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Zurückweisung eines Verteidigers beim Anwaltsgericht, oder: Unzulässige Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO)

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Und die zweite Entscheidung kommt auch aus einem Bereich, mit dem man es nicht so häufig zu tun hat, nämlich dem anwaltsgerichtlichen Verfahren und der Frage der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO).

Folgender Sachverhalt: Die angeschuldigte Rechtsanwältin TN hat sich mit Schriftsatz vom 14.08.2018 im Verfahren 1 AnwG 22/17 (nach Verbindung 1 AnwG 2/18) zur Verteidigerin von Rechtsanwalt WN bestellt. Rechtsanwältin TN und Rechtsanwalt WN haben mit Schriftsatz vom 12.04.2021 erklärt, sich in allen Verfahren wechselseitig zu verteidigen.

Das AnwG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.05.2020 die Verfahren 1 AnwG 2/18, 2 AnwG 7/18, 2 AnwG 8/18, 2 AnwG 7/19 und 2 AnwG 3/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Rahmen dieses Beschlusses hat das AnwG Düsseldorf vorab auf § 146 StPO hingewiesen.

In der Hauptverhandlung am 19.04.2021 hat das AnwG Düsseldorf einen Antrag von Rechtsanwältin TN für sich selbst und den angeschuldigten Rechtsanwalt WN auf Aussetzung des Verfahrens mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Mehrfachvertretung nach § 146 StPO unzulässig sei und gegen § 43a BRAO verstoße. Die daraufhin gegen diesen Beschluss von Rechtsanwalt WN und Rechtsanwältin TN für sich selbst und als Verteidiger des jeweils anderen eingelegte Beschwerde und den Widerspruch von Frau Rechtsanwältin TN ist das AnwG Düsseldorf im Rahmen seines Urteils vom 19.04.2021 davon ausgegangen, dass die Rechtsanwälte N als jeweiliger Verteidiger des anderen gemäß § 146a StPO zurückgewiesen wurden, allerdings ist ein entsprechender Beschluss durch das AnwG Düsseldorf in I. Instanz nicht gefasst worden.

Gegen das Urteil des AnwG Düsseldorf haben die Rechtsanwälte W N und T N unter dem 26.05.2021 Berufung eingelegt. Der Anwaltsgerichtshof Hamm hat im AGH Hamm, Beschl. v. 05.04.2022 – 2 AGH 9/21 – beide Rechtsanwälte zurückgewiesen:

„Der AGH ist als das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, nach § 146a Abs. 1 S. 3 StPO zuständig für die Entscheidung über eine Zurückweisung des Wahlverteidigers.

Ein Verstoß gegen § 146 StPO ist vorliegend gegeben.

Der Senat schließt sich ausdrücklich der Entscheidung des BGH (v. 26.01.1996 – 2 ARs 441/95) an, dass ein Rechtsanwalt dann, wenn er erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn von einem Mitangeklagten als Verteidiger gewählt wird, durch Beschluss des erkennenden Gerichts zurückzuweisen ist. Wie der BGH erkannt hat, kann ein Angeklagter nicht gleichzeitig als Verteidiger eines Mitangeklagten tätig werden. Die Verfahrensrollen des Verteidigers und des Angeklagten sind miteinander unvereinbar. Ein Angeklagter kann einen Mitangeklagten nicht verteidigen, weil er als Angeklagter nicht in der Lage ist, seine Verteidigeraufgaben so wahrzunehmen, wie es seine Stellung als Organ der Rechtspflege und Beistand seines Mandanten verlangt. Es besteht die Gefahr, dass er sich über die Belange seines Mandanten hinwegsetzt, um sich selbst vor Bestrafung zu schützen. Seine Verteidigerstellung kann ihn zudem in Widerstreit zu den ihm obliegenden Pflichten zur Wahrheit und Verschwiegenheit bringen. Als Mitangeklagter verfügt er nicht mehr über die für die Verteidigung notwendige Unabhängigkeit gegenüber seinem Mandanten. Außerdem gewährt die StPO – und damit auch die BRAO – dem Verteidiger in der Hauptverhandlung eine besondere Verfahrensposition mit Rechten, deren gleichzeitige Gewährung für ihn als Angeklagten mit den Zielen des Strafprozessrechts nicht zu vereinbaren wäre. Es ist auch allgemein anerkannt, dass verschiedene Verfahrensrollen von vornherein unvereinbar sind. Dass die Stellung des Verteidigers im Strafverfahren mit der Rolle des Angeklagten unvereinbar ist, ist auch vor der Einführung der §§ 138a ff. StPO nie angezweifelt worden.

§ 138 StPO schließt demgegenüber nur aus, dass sich der angeschuldigte Rechtsanwalt zum Verteidiger in eigener Sache bestellt (BVerfG v. 19.03.1998 – 2 BvR 291/98; Karlsruher Kommentar, StPO, § 138 StPO, Rn. 3). Nicht anwendbar ist § 138 StPO auf den Rechtsanwalt, der von einem Mitangeklagten als Verteidiger gewählt wird (BGH v. 26.01.1996 – 2 ARs 441/95).

Ein in der Verteidigung etwaig liegender Verstoß gegen § 43a BRAO, auf den das AnwG Düsseldorf zudem abstellte, betrifft nur das Berufsrecht nicht die Zulässigkeit der Verteidigung.

Dahinstehen kann, ob eine Zurückweisung auch dann erfolgen darf, wenn erst die Verbindung bisher getrennt geführter Verfahren die Voraussetzungen für eine Zurückweisung schafft und diese Verbindung ohne sachlichen Grund, willkürlich erfolgt, wenn die Verbindung sachgemäß war und sonstige sachliche Gründe, die für eine Durchführung getrennter Verfahren sprechen könnten, nicht ersichtlich sind (OLG Celle v. 04.07.2001 – 3 ARs 25/01).

Die vom AnwG Düsseldorf vorgenommene Verbindung der Verfahren war sachgemäß. Die Verfahrensverbindung ist zwangsläufige Folge des dem anwaltsgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Grundsatzes der Einheitlichkeit des Pflichtenverstoßes. Der Schutz des Rechts auf Verteidigung durch einen Wahlverteidiger muss im anwaltsgerichtlichen Verfahren dann zurücktreten, wenn ansonsten der Grundsatz der Einheitlichkeit des Pflichtenverstoßes nicht gewahrt werden könnte, da ansonsten der in der Beurteilung des einheitlichen Pflichtverstoßes liegende Zweck des anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erreicht werden könnte. Sonstige sachliche Gründe, die für eine Durchführung getrennter Verfahren sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.“

Aber der AGH Hamm zeigt einen möglichen Ausweg:

„Der Senat weist daraufhin, dass gemäß §§ 116 Abs. 1 S. 2 BRAO, 149 Abs. 1 S. 1 StPO der Ehegatte oder Lebenspartner eines Angeklagten in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen ist. Eine Zulassung erfolgt nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Antrag.“

Anwaltswerbung mit Pin-up-Kalender, Täuschende Werbeanzeigen und Erfolgshonorar, oder: Alles unzulässig

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Heute im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder eine berufsrechtliche Entscheidung, und zwar das AGH Hamm, Urt. v. 06.12.2019 – 2 AGH 3/19, das ja auch schon Gegenstand der Berichterstattung im AnwBl. war.

In dem Verfahren ging es um verschiedene (angebliche) berufsrechtliche Verstöße, die dem angeklagten Kollegen zur Last gelegt wurden, und zwar.

1. Zulässigkeit der Anwaltswerbung mit einem Pin-up-Kalender

Der Kollege hatte 2015 Kalender mit nackten Frauen zu Werbezwecken an Autohäuser und Autowerkstätten verteilt. Auf der Kopflasche des Kalenders fanden sich die Kontaktdaten seiner Kanzlei. Deswegen war der Kollege vom AnwG Köln zu einer Geldbuße verurteilt worden, außerdem hatte man einen Verweis ausgesprochen.

2. Zulässigkeit des Inhalts von Werbeanzeigen im Kölner Stadtanzeiger

Gestritten worden ist zudem um die Zulässigkeit von mehreren Werbeanzeigen im Kölner Stadtanzeiger. Die enthielten jeweils ein Bild in Kombination mit Texten. In dem Streit ging es um den Sachbezug gibt und ob die Verwendung der Bezeichnung „Gruppe“ im Text eine Kanzleigröße vortäusche, die es nicht gebe.

Der Inhalt der Anzeigen (vgl. auch hier):

• Nr. 1: „Diskriminierung am Arbeitsplatz?“ und „Kündigungsschutz?“ eine mit hochhackigen Schuhen und kurzem Rock bekleidete Frau steht auf einem Schreibtisch und fixiert mit ihrem Schuh die Krawatte eines an diesem Schreibtisch sitzenden Mannes.

• Nr. 2: „Gehen Sie nicht zu irgendeinem Anwalt, sondern zum Fachanwalt! Kommen Sie rechtzeitig zu mir!“ an den Füßen einer mit einem Tuch zugedeckten Leiche baumelt ein Namensanhänger (Aufschrift: „war nicht rechtzeitig beim Anwalt“).

• Nr. 3: „Deutschland braucht die Zuwanderung junger Fachkräfte. Helfen wir … gemeinsam“ ein dunkelhaariges Mädchen mit einer Puppe im Arm steht am Rande von Bahnschienen vor dem Hintergrund mehrerer Flüchtlingsgruppen. Die Anzeige enthält zudem folgenden Text: „Wenn Sie mir bei Mandatsaufnahme diesen Coupon vorlegen, spendet meine Kanzlei 10 Prozent des von Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinnahmten Nettohonorars an eine Hilfsorganisation für jugendliche Flüchtlinge Ihrer Wahl.“

In den beiden letzten Anzeigen (Nr. 2 und 3) wird auf die Qualifikation als Fachanwalt für Versicherungsrecht und für Medizinrecht, in allen dreien auf die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer und zwei Büroadressen hingewiesen“

3. Zulässigkeit einer Erfolgshonorarvereinbarung

Im dritten Komplex ging es schließlich um das AnwG Köln, Urt. v. 09.10.2018 – 2 AnwG 21/15 , 2 AnwG 60/17 , 2 AnwG 20/17 – (vgl. dazu Erfolgshonorar, oder: Nachträgliche Vereinbarung geht gar nicht). Auch insoweit war gegen den Kollegen eine Geldbuße festgesetzt und ein Verweis ausgesprochen worden.

Der AGH Hamm hat im Urt. v. 06.12.2019 – 2 AGH 3/19 festgestellt,  dass der Kollege seinen Verpflichtungen gem. §§ 43, 43 b, 113 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 6 BORA und §§ 43, 49 b Abs. 2, 113 Abs. 1 BRAO i.V.m. § 4 a RVG zuwider gehandelt hat und hat ihn verurteilt Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext des Urt. v. 06.12.2019 – 2 AGH 3/19.

Hier nur zur Kurzinfo die Leitsätze, wie sie im AnwBl. 2020, 172 von der Redaktion gefasst worden sind:

„1. Ein Anwalt verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot, wenn er mit einem „Pin-up-Kalender“, in dem Frauen als Sexualobjekte in den Vordergrund gerückt werden, wirbt. Derartige Werbemethoden sind geeignet, die Rechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interessen Rechtsuchender zu beschädigen.

2. Die Bezeichnung eines Anwalts in einer Anzeige als „Mitglied einer Gruppe“, deren allein handelnde Person jeweils der Anwalt ist, ist unsachlich, weil hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass dem Anwalt Kontakte oder sonstige Vorteile bei Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit zur Verfügung stehen würden, die bei anderen Anwälten nicht gegeben sind. Dadurch werde eine gesteigerte Leistungsfähigkeit und Spezialisierung des Anwalts suggeriert.

3. Eine Anzeige, in der ein Werbetext mit einem Bild ohne jedweden inhaltlichen Bezug zur anwaltlichen Tätigkeit verknüpft wird, ist unzulässig, weil ihr jeder sachliche Bezug fehlt.

4. Ein Verstoß gegen § 49b Abs. 2 BRAO ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit dem Mandanten der Rechtsstreit bereits anhängig ist.“

Der Leitsatz zu 4 finde ich etwas knapp und ein wenig missverständlich, da ja das Erfolgshonorar als unzulässig angesehen worden ist. Daher hier die Gründe zu dem Teil des Urteils: