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StPO II: Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Boot, oder: Gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Karlsruhe, Beschl. v. 05.09.2022 – 16 Qs 65/22, 16 Qs 66/22 – hat das Mehrfachverteidigungsverbot (§ 146 StPO) zum Gegenstand. Das LG nimmt in seinem Beschluss in einem „obiter dictum“ zu der Frage Stellung, ob § 146 StPO Anwendung findet bei der Verteidigung mehrerer Beschuldigter derselben Tat durch angestellte Rechtsanwälte und ihren Arbeitgeber.

Hier die Leitsätze zu der Problmatik – die Ausführungen des LG findet man ganz am Ende des Beschlusses:

1. Ob angestellte Rechtsanwälte und ihr Arbeitgeber als „ein Verteidiger“ im Sinne des § 146 StPO anzusehen sind und damit von der Verteidigung mehrerer Beschuldigter in derselben Sache ausgeschlossen wären, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Mehrere als Verteidiger tätige Mitglieder einer Sozietät sind nicht als „ein Verteidiger“ anzusehen, da die Norm sich schon sprachlich nicht auf Personenvereinigungen bezieht.
2. Angestellte Rechtsanwälte sind indes gerade nicht als Partner oder Mitgesellschafter strukturell gleichberechtigte Mitglieder einer Sozietät, sondern einem Kanzleisozius untergeordnet. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis schließt das bloß als generischer Singular verwendete Tatbestandsmerkmal „ein Verteidiger“ jedenfalls nicht aus, § 146 StPO auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, bei dem ein Verteidiger auftritt, für den weitere zugelassene Rechtsanwälte als Angestellte tätig sind. Der Gesetzgeber verwendet regelmäßig den generischen Singular, ohne dass die jeweiligen Normen eine Zurechnung weiterer Personen ausschließen.
3. Der Regelungszweck des § 146 StPO liegt darin, dass ein Verteidiger seiner Beistandsfunktion gegenüber mehreren Beschuldigten nicht gerecht werden kann, wenn der eine Beschuldigte, um sich zu entlasten oder eine mildere Strafe zu erhalten, den anderen belastet oder belasten müsste. Dieser Interessenkonflikt besteht auch bei mehreren Beschuldigten, die ein Verteidiger als Arbeitgeber gemeinsam mit seinen separat bevollmächtigten Angestellten vertritt. Angestellte Rechtsanwälte unterliegen jedenfalls im Grundsatz den Weisungen des Arbeitgebers und sämtliche Gebühren für die Verteidigung der Beschuldigten fließen diesem zu. Es erscheint praktisch kaum denkbar, dass ein angestellter Verteidiger sich Vorgaben seines einen Mitbeschuldigten vertretenden Arbeitgebers zu Gunsten eines anderen Beschuldigten entgegenstellt. Verteidiger aller Beschuldigten ist in solchen Fällen faktisch der Arbeitgeber. Dadurch unterscheidet sich eine Vertretung durch angestellte Rechtsanwälte grundlegend von der mit § 146 StPO vereinbaren Vertretung durch gleichberechtigte Sozien oder durch eine Bürogemeinschaft selbständiger Rechtsanwälte.
4. Einen Einfluss auf das Verfahren hat dies jedoch erst, sofern das zuständige Gericht einen Verteidiger wegen Verstoßes gegen § 146 StPO nach § 146a Abs. 1 StPO unanfechtbar zurückweist. Bis zu einer Zurückweisung sind die bisherigen Prozesserklärungen des Verteidigers gem. § 146a Abs. 2 StPO wirksam.

Zurückweisung eines Verteidigers beim Anwaltsgericht, oder: Unzulässige Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO)

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Und die zweite Entscheidung kommt auch aus einem Bereich, mit dem man es nicht so häufig zu tun hat, nämlich dem anwaltsgerichtlichen Verfahren und der Frage der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO).

Folgender Sachverhalt: Die angeschuldigte Rechtsanwältin TN hat sich mit Schriftsatz vom 14.08.2018 im Verfahren 1 AnwG 22/17 (nach Verbindung 1 AnwG 2/18) zur Verteidigerin von Rechtsanwalt WN bestellt. Rechtsanwältin TN und Rechtsanwalt WN haben mit Schriftsatz vom 12.04.2021 erklärt, sich in allen Verfahren wechselseitig zu verteidigen.

Das AnwG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 19.05.2020 die Verfahren 1 AnwG 2/18, 2 AnwG 7/18, 2 AnwG 8/18, 2 AnwG 7/19 und 2 AnwG 3/19 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Rahmen dieses Beschlusses hat das AnwG Düsseldorf vorab auf § 146 StPO hingewiesen.

In der Hauptverhandlung am 19.04.2021 hat das AnwG Düsseldorf einen Antrag von Rechtsanwältin TN für sich selbst und den angeschuldigten Rechtsanwalt WN auf Aussetzung des Verfahrens mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Mehrfachvertretung nach § 146 StPO unzulässig sei und gegen § 43a BRAO verstoße. Die daraufhin gegen diesen Beschluss von Rechtsanwalt WN und Rechtsanwältin TN für sich selbst und als Verteidiger des jeweils anderen eingelegte Beschwerde und den Widerspruch von Frau Rechtsanwältin TN ist das AnwG Düsseldorf im Rahmen seines Urteils vom 19.04.2021 davon ausgegangen, dass die Rechtsanwälte N als jeweiliger Verteidiger des anderen gemäß § 146a StPO zurückgewiesen wurden, allerdings ist ein entsprechender Beschluss durch das AnwG Düsseldorf in I. Instanz nicht gefasst worden.

Gegen das Urteil des AnwG Düsseldorf haben die Rechtsanwälte W N und T N unter dem 26.05.2021 Berufung eingelegt. Der Anwaltsgerichtshof Hamm hat im AGH Hamm, Beschl. v. 05.04.2022 – 2 AGH 9/21 – beide Rechtsanwälte zurückgewiesen:

„Der AGH ist als das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, nach § 146a Abs. 1 S. 3 StPO zuständig für die Entscheidung über eine Zurückweisung des Wahlverteidigers.

Ein Verstoß gegen § 146 StPO ist vorliegend gegeben.

Der Senat schließt sich ausdrücklich der Entscheidung des BGH (v. 26.01.1996 – 2 ARs 441/95) an, dass ein Rechtsanwalt dann, wenn er erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn von einem Mitangeklagten als Verteidiger gewählt wird, durch Beschluss des erkennenden Gerichts zurückzuweisen ist. Wie der BGH erkannt hat, kann ein Angeklagter nicht gleichzeitig als Verteidiger eines Mitangeklagten tätig werden. Die Verfahrensrollen des Verteidigers und des Angeklagten sind miteinander unvereinbar. Ein Angeklagter kann einen Mitangeklagten nicht verteidigen, weil er als Angeklagter nicht in der Lage ist, seine Verteidigeraufgaben so wahrzunehmen, wie es seine Stellung als Organ der Rechtspflege und Beistand seines Mandanten verlangt. Es besteht die Gefahr, dass er sich über die Belange seines Mandanten hinwegsetzt, um sich selbst vor Bestrafung zu schützen. Seine Verteidigerstellung kann ihn zudem in Widerstreit zu den ihm obliegenden Pflichten zur Wahrheit und Verschwiegenheit bringen. Als Mitangeklagter verfügt er nicht mehr über die für die Verteidigung notwendige Unabhängigkeit gegenüber seinem Mandanten. Außerdem gewährt die StPO – und damit auch die BRAO – dem Verteidiger in der Hauptverhandlung eine besondere Verfahrensposition mit Rechten, deren gleichzeitige Gewährung für ihn als Angeklagten mit den Zielen des Strafprozessrechts nicht zu vereinbaren wäre. Es ist auch allgemein anerkannt, dass verschiedene Verfahrensrollen von vornherein unvereinbar sind. Dass die Stellung des Verteidigers im Strafverfahren mit der Rolle des Angeklagten unvereinbar ist, ist auch vor der Einführung der §§ 138a ff. StPO nie angezweifelt worden.

§ 138 StPO schließt demgegenüber nur aus, dass sich der angeschuldigte Rechtsanwalt zum Verteidiger in eigener Sache bestellt (BVerfG v. 19.03.1998 – 2 BvR 291/98; Karlsruher Kommentar, StPO, § 138 StPO, Rn. 3). Nicht anwendbar ist § 138 StPO auf den Rechtsanwalt, der von einem Mitangeklagten als Verteidiger gewählt wird (BGH v. 26.01.1996 – 2 ARs 441/95).

Ein in der Verteidigung etwaig liegender Verstoß gegen § 43a BRAO, auf den das AnwG Düsseldorf zudem abstellte, betrifft nur das Berufsrecht nicht die Zulässigkeit der Verteidigung.

Dahinstehen kann, ob eine Zurückweisung auch dann erfolgen darf, wenn erst die Verbindung bisher getrennt geführter Verfahren die Voraussetzungen für eine Zurückweisung schafft und diese Verbindung ohne sachlichen Grund, willkürlich erfolgt, wenn die Verbindung sachgemäß war und sonstige sachliche Gründe, die für eine Durchführung getrennter Verfahren sprechen könnten, nicht ersichtlich sind (OLG Celle v. 04.07.2001 – 3 ARs 25/01).

Die vom AnwG Düsseldorf vorgenommene Verbindung der Verfahren war sachgemäß. Die Verfahrensverbindung ist zwangsläufige Folge des dem anwaltsgerichtlichen Verfahren zugrunde liegenden Grundsatzes der Einheitlichkeit des Pflichtenverstoßes. Der Schutz des Rechts auf Verteidigung durch einen Wahlverteidiger muss im anwaltsgerichtlichen Verfahren dann zurücktreten, wenn ansonsten der Grundsatz der Einheitlichkeit des Pflichtenverstoßes nicht gewahrt werden könnte, da ansonsten der in der Beurteilung des einheitlichen Pflichtverstoßes liegende Zweck des anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erreicht werden könnte. Sonstige sachliche Gründe, die für eine Durchführung getrennter Verfahren sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.“

Aber der AGH Hamm zeigt einen möglichen Ausweg:

„Der Senat weist daraufhin, dass gemäß §§ 116 Abs. 1 S. 2 BRAO, 149 Abs. 1 S. 1 StPO der Ehegatte oder Lebenspartner eines Angeklagten in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen ist. Eine Zulassung erfolgt nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Antrag.“

Wiedereinsetzung I: Quasi-Verlängerung der Begründungsfrist, oder: Nachholung von Verfahrensrügen

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Heute am „Vatertag“ – wird sicherlich noch einmal ein etwas ruhigerer „Festtag“ – drei Entscheidungen zur Wiedereinsetzung. Es ist zwar Feiertag heute, aber ich lasse das Programm durchlaufen.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 02.12.2020 – 2 StR 267/20. Also schon etwas älter 🙂 . Der Angeklagte hatte einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, den der BGH zurückgewiesen hat:

„1. Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 31. Januar 2020 zu gewähren, ist unzulässig, weil seine Revision bereits von seinen Pflichtverteidigern frist- und formgerecht begründet worden ist.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen kommt nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46; vom 23. August 2012 – 1 StR 346/12; vom 14. November 2019 – 5 StR 505/19 je mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier – wie vom Generalbundesanwalt näher ausgeführt – nicht vor, auch nicht mit Blick darauf, dass die Urteilszustellung an den Wahlverteidiger zunächst nicht bewirkt werden konnte. Durch die sodann erfolgte spätere Zustellung der Urteilsurkunde wurde die Revisionsbegründungsfrist für den Beschwerdeführer insgesamt sogar verlängert.

2. Der weitere Antrag des Angeklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Heilung der Mängel von nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrügen ist ebenfalls unzulässig. Die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass geltend gemacht wird, den Angeklagten treffe an den Mängeln kein Verschulden. Könnte ein Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO außer Kraft gesetzt. Dies würde nicht mit dem öffentlichen Interesse in Einklang stehen, einen geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung alsbald eine klare Verfahrenslage zu schaffen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachbesserung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 1991 – 4 StR 384/91, wistra 1992, 28; vom 25. September 2012 – 1 StR 361/12, wistra 2013, 34). Eine solche Ausnahmesituation liegt ersichtlich nicht vor.“

Dagegen hatte der Angeklagte dann noch die Anhörungsrüge erhoben, die der BGH mit BGH, beschl. v. 02.03.2021 – 2 StR 267/20 – zurückgewiesen hat. Da meint der BGH noch:

„Soweit der Verurteilte die Formulierung in dem angefochtenen Beschluss, durch die zweite Zustellung der Urteilsurkunde an den Wahlverteidiger sei die Revisionsbegründungsfrist für den Beschwerdeführer insgesamt sogar verlängert worden, als rechtlich verfehlt beanstandet, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Erfolgt in Fällen der Mehrfachverteidigung entgegen Nr. 154 Abs. 1 Satz 2 RiStBV die Zustellung an mehrere Verteidiger zu unterschiedlichen Zeiten, führt dies für den Verurteilten zu einer faktischen Fristverlängerung ( BGH, Urteil vom 30. August 1990 – 3 StR 459/87 , BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 4 ; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 37 Rn. 29). Hier wurde die Revisionsbegründungsfrist mit Urteilszustellung an die beiden Pflichtverteidiger am 23. April 2020 in Gang gesetzt und endete aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten weiteren Zustellung an Rechtsanwalt S. erst am 8. Juni 2020. Mithin standen dem Verurteilten damit insgesamt mehr als sechs Wochen zur Begründung seiner Revision zur Verfügung.“

Verbot der Mehrfachverteidigung, oder: Diener zweier Herren?

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Immer wieder sind die mit § 146 StPO – Verbot der Mehrfachverteidigung – zusammenhängenden Fragen in der Diskussion. Das gilt vor allem, wenn es um die Verteidigung in BtM-Verfahren geht. Diese Fragen haben auch in einem berufsrechtlichen Verfahren eine Rolle gespielt, in dem dann das AGH Niedersachen, Urt. v. 26.06.2017 – AGH 3/16 – ergangen ist.

Den genauen Sachverhalt bitte ich der verlinkten Entscheidung zu entnehmen. Seine Darstellung in gekürzter Form ist schwieriger. Zusammengefasst gitl: Der Rechtsanwalt hat zunächst den B1 in einem Verfahren wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das BtM-Gesetz verteidigt – Tatzeitraum Anfnag 2011 – und später dann (auch) den B2 – Tatzeitraum September 2011. Ihm ist ein berufsrechtlicher Verstoß gegen §3 43, 43a Abs. 4 BRAO zur Last gelegt worden. Der AnwG hat ihn frei gesprochen, der AGH hat das bestätigt:

Auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts hat das Anwaltsgericht den Rechtsanwalt von dem Vorwurf des Verstoßes gegen §§ 43, 43a IV BRAO, § 356 StGB im Ergebnis zu Recht freigesprochen.

„Allerdings kommt es dabei nicht darauf an, ob die Interessen, die Rechtsanwalt …  vertreten hat, im Sinne des § 43 a IV BRAO als „widerstreitend“ anzusehen sind. Es liegt bereits kein Verstoß gegen § 146 StPO, dem Verbot der Mehrfachverteidigung, vor.

146 StPO verbietet die Verteidigung gleichzeitige mehrerer derselben Tat Beschuldigter. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob  die Beschuldigten in einem Verfahren oder in getrennten Verfahren beschuldigt bzw. angeklagt werden. Maßgeblich dafür, ob dieselbe Tat vorliegt, ist der strafprozessuale Tatbegriff des § 264 StPO (Meyer-Goßner / Schmitt StPO, 2017, § 146 RN 14). Danach ist eine Tat ein „konkretes Vorkommnis“, ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet (BGHSt 22, 385), und innerhalb dessen der Beschuldigte einen Straftatbestand verwirklicht hat oder haben soll (Meyer-Goßner / Schmitt § 264 RN 2). Zunächst stellt einerseits eine nach Ort und Zeit völlig unbestimmte und auch im Übrigen nicht ausreichend konkretisierte Handlung keine Tat im Sinne des § 146 StPO dar. Zur Tat gehört aber anderseits das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt. Entscheidend ist, ob ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (Meyer-Goßner / Schmidt § 264 RN 2).   Es genügt nicht, dass sich das angeklagte Geschehen wiederholt, mithin zum in der Anklage angenommenen Zeitpunkt als auch zu einem weiteren Zeitpunkt ereignet hat. Die Identität der Tat muss gewahrt bleiben (Meyer-Goßner / Schmidt § 164 RN 2).

Ausweislich der beiden Haftbefehle  wurde dem … strafrechtlich relevante Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Zeit von ca. 28.09.2011 bis zum 10.01.2012, dem  … … Anfang September 2011 vorgeworfen. Eine Tatidentität zwischen diesen beiden  Sachverhalten kann bei einem solch langen zeitlichen Abstand nicht angenommen werden. Soweit der Rechtsanwalt … zum Zeitpunkt der Haftbefehlsverkündung gegen … … am 12.06.2012 gegebenenfalls hätte annehmen müssen, dass auch … in diese Taten verwickelt sein könnte, war er zu diesem Zeitpunkt für diese Taten als Verteidiger des … nicht mandatiert. Ein Verstoß gegen § 146 StPO ist damit ausgeschlossen. Die Frage, ob ein solcher Verstoß per Automatismus zu einem Verstoß gegen §§ 43, 43 a IV BRAO führt, stellt sich damit nicht mehr.“

Nun ja, passt wohl. Aber ich habe mit diesen Geschichten immer so mein Probleme, wenn es darum geht, dass der Rechtsanwalt „Diener zweier Herren“ sein soll/will. Das geht häufig nicht gut.

Gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung auch im anwaltsgerichtlichen Verfahren?

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Einen recht deutlichen Hinweis zur Geltung des § 146 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren enthält der BVerfG, Beschl. v. 25.02.2016 – 1 BvR 1042/15. Ergangen ist er in einem anwaltsgerichtlichen Verfahren, das in Sachsen anhängig war. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Anwaltsgerichts, mit dem er in einem Verfahren nach § 74a BRAO wegen verbotener Mehrfachvertretung als Verteidiger zurückgewiesen wurde. In dem Verfahren war der Beschwerdeführer von fünf Rechtsanwälten als Verteidiger beauftragt worden. Die Mandanten arbeiteten in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammen und hatten in einer Tageszeitung Werbeanzeigen veröffentlicht, die nach Auffassung der zuständigen RAK berufsrechtliche Bestimmungen (§ 43b BRAO, § 6 BORA) missachteten. Nach entsprechender Beschlussfassung des Vorstands der Rechtsanwaltskammer wurde gegenüber jedem der Rechtsanwälte mit gesonderten, gleichlautenden Bescheiden eine berufsrechtliche Rüge ausgesprochen. Mit der betreffenden Kanzleiwerbung hätten sie die ihnen obliegenden Berufspflichten verletzt. Nach Zurückweisung der Einsprüche gegen die Rügebescheide hat der Beschwerdeführer als Verteidiger der fünf Rechtsanwälte die Entscheidung des AnwG beantragt. In dem Verfahren ist der Rechtsanwalt dann als Verteidiger gem. § 146 StPO zurückgewiesen worden.

Dagegen dann die Verfassungsbeschwerde, die das BVerfG wegen fehlender Rechtswegerschöpfung als unzulässig angesehen hat. Es gibt aber im Hinblick auf den § 146 StPO „Hinweise“:

„Mit Blick auf die Fortsetzung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens ist allerdings der Hinweis angebracht, dass erhebliche Bedenken bestehen, ob es sich mit der verfassungsrechtlich garantierten Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers (Art. 12 Abs. 1 GG) vereinbaren lässt, ihn aufgrund des Verweises in § 74a Abs. 2 Satz 2 BRAO entsprechend § 146 Satz 1, § 146a Abs. 1 StPO als Verteidiger im anwaltsgerichtlichen Verfahren auszuschließen und insoweit an beruflicher Tätigkeit zu hindern.

Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers, die mit der Entscheidung des Anwaltsgerichts über seinen Ausschluss als Verteidiger verbunden ist, kann unter Berücksichtigung des mit § 146 Satz 1 StPO verfolgten Gemeinwohlziels verfassungsrechtlich schwerlich gerechtfertigt sein. Legitimer Zweck des Verbots der Mehrfachverteidigung ist es, Interessenkollisionen zu vermeiden, um die Beistandsfunktion des Verteidigers, die es auch im öffentlichen Interesse zu wahren gilt, nicht zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 45, 354 <358>). Für die Bedeutung dieses Gemeinwohlziels ist im vorliegenden Verfahren zu beachten, dass es nicht um die Aufklärung und Ahndung eines schuldhaften Verhaltens geht, das eine Strafe oder auch nur annähernd vergleichbare Sanktion – wie etwa im Fall einer Disziplinarmaßnahme oder einer Ordnungswidrigkeit – nach sich ziehen könnte. Zu entscheiden ist lediglich über die Berechtigung einer Rüge, die vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer ausgesprochen wurde. Es handelt sich um eine nur aufsichtsrechtliche Maßnahme, deren Gehalt als Sanktion sich bereits in dem Ausdruck der Missbilligung des Verhaltens eines Rechtsanwalts erschöpft.

Dementsprechend hat der mit dem Ausspruch einer Rüge verbundene Grundrechtseingriff für den von ihr betroffenen Rechtsanwalt kein erhebliches Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. November 1999 – 1 BvR 2284/98 u.a. -, juris). Dies ist auch für die Auslegung des Verfahrensrechts und die Anwendbarkeit des § 146 Satz 1 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren von Bedeutung; denn für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Verteidigers kommt es auch auf die Gewichtigkeit der Sanktion an, die dem Mandanten droht und gegen die ihn der Rechtsanwalt verteidigen soll (vgl. BVerfGE 45, 272 <290>). Ist das Gewicht der drohenden Sanktion gering, wie hier durch die allenfalls mögliche Bestätigung der ausgesprochenen Rüge, so spricht dies gegen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers. Hinzu kommt, dass Interessengegensätze zwischen den Mandanten nicht zu erkennen sind. Diese Grundsätze sind auch für die im Ausgangsverfahren zur Entscheidung berufenen Gerichte maßgeblich; denn auch der Richter, der bei Auslegung des einfachen Rechts zu Einschränkungen der grundsätzlich freien Berufsausübung gelangt, ist an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG auch den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken (vgl. BVerfGE 54, 224 <235>).“