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BtM II: Drogenhandel und Sozialleistungsbetrug, oder: Einkommensberechnung und „Aufwendungsabzug“

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.03.2025 – 1 ORs 51/25. Sie hat insofern mit BtM zu tun, als es um die Frage geht, inwieweit Einkommen aus Drogenhandel beim Sozialleistungsbezug bei der Berechnung der Einkommens von Bedeutung ist.

Dazu das OLG:

„1. Die getroffenen Feststellungen zur Höhe der aus den Drogenverkäufen erlösten und auf den Leistungsbezug nach SGB II anzurechnenden Gewinnen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich auch Einnahmen, die – wie hier – aus einer Straftat stammen und auf die der Täter zur täglichen Bedarfsdeckung zurückgreifen kann und konnte, als Einkommen im Sinne der §§ 11 ff. SGB II anzurechnen sind (vgl. nur LSG Hamburg, Urteil vom 04.06.2019 – L 4 AS 203/16, info also 2019, 222 <223> m.w.N.).

Es hat jedoch übersehen, dass die gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Aufwendungen, die für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen bei nichtselbständiger Arbeit (Werbungskosten) bzw. bei selbständiger Tätigkeit (Betriebsausgaben) notwendig sind, in Abzug zu bringen sind (vgl. Geiger, in Münder/Geiger/Lenze, SGB II, 8. Aufl., § 11b Rn. 16; Herbe, in GK-Sozialrechtsberatung, 3. Aufl., § 11b SGB II Rn. 9; Schmidt/Lange, in: Luik/Harich, SGB II, 6. Aufl., § 11b Rn. 22 f.). Dabei ist – unter Heranziehung steuerrechtlicher Grundsätze (vgl. Schmidt/Lange a.a.O., Rn. 23 m.w.N.) – allein eine wirtschaftliche und wertungsindifferente Betrachtungsweise anzustellen. D.h. für die Einordnung als Aufwendungen stellen moralische Gesichtspunkte kein geeignetes Wertungskriterium dar, so dass auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit der Einnahmenerzielung stehen, Erwerbsaufwendungen zu begründen vermögen (so FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2007 – 13 K 9/07, juris Rn. 25 f. m.w.N. zu Depotgebühren im Zusammenhang mit der Hinterziehung von Kapitaleinkünften).

Nach diesen Maßstäben hätte sich das Landgericht im Rahmen der Einkommensberechnung nach dem SGB II nicht damit begnügen dürfen, die jeweiligen Summen der in der Vorverurteilung tabellarisch aufgeführten Erlöse aus den einzelnen Drogen(weiter)verkäufen als anrechenbare Einnahmen anzusetzen. Vielmehr hätte es – notfalls im Wege der Schätzung – zunächst feststellen müssen, wie hoch die Aufwendungen waren, die der Angeklagte zuvor für den Einkauf der Betäubungsmittel getätigt hat, zumal es in den zitierten Gründen der Vorverurteilung ausdrücklich heißt, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel im Tatzeitraum von zwei Dealern auf Kommission gekauft hat (vgl. S. 3 UA).

Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, da angesichts der nicht unerheblichen Lückenhaftigkeit der Feststellungen nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Berechnung den Angeklagten in Bezug auf den Schuldumfang beschwert (vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.2018 – 1 StR 111/18, juris Rn. 23; Senat, Beschluss vom 13.09.2022 – 1 Ss 165/22 jew. zu § 266a StGB). Da insoweit eine Neuberechnung anzustellen ist, wodurch sich möglicherweise die Höhe der zu Unrecht ausgezahlten Beträge ändert, war auch der Einziehungsentscheidung die Grundlage entzogen. Um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat von einer teilweisen Aufrechterhaltung der Feststellungen abgesehen.“

OWi I: Dauerbrenner Verwerfung des Einspruchs, oder: Vertrauen auf Verteidiger/Inhaftierung und mehr

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Und dann das eigentliche OWi-Programm des Tages.

Ich beginne mit Entscheidungen, die sich u.a. mit dem Dauerbrenner „Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen befassen, und zwar:

1. Die Rüge, ein nach § 74 Abs. 2 OWiG erlassenes Verwerfungsurteil sei prozessrechtswidrig, weil der Betroffene auf den Antrag des Verteidigers von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens hätte entbunden werden müssen, bedarf der Darlegung, dass der Verteidiger durch „nachgewiesene Vollmacht“ zur Vertretung und damit zur Antragstellung befugt war.

2. Jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände darf ein Betroffener nicht der Aussage seines Verteidigers vertrauen, er werde von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens entbunden und müsse daher zur Hauptverhandlung nicht erscheinen.

3. Zu den Voraussetzungen sog. „subjektiven Entschuldigtseins“.

1. Der tatsächliche Zugang eines Schriftstücks ist ggf. dadurch belegt, dass der Verteidiger gegen den Bußgeldbescheid für den Betroffenen Einspruch eingelegt hat und darüber hinaus Akteneinsicht genommen hat, so dass dann jedenfalls im Zeitpunkt der Einsichtnahme in die Bußgeldakte die Heilung des Zustellungsmangels wirksam geworden und die Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist.

2. Es ist nicht erforderlich, dass der Zustellungsadressat und der tatsächliche Empfänger eines Schriftstücks identisch sind; vielmehr reicht es aus, wenn das Dokument nicht dem genannten Adressaten, sondern einer Person zugeht, an die die Zustellung ebenfalls hätte gerichtet werden können.

3. Macht die Verteidigung zur Begründung eines Entbindungsantrags geltend, dass der Betroffene weiterhin in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert sei und er deshalb weder zu dem Hauptverhandlungstermin wirksam geladen worden sei, noch habe erscheinen können, gibt dieses offensichtlich nicht ungeeignete Entschuldigungsvorbringen Anlass für eine Erörterung in den Urteilsgründen geben.

1. Gegen einen möglicherweise verhandlungsunfähigen Betroffenen findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

2. Durch die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Hauptverhandlung trotz möglicher Verhandlungsunfähigkeit eines Mitbetroffenen wird die Verteidigung unzulässig beschränkt.

 

OWi III: Wieder Ablehnung des Entbindungsantrags, oder: Keine Spekulationen, sondern nur Fakten

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Und im dritten Posting dann noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.11.2024 – 2 ORbs 172/24 – zum Dauerbrenner „Ablehnung des Entbindungsantrags“ des Betroffenen. Das ist ja auch so eine „Spielwiese“ der AG, auf der es an sich eingefahrene Regeln der OLG gibt, die aber immer wieder verletzt werden. So auch hier, was dann auf die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung führt(e):

„Der Betroffene hatte in der Hauptverhandlung beantragt, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden.

Der Antrag war rechtzeitig. Der Senat folgt der bei Göhler-Bauer, OWiG 19. Aufl., § 73 RN 4 in Fn 2 genannten Rechtsprechung.

Der Betroffene hatte über seinen Verteidiger die Fahrereigenschaft eingeräumt und erklärt, in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen zu wollen. Wie angesichts dessen durch die Anwesenheit des Betroffenen eine Sachverhaltsaufklärung hätte erfolgen sollen, ist nicht ersichtlich. Die rein spekulative Annahme, der Betroffene könne sich möglicherweise doch äußern, genügt nicht. Da der Entbindungsantrag somit zu Unrecht zurückgewiesen und der Einspruch in der Folge verworfen worden ist, ist damit auch das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden (vgl. nur OLG Hamm NZV 10, 214).

Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“

StPO II: Verlesung des ersten tatrichterlichen Urteils, oder: Aufhebung und Zurückverweisung

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Und als zweite Entscheidung der OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.08.2024 – 1 ORs 143/24 – zur (Berufungs)Hauptverhandlung nach Aufhebung und Zurückverweiseung eines (amtsgerichtlichen) Urteils.

Das AG hatte den Angeklagten mit Urteil vom 07.02.2023 u.a. wegen Subventionsbetruges verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte das OLG das Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Subventionsbetruges in elf Fällen schuldig ist und im Strafausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schöffengericht tätige Abteilung des AG zurückverwiesen worden. Das AG hat den Angeklagten dann wegen Subventionsbetruges in elf Fällen zu einer – zur Bewährung ausgesetzten – Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die erneut – mit der Verfahrensrüge – Erfolg hatte:

„Das Rechtsmittel hat bereits mit der den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte geltend macht, dass das Amtsgericht seinen Strafausspruch auf die – inzwischen rechtskräftigen – Feststellungen zum Schuldspruch gestützt hat, ohne diese jedoch zuvor in die Hauptverhandlung durch Verlesung oder auf sonstige Weise eingeführt zu haben, zumindest vorläufig Erfolg (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31.03.2000 – 1 St RR 37/00, juris Rn. 6). Vom Unterbleiben dieser im Verhandlungsprotokoll vom 27. Februar 2024 nicht ausgewiesenen wesentlichen Förmlichkeiten hat der Senat auszugehen, nachdem auch im Anschluss an den Eingang der Revisionsbegründung keine Berichtigung oder Ergänzung des Protokolls vorgenommen oder auch nur erwogen wurde (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 25.10.2016 – 1 OLG 181 Ss 77/16, juris Rn. 4; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.05.1998 – 2 Ss 162/98, juris Rn. 3).

Hebt das Revisionsgericht – wie hier – das Ausgangsurteil nur im Strafausspruch auf und verweist es die Sache in diesem Umfang zurück, sind der Schuldspruch und die ihm zugrundeliegenden Feststellungen für den neuen Tatrichter bindend und bilden die Grundlage für das weitere Verfahren (vgl. Franke, in: LR-StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 30). Somit befindet sich der neue Tatrichter bei teilweiser Zurückverweisung in einer ähnlichen Lage wie der – über eine teilweise beschränkte Berufung zur Entscheidung berufene – Berufungsrichter (vgl. Franke, in: LR-StPO, 26. Aufl., § 353 Rn. 27), welcher gemäß § 324 Abs. 1 StPO im Rahmen der die Hauptverhandlung einleitenden Berichterstattung das Urteil des ersten Rechtszuges zu verlesen hat, soweit es für das weitere Verfahren von Bedeutung ist. Dies versteht sich aus Gründen der Logik von selbst, da andernfalls insbesondere die Schöffen in Unkenntnis oder nicht ausreichender Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Schwerpunkte so wenig geeignet wären, ihr Richteramt mit der ihnen vom Gesetz aufgetragenen Verantwortung auszuüben, wie Schöffen, die über den Gegenstand der Anklage im Unklaren gelassen würden (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.1984 – 1 Ss 147/83, NStZ 1985, 379).

Dementsprechend wird auch im Fall teilweiser Zurückverweisung verlangt, dass die Mitglieder des gegenüber dem ersten Verfahrensgang neu besetzten Tatsachengerichts über den inzwischen rechtskräftig gewordenen Schuldspruch und seine tatsächlichen Grundlagen in einer den Erfordernissen des § 261 StPO Rechnung tragenden Weise – etwa durch Verlesung oder Bekanntgabe – unterrichtet werden (vgl. BGH, Urteil vom 31.10.1961 – 1 StR 401/61, NJW 1962, 59 <60>), da das neue Tatgericht ohne Kenntnis der es bindenden Schuldfeststellungen seiner Aufgabe nicht gerecht werden kann, die angemessene Rechtsfolge zu bestimmen (vgl. BGH a.a.O.; ferner OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.05.1998 – 2 Ss 162/98, juris Rn. 3).

Vor diesem Hintergrund hätten die Gründe des vom Senat nur teilweise aufgehobenen Ausgangsurteils des Amtsgerichts Westerstede vom 7. Februar 2023 insoweit verlesen oder auf sonstige Weise bekannt gemacht werden müssen, als sie die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen enthalten. Dies war jedoch nicht der Fall: Ausweislich des – mit der Verfahrensrüge zutreffend mitgeteilten – Hauptverhandlungsprotokolls sind lediglich – obwohl insoweit die rechtskräftigen Feststellungen zum Schuldspruch an dessen Stelle getreten sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 324 Rn. 1) – der Anklagesatz und das „Revisionsurteil“ des Senats verlesen worden. Dies vermochte die Verlesung oder sonstige Bekanntgabe der Urteilsgründe des Ausgangsurteils indes nicht zu ersetzen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.05.1998 – 2 Ss 162/98, juris Rn. 7).

Der Senat vermag auch nicht auszuschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass den Schöffen der konkrete Verfahrensgegenstand auf andere Weise rechtzeitig vor der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht worden ist, rügt die Revision zu Recht, dass wesentliche, (erst) in den schriftlichen Gründen des angefochtenen Urteils mitgeteilte Tatsachen – wie etwa der Umstand, dass der Angeklagte in einer Mehrzahl von Fällen in Höhe von 4.000,- Euro bzw. 9.997,- Euro nicht selbst bereichert und der Betrag der Schadenswiedergutmachung um ein Vielfaches höher war als in der (erneut verlesenen) Anklageschrift zugrunde gelegt – mangels dahingehender Bekanntgabe nicht in ausreichender Weise (§ 261 StPO) in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind. Es kann deshalb aus Sicht des Revisionsgerichts nicht ausgeschlossen werden, dass wesentliche Verfahrensbeteiligte – namentlich die Schöffen – über diese Umstände bei der Entscheidungsfindung im Unklaren geblieben sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31.03.2000 – 1 St RR 37/00, juris Rn. 11), was sich wiederum auf die Strafzumessung ausgewirkt haben kann (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 25.10.2016 – 1 OLG 181 Ss 77/16, juris Rn. 5; ferner OLG Hamburg, Urteil vom 12.12.1984 – 1 Ss 147/83, NStZ 1985, 379).“

OWi III: Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, oder: Umfang der Verteidigervollmacht

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Und im dritten Posting habe ich dann noch etwas zum Umfang der Verteidigervollmacht, und zwar den OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.08.2024 – 2 ORbs 114/24.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 260 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das OLG hat die Beschränkung als wirksam angesehen:

„Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam:

Es kann dahinstehen, ob die Ermächtigung nicht bereits aus der dem Verteidiger erteilten Vertretungsvollmacht folgt. Auch die Rechtsprechung, die dieses ablehnt und zudem unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln nicht ausreichen lässt (so zum Beispiel Bayerisches Oberstes Landesgericht, ZfSch 2024, 229 f.), macht dann eine Ausnahme, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung eines konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war. So akzeptiert diese Rechtsprechung es als ausreichend, wenn ein Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, nachdem die Vollmacht im Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides erteilt worden ist, wobei dies sogar dann gelten soll, wenn der Bußgeldbescheid zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch nicht erlassen war (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a. a. O.).

Hier ist die Vollmacht erteilt worden nach „Anhörung im Bußgeldverfahren“ und berechtigte gemäß Ziffer 10 zur „Zurücknahme von Rechtsmitteln“.

In Fortentwicklung der vorgenannten Rechtsprechung, sieht der Senat unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es im Bußgeldverfahren gegen Urteile als Rechtsmittel lediglich die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gibt, die erteilte Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln auch für die Rechtsbeschwerde als ausreichend an. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid (s.o.) nicht einmal um ein Rechtsmittel handelt, sondern um einen Rechtsbehelf eigener Art (vgl. BT- Drucks. V/1269 S. 93.).

Unabhängig davon hat der Verteidiger des Betroffenen auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Betroffene mit der Beschränkung des Rechtsmittels „ausdrücklich einverstanden“ gewesen sei, so dass der Verteidiger über die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung verfügt hat.“

Und die Rechtsbeschwerde hatte dann auch Erfolg. Das OLG hat das Fahrverbot entfallen lassen:

„Vorliegend haben folgende Umstände den Senat zu dieser ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG ermöglichten eigenen Sachentscheidung veranlasst:

Der Betroffene ist 86 Jahre alt und hat keine Eintragungen im Register. Tatort war eine -wenn auch innerörtliche- Bundesstraße. Die Tatzeit war 23:50 Uhr.

Das Amtsgericht ist offenbar zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass dieser “dringend ein Krankenhaus aufsuchen musste“ und ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffenen unter Schmerzen gelitten hat.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene selbst nur über eine Rente von 312 € verfüge. Es ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffene „nicht gut laufen“ könne. Wie aber Taxifahrten zu den regelmäßigen Arztbesuchen bei einem Einkommen von 312 € bezahlt werden könnten, ist nicht ersichtlich, da die vom Amtsgericht aufgezeigte Möglichkeit einer Kreditaufnahme rein theoretischer Natur sein dürfte. Soweit das Amtsgericht auf ein höheres Einkommen der Ehefrau des Betroffenen abstellt, ist dieses für die gegen ihn zu verhängende Sanktion irrelevant.

Da somit im Hinblick auf die Tat als solche, als auch bezüglich der Auswirkungen eines Fahrverbotes auf den Betroffenen, bereits nach den getroffenen (knappen) Feststellungen, eine Reihe entlastender Umstände vorliegen, hat der Senat das Fahrverbot entfallen lassen. In Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Betroffenen hat er auch von einer Erhöhung der Geldbuße abgesehen.“