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News: Schafft die Ampel noch erhöhte RVG-Gebühren?, oder: Auf einmal ist Druck auf dem Kessel

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Manchmal kommt es dann unerwartet. So heute auch mal wieder etwas. Denn ich hatte nun wahrlich nicht mehr damit gerechnet, dass diese (Rumpf)Regierung noch die Änderung der anwaltlichen Gebühren auf die Reihe bekommt. Geplant war ja ein KostRÄndG 2025. Dazu gab es aber bislang nicht mehr als einen Referentenentswurf, der seit Mitte Juni 2024 auf der Homepage des BMJ „herumdümpelte“. Es tat sich nichts. Und ich war davon ausgegangen, dass sich in der Sache in dieser Legislaturperiode auch nichts mehr tun würde.

Das sieht nun anders aus. Denn gerade erhalte ich einen Newsletter, dessen Inhalt mich dann doch ein wenig überrascht. Ich zitiere:

Höhere Gebühren für Rechtsanwälte, Gerichtssachverständige und Verfahrensbeistände – Bundeskabinett beschließt Formulierungshilfe

Die gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren sollen erhöht werden. Damit soll den gestiegenen Personal- und Sachkosten von Rechtsanwaltskanzleien Rechnung getragen werden. Die Rechtsanwaltsgebühren sind seit Anfang 2021 nicht erhöht worden. Auch die Honorarsätze für Sachverständige und Sprachmittler, die von einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft herangezogen werden, sollen an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Gleiches gilt für die Gerichts- und Gerichtsvollziehergebühren und die Vergütung von Verfahrensbeiständen in familiengerichtlichen Verfahren. Diese sollen ebenfalls angepasst werden. Dies sieht eine vom Bundesminister der Justiz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf vor, die das Bundeskabinett heute beschlossen hat.

Pressemitteilung
11. Dezember 2024
Bundesjustizminister Dr. Volker Wissing erklärt:

„Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte leisten einen wesentlichen Beitrag für den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zum Recht. Um ihre wichtige Tätigkeit ausüben zu können, müssen sie angemessen vergütet werden. Die geltenden Gebührensätze stellen dies nicht mehr sicher. Sie müssen an die Preisentwicklung der letzten Jahre angepasst werden. Mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren wollen wir die wirtschaftliche Grundlage für die Anwaltschaft sichern – und damit zugleich den Rechtsstaat stärken. Auch qualifizierte Sachverständige, Sprachmittler und Gerichtsvollzieher sowie durchsetzungsstarke Verfahrensbeistände in familiengerichtlichen Verfahren sind essenziell für eine leistungsfähige Justiz. Und auch sie sind auf eine faire und ausgewogene Vergütung angewiesen. Unser Gesetzentwurf sieht deshalb auch insoweit Anpassungen vor. Es liegt im Interesse unseres Rechtsstaats und der Rechtspflege in Deutschland, dass dieser Gesetzentwurf noch vor der Bundestagswahl verabschiedet wird.“

Die Formulierungshilfe eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, des Justizkostenrechts sowie des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (sogenanntes Kostenrechtsänderungsgesetz 2025) sieht im Einzelnen folgende Regelungen vor:

  • Bei der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung wird eine Kombination aus strukturellen Verbesserungen sowie einer linearen Erhöhung der Gebühren vorgeschlagen. Dabei sollen die Betragsrahmen- sowie die Festgebühren um 9 Prozent und die Wertgebühren um 6 Prozent steigen. Damit wird den gestiegenen Kosten für den Kanzleibetrieb Rechnung getragen.
  • Zudem sollen die Vergütungs- und Entschädigungssätze des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für Sachverständige und Sprachmittler, die von einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft herangezogen werden, um 9 Prozent erhöht werden.
  • Zum Ausgleich der gestiegenen Kosten der Justiz sollen auch die Gerichtsgebühren nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) sowie dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) um 9 Prozent bei den Fest-, Mindest- und Höchstgebühren sowie um 6 Prozent bei den Wertgebühren angehoben werden. Gleiches gilt für die Gebühren nach der Gebührentabelle A des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG). Auch die Gerichtsvollziehergebühren sollen um 9 Prozent steigen.
  • Die Entschädigungstatbestände für die Telekommunikations-überwachung sollen an die geänderten technischen Rahmen-bedingungen und die Entschädigungssätze an die veränderten Personal- und Sachkosten angepasst werden.
  • Auch die im Jahre 2009 im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeführte Pauschalvergütung für Verfahrens-beistände soll angehoben werden. Mit der Vergütungserhöhung soll die Stellung des Verfahrensbeistands gestärkt werden. Gleichzeitig wird eine Geschwisterpauschale eingeführt. Diese soll Synergieeffekten Rechnung tragen, wenn der Verfahrensbeistand für mehrere Kinder in demselben Haushalt bestellt wird. Zugleich wird eine Regelung für die Erstattung von Auslagen bei der Hinzuziehung von Dolmetschern geschaffen.
  • Die Formulierungshilfe wird nun den Koalitionsfraktionen für die Einbringung eines entsprechenden Gesetzentwurfes aus der Mitte des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestellt.
  • Die Formulierungshilfe für den Gesetzentwurf ist hierabrufbar.“

Den Inhalt der Formulierungshilfe kennt man. Das ist, wenn ich es richtig sehe, der Referentenentwurf zum KostRÄndG 2025.

Und wie geht es nun weiter? Wir haben noch in 2024 eine Sitzungswoche im Bundestag, und zwar vom 16.12- – 20.12.2024, die letzte Bundesratssitzung ist am 20.12.2024. Offenbar will man das Gesetz bis dahin noch „durch haben“. Jedenfalls scheint jetzt – endlich – Druck auf dem Kessel zu sein. Ich bin gespannt, wie es weitergeht und ob wir tatsächlich noch ein KostRÄndG bekommen.

Inkrafttreten wäre dann Anfang 2025. Zwar nicht mehr der 01.01., aber ggf. der 01.02. oder 01.03. Denn das das Gesetz soll weitegehend am ersten Tag des zweiten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie wird eine Vernehmung im Hinblick auf eine EEA abgerechnet?

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Und dann noch die Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie wird eine Vernehmung im Hinblick auf eine EEA abgerechnet?

Für die Lösung hatte ich zunächst noch Nachfragen, und zwar:

„Detlef Burhoff
Strafverfahren oder Auslieferungsverfahren? Beiordnung nach StPO oder nach IRG?

Antwort des Fragestellers
Ermittlungsverfahren in der Tschechischen Republik.
EEA und daraufbezogene Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter in Deutschland.

Beiordnung nach 140 I Ziff. 5 StPO.

Keine Auslieferung von Deutschland in die Tschechische Republik, kein Europäischer Haftbefehl.

Detlef Burhoff

….. dann geht es nach Teil 4 VV RVG und zwar Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, Verfahrensgebühr 4104 VV RVG und wohl auch Terminsgebühr Nr 4102 VV RVG, jeweils mit Haftzuschlag. Entscheidungen dazu stehen auf der HP, zuletzt OLG Koblenz. Melden Sie sich ggf. noch einmal.“

Dazu passt: OLG Koblenz, Beschl. v. 04.07.2024 – 2 Ws 412/24.

Ich habe da mal eine Frage: Wie wird eine Vernehmung im Hinblick auf eine EEA abgerechnet?

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Und dann die Gebührenfrage zu Nikolaus. Nein, es geht nicht um die Verteidigung des Nikolaus wegen zu schnellem Fahren und die Frage, wo man ggf. abrechnet 🙂 , sondern um folgendes Problem:

„Guten Abend zusammen.

Ich habe zum ersten Mal heute eine Anhörung vor dem Amtsgericht erlebt, in der ich dem in Haft befindlichen Mandanten als Pflichtverteidiger (140 I Ziff. 5 StPO) beigeordnet wurde.
Bis dahin hatte ich noch keine Aktenkenntnis, bin hingefahren und dort erfahren, dass er sich um die EUROPÄISCHE ERMITTLUNGSANORDNUNG (EEA), der tschechischen Strafverfolgungsbehörden gehandelt.

Wir haben zur Sache verhandelt, ich habe eine Erklärung für den Mandanten abgegeben, dass er sich ohne Aktenkenntnis zur Sache und zu dem Fragenkatalog nicht einlassen wird.
Wie rechnet man sowas ab?“

Erfolgreiches Rechtsmittel gegen Ordnungsmittel, oder: Gibt es eine Kostenentscheidung?

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Im zweiten Posting geht es um den AG Koblenz, Beschl. v. 11.10.2024 – 30 AR 8/24 – und die Frage: Muss es im Beschwerdeverfahren des Ordnungsmittelverfahrens der StPO eine Kostenentscheidung geben. In der Rechtsprechung ist nicht abschließend geklärt, wer die notwendigen Auslagen eines erfolgreichen Rechtsmittels gegen eine Entscheidung in einem Ordnungsmittelverfahren der StPO trägt. Das AG Koblenz hat dazu nun Stellung genommen.

In dem Fall war im Ermittlungsverfahren war durch die Staatsanwaltschaft die zeugenschaftliche Vernehmung einer Zeugin durch eine Polizeidirektion angeordnet worden. Nachdem die Zeugin einer Ladung nicht nachgekommen war, erließ die Staatsanwaltschaft einen Vorführbefehl für die Zeugin und verhängte ein Ordnungsgeld von 200 EUR. Später wurde die Zeugin durch die Polizei persönlich zu Hause angetroffen und macht dann schließlich ihre Aussage. Die Staatsanwaltschaft hielt an ihrer Ordnungsgeldentscheidung fest und versuchte, diese in der Folge erfolglos zu vollstrecken. Sie beantragte dann, gegen die Zeugin Ordnungshaft festzusetzen. Daraufhin meldete sich der Rechtsanwalt für die Zeugin und beantragte Abweisung der beantragten Ordnungshaft und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Ordnungsgeldentscheidung. Das AG hat die Ordnungsgeldentscheidung aufgehoben und den Antrag auf Ordnungshaft zurückgewiesen. Es hat zudem die Kosten des „Beschwerdeverfahren“ der Staatskasse auferlegt. Dazu sagt es:

„Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (entgegen BGH, Beschluss vom 12.06.2007, VI ZB 4/07, und BAG, Beschluss vom 20.08.2007, 3 AZB 50/05). Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist der Rechtsgedanke aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 StPO, mittels dessen die planwidrige Lücke in der Prozessordnung geschlossen wird (Anschluss an BFH, st. Rspr., vgl. Beschluss vom 07.03.2007, X B 76/06).“

Ist m.E. richtig und wird im Übrigen, wenn man eine Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren als eine Ermittlungsmaßnahme i.S. des § 473a StPO ansieht, durch die Regelung des § 473a StPO, der durch das 2. Opferrechtsreformgesetz eingeführt worden ist, bestätigt.

Und dann stellt sich die ebenso interessante Frage, wie der der den Zeugen vertretende Rechtsanwalt abrechnet.. Dazu gilt: Bei der Vertretung des Zeugen im „Beschwerdeverfahren“ handelt es sich um eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, und zwar um „eine andere nicht in Nummer 4300 oder 4301 erwähnten Beistandsleistung“. Abgerechnet wird also nach Nr. 4302 VV RVG (s. auch Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4301 VV Rn 10). Dabei wird man ggf. die Frage diskutieren können/müssen, ob nicht mehrere Angelegenheiten vorliegen, und zwar hier ggf. „Beschwerde“ gegen den Ordnungsgeldbeschluss und Antrag auf Abweisung des Ordnungshaftverfahrens. Voraussetzung ist aber, dass dem Tätigwerden des Rechtsanwalts jeweils ein Einzelauftrag zugrunde liegt (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn 55 ff.).

Rückforderung von zu viel gezahlten Pflichti-Gebühren, oder: Unbefristetes Erinnerungsrecht der Staatskasse?

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Gestern habe ich mit Pflichtverteidigungsentscheidungen aufgehört, heute fange ich am Gebührenfreitag mit einer Entscheidung an, die auch einen Pflichtverteidiger betrifft. Ist allerdings ein wenig „unschön“. Denn es geht um einen Rückforderungsanspruch gegen den Pflichtverteidiger wegen zu viel gezahlter Pflichtverteidigergebühren.

Folgender Sachverhalt: Der Pflichtverteidiger hat am 14.03.2020 die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 10.881,84 EUR beantragt, die auch festgesetzt worden sind. Am  19.11.2021 hat er dann zudem beantragt, ihm eine Pauschgebühr gemäß § 51 RVG in Höhe von weiteren 2.000,- EUR zu bewilligen. Im Rahmen des Pauschgebührenverfahrens hat der Bezirksrevisor dann dahingehend Stellung genommen, dass die Akten vor der Entscheidung über die Pauschgebühr zunächst der Bezirksrevisorin bei dem LG vorgelegt werden mögen. Die solle prüfen, ob die Festsetzung mit der Erinnerung anzugreifen sei, da die gesetzlichen Gebühren und Auslagen unzutreffend festgesetzt worden seien. Es werden dann durch Entscheidung vom 30.12.2022 4.438,70 EUR inklusive Umsatzsteuer zurückgefordert.

Dagegen die Erinnerung, der teilweise abgeholfen wird. Hiergegen richtet sich beim LG eingelegte Beschwerde des Pflichtverteidigers. In dieser vertritt er die Auffassung, dass das Erinnerungsrecht der Staatskasse in entsprechender Anwendung von § 20 GKG verwirkt (gewesen ) sei. Die Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg, der OLG Braunschweig, Beschl. v. 07.08.2024 – 1 Ws 210/23  hat sie verworfen.

„1. Die Kammer hat mit Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, insgesamt 1.775,48 € inklusive Umsatzsteuer zurückzuzahlen. (373,- € x 4 = 1.492,- € x 1,19 = 1.775,48 €). Dieser Betrag entspricht der Grundgebühr (Nr. 4101 VV RVG), der Verfahrensgebühr (Nr. 4105 VV RVG) und der Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) für insgesamt 4 hinzuverbundene Sachen (Fallakten 8, 12, 19.1 und 19.2). Die Kammer hat im angefochtenen Beschluss, auf den der Senat insoweit verweist, zutreffend dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine konkrete gebührenauslösende Tätigkeit gemäß §§ 55 Abs. 5 Satz 1 RVG, 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht hat.

2. Die Rückforderung ist auch nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ob und in welcher Weise die Rückforderung einer überhöht festgesetzten und ausgezahlten Vergütung einer zeitlichen Begrenzung unterliegt, ist streitig. Eine Auffassung zieht die gesetzliche Wertung zur Nachforderung von Kosten wegen eines unrichtigen Ansatzes (§§ 20 Abs. 1 GKG, 19 Abs. 1 Satz 1 FamGKG) heran und meint, dass die Rückforderung nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahres ausgeschlossen sei (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. September 2009, 2 Ws 125/09, juris, Rn. 18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. August 2019, II-1 WF 128/19, juris, Rn. 11). Demgegenüber wird unter Hinweis auf die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG unbefristete Erinnerungsbefugnis die Auffassung vertreten, dass die genannten Vorschriften nicht eingreifen und die Rückforderungsbefugnis der Staatskasse allenfalls im Rechtsinstitut der Verwirkung seine Grenze findet. Es sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, die Erinnerung nicht zeitlich zu befristen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2017, I-10 W 35-37/17, juris, Rn. 5; LAG München, Beschluss vom 4. März 2014, 1 Ta 416/12, juris, Rn. 18).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an und hält die analoge Anwendung der starren Fristen der §§ 20 Abs. 1 GKG, 19 Abs. 1 Satz 1 FamGKG auf die Rückforderung von Gebühren und Auslagen von einem Pflichtverteidiger für verfehlt. Die Nachforderung von Kosten wegen eines unrichtigen Ansatzes ist nicht mit der unzutreffenden Auszahlung von Gebühren und Auslagen eines Pflichtverteidigers vergleichbar. Hätte der Gesetzgeber die Rückforderung in solchen Fällen an eine konkrete Frist knüpfen wollen, hätte es ihm freigestanden, eine entsprechende Regelung zu treffen. Davon hat der Gesetzgeber abgesehen und sich vielmehr bewusst entschieden, die Erinnerung nicht zeitlich zu befristen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2017, I-10 W 35-37/17, juris, Rn. 5; LAG München, Beschluss vom 4. März 2014, 1 Ta 416/12, juris, Rn. 18). Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss zutreffend auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf der Bundesregierung des Justizkommunikationsgesetzes vom 23. Februar 2005 (Bt-Drs. 15/4952) hingewiesen, wonach die Neufassung von § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG klarstellen sollte, dass die Erinnerung gegen die Vergütung zeitlich nicht befristet ist (Seiten 41 und 51 der Drucksache).

Gerade der vorliegende Fall, bei dem zugleich ein Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) gestellt ist, zeigt, dass die kurze Frist der §§ 20 Abs. 1 GKG, 19 Abs. 1 Satz 1 FamGKG für den Rückforderungsanspruch nicht angemessen ist. Denn bei Festsetzung einer Pauschgebühr ist zu prüfen, ob die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens unzumutbar niedrig sind (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG). Wäre die Rückforderung in analoger Anwendung der §§ 20 Abs. 1 GKG, 19 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahres ausgeschlossen, könnte deren sich aus den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses ergebende Höhe trotz des Eingangs eines Antrags auf Bewilligung einer Pauschgebühr danach gegebenenfalls nicht mehr korrigiert werden. Denn beim Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr ist es dem Staat binnen 3 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das zugrundeliegende Verfahren rechtskräftig geworden ist, untersagt, die Einrede der an §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu bemessenden Verjährung zu erheben (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11. April 2019, 1 ARs 5/19, juris, Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2015, 1 ARs 22/14, juris, Rn. 4). Der gemäß § 51 RVG zu treffenden Senatsentscheidung fehlte somit der zutreffende Bezugspunkt.

Der Zahlungsempfänger ist trotz der Unanwendbarkeit der §§ 20 Abs. 1 GKG, 19 Abs. 1 Satz 1 FamGKG auch nicht unbegrenzt dem Erstattungsanspruch des Staates ausgesetzt. Vielmehr ist er unabhängig vom Rechtsinstitut der Verwirkung seinerseits durch die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB geschützt. Der Rückzahlungsanspruch ist als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch einzuordnen (KG Berlin, Beschluss vom 22. April 2008, 1 Ws 47/07, juris, Rn. 5; Groß in Groß Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl., § 45 Rn. 8; Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, § 51 RVG Rn. 89), so dass sich die einschlägige Verjährungsregelung nach dem Gesamtzusammenhang der für den jeweiligen Anspruch maßgebenden Rechtsvorschriften und der Interessenlage beurteilt (BVerwG, Urteil vom 15. März 2017, 10 C 3/16, Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 5. November 2021, 2 B 15/21, juris, Leitsatz 1 und Rn. 11). Spricht schon allgemein viel dafür, der Sachnähe des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zum Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) durch Anwendung des § 195 BGB Rechnung zu tragen (BVerwG, Urteil vom 15. März 2017; a.a.O.; Rn. 20), tritt bei der Pflichtverteidigervergütung noch hinzu, dass eine längere Verjährungsfrist auch deshalb unangemessen wäre, weil sich die Verjährungsfrist für den Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr, wie dargelegt, ebenfalls an § 195 BGB orientiert (OLG Braunschweig, Beschluss vom 11. April 2019, 1 ARs 5/19, juris, Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2015, 1 ARs 22/14, juris, Rn. 4).

Die Voraussetzungen einer Verwirkung liegen ebenfalls nicht vor. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment), der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten zudem darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde ((Umstandsmoment; vgl BGH, Urteil vom 16. März 2017, I ZR 49/15, juris, Rn. 83). Bei der Bestimmung der für die Annahme einer Verwirkung hinreichenden Zeitspanne sind auch die Verjährungsfristen in den Blick zu nehmen und eine Verwirkung scheidet regelmäßig – so auch hier – aus, wenn der Anspruch gemäß § 195 BGB der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt (BGH, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 26. Mai 2016, 1 Ws 245/16, juris, Rn. 10). Es fehlt zudem an einem Verhalten der Staatskasse, dem der Beschwerdeführer nach Auszahlung der Vergütung entnehmen konnte, dass der Rückforderungsanspruch nicht geltend gemacht werde.“

Ist leider so. Das entscheidende Argument ist m.E., dass der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 56 Abs. 2 S. 1 RVG davon ausgegangen, dass die Erinnerung gegen die Vergütung zeitlich nicht befristet ist/sein sollte. Dann kann man nicht über eine Hintertür durch analoge Anwendung anderer Vorschriften eine zeitlich Befristung einführen.

Es bleibt nach der OLG-Entscheidung aber zumindest die Einrede der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist war hier aber noch nicht abgelaufen, so dass das OLG dazu mit Recht nicht weiter ausführt. Auch verwirkt war der Rückforderungsanspruch nicht, jedenfalls ergeben sich dafür nach dem mitgeteilten Sachverhalt keine Anhaltspunkte.