Archiv der Kategorie: beA/elektronisches Dokument

beA II: beA-Nutzungspflicht für ausländischen Anwalt?, oder: BGH bejaht (im Grundsatz)

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Und dann die zweite „beA-Entscheidung“. Das ist der BGH, Beschl. v. 15.05.2025 – IX ZB 1/24 -. in dem der BGH zu der Frage Stellung genommen hat, ob auch ein ausländischer – hier war es ein österreichischer- Rechtsanwalt – Schrift­sät­ze in Zi­vil­ver­fah­ren nach § 130d ZPO als elek­tro­ni­sches Do­ku­ment an das Ge­richt über­mit­teln muss. Der BGH hat die Frage – im Grundsatz – bejaht.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung – Rest dann bitte selbst im Volltext nachlesen:

1. Zur Wahrung des Schriftlichkeitserfordernisses für bestimmende Schriftsätze durch Zeichnung im Rubrum des Schriftsatzes durch einen österreichischen Rechtsanwalt.

2. Der dienstleistende europäische Rechtsanwalt hat im Grundsatz in einem Verfahren vor den Zivilgerichten vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.

 

beA I: Wirksame Berufung einer Einzelanwältin?, oder: Einfache Signatur auch auf sicherem Übermittlungsweg

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Und dann heute mal wieder zwei Entscheidungen zum beA bzw. zum Drumherum. Zunächst der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 09.04.2025 – XII ZB 599/23 – zum Erfordernis der einfachen Signatur bei Übersendung eines Schriftsatzes auf einem sicheren Übermittlungsweg.

Das LG hatte die Beklagte zur Zahlung von 8.110 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Beklagten, einer Einzelanwältin, am 04.08.2023 zugestellt worden. Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 04.09.2023 ist für die Beklagte auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem beA am selben Tag Berufung eingelegt und die Berufung in gleicher Form durch Schriftsatz vom 22.09.2023 begründet worden. Die Schriftsätze enden jeweils mit der Bezeichnung „Rechtsanwältin“, ohne dass sich darüber ein Name oder eine Unterschrift befindet. In den Transfervermerken findet sich in dem Feld „Qualifiziert elektronisch signiert“ die Angabe „nein“.

Das OLGhat nach Hinweis auf Bedenken gegen die Formwirksamkeit von Einlegung und Begründung der Berufung den von der Beklagten gestellten Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Berufungseinlegungsfrist zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, die der BGH als unzulässig angesehen hat, weil die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt seien:

„1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufungseinlegung nicht formgerecht erfolgt ist, weil es an der nach § 130 a Abs. 3 Satz 1 ZPO erforderlichen einfachen Signatur fehlt.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes besteht die einfache Signatur aus der Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein. Die einfache Signatur soll – ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22 – FamRZ 2022, 1865 Rn. 10 f. mwN).

Dem genügen die von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingereichten Schriftsätze nicht. Die Anfügung der Bezeichnung „Rechtsanwältin“ stellt keine Signatur dar (Senatsbeschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22 – FamRZ 2022, 1865 Rn. 12). Damit sind die zwingenden Formerfordernisse nicht erfüllt.

b) Das Erfordernis der einfachen Signatur kann auch nicht deshalb als entbehrlich angesehen werden, weil die mit ihm verbundenen Zwecke auf anderem Weg erfüllt wären.

Zwar spricht die gewählte Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg nach § 130 a Abs. 4 ZPO für die Identifizierbarkeit des Urhebers. Dennoch bietet der Briefbogen einer Anwaltskanzlei keine Gewähr für eine vollständige Aufzählung der in einer Kanzlei tätigen Rechtsanwälte und ist daher kein rechtssicherer Bezugspunkt für die Zuordnung der Verantwortlichkeit für einen Schriftsatz zu einem bestimmten Berufsträger. Der Briefbogen hat lediglich die gesetzlichen Mindestangaben nach § 10 BORA zu enthalten, so dass etwa angestellte Rechtsanwälte nicht aufgelistet werden müssen. Dass im Briefbogen der Kanzlei nur ein Rechtsanwalt genannt ist, schließt daher nicht aus, dass ein dort nicht aufgeführter Rechtsanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (BGH Urteil vom 11. Oktober 2024 – V ZR 261/23 – NJW-RR 2025, 83 Rn. 22; vgl. auch BSG Beschluss vom 15. Mai 2024 – B 8 SO 3/22 R – juris Rn. 7).

Im Übrigen erschöpft sich darin aber der Zweck des Formerfordernisses entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht. Vielmehr wird durch die (einfache) Signatur zudem sichergestellt, dass der Absender die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (vgl. zum früheren Unterschriftserfordernis BGH Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZB 9/11 – juris Rn. 6 mwN). Bei fehlender (einfacher) Signatur ist daher ähnlich wie bei fehlender Unterschrift nach dem früheren Unterschriftserfordernis nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem übersandten Dokument lediglich um einen bloßen – etwa versehentlich übersandten – Entwurf handelt. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. August 2022 (NJW 2022, 3028) steht dem schließlich schon deswegen nicht entgegen, weil im dort zugrundeliegenden Fall als Signatur eine eingescannte Unterschrift auf dem Schriftsatz vorhanden war.

2. Eine Wiedereinsetzung in die Berufungseinlegungsfrist kommt wegen des der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschuldens ihrer Rechtsanwältin nicht in Betracht.“

Übersendung des Ausdrucks einer elektronischen Akte, oder: Kein Anfall der Aktenversendungspauschale

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Die zweite Entscheidung am „Gebührenfreitag“ befasst sich auch mit der Aktenversendungspauschale. Es handelt sich um den AG Aschersleben, Beschl. v. 09.04.2025 – 6 OWi 31/25, der noch einmal Stellung nimmt zu der Frage, ob die Aktenversendungspauschale auch für einen Ausdruck einer eigentlich elektronisch geführten Akte dann anfällt, wenn die Akte übersandt wird, der Verteidiger die Übersendung eines Papierauszuges aber gar nicht beantragt hatte.

In einem OWi-Verfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung  hatte sich der Verteidiger mit Schreiben vom 17.12.2024 zur Akte gemeldet und beantragt: „ihm die amtliche Ermittlungsakte zum Zwecke der Einsichtnahme in elektronischer Form zukommen zu lassen„. Die Zentrale Bußgeldstelle führte die Akten zwar elektronisch, entschied sich jedoch, die Akten auszudrucken und an den Verteidiger zu versenden, wofür sie dann die Auslagenpauschale erhoben hat. Zur Begründung meinte sie, die Akten seien auszudrucken und zu versenden gewesen, weil die technischen Voraussetzungen für den elektronischen Versand noch nicht abgeschlossen seien.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der begründet/erfolgreich war:

„Das Gericht teilt zwar nicht die Auffassung des Amtsgericht Daun (Beschluss vom 12.04.2020 Az.: 4c OWi 132120) und des Amtsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.08.2020 Az: 976 OWi 94/20) wonach die elektronische Versendung der gesetzliche Standardfall sei (was er ist) und allein deswegen eine Versendung im Papierformat ohne Auslagenersatz bleibe. Dem (der Annahme eines das Schicksal der Auslagenentscheidung bestimmenden Standardfalles) steht nämlich der Wortlaut des § 107 Abs. 5 OWiG insoweit entgegen, weil er die tatsächlich erfolgte elektronische Versendung zur Voraussetzung hat. Gleichwohl ist der Wortlaut der Auslegung zugänglich. Das Amtsgericht Radolfzell führt im Beschluss vom 09.02.2024 insoweit aus:

„Gemäß § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG, der mit Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 seine derzeit geltende Fassung erhielt, wird eine Aktenversendungspauschale nicht erhoben, wenn die Akte elektronisch geführt wird und ihre Übermittlung elektronisch erfolgt. Ersteres ist vorliegend der Fall. Letzteres ist allerdings nicht erfolgt, vielmehr wurden bei der Verwaltungsbehörde – sei es, weil dort die technischen Voraussetzungen für einen elektronischen Aktenversand (noch) gar nicht bestehen, sei es, weil dies vorliegend im Einzelfall für „praktischer“ gehalten wurde – von der elektronisch geführten Akte Papierausdrucke erstellt und dem Verteidiger postalisch übersandt.

Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Vorschrift des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte dahingehend auszulegen ist, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich elektronisch geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antragsteller (der Verteidiger) die Übersendung eines Papierauszuges ausdrücklich beantragt, was vorliegend nicht geschehen ist.

In der Begründung des Gesetzes vom 05.07.2017 (BT-Drucks. 18/9416) heißt es nämlich zur Begründung der Änderungen bei der Regelung zur Erhebung der Dokumentenpauschale im GKG, FamGKG, GNotKG und JVKostG, die jeweils einheitlich dahingehend abgeändert wurden, dass „eine Dokumentenpauschale nur erhoben (wird), wenn auf besonderen Antrag ein Ausdruck einer elektronischen Akte oder ein Datenträger mit dem Inhalt einer elektronischen Akte übermittelt wird: „Eine Dokumentenpauschale soll nur für die Fälle der Übermittlung eines elektronischen Aktenausdrucks oder eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akte anfallen, da in diesen Fällen der besondere Aufwand durch einen Antrag des Einsichtnehmenden verursacht wird.“ Demgegenüber soll das elektronische Bereitstellen einer Akte zum Abruf ebenso kostenfrei bleiben, wie die Einsichtnahme einer Akte in den Diensträumen oder die Übergabe zur Mitnahme. In der Begründung heißt es weiter ausdrücklich: „Wählt im Einzelfall die Einsicht gewährende Stelle den Weg der Übermittlung eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akte, weil z. B. das Bereitstellen des Inhalts einer Akte zum Abruf nicht möglich ist, soll keine Dokumentenpauschale anfallen.“ Es soll also nach dem Willen des Gesetzgebers für das Entstehen der Gebühr darauf ankommen, in wessen Verantwortungsbereich die Gründe für die den Aufwand verursachende Art der Gewährung von Akteneinsicht liegen. Auf diese Begründung nimmt die mit demselben Gesetz vorgenommene Änderung des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG, mit dem die Aktenversendungspauschale bei Einsicht in die elektronische Akte, die bis dahin 5,00 Euro betragen hatte, abgeschafft wurde, ausdrücklich Bezug (s. BT-Drucks. 1819416. S. 75, 80). Die Regelung im OWiG zum Anfall der Aktenversendungspauschale im verwaltungsbehördlichen Bußgeldverfahren sollte daher nach dem Willen des Gesetzgebers ersichtlich den Regelungen zum Anfall der Dokumentenpauschale bei Einsicht in elektronisch geführte Akten in gerichtlichen Verfahren gleichgestellt werden.“

Dieser Auffassung schließt sich das Gericht vor dem Hintergrund des die Auslegung maßgeblich bestimmenden Willens des Gesetzgebers (AG Aschersleben Urt. v. 24.9.2024 — 2 Ds 275 Js 34057/22 (69/24), BeckRS 2024, 29884, beck-online, mittlerweile rechtskräftig) an.

Der Verteidiger hat hier ausdrücklich nur die Übersendung in elektronischer Form beantragt. Die Behörde hätte den Verteidiger zuvor auf die beabsichtigte Versendung in Papierform hinweisen müssen.“

Übermittlung eines elektronischen Dokuments, oder: Nicht nur mit „Rechtsanwalt“ ohne Namenszusatz

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Im „Kessel-Buntes“ gibt es heute zunächst etwas zum BeA, und zwar den BGH, Beschl. v. 11.03.2025 – VI ZB 5/24 – zu den den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO an die Übermittlung eines elektronischen Dokuments.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch. Das LG hat die Klage mit Urteil vom 17.08.2023 abgewiesen. Dieses Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.08.2023 zugestellt worden. Die Berufungsschrift und ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sind form- und fristgemäß beim OLG eingegangen. Das OLG hat die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 22.11.2023 verlängert. Am 27.10.2023 ist beim OLG eine von Rechtsanwalt Dr. I. qualifiziert elektronisch signierte Berufungsbegründung eingegangen. Im zugehörigen Prüfvermerk vom 27.10.2023 ist als Absender der Nachricht Rechtsanwalt Dr. E. genannt mit dem Hinweis: „Diese Nachricht wurde per EGVP versandt“. Im Briefkopf der Berufungsbegründung sind mehrere Berufsträger angegeben, unter anderem Rechtsanwalt Dr. E. und Rechtsanwalt Dr. I. In der Berufungsbegründung wird einleitend Rechtsanwalt Dr. E. als „Ansprechpartner“ genannt. Am Ende des Schriftsatzes findet sich nur die Angabe „Rechtsanwalt“, ein Name ist dort nicht angegeben. Das OLG hat die Berufung nach einem Hinweis durch Beschluss als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde. Die hatte Erfolg:

„…. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Berufung der Klägerin sei nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden, da der am 27. Oktober 2023 beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz den Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht genüge, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die Bestimmung stellt damit zwei Wege zur rechtswirksamen Übermittlung von elektronischen Dokumenten zur Verfügung. Zum einen kann der Rechtsanwalt den Schriftsatz mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Zum anderen kann er auch nur einfach signieren, muss den Schriftsatz aber sodann selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, etwa über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) nach den §§ 31a und 31b BRAO (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO), einreichen. Die einfache Signatur hat in dem zuletzt genannten Fall die Funktion zu dokumentieren, dass die durch den sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der die Verantwortung für das elektronische Dokument übernehmenden Person identisch ist; ist diese Identität nicht feststellbar, ist das Dokument nicht wirksam eingereicht (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Mai 2024 – VI ZB 22/23, NJW-RR 2024, 1058 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23, NJW 2024, 1660 Rn. 9 f.). Nach einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein elektronisches Dokument, das aus einem persönlich zugeordneten beA (vgl. § 31a BRAO) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, nur dann wirksam eingereicht, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Mai 2024 – VI ZB 22/23, NJW-RR 2024, 1058 Rn. 5 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass die Berufungsbegründung, die mit dem Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namenszusatz endet, nicht unter den Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 2. Alt. ZPO beim Berufungsgericht eingereicht worden ist. Denn die Berufungsbegründung ist weder mit einer einfachen Signatur eines Rechtsanwalts versehen, wofür die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2022 – XII ZB 215/22, NJW 2022, 3512 Rn. 10; BT-Drucks. 17/12634 S. 25; Bacher, MDR 2022, 1441 Rn. 22), noch auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a Abs. 4 Satz 1 ZPO eingereicht worden. Aus den Angaben im Prüfvermerk vom 27. Oktober 2023 ergibt sich, dass die Berufungsbegründung zwar aus dem beA des Rechtsanwalts Dr. E. versandt worden ist, aber nicht von ihm persönlich. Hätte Rechtsanwalt Dr. E. die Nachricht persönlich versandt, lautete die Angabe im Prüfvermerk: „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“. Bei Nachrichten, die nicht vom Inhaber des beA selbst versandt worden sind, lautet die Angabe im Prüfvermerk hingegen wie im Streitfall, nämlich „Diese Nachricht wurde per EGVP versandt“ (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2022 – IX ZR 118/22, juris Rn. 10; Bacher, MDR 2022, 1441 Rn. 29, 32).

c) Rechtsfehlerhaft ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung sei auch nicht nach § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO wirksam beim Berufungsgericht eingereicht worden, da nicht feststehe, welcher der beiden Anwälte, Rechtsanwalt Dr. E. oder Rechtsanwalt Dr. I., die Berufungsbegründung verantworte. Rechtsanwalt Dr. I. hat die Berufungsbegründung qualifiziert elektronisch signiert. Mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur ist die Vermutung verbunden, dass er die Verantwortung für die Berufungsbegründung übernehmen wollte; diese Vermutung ist im Streitfall nicht erschüttert.

aa) Die qualifizierte elektronische Signatur entspricht im elektronischen Rechtsverkehr der handschriftlichen Unterschrift (Senatsbeschluss vom 18. April 2023 – VI ZB 36/22, NJW 2023, 2433 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23, NJW 2024, 1660 Rn. 10; jeweils mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht der Sinn der Unterschrift darin, die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung zu ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck zu bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2019 – VI ZB 22/19 und VI ZB 23/19, NJW-RR 2020, 309 Rn. 11; für die qualifizierte elektronische Signatur BGH, Beschluss vom 19. Januar 2023 – V ZB 28/22, NJW 2023, 1587 Rn. 10; jeweils mwN). Es spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass der Unterzeichner sich den Inhalt eines Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt (BVerfG, NJW 2016, 1570 Rn. 24; Senatsurteil vom 20. Dezember 2022 – VI ZR 279/21, NJW-RR 2023, 495 Rn. 7 mwN). Entsprechend bringt der Rechtsanwalt, der ein elektronisches Dokument qualifiziert elektronisch signiert, selbst wenn es von einem anderen verfasst wurde, wie mit seiner eigenhändigen Unterschrift ohne weitere Voraussetzungen im Zweifel seinen unbedingten Willen zum Ausdruck, Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23, NJW 2024, 1660 Rn. 13 mwN).

bb) Diese mit der qualifizierten elektronischen Signatur von Rechtsanwalt Dr. I. verbundene Vermutung ist im Streitfall nicht erschüttert. Entgegenstehende Anhaltspunkte ergeben sich nach den oben angeführten Grundsätzen weder daraus, dass Rechtsanwalt Dr. E. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Verfahren in erster Instanz allein verantwortet und die Berufung eingelegt hat, noch daraus, dass er als „Ansprechpartner“ in der Berufungsbegründung angegeben ist. Anders als das Berufungsgericht meint, ist auch unschädlich, dass der Name von Rechtsanwalt Dr. I. am Ende des Schriftsatzes nicht genannt ist und der Schriftsatz nicht aus dessen beA versandt worden ist. Das Berufungsgericht verkennt die Anforderungen des § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO. Die einfache Signatur eines Schriftsatzes ist neben der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO nicht erforderlich (vgl. Bacher, MDR 2022, 1441 Rn. 17; nach BGH, Beschluss vom 28. Februar 2024 – IX ZB 30/23, NJW 2024, 1660 Rn. 13 und BAG, NJW 2020, 258 Rn. 9 f. ist sogar unschädlich, wenn am Ende des qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatzes ein anderer Name steht). § 130a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ZPO verlangt auch nicht, dass der Schriftsatz aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert hat, dem Gericht übermittelt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2024 – 6 StR 93/24, NStZ-RR 2024, 316 f., juris Rn. 5 f. mwN [zu § 32a Abs. 3 Satz 1 1. Alt. StPO]).“

2. Eine Berufungsbegründung, die mit dem Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namenszusatz endet, ist weder mit einer einfachen Signatur eines Rechtsanwalts versehen, wofür die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes ausreicht, noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden.

3. Mit der qualifizierten elektronischen Signatur ist die Vermutung verbunden, dass der Unterzeichner sich den Inhalt eines Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung übernimmt.

4. Die einfache Signatur eines Schriftsatzes ist neben der qualifizierten elektronischen Signatur nicht erforderlich. Weiter ist es nicht erforderlich, dass der Schriftsatz aus dem beA desjenigen Rechtsanwalts, der den Schriftsatz qualifiziert elektronisch signiert hat, dem Gericht übermittelt wird.

beA: Vorübergehende technische Unmöglicheit, oder: Glaubhaftmachung, Ausgangskontrolle, StA-Revision

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In die neue Woche starte ich hier mit insgesamit vier Entscheidungen zum beA, zwei kommen vom BGH, eine vom BayObLG und eine vom OLG Stuttgart. Die beiden Entscheidungen vom BGH sind in Zivilverfahren ergangen, ich stelle sie aber mit ein, weil die vom BGH entschiedenen Fragen ggf. auch in Straf- und Bußgeldverfahren, wenn ein Verschulden des Verteidigers dem Mandanten zugerechnet wird, von Bedeutung sein können.

Ich stelle aber jeweils nur die Leitsätze der Entscheidungen vor, den Rest übergebe ich dem Selbstleseverfahren. Hier sind dann:

Für die Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument nach § 130d Satz 2, 3 ZPO bedarf es zunächst einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Hieran fehlt es, wenn die dargelegten Tatsachen jedenfalls auch den Schluss zulassen, dass die Unmöglichkeit nicht auf technischen, sondern auf in der Person des Einreichers liegenden Gründen beruht. Darzulegen ist die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, wobei eine laienverständliche Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen genügt, aufgrund derer es möglich ist festzustellen, dass Bedienungsfehler unwahrscheinlich sind.

1. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Dabei entsprechen die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen mittels beA nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Nutzung des beA ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen.

Eine Verpflichtung, die Revisionseinlegung als elektronisches Dokument zu übermitteln, besteht nach § 32d StPO nur für Verteidiger und Rechtsanwälte. Für die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte gilt hingegen eine hiervon abweichende Regelung, die in § 32b Abs. 3 StPO normiert ist. Danach ist  eine Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Rechtsmitteleinlegungs nur bei elektronischer Aktenführung vorgesehen.

Die von § 32d S. 4 Hs. 1 StPO vorgeschriebene Glaubhaftmachung ist nicht erforderlich, wenn der Grund der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit im Sinne von § 32d Satz 3 StPO gerichtsbekannt oder allgemeinkundig ist.