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StPO II: Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem Boot, oder: Gilt das Verbot der Mehrfachverteidigung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Karlsruhe, Beschl. v. 05.09.2022 – 16 Qs 65/22, 16 Qs 66/22 – hat das Mehrfachverteidigungsverbot (§ 146 StPO) zum Gegenstand. Das LG nimmt in seinem Beschluss in einem „obiter dictum“ zu der Frage Stellung, ob § 146 StPO Anwendung findet bei der Verteidigung mehrerer Beschuldigter derselben Tat durch angestellte Rechtsanwälte und ihren Arbeitgeber.

Hier die Leitsätze zu der Problmatik – die Ausführungen des LG findet man ganz am Ende des Beschlusses:

1. Ob angestellte Rechtsanwälte und ihr Arbeitgeber als „ein Verteidiger“ im Sinne des § 146 StPO anzusehen sind und damit von der Verteidigung mehrerer Beschuldigter in derselben Sache ausgeschlossen wären, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Mehrere als Verteidiger tätige Mitglieder einer Sozietät sind nicht als „ein Verteidiger“ anzusehen, da die Norm sich schon sprachlich nicht auf Personenvereinigungen bezieht.
2. Angestellte Rechtsanwälte sind indes gerade nicht als Partner oder Mitgesellschafter strukturell gleichberechtigte Mitglieder einer Sozietät, sondern einem Kanzleisozius untergeordnet. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis schließt das bloß als generischer Singular verwendete Tatbestandsmerkmal „ein Verteidiger“ jedenfalls nicht aus, § 146 StPO auf Fälle wie den vorliegenden anzuwenden, bei dem ein Verteidiger auftritt, für den weitere zugelassene Rechtsanwälte als Angestellte tätig sind. Der Gesetzgeber verwendet regelmäßig den generischen Singular, ohne dass die jeweiligen Normen eine Zurechnung weiterer Personen ausschließen.
3. Der Regelungszweck des § 146 StPO liegt darin, dass ein Verteidiger seiner Beistandsfunktion gegenüber mehreren Beschuldigten nicht gerecht werden kann, wenn der eine Beschuldigte, um sich zu entlasten oder eine mildere Strafe zu erhalten, den anderen belastet oder belasten müsste. Dieser Interessenkonflikt besteht auch bei mehreren Beschuldigten, die ein Verteidiger als Arbeitgeber gemeinsam mit seinen separat bevollmächtigten Angestellten vertritt. Angestellte Rechtsanwälte unterliegen jedenfalls im Grundsatz den Weisungen des Arbeitgebers und sämtliche Gebühren für die Verteidigung der Beschuldigten fließen diesem zu. Es erscheint praktisch kaum denkbar, dass ein angestellter Verteidiger sich Vorgaben seines einen Mitbeschuldigten vertretenden Arbeitgebers zu Gunsten eines anderen Beschuldigten entgegenstellt. Verteidiger aller Beschuldigten ist in solchen Fällen faktisch der Arbeitgeber. Dadurch unterscheidet sich eine Vertretung durch angestellte Rechtsanwälte grundlegend von der mit § 146 StPO vereinbaren Vertretung durch gleichberechtigte Sozien oder durch eine Bürogemeinschaft selbständiger Rechtsanwälte.
4. Einen Einfluss auf das Verfahren hat dies jedoch erst, sofern das zuständige Gericht einen Verteidiger wegen Verstoßes gegen § 146 StPO nach § 146a Abs. 1 StPO unanfechtbar zurückweist. Bis zu einer Zurückweisung sind die bisherigen Prozesserklärungen des Verteidigers gem. § 146a Abs. 2 StPO wirksam.

Darf ich meinen Vorgesetzten u.a. als „Psychopathen und als „irre“ bezeichnen?

FragezeichenIch mache ja kein Arbeitsrecht, aber lese dann doch immer mit Interesse die arbeitsrechtlichen Entscheidungen in anderen Blogs oder in der Tagespresse. So auch das LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. Urt. v. 24.07.2014 – 5 Sa 55/14, das sich mit der Frage befasst, ob ich als Mitarbeiter meinen Vorgesetzten einen „Psychopathen“ nennen darf, ohne dass mir wegen der darin liegenden Beleidigung gekündigt wird. Der Mitarbeiter einer Chemiefirma hatte seinen Chef zwar nicht direkt beleidigt, sondern war beim Rauchen im Kollegenkreis über ihn hergezogen/hergefallen. Dabei soll er den Produktionsleiter dann aber nicht nur „Psychopath“, sondern auch „Arschloch“ genannt haben. Außerdem habe er gesagt „Der gehört eingesperrt“, „Der ist irre“ und „Der wird sich noch wundern“. Der Mitarbeiter war sauer, weil sein Vorgesetzter ihn am Tag zuvor bei einem Personalgespräch aus dem Zimmer geworfen hatte. Beide hatten über eine neue Gehaltsstufe gestritten, die der Mitarbeiter für ungerecht hielt. Das Gespräch war dann eskaliert. Nie zuvor habe er sich so gedemütigt gefühlt, hat der Mitarbeiter später gesagt. Nachdem er über den Chef hegefallen war, hatten ihn die Kollegen angeschwärzt (vgl. auch hier bei LTO).

Schon ganz schön dicke, was das an Äußerungen gefallen ist, oder? Das LAG war allerdings dann doch der Ansicht, der Mitarbeiter habe darauf vertrauen können, dass seine Rede im Rauchercontainer nicht nach außen dringt und der Betriebsfrieden damit nicht verletzt wird. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gerechtfertigt und trotz der groben Beleidigungen nach den Umständen des vorliegenden Falls wegen des Fehlens einer Abmahnung unverhältnismäßig. Auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers sozial gerechtfertigt. Das LAG hielt daher eine Abmahnung und Versetzung für geeigneter.

Der Mitarbeiter wird jetzt sicherlich unter Dauerbeobachtung stehen. Man trifft sich ja im Leben meist zweimal 🙂 .

Arbeit verloren – nicht auch noch vollen Schadensersatz

Der 24-jährige Beklagte war knapp 4 Wochen für die Klägerin als Fahrer beschäftigt. Am 01.07.2010 nahm er seine Arbeit auf. Am 20.07.2010 verursachte er während der Arbeit mit dem ihm zur Verfügung gestellten Lastkraftwagen einen Verkehrsunfall. Infolge dessen beendete die Klägerin das Arbeitsverhältnis am 28.07.2010 fristlos. Die Kläger hat dann jetzt Schadensersatz geltend gemach.

Dazu hat das LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.09.2011 – 3 Sa 241/11 – gesagt: Ein bei einer Spedition seit vier Monaten angestellter, 24-jähriger Fahrer, der grob fahrlässig mit einem firmeneigenen LKW einen Verkehrsunfall verursacht, kann gegenüber der Spedition nur beschränkt haften. Unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Fahrers, seines bei der Spedition Arbeitsentgeltes, seiner Unerfahrenheit, des Grades des Verschuldens auch in Bezug auf den Schadenseintritt, aber auch der entstandenen Schadenshöhe bei der Spedition, des diese treffenden Betriebsrisikos sowie der Möglichkeit einer Risikovorsorge, kann der Schadensausgleichsanspruch der Spedition auf vier Monatsverdienste zu beschränken sein.

Lenkzeitenüberschreitung – Kein Schadensersatz vom Arbeitgeber, auch wenn er Druck gemacht hat

Zu dem gerade eingestellten Beitrag: „Lenkzeitenüberschreitung Geldbußenübernahme kein Arbeitslohn“ passt ganz gut das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz v. 26.01.2010 – 3 Sa 487/09, über das das Beck-Blog vor einiger Zeit auch bereits berichtet hatte. Das LAG formuliert kurz und knapp:

Vielmehr ist es dem Kläger zumutbar gewesen, sich den (vom Kläger behaupteten) Anordnungen seines Arbeitgebers (bzw. des „Junior-Chef“ M. S. und des Disponenten Sch.) zu widersetzen. Insoweit ist es anerkanntes Recht, dass entgegenstehende Anordnungen seines Arbeitgebers den Arbeitnehmer (Fahrer) grundsätzlich nicht entlasten und (auch) daher nicht zu einem Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Erstattung einer verhängten Geldbuße führen… Die im Bußgeldbescheid zitierten Bußgeldvorschriften dienen der Sicherheit im Straßenverkehr. Sie dienen (auch) dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Beachtet der Berufskraftfahrer diese Vorschriften, muss er angesichts des materiellen Arbeitsrechts (§ 626 BGB; § 1 KSchG; § 273 BGB; § 612a BGB) und angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG) keine rechtlichen Nachteile im und für das Arbeitsverhältnis (etwa in Form einer Kündigung) befürchten. Den rechtstreuen Arbeitnehmer schützt die Rechtsordnung. Aus diesem Grunde ist es vorliegend dem Kläger zumutbar gewesen, sich unzulässigen, von Arbeitgeberseite erteilten Anordnungen (- sollten diese erfolgt sein -) zu widersetzen.

Na dann, los 🙂