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OWi I: Verstoß gegen Wartepflicht am Bahnübergang, oder: Erforderliche Urteilsfeststellungen

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By Feuermond16 – Own work

Und heute dann ein paar OWi-Entscheidungen. Nichts Besonderes, denn an der „Front“ its es derzeit ziemlich ruhig.

Ich stelle hier zunächst den OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.03.2024 – 2 ORbs 32/24  – zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht vor.

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überquerens eines Bahnübergangs trotz bestehender Wartepflicht verurteilt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte beim OLG Erfolg:

„Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Betroffene den beschrankten (Änderung durch mich: Im Beschluss heißt es „beschränkten“ 🙂 ) Bahnübergang überquert habe, obwohl Rotlicht gegeben worden sei und die Schranken sich bereits senkten. Es ist insoweit den Angaben der vernommenen Polizeibeamten gefolgt. Beide Zeugen — die sich auf der gegenüberliegenden Seite des Überganges befanden – haben nach den Ausführungen des Amtsgerichtes bekundet, dass das Fahrzeug des Betroffenen „über den Bahnübergang gefahren“ sei, als die Schranken sich bereits zu senken begannen. Ob mit diesen Angaben gemeint ist, dass der Betroffene erst begonnen hat den Bahnübergang – unklar, ob damit die eigentlichen Schienen oder der Bereich zwischen den Schranken gemeint ist- zu überqueren oder ob er sich noch im Bereich des Bahnübergangs befunden hat, als die Schranken sich senkten, ist nicht näher dargelegt.

Aus den Feststellungen ist zu entnehmen, dass ein Senken der Schranken nur bei Aufleuchten des Rotlichts erfolgt. Ob und wie lange allerdings das Rotlicht vorher aufleuchtet, wie lange die offenbar vorgeschaltete Gelbphase angedauert hat und welche zulässige Höchstgeschwindigkeit vor dem Bahnübergang bestand, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, da „in Cloppenburg“ nicht zwingend auf Innerörtlichkeit hindeutet. Ohnehin stellt das Amtsgericht, wohl weil die Zeugen die Lichtzeichenanlage in Fahrtrichtung des Betroffenen nicht einsehen konnten, auf das Absenken der Schranken (und damit auch das Rotlicht) ab. Ob dem Betroffenen aber ein Anhalten vor dem Andreaskreuz bei einer mittleren Bremsung (vergleiche OLG Schleswig DAR 85, 291; BayObLG DAR 81,153) möglich gewesen wäre, als die Pflicht vor dem Andreaskreuz zu warten einsetzte -also entweder bei gelben (soweit auch für den Betroffenen feststellbar) oder roten Lichtzeichen und/oder dem Senken der Schranken- lässt sich dem Urteil mangels näherer Angaben unter anderem dazu, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen befand, als die Wartepflicht einsetzte, nicht entnehmen (zu einem Verstoß bei einem durch Lichtzeichen und Schranken gesichertem Übergang vgl. Thüringer OLG, VRS 120, 36). Sollten die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes nicht gesehen haben, wäre zudem festzustellen, dass nicht „nur“ ein Verstoß gegen § 19 Abs. 3 StVO vorgelegen hat.

Nur wenn die Zeugen das Passieren des Andreaskreuzes beobachtet hätten, der Verstoß innerörtlich gewesen wäre und auch das Aufleuchten des vorgeschalteten gelben Lichtzeichens in Fahrtrichtung des Betroffenen feststellbar wäre, bedürfte es näherer Darlegungen nicht, da dann ohne Weiteres davon auszugehen wäre, dass der Betroffene rechtzeitig hätte anhalten können.

Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Auf die von der Generalstaatsanwaltschaft für durchgreifend erachtete Rüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches kommt es nicht mehr an. Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass nicht ersichtlich ist, weshalb dem Betroffenen vom Amtsgericht die sogenannte 4 – Monatsfrist nicht zugebilligt worden ist, obwohl er über keine Voreintragung verfügt.“

Wie gesagt: Ich habe mit erlaubt, aus dem Original enthaltenen „beschränkten Bahnübergang“ den „beschrankten“ zu machen 🙂 .

Rotlicht III: Urteilsfeststellungen zur „Wartepflicht am Bahnübergang“, oder: Unverständlich

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By Feuermond16 – Own work

Und der dritte Beschluss des heutigen Tages kommt dann vom OLG Celle. Es ist der OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2019 – 3 Ss (OWi) 14/19, der – wenn auch nicht im klassischen Sinn – ebenfalls mit Rotlicht zu tun hat. Es geht nämlich um einen Verstoß gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei gelben oder roten Lichtzeichen(§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO ) und die Frage: Welche Urteilsfeststellungen sind bei solchen Verurteilungen zu treffen.

Nach den Feststellungen des AG hatte der Betroffene am 17.05.2018 gegen 18:41 Uhr mit einem Pkw die W.straße in E. befahren und war nach links in die Wa.straße eingebogen. Dabei bemerkte er, dass die Lichtzeichenanlage am Bahnübergang gelbes Blinklicht zeigte, und fuhr dennoch, nachdem die Lichtzeichenanlage nunmehr auf Rot geschaltet hatte, über den Bahnübergang. Das AG hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei einem gelben oder roten Lichtzeichen zu einer Geldbuße von 240,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Dazu das OLG:

„.. Das angefochtene Urteil hält bereits sachlich rechtlicher Überprüfung nicht stand, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

1. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Verfahrensrüge hier bereits deshalb unzulässig ist, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen in unleserlicher Form durch Einfügen der Kopie eines handgeschriebenen Beweisantrags mitgeteilt worden sind (vgl. dazu BGHSt 33, 44).

2. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den Schuldspruch zu tragen. Es fehlt sowohl an Feststellungen zu den objektiven Tatumständen als auch zur inneren Tatseite.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO haben Fahrzeuge an Bahnübergängen vor dem Andreaskreuz zu warten, wenn rotes Blinklicht oder gelbe oder rote Lichtzeichen gegeben werden. Für Wechsellichtzeichen gemäß § 37 Abs. 2 StVO ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass der Kraftfahrer beim Umschalten des Wechsellichtzeichens von grün auf gelb nur dann anhalten muss, wenn er mit einer mittleren Bremsung noch vor der Haltelinie zum Stehen kommen kann. Zum starken Bremsen oder einer Gewalt- oder Notbremsung ist der Kraftfahrer dagegen nicht verpflichtet (vgl. BGH NZV 1992, 157; OLG Hamm NZV 2003, 574; KG NZV 1992, 251; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl. StVO § 37 Rn. 24 mwN). Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung auf das Fahrverhalten bei Lichtzeichen an Bahnübergängen übertragen. Ein Verstoß gegen das Gebot zum Anhalten liegt daher nur vor, wenn der Fahrer bei mittelstarker Bremsung (Bremsverzögerung 4 m/s²) noch vor dem Andreaskreuz gefahrlos anhalten kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 311 SsBs 12/08; ebenso OLG Jena VRS 120, 34; BayObLG DAR 1981, 153; NJW 1985, 1568; OLG Karlsruhe VRS 62, 219; OLG Schleswig DAR 1985, 291; König aaO § 19 Rn. 24; Weinland in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 19 StVO, Rn. 35). Hat danach der Betroffene bei Beginn des gelben Lichtzeichens bereits den kritischen Punkt überschritten, nach dessen Durchfahren sein Anhalteweg über das Andreaskreuz hinausreicht, so darf er seine Fahrt über den Bahnübergang hinweg fortsetzen, wobei er diesen zügig zu überqueren hat (OLG Celle aaO). Daraus folgt, dass das Amtsgericht, um eine Zuwiderhandlung gegen § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVO annehmen zu können, Feststellungen über die Entfernung des Betroffenen von der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz zu Beginn der Gelbphase und zu der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit treffen muss (vgl. OLG Celle aaO; KG VRS 67, 63, 64). Das ist vorliegend nicht erfolgt.

Allerdings können Feststellungen zur tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit sich erübrigen, wenn zumindest die zulässige Höchstgeschwindigkeit festgestellt worden ist und aufgrund der Entfernung von der Haltelinie zu Beginn der Gelbphase feststeht, dass der Betroffene bei Nichtüberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch mit einer mittleren Bremsung vor der Haltelinie bzw. dem Andreaskreuz hätte anhalten können (vgl. OLG Bremen VRS 79, 38, 41; OLG Hamm VRS 85, 464, 465). Überschreitet nämlich der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit und kann deswegen nicht mehr rechtzeitig anhalten, so begründet bereits die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit die Vorwerfbarkeit des Rot- bzw. Gelblichtverstoßes (vgl. OLG Köln VM 1984, 83). Auch die Feststellung des Abstands zur Haltelinie bei Beginn der Gelbphase kann entbehrlich sein, wenn zumindest feststeht, dass der Betroffene die Haltelinie erst bei Beginn der Rotphase erreichte und damit die gesamte Gelbphase, deren Dauer dann aber ebenfalls festgestellt sein muss, zum Anhalten zur Verfügung hatte (OLG Celle aaO; OLG Bremen aaO; OLG Hamm aaO). Indes müsste dann entweder die tatsächlich gefahrene oder zumindest die zulässige Höchstgeschwindigkeit und der Abstand zwischen Haltelinie und Gleisen festgestellt sein. Denn nur dann kann errechnet werden, welchen Weg der Betroffene innerhalb der Dauer der Gelbphase zurückgelegt hat bzw. bei Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben kann und wie lang sein Anhalteweg unter Berücksichtigung der Reaktions- und Bremsansprechzeit von 0,8 Sekunden (vgl. OLG Köln VRS 96, 344; OLG Bremen aaO; König aaO § 1 StVO Rn. 30a) und der mittleren Bremsverzögerung von 4 m/sec² gewesen wäre. Da diese Feststellungen nicht getroffen worden sind, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“

Unverständlich. Nicht der Beschluss, sondern das Verhalten des Betroffenen.

„Das Flatterband-Zeremoniell“ oder: Die DB setzt auf die Lösung „Mensch“

Die „Westfälischen Nachrichten“ berichten heute hier über eine interessantes „Flatterband-Zeremoniell“ in Beelen, wo ein Bahnwärter per Hand einenen gefährlichen Bahnübergang sichert. Die Lösung Mensch scheint dann doch die sicherste, wenn auch auf lange Sicht wohl nicht die billigste Lösung zu sein.