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StPO I: Ergänzungspflegschaft für ein „Kind“ ?, oder: Notwendige Verstandesreife eines fast 16-Jährigen

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Ich stelle heute dann StPO-Entscheidungen vor, zweimal OLG und einmal BayObLG.

Ich starte mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.04.2025 – 2 WF 33/25. Das ist StPO mit familienrechtlichem Einschlag. Es geht nämlich um die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen Minderjährigen.

Ausgangspunkt ist ein OWi-Verfahren, in dem es um eine eine Ordnungswidrigkeit bezüglich der Nichterbringung eines Immunitätsnachweises nach dem IfSG. Die betroffenen Eltern hatten behauptet vorliegend, dass sich das Kind nicht impfen lassen wolle. Es wurde beantragt, das Kind in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Das AG hatte die Ergänzungspflegschaft für das Kind, das in der Hauaptverhandlung als Zeuge vernommenw erden sollte, angeregt.

Das Familiengericht ist dieser Anregung nachgekommen, indem es für das betroffene Kind eine Ergänzungspflegschaft anordnete und das Jugendamt des Landkreises zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis „Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 52 StPO sowie des Untersuchungsverweigerungsrechts gemäß § 81 c Abs. 3 StPO“ bestellte.

Dagegen das „Kind“, das geltend gemacht hat, es sei 15, bald 16 Jahre alt und damit offenkundig in der Lage, selbst über die Ausübung des Zeugnis- und Untersuchungsverweigerungsrechts zu entscheiden. Auch der Vater hat Rechtsmittel eingelegt.

Beide Rechtsmittel hatten Erfolg:

„2. Die Beschwerden sind begründet.

a) Ergänzungspflegerbestellung für das Zeugnisverweigerungsrecht

aa) Rechtsgrundlage für die Pflegereinsetzung insoweit ist § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 161a, 52 Abs. 2 S. 2 StPO. Gemäß § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, „wer unter elterlicher Sorge … steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, einen Pfleger.“ Die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bzw. die Erteilung der Genehmigung für eine Aussage ist gemäß § 52 Abs. 1 StPO eine Angelegenheit, die der Besorgung der Eltern unterliegt, wenn und soweit „Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife … von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung“ haben. Denn dann dürfen sie gemäß § 52 Abs. 1 StPO nur vernommen werden, „wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt“ (§ 52 Abs. 1 S. 1 StPO). § 52 Abs. 2 S. 2 StPO regelt weiter: „Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.“ Liegen die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 S. 2 StPO vor, sind die Eltern kraft Gesetzes von der Vertretung des Kindes im Hinblick auf dessen Zeugnisverweigerungsrecht ausgeschlossen und es ist dann gemäß § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB zwingend ein Ergänzungspfleger zu bestellen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. August 2019 – 2 WF 102/19 -, juris, Rn. 18, und Beschluss vom 8. Mai 2019 – 2 WF 31/19 -, juris, Rn. 17, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 22.04.2020 – XII ZB 477/19 -, juris, Rn. 27).

Nach Vorstehendem sind daher sowohl die Mutter als Beschuldigte wie auch der Vater als mitsorgeberechtigter Elternteil grundsätzlich von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen.

bb) Voraussetzung für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft ist weiter, dass dem betroffenen Kind die notwendige Verstandesreife fehlt, um über die Wahrnehmung des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts selbst entscheiden zu können.

Das Familiengericht ist dabei an die Beurteilung der Strafverfolgungsbehörden zur Verstandesreife gebunden, es sei denn, es läge eine offensichtliche Fehleinschätzung vor (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 08. Mai 2019 – 2 WF 31/19 –, juris, Rn. 17 mwN; Schöpflin, in: BeckOGK, Stand: 15.03.2025, § 1809 BGB Rn. 47 mwN).

Entsprechend ist die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft im Fall der offensichtlich bestehenden Verstandesreife zwecklos und dann abzulehnen (BGH, Beschluss vom 22.04.2020 – XII ZB 477/19 -, juris, Rn. 28).

So liegt der Fall hier.

Es besteht zwar keine feste Altersgrenze, ab der eine Verstandesreife stets angenommen oder abgelehnt werden könnte. Der BGH hat entschieden, dass bei einem sieben Jahre alten Kind eine notwendige Verstandesreife in der Regel nicht besteht (BGHSt 14, 159, 162), bei Jugendlichen ab 14 Jahren diese demgegenüber in der Regel anzunehmen ist (BGHSt 20, 234). Im Zweifel ist nach der Rechtsprechung des BGH vom Fehlen der notwendigen Verstandesreife auszugehen (BGHSt 19, 85; 23, 221).

Der Betroffene ist bereits 15 Jahre alt und wird am 01.06.2025 16 Jahre alt. Anhaltspunkte dafür, dass er nicht über die notwendige Verstandesreife im Sinne des § 52 Abs. 2 S. 2 StPO verfügen könnte, sind nicht ersichtlich und wurden auch von dem Jugendamt bzw. Ergänzungspfleger des Kindes nicht vorgetragen.

bb) Untersuchungsverweigerungsrecht

Hinsichtlich des Untersuchungsverweigerungsrechts gem. § 81c Abs. 3 StPO gilt das zum Zeugnisverweigerungsrecht Ausgeführte entsprechend. Wegen des Verweises in § 81c Abs. 3 S. 3 StPO auf die Regelung in § 52 Abs. 2 StPO ist auch diesbezüglich keine Ergänzungspflegschaft einzurichten.“

Zahlung der Geldauflage nach § 153a StPO-Einstellung, oder: Insolvenzrechtliche Anfechtung zulässig?

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Und als zweite Entscheidung dann OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.01.2025 – 4 U 137/23 – eine insolvenzrechtliche Entscheidung mit strafverfahrensrechtlichem Einschlag.

Die Entscheidung hat folgenden Sachverhalt: Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von Zahlungen in Anspruch. Der Kläger ist Insolvenzverwalter in einem am 12.05.2021 vom Schuldner beantragten und am 17.05.2021 vom Insolvenzgericht eröffneten Insolvenzverfahren.

Im März 2014 ordnete das AG München im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen vorsätzlicher Marktmanipulation den dinglichen Arrest in das Vermögen des Schuldners an. In diesem Zuge erklärte der Schuldner mit anwaltlichem Schreiben vom 18.08.2014, dass er kein Vermögen habe. Am 28.12.2017 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage gegen den Schuldner. Der Arrest wurde am 12.03.2019 aufgehoben. Am 23.03.2019 erklärte der Schuldner in einem anwaltlichen Schreiben an die 26. Strafkammer des LG Frankfurt am Main, dass er aus seiner Tätigkeit im Bereich der Systemgastronomie keine Entnahmen tätigen könne, über keine weitere Einnahmequelle verfüge, erhebliche Schulden habe und finanzielle Unterstützung von pp.  erhalte. Die 26. Strafkammer verurteilte den Schuldner am 27.05.2019 wegen vorsätzlicher Marktmanipulation in zahlreichen Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 60 EUR. In dem Urteil führte die 26. Strafkammer aus, dass der Angeklagte monatlich 270 EUR ausbezahlt bekomme und durch eine Nebentätigkeit weitere 500 € verdiene. Über nennenswertes sonstiges Vermögen verfüge der Schuldner nicht, ausgenommen einiger Gegenstände wie ein Pkw und Uhren, die allerdings arrestiert seien. Der BGH hob diese Entscheidung später auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurück. Die sodann mit der Sache befasste 29. Strafkammer stellte das Strafverfahren mit Beschluss vom 04.03.2021 nach § 153a Abs. 2 StPO vorläufig gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 100.000 € ein. 40.000 EUR sollten an die hessische Landeskasse und je 20.000 EUR an drei gemeinnützige Einrichtungen geleistet werden.

Um die Geldauflage zu erfüllen, schloss der Schuldner mehrere Darlehensverträge über insgesamt 100.000 EUR ab. Vertragspartner waren vier verschiedene Gesellschaften, deren Anteile von pp.  gehalten wurden. Die Darlehensvaluten wurden am 11.03.2021 auf das in den Darlehensverträgen angegebene Konto des Bruders des Schuldners überwiesen. Auf dieses Konto hatte der Schuldner Zugriff und war verfügungsbefugt. Noch am 11.03.2021 zahlte der Schuldner von diesem Konto jeweils 20.000 EUR an die im Einstellungsbeschluss genannten drei gemeinnützigen Einrichtungen und ferner am 15.03.2021 40.000 EUR an die hessische Landeskasse. Bei allen Überweisungen an die gemeinnützigen Einrichtungen nannte der Schuldner im Verwendungszweck neben dem Aktenzeichen des Strafverfahrens und seinem Namen „gemäß Beschluss LG FFM v. 04.03.2021“ (Anlage K19). Der Kläger focht die Zahlungen zunächst außergerichtlich an, woraufhin eine der drei gemeinnützigen Einrichtungen die erhaltenen 20.000 EUR an die Insolvenzmasse zurückgewährte.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgeganagen, dass weder die Voraussetzungen des Insolvenzanfechtungstatbestands des § 131 InsO noch die des § 133 InsO erfüllt seien. Bei der Anfechtung nach § 131 InsO fehle es an der Stellung des Beklagten als Insolvenzgläubiger, da durch die Anordnung der Geldauflage keine Verbindlichkeit zu Lasten der späteren Insolvenzmasse begründet worden sei. Eine Anfechtung nach § 133 InsO scheitere jedenfalls daran, dass eine Kenntnis des Beklagten von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht feststellbar sei. Die Nebenintervention sei zulässig, da der Nebenintervenient als Empfänger eines Teils der angefochtenen Leistungen ein rechtliches Interesse nach § 66 Abs. 1 ZPO habe.

Dagegen die Berufung. Das OLG hat sie als zulässig und begründet angesehen. Die vom Schuldner an den Beklagten gezahlten Geldauflagen seien nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, weshalb der Kläger vom Beklagten nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO die Rückgewähr der Zahlungen verlangen könne.

Ich stelle hier nur die Leitsätze der Entscheidung ein, die vollständigen Begründung dann bitte ggf. selbst im verlinkten Volltext lesen:

1. Erfüllt ein Schuldner im Rahmen seines Strafverfahrens eine von der Strafjustiz beschlossene Geldauflage im Sinne von § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 StPO, kann der Insolvenzverwalter diese unter den Voraussetzungen des § 131 InsO gegenüber dem Land auch dann anfechten, wenn nicht die Landeskasse, sondern eine gemeinnützige Einrichtung die Empfängerin der Zahlung war.

2. Den in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Geldzahlungsverpflichtungen sind im Rahmen des § 131 InsO die von der Strafjustiz beschlossenen Geldauflagen gleichgestellt. Solche Geldauflagen sind als unvollkommene Verbindlichkeiten zu qualifizieren, welche ein Land als Insolvenzgläubiger nicht zu beanspruchen hat (§ 131 Abs. 1 Alt. 1 InsO).

„Über den Tellerrand schauen“ bei „Recht Umschau“, oder: Neue Rubrik „Persönlichkeiten des Rechts“

Heute ist Sonntag und da gibt es ja an sich nur zwei Postings, nämlich den „Wochenspiegel“ und den „Sonntagswitz“. Nun, heute gibt es dann vorab aber noch ein drittes Posting, das zumindest mit dem „Wochenspiegel“ zu tun hat. Also:

Der regelmäßige Besucher/Leser meines Blogs weiß: Sonntags ist um 10.45 Uhr „Wochenspiegel-Time“. In dem Beitrag habe ich dann Hinweise auf zehn Beiträge aus anderen Blogs zusammengestellt, die in der ablaufenden Woche veröffentlicht worden sind. Der ein oder andere Leser wird sich nun sicherlich schon mal gefragt haben: Wo kommt eigentlich das Material her, dass Burhoff in dem Beitrag verarbeitet? Das „verrate“ ich gern, denn das ist kein Geheimnis, und zwar:

Früher hatte ich meine Quelle zunächst bei „JuraBlogs“, das es seit 2018 ja leider nicht mehr gibt (siehe hier mein Abschiedsposting: Jurablogs ist gegangen…., oder: Sag zum Abschied leise Servus/danke…., oder: Abschied zum Zweiten….). Der Betreiber Matthias Klappenbach ist seitdem leider auf dem Altenteil, was ich nicht nur wegen der Quelle sehr bedauert habe. Es hat dann einen Nachfolger gegeben, und zwar „Jurablo.gs“ , aber auch dessen Betreiber hat im März 2024 seine Aktivitäten eingestellt und die Seite aus dem Netz genommen.

Beide Quellen hatte ich für den Wochenspiegel genutzt und war daher nun ab Anfang 2024 auf eine eigene Suche angewiesen, die manchmal recht mühsam und zeitaufwändig war. Daher war ich sehr froh, als mich im Oktober 2024 der Kollege Dr. Ingo Janert angesprochen und angefragt hat, ob ich etwas einzuwenden habe, wenn er meinen „BOB“ aufnimmt in das “ kostenlose Informationsangebot „Recht Umschau„. Das Angebot kannte ich bis dahin nicht. Ich habe es mir angeschaut und war mit dem, was ich vorfand, sehr zufrieden. Denn das war dem, was ich früher als Quelle genutzt habe, ähnlich: Ein Blog, der nicht selbst zu bestimmten Themen bloggt, sondern „einen aktuellen Überblick über die juristische Blogosphäre“ gibt; er „richtet sich an alle, die beruflich mit Recht zu tun haben, aber auch an die breite Öffentlichkeit.“ Und damit war mein Sonntagmorgen – zeitlich – wieder gerettet. Ich hatte/habe eine neue Quelle für meine wöchentliche Zusammenstellung, die natürlich an den Überblick des Kollegen Dr. Janert nicht herankommt, denn es ist ja nur ein „Überblick aus dem Überblick“.

Allen, die „Recht Umschau“ bisher nicht kannten, rate ich zu einem (ersten) Informationsbesuch, der wahrscheinlich in einen „Dauerbesuch“ übergeht. Denn das Ganze ist m.E. recht ansprechend aufbereitet. Man findet schnell das, was man sucht oder über das man sich informieren will. Der Kollege hat die maßgeblichen Rechtsgebiete alphabetisch geordnet, so dass man sich nicht mühsam durch eine Vielzahl von Beiträgen scrollen muss, um das zu finden, was einen interessiert. Wer eben kein „Strafrecht“ mag – soll es ja geben 🙂 -, der klickt „Strafrecht“ in der Liste als sein Ziel eben nicht an, sondern „sein“ Interessengebiet, in dem dann die Beiträge der Blogs, die bei „Recht Umschau“ gemeldet sind, gelistet sind. Er erhält dann in der Tat „aktuelle Rechtsinformationen“. Alles in allem glaube ich, dass der Kollege Dr. Janert sein mit seinem „Portal“ verfolgtes „Ziel, sich als feste Anlaufstelle für aktuelle Rechtsinformationen zu etablieren“, erreichen wird. Das setzt natürlich voraus, dass sich dort viele Blogs listen lassen bzw. teilnehmen. Daher die Bitte an alle bloggenden Leser, die dort noch nicht teilnehme: Go. Das Anmelden geht ganz einfach hier.

So viel zum ersten Teil der Überschrift zu diesem Posting, also zu: „Über den Tellerrand schauen bei „Recht Umschau“, oder:“. Aber was, wird man sich als Leser nun fragen, ist mit dem zweiten Teil: Neue Rubrik „Persönlichkeiten des Rechts„? Tja, das ist nun etwas ganz Neues bei Recht Umschau, bei dem ich in Spiel komme. Denn der Kollege Dr. Janert hat sich – animiert durch meinen Beitrag: Hier ist das 15.000 Posting im BOB nach fast 16 Jahren, oder: Auf und weiter geht es – dann noch einmal bei mir gemeldet und angefragt, ob ich ggf. bereit sei, den „Opener“ für eine von ihm in seinem Portal geplante neue Rubrik: „Persönlichkeiten des Rechts“ zu machen. Er wolle unter der Überschrift in Zukunft immer mal wieder über Juristen berichten – ich drücke es mal so aus, um nicht schon wieder von „Persönlichkeiten …..“ zu sprechen 🙂 . Und da seien meine 15.000 Beiträge doch ein schöner Anlass, um die Rubrik zu eröffnen.

Ich räume ein, ich habe mich über die Anfrage gefreut. Denn, ein wenig eitel sind wir ja alle – oder? – und wenn man von anderen als „Persönlichkeit des Rechts“ eingeordnet wird, tut das gut und man freut sich über die darin auch liegende Anerkennung der täglichen Arbeit. Also habe ich zugesagt (ohne Rückendeckung von daheim 🙂 ). Das Ergebnis war dann ein Besuch des Kollegen Dr. Janert in Leer, bei dem wir uns bei einem gemeinsamen Mittagessen am Leeraner Hafen angeregt über das Bloggen, das Für und Wider, die Beweggründe und mehr unterhalten haben. Und daraus ist dann der erste Beitrag des Kollegen in der Rubrik „Persönlichkeiten des Rechts“ unter der Überschrift: „Detlef Burhoff: Ein Leben für die Juristerei“ geworden.  Wer es liest, merkt m.E., dass die Chemie unter den Gesprächspartner gestimmt hat. Und er erfährt eine ganze Menge über den Blogger und sein Drumherum. Es liest sich toll – „eine richtige Home-Story“ (stammt nicht von mir – sondern von meinem Webmaster 🙂 ). Der Kollege Dr. Janert hatte seinen Beitrag mir vorab zur Kenntnis gegeben. Ich fand es zunächst ein wenig „dick aufgetragen“ und war, wie ich dem Kollegen mitgeteilt hatte, „vor mir selbst erstarrt“,  aber er hatte keine Bedenken und so ist es dann online gegangen.

So, nun aber genug. Bis auf den Dank an den Kollegen. Einerseits für sein „Recht Umschau“ und dann natürlich für seinen Besuch in Leer und den o.a. Beitrag in seinem Portal. Danke für die Zeit und die Mühen, die solche Beiträge machen. Ich weiß, wovon ich schreibe/rede 🙂 .

Zeugnis für den Referendar in der Anwaltsstation, oder: Das Zeugnis ist unverzüglich zu erteilen

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Im „Kessel Buntes“ wird es dann heute wirklich bunt.

Zunächst kommt hier eine Entscheidung des AGH Hamm, und zwar der AGH Hamm, Beschl. v. 23.08.2024 – 2 AGH 12/18. Gestritten worden ist in dem Verfahren um ein Zwangsgeld, das gegen eine Rechtsanwältin festgesetzt worden ist, die mit der Ausstellung des Zeugnisses für eine ihr zur Ausbildung zugewiesene Referendarin erheblich in Verzug war. Das Zwangsgeld ist zwar inzwischen aufgehoben worden, der AGH sagt bei der Begründung der Kostenentscheidung zu Lasten der Rechtsanwältin aber etwas zur Berechtigung der Festsetzung:

„Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt, nachdem der Vorstand der Antragstellerin in seiner Sitzung vom 07.06.2018 die Aufhebung des Zwangsgeldes beschlossen hat. Aufgrund der Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung hat sich das Antragsverfahren erledigt (vgl. Böhnlein in Feuerich/Weyland, BRAO, 8.Aufl., § 58 Rn. 16).

III.

Der Antragsstellerin sind gem. §§ 197, 197 a BRAO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Über die angefallenen Kosten ist im Fall der Erledigung nach den §§ 464 StPO, 197a BRAO nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei grundsätzlich auf den wahrscheinlichen Verfahrensausgang im Falle der Fortführung des Verfahrens abzustellen ist. Die Antragstellerin wäre im weiteren Verfahren voraussichtlich unterlegen gewesen, denn ausweislich der vorgelegten Postzustellungsurkunden ist ihr sowohl die Androhung eines Zwangsgeldes als auch die Festsetzung zugegangen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die entsprechenden Zustellurkunden der Deutschen Post AG unrichtig seien, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Unabhängig davon hat die Antragstellerin die Ursache für das gesamte Verfahren gegeben, indem sie entgegen ihrer Verpflichtung aus § 46 JAG, das Zeugnis unverzüglich nach Abschluss der Ausbildung zu erteilen (vgl. dazu Anwaltsgericht Köln, Beschluss vom 12.10.2011 – 10 EV 160/10), nicht nachkam, sondern erst nach mehrmaliger Aufforderung und mehrmonatiger Verzögerung ihrer Verpflichtung nachkam.

Daher entspricht es dem billigen Ermessen, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.W

OWi III: Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, oder: Umfang der Verteidigervollmacht

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Und im dritten Posting habe ich dann noch etwas zum Umfang der Verteidigervollmacht, und zwar den OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.08.2024 – 2 ORbs 114/24.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 260 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das OLG hat die Beschränkung als wirksam angesehen:

„Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam:

Es kann dahinstehen, ob die Ermächtigung nicht bereits aus der dem Verteidiger erteilten Vertretungsvollmacht folgt. Auch die Rechtsprechung, die dieses ablehnt und zudem unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln nicht ausreichen lässt (so zum Beispiel Bayerisches Oberstes Landesgericht, ZfSch 2024, 229 f.), macht dann eine Ausnahme, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung eines konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war. So akzeptiert diese Rechtsprechung es als ausreichend, wenn ein Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, nachdem die Vollmacht im Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides erteilt worden ist, wobei dies sogar dann gelten soll, wenn der Bußgeldbescheid zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch nicht erlassen war (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a. a. O.).

Hier ist die Vollmacht erteilt worden nach „Anhörung im Bußgeldverfahren“ und berechtigte gemäß Ziffer 10 zur „Zurücknahme von Rechtsmitteln“.

In Fortentwicklung der vorgenannten Rechtsprechung, sieht der Senat unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es im Bußgeldverfahren gegen Urteile als Rechtsmittel lediglich die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gibt, die erteilte Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln auch für die Rechtsbeschwerde als ausreichend an. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid (s.o.) nicht einmal um ein Rechtsmittel handelt, sondern um einen Rechtsbehelf eigener Art (vgl. BT- Drucks. V/1269 S. 93.).

Unabhängig davon hat der Verteidiger des Betroffenen auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Betroffene mit der Beschränkung des Rechtsmittels „ausdrücklich einverstanden“ gewesen sei, so dass der Verteidiger über die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung verfügt hat.“

Und die Rechtsbeschwerde hatte dann auch Erfolg. Das OLG hat das Fahrverbot entfallen lassen:

„Vorliegend haben folgende Umstände den Senat zu dieser ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG ermöglichten eigenen Sachentscheidung veranlasst:

Der Betroffene ist 86 Jahre alt und hat keine Eintragungen im Register. Tatort war eine -wenn auch innerörtliche- Bundesstraße. Die Tatzeit war 23:50 Uhr.

Das Amtsgericht ist offenbar zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass dieser “dringend ein Krankenhaus aufsuchen musste“ und ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffenen unter Schmerzen gelitten hat.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene selbst nur über eine Rente von 312 € verfüge. Es ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffene „nicht gut laufen“ könne. Wie aber Taxifahrten zu den regelmäßigen Arztbesuchen bei einem Einkommen von 312 € bezahlt werden könnten, ist nicht ersichtlich, da die vom Amtsgericht aufgezeigte Möglichkeit einer Kreditaufnahme rein theoretischer Natur sein dürfte. Soweit das Amtsgericht auf ein höheres Einkommen der Ehefrau des Betroffenen abstellt, ist dieses für die gegen ihn zu verhängende Sanktion irrelevant.

Da somit im Hinblick auf die Tat als solche, als auch bezüglich der Auswirkungen eines Fahrverbotes auf den Betroffenen, bereits nach den getroffenen (knappen) Feststellungen, eine Reihe entlastender Umstände vorliegen, hat der Senat das Fahrverbot entfallen lassen. In Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Betroffenen hat er auch von einer Erhöhung der Geldbuße abgesehen.“