Archiv der Kategorie: beA/elektronisches Dokument

Frist/beA I: Beweiswirkung eines elektronischen EB, oder: Entkräftung der Beweiswirkung

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Und dann zum Abschluss der 11 KW/2025 zwei Entscheidungen zum beA bzw. zu Fristen und zur Fristwahrung.

Den Reigen eröffne ich mit dem OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2025 – 20 U 8/24 – zur Entkräftung der Beweiswirkung eines elektronischen Empfangsbekenntnisses. Es handelt sich um die Zurückweisung einer Berufung, zu der das OLG schon vorab in einem Hinweisbeschluss Stellung genommen hatte. Zu dem Hinweisbeschluss war eine Stellungnahme des Klägers eingegangen, zu deren fristegmäßen Eingang das OLG sich dann auch geäußert hat. Das ganze – inklusive der Ausführungen des OLG zum Klagegegenstand – auf rund 26 Seiten. Daher gibt es es hier zur die Leitsätze des OLG zum elektronischen Empfangsbekenntnis und der Entkräftung der Beweiswirkung:

1. Das von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebene Empfangsbekenntnis erbringt gegenüber dem Gericht den vollen Beweis nicht nur für die Entgegennahme des Dokuments als zugestellt, sondern auch für den angegebenen Zeitpunkt der Entgegennahme und damit der Zustellung (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 17.01.2024 – VII ZB 22/23, NJW 2024, 1120 Rn. 10; v. 07.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 10 und v. 18.04,2023 – VI ZB 36/22, NJW 2023, 2433 Rn. 11).

2. Für den Gegenbeweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet sein, also jede Möglichkeit der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen werden (Anschluss an: BGH, Beschl. v. 18.04.2023 – VI ZB 36/22, NJW 2023, 2433 Rn. 11 und v. 07.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 10; Urt. v. 07.06.1990 – III ZR 216/89, NJW 1990, 1026).

3. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem dokumentierten Zeitpunkt der elektronischen Übersendung des Dokuments und dem im Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatum (hier: sechs Wochen) erbringt den Beweis der Unrichtigkeit der Datumsangabe für sich genommen noch nicht (Anschluss an: BGH, Beschlüsse vom 07.10.2021 – IX ZB 41/20, NJW-RR 2021, 1584 Rn. 11 und vom 19.04,2012 – IX ZB 303/11, NJW 2012, 2117 Rn. 8). Es dürfen jedoch auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Anschluss an: BGH, Beschlüsse vom 14.10.2008 – VI ZB 23/08, NJW 2009, 855, 856 und vom 08.05.2007 – VI ZB 80/06, NJW 2007, 3069).

4. In einem solchen Fall kann die Partei deshalb nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast verpflichtet sein, sich substantiiert zu den Umständen zu erklären, die die Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses zweifelhaft erscheinen lassen, und zu dem tatsächlichen Zeitpunkt der subjektiv empfangsbereiten Kenntnisnahme vorzutragen. Außerdem kann das Gericht nach §§ 142, 144 ZPO die Vorlage des beA-Nachrichtenjournals des Rechtsanwalts der Partei anordnen.

5. Hieraus und aus den Erklärungen der Partei können sich jedenfalls Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der empfangsbereiten Entgegennahme des zuzustellenden Schriftstücks durch den Rechtsanwalt und damit ein von dem Empfangsbekenntnis abweichendes Zustelldatum ergeben. Erklärt sich die Partei nicht und legt auch das beA-Nachrichtenjournal ihres Rechtsanwalts nicht vor, kann – in entsprechender Anwendung von § 427 ZPO – der Beweis der Unrichtigkeit des in dem Empfangsbekenntnis angegebenen Zustelldatums geführt sein.

Wiedereinsetzung II: Angestellte „verbaselt“ Fristen, oder: RA muss Fristvermerke in der Handakte prüfen

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 19.12.2024 – III ZB 16/24.

Gestritten wird um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und die Verwerfung des Rechtsmittels gegen ein Urteil des Landgerichts, durch das eine auf Zahlung von 397.318 EUR abgewiesen und der Kläger auf die Widerklage der Beklagten zur Zahlung von 49.446,05 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist.

Gegen das am 06.11.2023 zugestellte LG-Urteil hat der Kläger am 06.12.2023 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 08.01.2024 – eingegangen am 09.01.2024 – hat der Kläger beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat zu verlängern. Auf den Hinweis des Gerichts, die Berufung könnte unzulässig sein, da die Frist zur Berufungsbegründung am Montag, 08.01.2024, abgelaufen sei, hat der Kläger mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 19.01.2024 wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Zur Begründung seines Antrags hat der Kläger ausgeführt, der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei von einer ansonsten zuverlässigen Angestellten fälschlicherweise für den 09.10.2024 sowohl in den elektronischen wie auch in den händischen Fristenkalender sowie in die Handakte eingetragen worden. Bei der Vorlage der auf den 02.01.2024 notierten Vorfrist sei der Fehler dem Vertreter des erkrankten Sachbearbeiters aufgefallen, und dieser habe die Angestellte angewiesen, die Fristen in sämtlichen Kalendern mit absoluter Priorität auf den 08.01.2024 zu korrigieren, die Akte zur weiteren Bearbeitung an den zu diesem Zeitpunkt abwesenden Rechtsanwalt S. zu übertragen und für diesen einen Fristverlängerungsantrag vorzubereiten. Der Vertreter habe die Angestellte etwa eine halbe Stunde später gefragt, ob sie die Frist weisungsgemäß abgeändert habe, was diese bejaht habe, und die Korrektur des Handkalenders überprüft. Jedoch habe die Angestellte die Einträge im elektronischen Kalender sowie in der Handakte nicht korrigiert.

Am 08.01. sei die Akte auf Rechtsanwalt S. übertragen worden und die Angestellte habe den Fristverlängerungsantrag vorbereitet. Dabei seien ihr die unterschiedlichen eingetragenen Fristen aufgefallen, und sie habe in der Annahme, die auf den 08.01.2024 korrigierte Frist sei falsch, diese wiederum auf den 09.01.20.24 abgeändert. Die für einen solchen Fall bestehende Weisung, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, habe sie wegen einer Vielzahl an zu bearbeitenden Angelegenheiten missachtet. Die Akte habe die Angestellte dem Rechtsanwalt S.  am 08.01.2024 mit dem auf den Folgetag lautenden Fristablaufvermerk vorgelegt und einen vorbereiteten „Verlegungsantrag“ am 09.01.2024 zur Signatur in das elektronische Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingesetzt.

Das OLG hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Klägers verworfen. Hiergegen wendet sich seine Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„2.  Diese Ausführungen lassen einen Zulassungsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht. Dabei kann dahinstehen, ob der Vertreter des Sachbearbeiters angesichts der besonderen Umstände bereits am 2. Januar 2024 gehalten gewesen wäre, einen Fristverlängerungsantrag zu stellen. Jedenfalls hat es der sachbearbeitende Rechtsanwalt am 8. Januar 2024 pflichtwidrig versäumt, bei Vorlage der Handakte die falsch notierte Frist zu überprüfen.

Die sorgfältige Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung schließt stets auch die selbständige Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit mit ein. Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung mit einer Sache befasst wird, hat dies deshalb zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Nur hinsichtlich der Fristenberechnung und Fristenkontrolle, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer Bearbeitung durch den Rechtsanwalt dienen, kann sich der Rechtsanwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten. Dagegen ist er im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozesshandlung nicht davon befreit, die Einhaltung der maßgeblichen Fristen nochmals zu überprüfen (vgl. Senat, Urteil vom 25. September 2014 – III ZR 47/14, NJW 2014, 3452 Rn. 11 mwN).

Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter am 8. Januar 2024 eine solche Überprüfung vorgenommen hat. Soweit er sich darauf beruft, ein Rechtsanwalt dürfe darauf vertrauen, dass eine Kanzleiangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen habe, eine konkrete Einzelanweisung – hier die Korrektur des Fristeintrags – befolge (Rechtsbeschwerdebegründung S. 9), verkennt er, dass die von ihm angeführte Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 13 mwN) solche Fälle betrifft, in denen ein vom Rechtsanwalt bereits unterzeichneter und mit einer Korrekturanweisung dem Büropersonal übergebener Schriftsatz nicht mehr in seinen Einflussbereich gelangt (BGH aaO Rn. 14). Dagegen wird der Rechtsanwalt – selbst dann, wenn er sich unmittelbar nach Erteilung einer Weisung überobligationsmäßig über die Befolgung seiner Anordnung vergewissert hat – nicht der Pflicht enthoben, nochmals die richtige Notierung der Frist zu überprüfen, wenn ihm die Akte zur Vorbereitung der fristwahrenden Handlung vorgelegt wird (vgl. Senat aaO Rn. 12).“

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Wiedereinsetzung I: Prüfpflicht des Versenders, oder: Wenn der Berufungsbegründungs-Schriftsatz „leer“ ist

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Und dann der Kessel Buntes, heute mit zwei BGH-Entscheidungen zur Wiedereinsetzung. Sie stammen beide aus Zivilverfahren, die Aussagen des BGH haben aber m.E. darüber hinaus Bedeutung.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 17.12.2024 – II ZB 5/24. Ergangen ist der in einem Verfahren, in dem sich zwei ehemalige Kanzleikollegen nach ihrer Trennung um Erstattungsansprüche streiten. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Am letzten Tag der Berufungsfrist geht dann beim LG über das beA des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Nachricht mit zwei pdf-Anhängen ein. Der eine Anhang enthielt das Urteil des AG: Der der andere – mit Namen „Schriftsatz.pdf“ bezeichnet enthielt ein leeres Blatt.

Es wird dann Wiedereinsetzung beantragt, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wie folt begründet: Er habe den Schriftsatz entsprechend der Bedienungsanleitung von Word an „RA-Micro“ und dann ans beA übertragen, wovon er sich überzeugt habe. Es sei aber wohl so gewesen, dass bei der Umwandlung der Word- in eine pdf-Datei infolge einer technischen Fehlfunktion eine leere Seite entstanden sei. Dieses technische Problem sei ihm nicht anzulasten.

Das hat das LG anders gesehen und es wird vom BGH in der Rechtsbeschwerde bestätigt:

„…..

Das Berufungsgericht hat zu Recht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen.

b) Die Klägerin hat nicht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, ohne ein – ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares – Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 233 Satz 1 ZPO an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen zu sein. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter vor der elektronischen Signatur der PDF-Datei und der Übersendung an das Gericht diese Datei hinreichend überprüft und kontrolliert hat.

aa) Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen grundsätzlich denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) gehört es daher zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen (BGH, Beschluss vom 8. März 2022­ VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11 mwN). Entscheidend ist, dass das tatsächlich signierte Dokument überprüft wird, was insbesondere auch in den Fällen gilt, in denen eine Datei durch Scan-, Kopier- und Speichervorgänge erneut erstellt wird. Durch diese Vorgänge wird im elektronischen Bereich eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, so dass es erforderlich ist, das letztlich zu signierende Dokument zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2022­ VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 14).

bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine entsprechende Überprüfung vorgenommen hat. Dieser hat die Berufungsschrift im Word-Programm erstellt. Diese ist als PDF-Dokument abgespeichert und übersendet worden. Dass vor der Signatur das PDF-Dokument von ihrem Prozessbevollmächtigten auf inhaltliche Richtigkeit überprüft worden ist, legt die Klägerin nicht dar. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass durch die Umwandlung der DOC-Datei des Programms „MS-Word“ in ein PDF-Format technisch leere Seiten erzeugt werden könnten aufgrund eines technischen Versagens, das ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen sei. Hätte dieser jedoch die PDF-Datei nochmals geöffnet, hätte er sehen müssen, dass diese nur eine leere Seite enthielt. Die mangelnde Überprüfung hat dazu geführt, dass die Berufungsfrist wegen der Übersendung der Datei mit der leeren Seite versäumt wurde.“

beA: Fristwahrung bei technischer Störung des beA, oder: Ersatzeinreichung per Fax statt Wiedereinsetzung

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Und dann im Mittagsposting das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 03.01.2025 – 9 U 75/24 – zur Ersatzeinreichung per Fax bei technischer Störung des beA statt Wiedereinsetzung. Die Entscheidung stammt zwar aus einem Zivilverfahren, kann aber auchin anderen Verfahrensarten Bedeutung erlangen.

Gestritten wird über verschiedene Forderungen. Das LG hat die Klage mit Urteil vom 15.08.2020 – dem Klägervertreter zugestellt am 20.08.2024 – abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.09.2024 Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 15.10.2024 hat der Klägervertreter die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.11.2024 beantragt was ihm mit Verfügung vom 16.11.2024 gewährt worden ist.

Die per beA übermittelte Berufungsbegründung ist sodann am 21.11.2024 um 00:00:09 Uhr auf dem Server des OLG Frankfurt am Main eingegangen. Mit Verfügung vom 21.11.2024 ist die Klägerin auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung wegen Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden. Mit Schriftsatz vom 05.12.2024 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Sie behauptet unter Vorlage einer diesbezüglichen anwaltlichen Versicherung, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 20.11.2024 um ca. 23:15 Uhr versucht, die Berufungsbegründung über das beA-Portal zu versenden. Obwohl das Portal ordnungsgemäß eingerichtet gewesen sei, die Client Security in der aktuellen Version vorgelegen habe und das Kartenlesegerät ordnungsgemäß angeschlossen gewesen sei, sei beim Versuch, sich am beA-Portal anzumelden, eine Fehlermeldung angezeigt worden. Verschiedene Maßnahmen, u.a. ein mehrfacher Neustart des Rechners, seien ohne Erfolg geblieben. Schließlich sei der beA-Client auf einem alternativen Notebook eingerichtet worden, worüber der Schriftsatz habe versandt werden können. Dies sei aber erst am 21.11.2024 um 00:00:02 Uhr – Eingang bei Gericht um 00:00:09 Uhr – erfolgt, was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch das Schreiben des Gerichts vom 21.11.2024 erfahren habe.

Das OLG hat die Berufung als unzulässig verworfen und Wiedereinsetzung nicht gewährt:

„Die Berufung der Klägerin war wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen. Die gemäß § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO verlängerte Frist lief am 20.11.2024 ab, die Berufungsbegründung ist indes erst am 21.11.2024 auf dem Server des Oberlandesgerichts eingegangen.

Der Klägerin war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar ist Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO gewahrt, auch ist die Berufungsbegründung innerhalb dieser eingegangen. Ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 233 ZPO liegt aber nicht vor. Das Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das sich die Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Zwar kann eine Funktionsstörung des zur Übermittlung benutzten Computers eine technische Störung im Sinne von § 130d S. 2 ZPO darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 1.3.2023 – XII ZB 228/22, juris Rn. 13). Im Streitfall kann aber dahinstehen, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinen Schriftsätzen vom 5.12.2024 und 18.12.2024 hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass der Computerdefekt auf einem unvorhersehbaren und nicht vermeidbaren Fehler der verwendeten Hard- oder Software beruhte und somit nach den glaubhaft gemachten Tatsachen nicht die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten – beispielsweise durch einen Bedienfehler – verschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 1.3.2023 – XII ZB 228/22, juris Rn. 13, 17 m.w.N.).

Denn die Klägerin hat trotz des ausdrücklichen Hinweises des Senats nicht dazu vorgetragen, dass auch eine fristgerechte Ersatzeinreichung der Berufungsbegründung gemäß § 130d S. 2 ZPO nicht möglich war. Zwar ergibt sich aus § 130d S. 2 ZPO keine unmittelbare Verpflichtung zur Ersatzeinreichung. Kann eine Frist im Wege der Ersatzeinreichung aber noch gewahrt werden, scheidet eine Wiedereinsetzung aus (Zöller/Greger ZPO, 35. Aufl. 2024, § 130d Rn. 4). Ob eine Ersatzeinreichung möglich, zumutbar und deshalb geboten war, ist nach dem Verschuldensmaßstab des § 233 S. 2 ZPO und den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.10.2023 – 12 U 47/23, juris Rn. 47).

Im Grundsatz darf ein Rechtsanwalt sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf einrichten, einen Schriftsatz auf einem bestimmten Weg – hier per beA – zu übermitteln. Scheitert die Übermittlung an einem unerwarteten Defekt, kann vom Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verlangt werden, innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2020 – III ZB 31/20, juris Rn. 18). Im Einzelfall kann das Ausweichen auf eine andere als die gewählte Übermittlungsart aber geboten sein, insbesondere dann, wenn der Zusatzaufwand geringfügig und zumutbar ist. Hierzu wurde in der Zeit vor Inkrafttreten der aktiven Nutzungspflicht nach § 130d ZPO höchstrichterlich entschieden, dass die Benutzung des beA nach gescheiterter Übermittlung per Telefax jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn dieses von dem Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit bereits aktiv zum Versand von Schriftsätzen genutzt wurde, er also mit seiner Nutzung vertraut ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2020 – III ZB 31/20, juris Rn. 26).

Im Streitfall wäre eine Übermittlung der vierseitigen Berufungsbegründung noch am 20.11.2024 per Telefax oder Computerfax zeitlich unproblematisch möglich gewesen, nachdem der Klägervertreter spätestens um kurz nach 23:15 Uhr die anhaltenden Probleme bei der Übermittlung per beA bemerkt hatte. Der Klägervertreter hat trotz des ausdrücklichen Hinweises des Senats auf § 130d S. 2 ZPO nicht behauptet, dass ihm die Ersatzeinreichung unzumutbar war, etwa weil ihm weder Fax noch Computerfax zur Verfügung standen oder er diese Übermittlungswege zuvor nicht aktiv genutzt hat.

Einer Ersatzeinreichung stand auch nicht entgegen, dass dem Klägervertreter die gemäß § 130d S. 3 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit nicht möglich gewesen wäre. Diese erfordert nicht eine „geschlossene Darstellung“ im Sinne einer bereits abgeschlossenen technischen Analyse des Fehlers, sondern lediglich die Glaubhaftmachung der konkreten Umstände, weshalb die rechtzeitige Übermittlung nicht möglich war. Ein solcher Tatsachenvortrag wäre dem Klägervertreter auch bereits im Laufe des 21.11.2024 (vgl. zur Rechtzeitigkeit der nach § 130d S. 3 ZPO erforderlichen Darlegung und Glaubhaftmachung BGH, Zwischenurteil vom 25. Juli 2023 – X ZR 51/23, juris Rn. 12) möglich gewesen.“

Elektronisches Dokument: Zugang des Dokuments, oder: Nachweis der Zustellung

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In die 6. KW starte ich dann mit Entscheidungen zum elektronischen Dokument, und zwar zweimal BGH, einmal OLG Frankfurt am Main.

Ich starte mit den beiden BGH-Entscheidungen, und zwar:

1.    Bei einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist es auch für die elektronische Form zur Wahrung der Form nicht ausreichend, dass die Willenserklärung formgerecht abgegeben wurde; diese muss dem Erklärungsgegner vielmehr auch in der entsprechenden Form zugehen. Für den Zugang einer in einem qualifiziert elektronisch signierten elektronischen Dokument enthaltenen Willenserklärung ist es daher erforderlich, dass dieses Dokument so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden und damit die Echtheit des Dokuments prüfen kann.

2.    Diese Voraussetzungen sind in dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 130e ZPO am 17. Juli 2024 erfüllt, wenn in einem Zivilprozess ein elektronischer Schriftsatz mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung enthält, vom Gericht unter Aufrechterhaltung der elektronischen Signatur elektronisch an den Empfänger der Willenserklärung weitergeleitet wird.

3.    In dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des § 130e ZPO bewirkt die Übermittlung eines Ausdrucks eines mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehenen, bei Gericht im Rahmen eines Zivilprozesses eingegangenen elektronischen Dokuments unter Beifügung eines Transfervermerks im Sinne des § 298 Abs. 3 ZPO keinen wirksamen Zugang der in dem Dokument enthaltenen empfangsbedürftigen Willenserklärung beim Erklärungsgegner.

1. Den Nachweis über den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung
erbringt der Rechtsmittelführer durch die Übermittlung des vom Ausgangsgericht
mit der Zustellung als strukturierter Datensatz zur Verfügung gestellten bzw. ange-
forderten elektronischen Empfangsbekenntnisses.

2. Ist die Gerichtsakte bei Eingang des Empfangsbekenntnisses bereits für die Durch-
führung eines Rechtsmittelverfahrens an das Gericht des höheren Rechtszuges ab-
gegeben, liegt es in der Organisationsverantwortung der Gerichte, für eine Zuord-
nung des elektronischen Empfangsbekenntnisses zu dem zugestellten Dokument
zu sorgen.