ist Tatfrage, die der Tatrichter in freier Beweiswürdigung zu beurteilen hat.

2. Will das Tatgericht von den der obergerichtlichen Rechtsprechung entsprechenden Toleranzwerten abweichen, bedarf es eingehender Darlegungen, warum dies ausnahmsweise geboten erscheint. Dies hat in einer auf die konkrete Beweisaufnahme gestützten Weise tatsachenbasiert zu geschehen.

1. Beruht das Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung auf dem Einsatz eines standardisierten Messverfahrens, kann sich die Beweisaufnahme auf ein Minimum beschränken, wenn sich dem Tatgericht im Rahmen der Amtsermittlung keine Zweifel daran aufdrängen müssen, dass das Messgerät von seinem Bedienungspersonal standardgemäß, also in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller herausgegebenen Bedienungsanleitung, verwendet worden ist.

2. Wenn nicht ausnahmsweise etwas dagegenspricht, kann davon ausgegangen werden, dass von der Polizei eingesetzte Messgeräte grundsätzlich geeicht sind und auch die Bedienungsanleitung eingehalten worden ist.

3. Liegt der Verurteilung eine Messung mit einem standardisierten Verfahren zugrunde, so muss im Regelfall nur das Messverfahren (nicht: der Gerätetyp) und ggf. der Toleranzabzug mitgeteilt werden. Nicht mitzuteilen sind hingegen regelmäßig die Umstände, welche die Standardisierung tatsächlich tragen (sog. „Prämissen“, also die Vorbedingungen oder „materiellrechtlichen Voraussetzungen“ der Standardisierung).

OWi I: Bußgeldbescheid mit falscher Tatortangabe, oder: Ermittlungsfehler der Polizei ==> Einstellung?

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Heute am „Tag der deutschen Einheit“ gibt es hier OWi-Entscheidungen. Es handelt sich weitgehend um Entscheidungen des KG. Das hatte jetzt mal wieder geliefert. Ich beschränke mich bei den Entscheidungen aber auf die Leitsätze. Grund: Die Entscheidungen sind zum Teil schon etwas älter oder es gibt zu den angesprochenen Fragen nichts Neues.

ich beginne hier mit Entscheidungen zum Bußgeldbescheid und  mit einer Entscheidung zur Verjährung, die in den Kontext passt. Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

1. Die falsche Angabe zum Tatort beeinträchtigt weder die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids noch der Verjährungsunterbrechung, wenn der richtige und der falsche Tatort nahe beieinanderliegen und für den Betroffenen der wahre Tatort auch deshalb ohne weiteres erkennbar ist, weil er sogleich nach der Verkehrsordnungswidrigkeit von Polizeibeamten angehalten worden ist und sich ihnen gegenüber zu der Zuwiderhandlung äußern konnte.

2. Die Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 71 Abs. 1 OWiG, 265 StPO bzw. des Art. 103 Abs. 1 GG bedarf der Darlegung, wie sich der Betroffene anders verteidigt hätte, wenn er auf den veränderten Gesichtspunkt (hier: Tatort) förmlich hingewiesen worden wäre. 

1. Geht die behördliche Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen auf den Fehler eines einzelnen Polizeibeamten zurück (hier: fehlende Notierung eines Hausnummernzusatzes bei den Personalien des Betroffenen), so ist dieser der Verwaltungsbehörde grundsätzlich zuzurechnen (nicht tragend).

2. Fällt dem Polizeibeamten ein lässlicher und bei massenhafter Bearbeitung unausweichlich vorkommender Flüchtigkeitsfehler und nicht eine willkürliche Sachbearbeitung im Sinne einer sog. Scheinmaßnahme zur Last, so besteht kein Anlass, die verjährungsunterbrechende Wirkung der vorläufigen Einstellung des Verfahrens wegen Abwesenheit des Betroffenen (§ 33 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 OWiG) zu suspendieren (entgegen OLG Hamm NZV 2005, 491 und OLG Brandenburg NZV 2006, 100).

So und an einem OWi-Tag natürlich <<Werbemodus an>> der Hinweis auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024, in dem die Fragen, zu denen es heute Entscheidungen gibt. Das Buch kann man übrigens zusammen mit Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Aufl. 2023, in einem „Paket“, dem sog. Verkehrsrechtspaket bestellen. Zur Bestellung geht es dann hier. <<Werbemodus aus>>.