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Anklage wegen Straftat, Urteil nur wegen OWi, oder: (Teilweise) Auslagenerstattung durch die Staatskasse

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Und als zweite Entscheidung gibt es dann den LG Berlin I, Beschl. v. 09.04.2025 – 511 Qs 37/25 -, in der es um folgenden Sachverhalt geht:

Der Verurteilte war wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Cannabisprodukten angeklagt. Das AG hat ihn nur wegen Besitzes von mehr als 25 Gramm Cannabis (§§ 3, 36 KCanG) zu einer Geldbuße von 150 EUR verurteilt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Gegen die Kostenentscheidung wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er beantragt, die Kosten des Verfahrens und die besonderen notwendigen Auslagen des Verur-teilten der Landeskasse aufzuerlegen, da der hinsichtlich des verbotenen Besitzes von Can-nabisprodukten von Anfang an geständige Verurteilte einen Bußgeldbescheid akzeptiert hätte. Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg:

„Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Verhängung einer Geldbuße erfolgte im Strafverfahren, weshalb – unabhängig von der 250 Euro-Wertgrenze des OWiG – Berufung und Revision statthafte Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung gewesen wären (vgl. KK-OWiG/Lutz, 5. Aufl. 2018, OWiG § 82 Rn. 21, beck-online) und somit auch die Kostenentscheidung selbständig anfechtbar ist (§ 464 Abs. 3 Satz 1 StPO).

Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Zutreffend hat das Amtsgericht dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens auferlegt, denn er ist wegen einer Ordnungswidrigkeit, welche in Tateinheit mit dem angeklagten Gesetzesverstoß steht, verurteilt worden. Hiervon kann auch nicht aus Gründen der Billigkeit abgewichen werden. Insoweit unterliegt der Beschwerdeführer mit seinem ausdrücklich gestellten Antrag der Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Landeskasse.

Hingegen sind – entgegen der angefochtenen Entscheidung – die durch die Anklageerhebung entstandenen (Mehr-)Kosten als besondere Auslagen der Staatskasse sowie die dem Beschwerdeführer durch das Strafverfahren entstandenen besonderen notwendigen Auslagen gemäß § 465 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 StPO der Landeskasse Berlin aufzuerlegen. Dies entspricht vorliegend der Billigkeit, denn es ist jedenfalls nicht zu widerlegen, dass der Beschwerdeführer, der gegenüber den Polizeibeamten vor Ort den Besitz einer auch nach neuem Recht verbotenen Menge Cannabis eingeräumt hat, einen entsprechenden Bußgeldbescheid akzeptiert hätte. In diesen Fällen erscheint es billig, die besonderen Auslagen der Landeskasse und des sich gegen den Tatvorwurf einer Straftat verteidigenden Beschwerdeführers der Landeskasse aufzuerlegen.

Die Kammer sieht von der Bildung einer Quote nach § 464d StPO ab und überlässt – was zulässig ist und vorliegend zweckmäßig erscheint – die Abgrenzung dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO.“

Strafe II: Abgabe von BtM an eine Jugendliche, oder: Entkräftung der Bedeutung eine Regelbeispiel

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Im zweiten Posting habe ich dann etwas vom OLG Hamm. Es geht um eine Verurteilung nach dem KCanG, die Entscheidung hat aber mit den „Neuerungen“ nichts zu tun.

Der Angeklagte war vom AG mit dem AG Schwerte, Urt. v. 23.08.2024 – 5 Ds 200 Js 2341/23 (66/24) – wegen Abgabe von BtM an Minderjährige (§ 34 KCanG) zu eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen verurteilt worden. Zur Strafzumessung hatte das AG ausgeführt:

„Der Strafrahmen des § 34 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 3 Nr. 3a KCanG sieht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Im Rahmen der Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass dieser sich vollumfänglich geständig eingelassen hat und bislang ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war.

Strafschärfend wirkte sich aus, der Angeklagte die hilflose Lage der Zeugin, die aufgrund des zuvor erlebten Unfalls sehr aufgeregt war, ausgenutzt hat und mit ihr gemeinsam das Cannabis konsumiert hat.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat das Gericht zur Verteidigung der Rechtsordnung und zur Einwirkung auf den Angeklagten tat- und schuldangemessen unter Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB auf eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen erkannt. Die Tagessatzhöhe von 15,00 Euro entspricht den Einkommensverhältnissen des Angeklagten. Diese Geldstrafe ist ausreichend, aber auch erforderlich, um dem Angeklagten das Unrecht seines Handelns vor Augen zu führen.“

Dagegen dann die Revision. die beim OLG Hamm Erfolg hat. Dazu der OLG Hamm, Beschl. v. 13.02.2025 – III-2 ORs 65/24 :

„2. Das angefochtene Urteil weist jedoch auf die Sachrüge hin durchgreifende Rechtsfehler im Rechtsfolgenausspruch zu Lasten des Angeklagten auf, auf denen es beruht.

Die Strafzumessung unterliegt nur in begrenztem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von den Taten und der Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen des Tatgerichts in sich fehlerhaft sind, insbesondere gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, wenn das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist oder sich die Strafe soweit nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatgericht bei der Strafzumessung eingeräumt ist (zu vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.02.2015 -111-5 RVs 76/14 – , juris).

Das Amtsgericht hat der Strafzumessung den erhöhten Strafrahmen des besonders schweren Falles § 34 Abs. 3 Nr. 3 a KCanG zugrunde gelegt, dabei jedoch nicht geprüft, ob eine Ausnahme von der Regelwirkung vorliegt, so dass von dem Nornnalstrafrahmen auszugehen gewesen wäre. Die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels wird entkräftet, wenn die Tat in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt derart vom Normalfall des Regelbeispiels abweicht, dass die Bewertung der Tat als besonders schwerer Fall und die Anwendung des modifizierten Strafrahmens als unangemessen erscheint (vgl. Patzak/Fabricius, a.a.O. § 29 BtMG Rz 1536; Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 46 Rz 91). Dies ist der Fall, wenn die dem Angeklagten günstigen Strafzumessungsfaktoren jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sind, dass sie bei der gebotenen Gesamtabwägung die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräften.

Zu einer derartigen Prüfung bestand vorliegend anhand der überwiegend strafmildernden Faktoren Anlass.

Auch die konkrete Strafzumessung weist Rechtsfehler auf. So hat das Amtsgericht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, er habe die hilflose Lage der Zeugin ausgenutzt, ohne dass dies durch hinreichende Feststellungen belegt ist. Allein eine unfallbedingte Erregung ist keine hilflose Lage; auch bezüglich eines „Ausnutzens“ sind im Urteil keine Umstände dargelegt worden, die dies belegen.“

 

Pflichti III: Entscheidungen von der „Resterampe“, oder: Abfall ?, Haftentlassung, Rückwirkung, Wahlanwalt

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Und dann hier im dritten Posting der „Rest“, also „Resterampe“, und zwar einige Entscheidungen zur Rückwirkung, zu den Bestellungsgründen und zu Bestellung. Auch hier gibt es nur die Leitsätze, und zwar:

Von einer schwierigen Rechtslage im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO ist auszugehen, wenn in einem Strafverfahren die Frage entscheidungserheblich ist, ob und unter welchen Voraussetzungen Autowracks Abfall im Sinne von § 326 StGB darstellen.

Sowohl die Aufhebung der Bestellung nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO als auch nach § 143 Abs. 2 S. 2 StPO steht im Ermessen des Gerichts. Bei der Ermessensentscheidung ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die frühere, auf der Inhaftierung beruhende Behinderung der Verteidigungsmöglichkeiten es weiter notwendig macht, dass der Angeschuldigte trotz Aufhebung der Inhaftierung durch einen Pflichtverteidiger unterstützt wird, was in der Regel der Fall sein wird.

1. Die rückwirkende Bestellung eines notwendigen Verteidigers kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines notwendigen Verteidigers zum Zeitpunkt eines rechtzeitig hierauf gerichteten Antrages gegeben waren und die Bestellung allein aufgrund justizinterner Gründe unterblieben ist.

2. Unverzüglich im Sinne des § 141 Abs. 1 S. 1 StPO bedeutet, dass die Pflichtverteidigerbestellung zwar nicht sofort, aber so bald wie möglich ohne schuldhaftes Zögern, mithin ohne sachlich nicht begründete Verzögerung erfolgen muss.

3. Die Ausnahmeregelung nach § 141 Abs. 2 S. 3 StPO, wonach in den Fällen des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO die Bestellung unterbleiben kann, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen, greift nicht, wenn die Pflichtverteidigerbestellung nicht von Amts nach den genannten Bestimmungen, sondern aufgrund des Antrages des vormaligen Beschuldigten veranlasst ist.

Hat der Wahlverteidiger des Angeklagten, dem bisher noch kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, sein Mandat niedergelegt und seine Bestellung als Pflichtverteidiger beantragt, ist einem Bestellungsantrag zu entsprechen, da der Beschuldigte mit der Niederlegung des Wahlmandats unverteidigt im Sinne von § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ist.

 

StPO I: Drei Beschlüsse zur Durchsuchung und mehr, oder: Form, Tatverdacht, Verhältnismäßigkeit, KCanG

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Es gibt den Spruch: Wer rastet. der rostet. Und daher wird heute an Ostermontag nicht gerastet – oder neudeutsch: „gechilled“ – sondern gearbeitet. D.h., es gibt auch heute am Feiertag hier das normale Programm, und zwar mit StPO-Entscheidungen. Da hat sich in der letzten Zeit durch meinen Japan-Aufenthalt, für den die Beiträge vorbereitet waren, auch einiges angesammelt.

Ich starte hier dann mit drei Entscheidungen zur Durchsuchung. Von denen stelle ich aber jeweils nur die Leitsätze vor, da sie so ganz viel Neues nicht enthalten:

Also:

 

1. Mängel insbesondere bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs in einem Durchsuchungsbeschluss können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. 

2. Die Durchsuchung muss als schwerwiegender Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen vor allem in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen.

3. Ein Durchsuchungsbeschluss verkennt die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung und trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend Rechnung, wenn in die zu treffende Abwägungsentscheidung nicht der Umstand geflossen ist, dass für das absolute Antragsdelikt des § 201 Abs 1 Nr 1 StGB zum Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung der erforderliche Strafantrag nach § 205 Abs 1 S 1 StGB nicht gestellt war.

1. Die Annahme der Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft für die mündliche Anordnung einer Durchsuchung scheidet aus, wenn sich der angeschuldigte Wohnungsinhaber sowohl zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme der Polizei mit der Bereitschaftsstaatsanwältin um 3:25 Uhr, zum Zeitpunkt der Anordnung um 4:45 Uhr als auch noch bei Beginn der Durchsuchungsmaßnahme um 8:55 Uhr in polizeilichem Gewahrsam befindet.

2. Wird dennoch unter Missachtung des Richtervorbehalts die Durchsuchung vom Staatsanwalt angeordnet, unterliegen die gewonnenen Ergebnisse einem Beweisverwertungsverbot.

1. Die StPO sieht weder eine besondere Form für Durchsuchungsanordnungen nach §§ 102, 105 StPO vor noch deren Unterzeichnung.

2. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006, NJW 2007, 1443, m.w.N.). Gemessen an diesen Maßstäben liegen sachlich zureichende Gründe für eine Durchsuchung vor, wenn sich aus einer sichergestellten, an den Beschuldigten adressierten Postsendung und der festgestellten Gesamtmenge an Cannabis der Verdacht ergibt, dass der Beschuldigte mit Cannabis in nicht geringer Menge Handel getrieben hat. 

2. Der Zweck der (körperlichen) Untersuchung nach § 81 a Abs. 1 S. 1 StPO darf nur die Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen sein, für deren Vorliegen bereits bestimmte Anhaltspunkte bestehen. Das ist nicht der Fall, wenn die mit der Untersuchung begehrten Feststellungen für das Verfahren nicht von Bedeutung sind, wenn also z.B. die körperliche Untersuchung mit Blutentnahme zum Zwecke des Nachweises von Substanzen im Körper auf die Feststellung von Umgang mit Cannabis gerichtet ist, der aber nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes gerade nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz gefällt.

 

 

Verkehrssicherungspflicht für „Aufsitz-Mäharbeiten“, oder: Herumfliegende Metallteile

Am Karsamstag gibt es hier dann zwei zivilrechtliche Entscheidungen, eine landgerichtliche und eine vom BGH.

Ich beginne mit der landgerichtlichen Entscheidung. Dabei handelt es sich um das LG Duisburg, Urt. v. 16.01.2025 – 13 O 114/20. Das LG hat in dem Urteil zur Verkehrssicherungspflicht bei Mäharbeiten Stellung genommen.

Gestritten worden ist um Ansprüche aus einem Vorfall vom 16.04.2020, bei dem das Fahrzeug des Klägers – was zwischen den Parteien streitig ist – durch ein in den Fahrzeuginnenraum fliegendes Metallstück beschädigt worden ist. Am Mittag des 16.04.2020, um 14:10 Uhr, befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug die Werkstraße 100 auf dem Werksgelände der Hüttenwerke Mannesmann GmbH in Duisburg. Angrenzend an die Werkstraße befinden sich auf beiden Seiten Grünflächen. Auf einer der Grünflächen war am 16.04.2020 in etwa 3 m Entfernung vom Straßenrand eine Reihe von Bauzäunen aufgestellt. Der Beklagte zu 2. war von dem Werksunternehmen mit der Pflege der Grünflächen beauftragt. In Ausführung dieses Auftrags mähte der Beklagte zu 1., der bei dem Beklagten zu 2. angestellt ist, am Mittag des 16.04.2020 die Grünfläche mit einem Aufsitzrasenmäher – Typ P525D Husqvarna. Der Kläger hat den ihm durch das Metallstück entstandenen Schaden auf insgesamt rund 5.5.00 EUR beziffert.

Das LG hat verurteilt und führt zur Verkehrssicherungspflicht aus:

„Welche Schutzmaßnahmen bei der Ausführung von Mäharbeiten zu treffen sind, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere den örtlichen Gegebenheiten, der Größe der zu mähenden Fläche sowie dem konkret verwendeten Mähgerät und den mit diesem verbundenen Gefahren, insbesondere unter Berücksichtigung der an dem Gerät bereits vorinstallierten Sicherungsvorkehrungen, ab. So wurde in der Rechtsprechung teilweise bei kleineren, überschaubaren, unmittelbar an Parkplätze grenzenden Flächen, die mit Handrasenmähern gemäht wurden, das Absuchen der Flächen, die Aufstellung von Schutzplanen und gegebenenfalls sogar der Verzicht auf entsprechende motorgetriebene Freischneidegeräte für erforderlich gehalten (BGH, Urt. v. 28.11.2002 – III ZR 122/02, juris), während bei umfangreicheren Mäharbeiten, etwa entlang von Straßen im Hinblick auf den erheblichen Aufwand, teilweise – abhängig von dem verwendeten Mähgerät – geringere Schutzvorkehrungen für ausreichend erachtet worden sind (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 03.07.2015 – 1-11 U 169/14, juris; s. aber auch BGH, Urt. v. 04.07.2013 – III ZR 250/12, juris bei der Verwendung von Freischneidern). In Bezug auf die Verwendung eines Aufsitzrasenmähers wurde jedenfalls für erforderlich gehalten, die anwesenden Eigentümer der in der Nähe der Mäharbeiten parkenden Fahrzeuge anzusprechen und auf die Gefahren aufmerksam zu machen (OLG Frankfurt, Urt. v. 31.08.2021 – 26 U 4/21, juris), teilweise aber auch die vorhandenen Sicherungseinrichtungen am Mähwerk und das Absuchen der Fläche vor Ausführung der Mäharbeiten für ausreichend gehalten (LG Dortmund, Urt. v. 29.05.2015 – 21 0 97/14, juris).

Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte zu 1. hier nicht die nach den Umständen erforderlichen und ihm zumutbaren Sicherungsvorkehrungen getroffen.

Das verwendete Mähgerät weist zwar selbst bereits Sicherheitsvorkehrungen auf, die die Gefahr des Herausschleuderns von Steinen oder Gegenständen aus dem Mähwerk reduzieren. Der Aufsitzrasenmäher verfügt ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen Tümmers vorn über ein absenkbares Mähwerk mit drei Schneidmessern. Die Schneidmesser sind jeweils vollständig mit tellerförmigen Abdeckungen geschützt. Die Abdeckung ist – so der Sachverständige – lediglich im hinteren Bereich leicht höher gestaltet, um den Auswurf des Grünschnitts nach hinten zu begünstigen. Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, was für die Kammer auch anhand des Lichtbilds 12 (BI. 16 des Gutachtens vom 16.10.2023) ersichtlich ist, dass, wenn das Mähwerk auf der Stufe wie am Vorfallstag eingestellt ist, diese Abdeckungen beinahe bündig mit der Rasenfläche abschließen. Zu berücksichtigen ist hierbei indes, dass am Schadenstag – was sich aus den den Zustand der Grünfläche am 16.04.2020 zeigenden Lichtbildern (BI. 11 ff. d. A.) ergibt – das Gras auf der Grünfläche trocken war und es sich nicht um eine durchgängig dicht bewachsene Rasenfläche (wie im Sachverständigengutachten) handelte. Weiter ist in Betracht zu ziehen, dass die Abdeckungen keinen sicheren Schutz vor dem Herausschleudern von Gegenständen boten. Aus den Ausführungen des Sachverständigen Tümmers ergibt sich, dass dieser lediglich einige wenige Versuche benötigte, um ein Herausschleudern der Bauzaunschellen unter dem Mähwerk nachzubilden. Dieser hat ausgeführt, dass er zunächst drei Versuche unternommen habe, bei denen er über drei auf dem Boden liegende Bauzaunschellen gefahren sei. Hierbei sei es nicht zu einem Hinausfliegen der Schellen gekommen. Sodann habe er die Schellen auf der Rasenfläche leicht aufgestellt und sei erneut mit dem Rasenmäher über die Schellen gefahren. Hierbei sei eine der Schellen unter dem Mähwerk des Geräts hinausgeschleudert worden.

Die Gefahr herumliegender Einzelteile war hier ferner aufgrund der auf der Grünfläche befindlichen Baustelle erhöht. Der Kläger hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass die Baustelle und der Bauzaun erst kurz vor dem Vorfallstag eingerichtet worden seien. Auch die von ihm vorgelegten Lichtbilder zeigen die Baustellenausstattung, die sich nur in geringer Entfernung von der Straße befindet. Mit Blick hierauf war vorliegend vermehrt mit dem Herumliegen von Gegenständen auf dem an die Baustelle angrenzenden Teil der Grünfläche zu rechnen. Denn im Bereich von Baustellen, auf denen mit Materialien und Werkzeugen gearbeitet wird, die auf die Baustelle verbracht werden müssen, kann es vermehrt zu herumliegenden Gegenständen kommen.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Mähärbeiten hier unmittelbar angrenzend an die Werkstraße ausgeführt wurden. Ausweislich der vorgelegten Lichtbilder verfügt die Werkstraße über keinerlei Seitenstreifen, der für einen gewissen Mindestabstand zu den vorbeifahrenden Fahrzeugen sorgen könnte. Der Abstand zu dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite fahrenden Fahrzeug des Klägers betrug hiernach im Zeitpunkt der Schädigung nach den Ausführungen des Sachverständigen lediglich 4,5 m.

Mit Rücksicht auf diese Umstände erachtet die Kammer die an dem Fahrzeug vorhandenen Sicherungsvorkehrungen jedenfalls im Hinblick auf die hier vorliegenden Umstände des Einzelfalls nicht als ausreichend. Es war mit Blick auf die örtlichen Gegebenheiten angezeigt, weitere Sicherungsvorkehrungen zu treffen, jedenfalls die Grünfläche im Bereich der Baustelle vor dem Mähen auf herumliegende Gegenstände hin zu kontrollieren, oder etwa mobile Schutzwände aufzustellen oder für die Ausführung der Arbeiten eine verkehrsärmere Zeit zu wählen. Die bloße Sichtkontrolle während der Ausführung der Mäharbeiten war hingegen nicht hinreichend. Dies gilt auch, weil das Mähwerk sich vorne an dem Rasenmäher befindet. Wenngleich der Fahrer des Rasenmähers eine uneingeschränkte Sicht auf die zu mähende Fläche hat, muss er aufgrund des vor ihm angebrachten Mähwerks die Gegenstände doch aus größerer Entfernung wahrnehmen und sodann – da das Mähwerk zuerst über die Gegenstände fährt -schnell reagieren. Dass insbesondere die Durchführung einer Sichtkontrolle für den Beklagten zu 1. vor der Ausführung der Mäharbeiten hier etwa mit Blick auf die Größe der zu mähenden Fläche unzumutbar gewesen wäre, haben die Beklagten nicht dargelegt. Dies ist auch angesichts der begrenzten Größe des Bereichs vor der Baustelle – nach dem Vortrag des Klägers handelte es sich etwa um zehn nebeneinanderstehende Bauzaunteile, die in einer Entfernung von etwa 3 m, stellenweise auch weniger, zur Straße aufgestellt waren – sonst nicht ersichtlich. Die Durchführung einer entsprechenden Sichtkontrolle wäre hier auch zur Verhinderung des Schadens geeignet gewesen.

Diesen Anforderungen ist der Beklagte zu 1., der die Grünfläche jedenfalls nicht auf herumliegende Gegenstände kontrolliert hat, hier vorwerfbar nicht gerecht geworden. Dies war auch kausal für den eingetretenen Schaden. Soweit der Beklagte zu 1. behauptet hat, die Bauzaunschelle wäre selbst bei entsprechender Kontrolle aufgrund des hohen Grases nicht sichtbar gewesen, folgt die Kammer dem nicht. Zum einen ist schon anhand der vorgelegten Lichtbilder ersichtlich, dass das Gras am Vorfallstag weder besonders dicht, noch besonders hoch stand. Zum anderen handelt es sich bei der 13 cm x 6 cm großen Schelle auch nicht um ein bloßes Kleinteil, das ohne weiteres zu übersehen wäre.“