Archiv der Kategorie: Hauptverhandlung

StPO II: Wenn bloß auf ein Geständnis verwiesen wird, oder: Reicht auch im Berufungsverfahren nicht

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Und im zweiten Posting heute dann der BayObLG, Beschl.v. 02.08.2023 – 203 StRR 303/23.

In ihm nimmt das BayObObLG zum Umfang der Feststellungen im Berufungsurteil Stellung. Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen 18 Fällen des Betruges zu Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 15.- EUR verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG unter Verwerfung der Berufung im übrigen eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15.- EUR verhängt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die erfolgreich war:

„Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch einen vorläufigen Erfolg. Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden Darstellungs- und Erörterungsmängeln und unterliegt daher der vollumfänglichen Aufhebung.

1. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erweist sich – was das Revisionsgericht von Amts wegen prüft (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 9. Februar 2023 – 203 StRR 497/22 –, juris Rn. 3) – als unwirksam. Das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg enthält unter Verstoß gegen die Regelung von § 267 Abs. 1 S. 1 StPO keine Feststellungen zum Sachverhalt. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts lässt sich ihm auch keine Bezugnahme auf den Anklagesatz (§ 267 Abs. 4 S. 1 HS 2 StPO) entnehmen. Eine ergänzende Auslegung des defizitären erstinstanzlichen Urteils in dem Sinne, dass das Amtsgericht wohl den angeklagten Sachverhalt für erwiesen erachtet hätte, kommt nach der Vorschrift von § 267 Abs. 1 S. 1 StPO nicht in Betracht. Eine Ergänzung der Urteilsgründe nach der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 267 Abs. 4 S. 4 StPO hat das Amtsgericht nicht vorgenommen. Da dem Urteil des Amtsgerichts eine geschlossene Sachverhaltsdarstellung ermangelt, ist die Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch als unwirksam anzusehen (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 Ss 124/14 –, juris; BayObLG, Beschluss vom 8. August 1984 – RReg 1 St 153/84 –, juris; Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 318 Rn. 46).

2. Die für den Fall einer unwirksamen Beschränkung der Berufung hilfsweise getätigten Ausführungen des Landgerichts zum festgestellten Sachverhalt und zur Würdigung des Geständnisses des Angeklagten genügen ihrerseits nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen, die nach § 267 Abs. 1 i.V.m. § 328 Abs. 1 StPO an die Darlegung der richterlichen Überzeugungsbildung zu stellen sind. Die Verurteilung des Angeklagten kann daher keinen Bestand haben.

a) Grundsätzlich ist das Tatgericht – über den Wortlaut des § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO hinaus – verpflichtet, die wesentlichen Beweiserwägungen in den Urteilsgründen so darzulegen, dass seine Überzeugungsbildung für das Revisionsgericht nachzuvollziehen und auf Rechtsfehler überprüfbar ist (BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 249/22 –, juris Rn. 11). Der bloße Verweis auf ein Geständnis kann eine Beweiswürdigung nicht ersetzen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2022 – 2 StR 53/22 –, juris; BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 2 StR 360/15-, juris Rn 3). Vielmehr bedarf es regelmäßig einer Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 249/22 –, juris Rn. 10) sowie eines Mindestmaßes an einer Darstellung der Erwägungen, weshalb der Einlassung zu folgen ist. Der Tatrichter ist nämlich auch im Falle eines geständigen Angeklagten gehalten, zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Beweisergebnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (BGH, Beschluss vom 13. September 2016 – 5 StR 338/16 –, juris Rn. 7 m.w.N.; Meyer Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 261 Rn. 6a). Einlassungen mittels einer Verteidigererklärung ohne Möglichkeit kritischen Nachfragens besitzen einen erheblich verminderten Beweiswert (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021 – 3 StR 380/21 –, juris Rn. 10 m.w.N.).

b) Diese Grundsätze an die Darstellungserfordernisse gelten auch im Berufungsverfahren. Ist wie hier das Urteil des Amtsgerichts uneingeschränkt angefochten, hat das Berufungsgericht eigene Feststellungen zu treffen und diese in einer aus sich heraus verständlichen Weise in den Urteilsgründen darzustellen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 28. März 2018 – III-1 RVs 51/18 –, juris). Es hat selbstständig und in eigener Verantwortung auf Grund der vor ihm durchgeführten Beweisaufnahme über das angeklagte Geschehen nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung (§ 261 StPO) zu entscheiden (KK-StPO/Paul, 9. Aufl., § 327 Rn. 4). Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts darf es nicht einfach übernehmen, selbst wenn der Berufungsführer diese nicht angreift (OLG Hamm, Urteil vom 20. November 2007 – 1 Ss 66/07 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 28. Mai 1997 – 1 AR 518/954 Ws 76/97 –, juris Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 22. Oktober 1973 – RReg 2 St 135/73 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 327 Rn. 3). Im Urteil darf das Berufungsgericht auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils nur dann Bezug nehmen, wenn es nach eigener Prüfung zu demselben Ergebnis kommt (KK- Paul, a.a.O., § 267 Rn. 5 m.w.N.; Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 267 Rn. 34). Es muss erkennbar sein, dass das Berufungsgericht seiner Pflicht zu eigenen Feststellungen und zur eigenen Beweiswürdigung voll nachgekommen ist (OLG Köln, Beschluss vom 28. März 2018 – III-1 RVs 51/18 –, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Dezember 2002 – 1 Ss 501/02 –, juris Rn. 16 ff.).

c) Gemessen daran genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht, um eine Beweiswürdigung der Strafkammer nachvollziehbar zu machen. Sie können die Darstellung der objektiven und subjektiven Umstände der Taten nicht tragen, was allein auf die Sachrüge zu berücksichtigen ist (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2022 – 2 StR 53/22 –, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 13. September 2016 – 5 StR 338/16 –, juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall beschränken sich die Feststellungen des Landgerichts auf eine Wiedergabe des in der Berufungsverhandlung verlesenen Anklagesatzes. Sie betreffen 18 Fälle von vollendeten Betrugstaten und 6 Fälle von versuchten Betrugsstraftaten, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung im November und Dezember 2021 mit unterschiedlichen Geschädigten und unterschiedlichen Schadensbeträgen. Die Strafkammer hat die Strafbarkeit des Angeklagten nach den Urteilsgründen ohne Vernehmung von Zeugen oder Verlesung von Urkunden allein auf das vom Verteidiger abgegebene Geständnis des Angeklagten gestützt und dazu ausgeführt, der Angeklagte habe durch seinen Verteidiger „diesen, dem Ersturteil zugrunde gelegten Sachverhalt, vollumfänglich eingeräumt“ (Urteil S. 4). Die Kammer habe sich die Überzeugung gebildet, dass die Tatvorwürfe zuträfen (Urteil S. 5). Ob der Verteidiger die Erklärung in der ersten oder in der zweiten Instanz abgegeben hat, ob das Geständnis in pauschaler Form oder auf die einzelnen Taten eingehend formuliert worden ist, ob sich der Angeklagte zu den einzelnen Taten auch selbst geäußert hat und welche Beweiserwägungen die Kammer im Zuge ihrer Überzeugungsbildung angestellt hat, erschließt sich den Urteilsgründen auch unter Berücksichtigung der weiteren Ausführungen der Strafkammer zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zur Vorgeschichte der Taten nicht. Denn auch bezüglich der Feststellungen zu der Vorgeschichte der Taten, nämlich dass der Angeklagte nach dem Fehlschlagen einer legalen Geschäftsidee beschlossen hätte, mit einem mobilen Gerät vermeintlich vom berechtigten Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung stammende Verwarnungen zu erstellen und an falsch geparkten Fahrzeugen anzubringen (Urteil S. 5), hat die Berufungskammer lediglich bemerkt, diese würden auf „glaubhaften“ Angaben des Angeklagten beruhen (Urteil S. 6). Dass das Urteil des Amtsgerichts entgegen der Darstellung des Landgerichts keinerlei Feststellungen zu den Taten enthielt, hat der Senat bereits dargelegt.

Zu einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Begründung des Urteils hätte es insbesondere mit Blick auf die fehlenden Feststellungen das Amtsgerichts einer Erläuterung der geständigen Einlassung bedurft; denn ohne Kenntnis von Einzelheiten vermag das Revisionsgericht nicht zu erkennen, ob ein auf Betrugs- und Urkundendelikte bezogenes Geständnis auch sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Straftatbestände erfasst (BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – 2 StR 360/15-, juris  Rn. 4). Der bloße Verweis auf ein Zugestehen der Vorwürfe des Anklagesatzes genügt den Anforderungen an eine Beweiswürdigung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 249/22 –, juris). Auch lassen  die Urteilsgründe hier nicht erkennen, dass die Strafkammer das Geständnis des Angeklagten einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen hätte.

Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass der Tatrichter nach § 267 Abs. 1 S. 1 StPO gehalten ist, in der Begründung des Urteils die von ihm als erwiesen erachteten Tatsachen eigenverantwortlich niederzulegen. In der Regel können eigene Feststellungen nicht durch Einrücken des Anklagesatzes ersetzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2010 – 3 StR 227/10 –, juris).

StPO I: Zeitpunkt „nicht logisch nachvollziehbar“, oder: Wahrnehmung prozessualer Schweigerechte

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Und heute dann drei Entscheidungen aus dem StPO-Bereich.-

Zunächst hier noch einmal der BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 5 StR 126/23 -, den ich ja schon einmal hier unter StPO II: Grundloses Nichterscheinen des Zeugen, oder: Verletzung des Konfrontationsrechts?, vorgestellt hatte.

Heute dann nochmals wegen der Ausführungen des BGH zur Beweiswürdigung:

„3. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

Allerdings findet sich in der Beweiswürdigung der Strafkammer zur Vorgeschichte der Tat, die rechtlich bedenkliche Wendung, es sei „nicht logisch nachvollziehbar, warum der Angeklagte seine Geschichte nicht schon im Anschluss hieran [an die Vernehmung des Zeugen am ersten Hauptverhandlungstag], sondern erst am dritten Verhandlungstag vorgetragen“ habe. Darin könnte zum Ausdruck kommen, das Landgericht habe allein aus der Wahrnehmung prozessualer Schweigerechte unzulässige Schlüsse gezogen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2020 – 5 StR 411/20, NStZ 2021, 319 mwN, insoweit auch zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Berücksichtigung der Umstände der Einlassung, wie etwa der Möglichkeit, die Einlassung an bisherige Ermittlungsergebnisse anzupassen). Gleiches gilt, soweit es für seine Einschätzung, es handele sich bei der Einlassung des Angeklagten zur Tat um Schutzbehauptungen, ausgeführt hat, es sehe „sich in dieser Annahme nicht zuletzt angesichts des späten Zeitpunkts der Einlassung des Angeklagten bestätigt.“ Mit Blick auf die rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung der Strafkammer, die – ohne Berücksichtigung des Zeitpunkts der Einlassung – die Darstellung des Tatgeschehens durch den Angeklagten nachvollziehbar als unglaubhaft gewertet hat, schließt der Senat aus, dass das Urteil insoweit auf einem etwaigen Rechtsfehler beruht.

StPO II: Über entfallene Bindungswirkung belehrt?, oder: Mit Verfahrensrüge Glück gehabt

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Und dann eine weitere Entscheidung des BGH zur Verständigung (§ 257c StPO), und zwar BGH, Beschl. v. 17.8.2023 – 2 StR 164/23 – zur Frage der Verletzung der verständigungsbezogenen Belehrungspflicht (§ 257c Abs. 5 StPO).

Nach dem Sachverhalt hatte das LG hat den Angeklagten wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte mit der Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bzw. einer Verletzung der § 257c Abs. 5 StPO entsprechenden Belehrungspflicht Erfolg.

Der BGh geht von folgendem Verfahrensgeschehen aus: Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung fand am 20.06.2022 ein Erörterungstermin statt, an dem die verhandlungsleitende Richterin der Strafkammer, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und einer der beiden Verteidiger des Angeklagten teilnahmen. Nach Erörterung des Verfahrensgegenstandes und des Hinweises der Richterin, dass weder die Frage einer möglichen Unterbringung nach § 64 StGB noch diejenige der Einziehung Gegenstand einer Verständigung sein könnten, kündigte der anwesende Verteidiger an, dass nach Rücksprache mit dem Angeklagten und dem weiteren Verteidiger eine geständige Einlassung im Sinne der Anklage geplant sei. Nach weiterer Erörterung erklärte die Staatsanwältin, dass nach aktueller Aktenlage keine Anhaltspunkte für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ersichtlich seien und nur unter der Prämisse einer umfassenden geständigen Einlassung ein Strafrahmen zwischen sechs Jahren und neun Monaten und sieben Jahren und sechs Monaten denkbar sei. Die Richterin teilte mit, dies stelle aus ihrer Sicht den denkbar untersten Rand einer tat- und schuldangemessenen Strafe dar. Der Verteidiger erklärte, dass gleichwohl weiterhin eine geständige Einlassung geplant sei, und er sich zeitnah wegen der Fortführung der Verständigungsgespräche melden werde.

In der am 30.08.2022 erstmals begonnenen Hauptverhandlung wurde ein Vermerk über das Verständigungsgespräch vom 20.06.2022 verlesen, selbiges protokolliert und der Inhalt des Vermerks durch eine Bezugnahme auf die Fundstelle in den Akten im Hauptverhandlungsprotokoll dokumentiert. Anschließend kam es zu einer Verständigung, in deren Folge sich der Angeklagte vollumfänglich geständig zur Sache einließ. Diese Hauptverhandlung musste später ausgesetzt werden.

In der am 11.10.2022 neuerlich begonnenen Hauptverhandlung führte die Vorsitzende nach Verlesung der Anklageschrift und der Feststellung zur Zulassung derselben aus, dass am 20.06.2022 ein Erörterungstermin im Hinblick auf eine Verständigung stattgefunden habe. Das Erörterungsprotokoll vom 20.06.2022 wurde erneuet verlesen und selbiges im Hauptverhandlungsprotokoll unter Bezugnahme auf die Fundstelle in den Akten dokumentiert. Danach wies sie den Angeklagten darauf hin, dass es ihm freistehe, sich zur Anklage zu äußern oder nicht auszusagen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zu dem verlesenen Erörterungsprotokoll Stellung zu nehmen, wovon sowohl die Vertreterin der Staatsanwaltschaft wie auch die Verteidigung Gebrauch machten. Nach Beratung unterbreitete die Strafkammer den Verfahrensbeteiligten anschließend einen Verständigungsvorschlag dahingehend, dass die Strafkammer für den Fall eines umfassenden Geständnisses im Sinne der Anklage der Verurteilung einen Strafrahmen von sechs Jahren und neun Monaten bis sieben Jahren und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde legen werde. Nachdem der Angeklagte gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war, stimmten alle Verfahrensbeteiligten dem Verständigungsvorschlag zu. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte geständig zur Sache ein.

Die Revision hatte mit der Verfahrensrüge Angriffsrichtung einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bzw. einer Belehrungspflicht entsprechend § 257c Abs. 5 StPO Erfolg:

„a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Sie genügt dem Vortragserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

aa) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts bedurfte es hierfür nicht der Vorlage des Protokolls der ausgesetzten Hauptverhandlung. Insoweit reicht das ? im Übrigen unwidersprochene ? Vorbringen der Revision, dass sich der Angeklagte im Zuge der ausgesetzten Hauptverhandlung in Folge der Verständigung geständig eingelassen hat.

bb) Es ist hier auch unschädlich, dass die Revision nicht vorträgt, ob der Angeklagte in der ausgesetzten Hauptverhandlung vor der Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war, mithin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Pflicht zur Belehrung über die Unverwertbarkeit des Geständnisses bestand (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, BGHSt 66, 37, 45 ff.). Denn die Revision stellt dar, dass der Angeklagte weder auf die entfallene Bindungswirkung noch auf die Unverwertbarkeit seines Geständnisses hingewiesen worden ist.

b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.

aa) In Folge der Aussetzung der Hauptverhandlung ist die Bindungswirkung der getroffenen Verständigung entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, aaO, S. 41; KK-StPO/Moldenhauer/Wenzke, 9. Aufl., § 257c Rn. 42d bis 42e). Dies zieht die Unverwertbarkeit des im Vertrauen auf ihren Bestand abgegebenen Geständnisses des Angeklagten in der neuen Hauptverhandlung nach sich (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, aaO, S. 42 ff.).

bb) Der Senat kann offenlassen, ob der Angeklagte qualifiziert über die Unverwertbarkeit seiner vormaligen verständigungsbasierten Einlassung zu informieren war (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2019 ? 1 StR 153/19, NStZ 2019, 483; BeckOK StPO/Eschelbach, 48. Ed., § 257c Rn. 30a; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 257c Rn. 30b; SSW-StPO/Ignor/Wegner, 5. Aufl., § 257c Rn. 124; Kudlich, NJW 2021, 2445; Ventzke, NStZ 2021, 572, 574) oder ob es in diesem Fall ausreicht, wenn der Angeklagte lediglich über den Wegfall der Bindungswirkung der getroffenen Verständigung informiert wird, sofern er in der ausgesetzten Hauptverhandlung vor der dortigen Verständigung ordnungsgemäß nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 5 StR 484/20, BGHSt 66, 37, 45 ff.; KK-StPO/Moldenhauer/Wenske, aaO), denn es fehlt bereits an dem Hinweis an den Angeklagten durch das Gericht, dass die Bindungswirkung an die getroffene Verständigung durch die erfolgte Aussetzung entfallen war.

c) Das Geständnis des Angeklagten und damit das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen.

aa) Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt.

bb) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bei Abgabe des Geständnisses bekannt waren (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 ? 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168 ff. Rn. 99 und 127; Senat, Beschluss vom 30. März 2021 ? 2 StR 383/20, juris Rn. 6; BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2021 ? 6 StR 528/21, juris Rn. 5; vom 21. März 2017 ? 5 StR 73/17, juris Rn. 6), sind nicht erkennbar. Dass der Angeklagte angesichts des wiederholt verlesenen Vermerks über das Erörterungsgespräch vom 20. Juni 2022 und der erneuten Verständigungsgespräche in der Hauptverhandlung vom 11. Oktober 2022 ? wie der Generalbundesanwalt meint ? hinreichend informiert war, dass die Verständigung in dem ausgesetzten Verfahren in der neu begonnenen Hauptverhandlung keine Bindungswirkung mehr entfaltete, kann der Senat nicht zweifelsfrei annehmen. Der Neubeginn der Hauptverhandlung brachte es mit sich, dass alle Verfahrensschritte wiederholt werden mussten, ohne dass dies aus Sicht des Angeklagten den Rückschluss erlaubte, dass damit deren materielle Wirksamkeit entfallen war. Allein die Wiederholung der Verständigung konnte daher seine autonome Entscheidung über eine Zustimmung zu einer neuerlichen Verständigung und sein anschließendes Geständnis nicht sichern.“

Die Ausführungen des BGH zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge zeigen m.E. immer, auf was der Verteidiger bei deren Begründung ggf. alles achten muss und was man ggf. auch noch hätte vortragen sollen. Denn wird etwas vergessen – und der BGh sieht es als wichtig an, wobei man nie weiß, woran er das fest macht, ist das schnell ein Einfallstor für die Verwerfung der Revision oder zumindest für die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge. Hier hat der Angeklagte noch einmal Glück gehabt. Der BGh wollte offenbar an die Entscheidung „ran“.

 

StPO I: Mitteilungspflicht zur Verständigung erfüllt?, oder: Was muss in der Revision vorgetragen werden?

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Heute dann ein wenig StPO. Und ich eröffne den Tag mit dem schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 01.03.2023 – 2 StR 56/22. Es geht – mal wieder – um die ausreichende Begründung der Verfahrensrüge. Das LG hat die Angeklagte J, um deren Revision es geht, u.a. wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen verurteilt. Hiergegen richten sich Revision der Angeklagten, mit der u.a.  das Verfahren beanstandet wird. Mal wieder: Ohne Erfolg:

„Der von der Angeklagten J. erhobenen Verfahrensbeanstandung bleibt der Erfolg ebenso versagt (1.) wie ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur weiteren Begründung dieser Rüge (2.).

1. Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte eine Verletzung der Vorschriften zur Verständigung geltend macht, ist unzulässig.

a) Die Revision hat Folgendes vorgetragen:

aa) Am zweiten Tag der Hauptverhandlung wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen den Verfahrensbeteiligten ein Verständigungsgespräch geführt. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung wurde in das Protokoll der Satz aufgenommen, wonach der Vorsitzende den „wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs“ mitgeteilt habe. Eine konkrete Dokumentation dieses wesentlichen Inhalts im Protokoll erfolgte zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Am vierten Hauptverhandlungstag ließ sich die Angeklagte sodann geständig ein. Danach – am fünften Hauptverhandlungstag – verlas der Vorsitzende einen umfassenden – und von der Revision nicht beanstandeten – Vermerk zum wesentlichen Inhalt der zuvor geführten Verständigungsgespräche, der als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen wurde.

bb) Die Revision meint, es liege damit ein durchgreifender Verfahrensfehler vor. Im Zeitpunkt, in dem sich die Angeklagte geständig eingelassen habe, habe das Protokoll entgegen den Anforderungen des § 273 Abs. 1a StPO den wesentlichen Inhalt der geführten Gespräche nicht dokumentiert. „Diese Mitteilung kam erst einen Monat später mit einem Wochen nach dem eigentlichen Gespräch gefertigten Vermerk, und zwar nachdem – und das ist entscheidend – sich die Angeklagte umfassend zur Sache geständig eingelassen und damit eine Entscheidung über ihre Verteidigungsposition getroffen hatte.“ Bereits die im Zeitpunkt der Ablegung des Geständnisses unzureichende Protokollierung begründe einen eigenständigen Rechtsfehler. Das Risiko einer informellen Verständigung sei mit Händen zu greifen.

b) Der Revisionsvortrag genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht.

aa) Nach dieser Vorschrift sind die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so vollständig und verständlich darzulegen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Der Revisionsführer muss die vorgebrachten Tatsachen mit Bestimmtheit behaupten, das heißt keinen Zweifel daran lassen, dass sie sich tatsächlich ereignet haben. Für einen erschöpfenden Vortrag ist hierbei nicht nur erforderlich, dass der Beschwerdeführer die ihm nachteiligen Tatsachen nicht übergeht, sondern auch, dass er die Fakten vorträgt, die für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes sprechen können, der seiner Rüge den Boden entzieht (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 22. Juli 2015 – 2 StR 389/13 , juris Rn. 55; Beschluss vom 23. Juni 2022 – 2 StR 269/21 , NStZ-RR 2022, 355; BGH, Urteil vom 26. Mai 1981 – 1 StR 48/81 , BGHSt 30, 131, 135 ; Beschluss vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07 , BGHSt 52, 38, 40 f. ; vgl. auch BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 38 ff. mwN).

bb) Einen erschöpfenden und widerspruchsfreien Vortrag zum maßgeblichen Verfahrensgeschehen lässt die Revision vermissen.

(1) Insbesondere ergibt sich aus ihrer Begründung nicht eindeutig, ob der Vorsitzende bereits am zweiten Sitzungstag der Hauptverhandlung – mithin vor Ablegung des Geständnisses durch die Angeklagte – seiner mündlichen Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nachgekommen ist (vgl. zum Zeitpunkt BGH, Beschluss vom 3. August 2022 – 5 StR 62/22 , NStZ 2022, 761).

(a) Hierfür kann zwar der – indes mit Blick auf § 257b StPO nicht gänzlich eindeutige und auch deswegen von der Revision beanstandete – Protokollinhalt angeführt werden, wonach der Vorsitzende den „wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs“ mitgeteilt habe. Auch der Vortrag der Revision, wonach es der Vorsitzende vor Ablegung des Geständnisses durch die Angeklagte versäumt habe, den wesentlichen Inhalt der Erörterungen zwischen den Verfahrensbeteiligten „zu Protokoll“ mitzuteilen, spricht dafür, dass zwar eine mündliche Mitteilung erfolgt ist, diese jedoch ihrem Inhalt nach nicht protokolliert wurde.

(b) Diese Erwägungen lassen sich aber nicht mit dem weiteren Vortrag der Revision vereinbaren, wonach das Vorliegen einer „informellen Verständigung“ zu besorgen sei. Gleiches gilt für die Ausführungen der Revision, dass „diese Mitteilung“ erst nach Ablegung des Geständnisses durch Verlesung eines Vermerks am fünften Sitzungstag erfolgt sei.

(2) Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Senat in einer früheren Entscheidung das Vorbringen eines Revisionsführers zu § 273 Abs. 1a StPO grundsätzlich bereits dann als den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügend erachtet hat, sofern sich daraus ergibt, dass Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden und eine (mündliche) Mitteilung des Vorsitzenden über deren wesentlichen Inhalt jedenfalls nicht entsprechend § 273 Abs. 1a StPO im Protokoll dokumentiert wurde (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12 , BGHSt 58, 310, 311 f. ).

(a) Indes hat der Gesetzgeber Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft (vgl. BVerfGE 133, 168, 223). Die Bandbreite bei Verstößen gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten reicht von geringfügigen Unvollständigkeiten bis hin zu deren völliger Missachtung oder groben Falschdarstellungen (vgl. BVerfG, NStZ 2015, 170, 171 f. [BVerfG 15.01.2015 – 2 BvR 878/14] ). Die Revisionsgerichte sind daher nicht gehindert, aufgrund einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Gesamtbetrachtung ausnahmsweise zu einer Unbeachtlichkeit des Verstoßes gegen die Vorschriften zur Verständigung zu gelangen (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 [BVerfG 04.02.2020 – 2 BvR 900/19] ; BGH, Beschluss vom 23. Juni 2020 – 5 StR 115/20 , NStZ 2020, 751, 752).

Auch der Senat hat in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2013 auf die Möglichkeit hingewiesen, dass ein Angeklagter „im Einzelfall auch bei fehlerhaftem Hauptverhandlungsprotokoll durch eine ebenso zuverlässige Dokumentation in anderer Weise so unterrichtet wird, dass das Beruhen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler ausgeschlossen werden kann“ (Senat, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 195/12 , BGHSt 58, 310, 314 ).

(b) Um dem Senat die Möglichkeit einer entsprechenden Gesamtbetrachtung des gerügten Verstoßes gegen § 273 Abs. 1a StPO zu eröffnen, hätte die Revisionsführerin aber darlegen müssen, ob der Vorsitzende vor Ablegung des Geständnisses den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprechend den wesentlichen Inhalt der geführten Verständigungsgespräche mündlich mitgeteilt hat (vgl. zur Authentizität solcher Mitteilungen BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 [BVerfG 04.02.2020 – 2 BvR 900/19] mwN). Aufschluss hierüber gibt im vorliegenden Fall – anders als im Verfahren 2 StR 195/12 – auch nicht der gänzlich abstrakt gehaltene Protokolleintrag vom zweiten Sitzungstag.

c) Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob er – wozu er neigt – eingedenk einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ( Beschluss vom 9. Dezember 2015 – 2 BvR 1043/15 ; vgl. auch MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 138 ff.) seine bisherige Rechtsprechung zur Revisibilität von Verstößen gegen § 273 Abs. 1a StPO aufgibt (diese bereits ablehnend BGH, Urteil vom 3. November 2022 – 3 StR 127/22 , NStZ 2023, 306, 307; Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13 , BGHSt 59, 130, 136 ).

2. Der Antrag der Angeklagten J. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung zur Frist zur weiteren Begründung der Verfahrensrüge ist – ungeachtet des Umstandes, dass sie ihn entgegen § 45 Abs. 1 StPO an die Staatsanwaltschaft Köln gerichtet hat – ebenfalls unzulässig.

a) Die Revision der Angeklagten ist nämlich infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden. In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur weiteren Begründung der Revision nur bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs eines Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich ist (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2020 – 2 StR 267/20 , NStZ 2021, 753; BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51 , BGHSt 1, 44, 46 , und vom 23. August 2012 – 1 StR 346/12 ; vgl. auch KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 345 Rn. 26 mwN).

b) Eine solche Ausnahmesituation liegt hier nicht vor. Der Antrag ist auf eine Ergänzung der Revisionsbegründung um den vollständigen Inhalt des durch den Vorsitzenden am fünften Sitzungstag verlesenen Vermerks gerichtet. Indes hat die Revision bereits innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgetragen, dass der Inhalt dieses Vermerks nicht zu beanstanden sei und daher von ihr nicht angegriffen werde. Der Anspruch der Angeklagten auf rechtliches Gehör gebietet damit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.“

Bewilligung von PKH für das Adhäsionsverfahren, oder: Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse

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Und dann heute am Gebührentag zwei BGH-Entscheidungen zum Adhäsionsverfahren.

Zunächst hier der der BGH, Beschl. v. 14.02.2023 – 2 StR 403/22 – noch einmal zur Gewährung von PKH. Der BGh hat den Antrag der Neben- und Adhäsionsklägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalt für das Adhäsionsverfahren allerdings abgelehnt:

„1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Adhäsionsverfahren erfolgt für jeden Rechtszug gesondert, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. März 2001 – 3 StR 25/01, BGHR StPO § 397a Abs. 1 Beistand 4). Dies erfordert daher in jeder Instanz erneut eine Prüfung durch das jeweilige Gericht und deshalb die Darlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Antragstellerin, die sich hierfür grundsätzlich des vorgeschriebenen Vordrucks zu bedienen hat, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 117 Abs. 4 ZPO.

2. Eine solche Darlegung ist nicht erfolgt. Zwar hat die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 27. Juni 2022 ihre in erster Instanz abgegebene Erklärung zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen in Bezug genommen, was in besonderen Fällen genügen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2017 – 5 StR 271/17). Indes beschränkt sich jenes Schreiben alleine auf Anträge, die die Nebenklage betreffen. Dem auf das Adhäsionsverfahren bezogenen – und hier gegenständlichen – Antragsschreiben vom 8. Dezember 2022 lässt sich eine solche Bezugnahme dagegen ebenso wenig entnehmen wie die erforderliche Angabe der Antragstellerin, dass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse (weiterhin) nicht geändert hätten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 397a Rn. 10 mwN). Letzteres ergibt sich bereits eingedenk des eingetretenen Zeitablaufs seit der letzten von ihr abgegebenen Erklärung aber nicht von selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 1991 – 3 StR 142/91).

3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe löst auch keine Verpflichtung des Senats aus, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu ermitteln. Das Erfordernis der Darlegung ergibt sich aus dem Gesetz, eines Hinweises auf diese Sachlage und eines Zuwartens mit der Entscheidung bedurfte es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 5 StR 441/18).“