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StGB II: Strafantragsfrist bei Internetbeleidigung, oder: „„kinderspritzarzt Nummer 1, der keine Skrupel kennt“

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Im zweiten Posting dann etwas aus dem Bereich der Beleidigungsdelikte, und zwar den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.03.2025 – 3 ORs 310 SRs 59/25.

Der der Angeklagten zur Last gelegte Vorwurf stammt noch aus der Corona-Zeit. Das AG hatte wegen Beleidigung eines Arztes verurteilt. Nach den Feststellungen des AG hat die Angeklagte am 20.10.2022 gegen 10:57 Uhr als Nutzerin des Twitter-Accounts „pp.“ den Kinderarzt pp. mit den Worten „kinderspritzarzt Nummer 1, der keine Skrupel kennt“ beleidigt und den Hashtag „#Genozid“ angehängt, um ihre Missachtung auszudrücken. Dem Tweet habe sie einen auf BR24 veröffentlichten Beitrag über den Geschädigten mit dessen Bild beigefügt. Die Sprungrevision hatte beim OLG Erfolg.

„1. Ein Verfahrenshindernis liegt entgegen der Auffassung des Verteidigers allerdings nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht an einem gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen innerhalb der Frist des § 77b StGB eingegangenen und gemäß § 158 Abs. 2 StPO formgerecht gestellten Strafantrag.

Zwar wurde der in der Hauptverhandlung verlesene Strafantrag erst am 09.01.2023 gestellt, wäh-rend die per E-Mail durch den Geschädigten gestellte Strafanzeige bereits am 07.08.2022 einge-gangen war. Wäre für den Fristbeginn der dreimonatigen Strafantragsfrist nach § 77b Äbs. 1 StGB diese Strafanzeige entscheidend, so wäre die Frist am 09.01.2023 bereits abgelaufen gewesen. Allerdings beginnt der Lauf der Frist erst mit Kenntnis des Antragsberechtigten von der Tat und von der Person des Täters, § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB. Hierzu müssen Tat und Tatbeteiligter so weitgehend konkretisiert sein, dass ein besonnener Mensch in der Lage ist zu beurteilen, ob er Strafantrag stellen soll (BGH, Beschluss vom 29.10.1998 – 5 StR 288-98 – , NJW 1999, 508, 509). Zwar muss dem Antragsteller nicht zwingend der vollständige Name des Täters bekannt sein. Allerdings muss jedenfalls eine hinreichende Individualisierbarkeit gegeben sein (BeckOK-Dallmeyer, StGB, 64. Edition, Stand: 01.02.2025, § 77b Rn. 4). Diese Voraussetzungen lagen vor dem 09.01.2023 nicht vor,

Anders als vom Verteidiger vorgetragen, sind die hierzu ergangenen Entscheidungen über die hinreichende Erkennbarkeit des Täters bei Verkehrsstraftaten (BayObLG, Beschluss vom 21.07.1993 – 2 StR RR 91/93 -, NStZ 1994, 86; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.03.1954 – Ws 392/53 -, NJW 1955, 73) nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. So ist in diesen Fällen eine gute Individualisierbarkeit bereits durch die Wahrnehmbarkeit eines einzigartigen Kfz-Kennzeichens gegeben. Eine solche Möglichkeit besteht bei einer Kommentierung von Beiträgen in sozialen Netzwerken im Internet gerade nicht. Diese ist gekennzeichnet durch die Nutzung von – nicht zwingend mit dem Klarnamen übereinstimmenden – Profilnamen. Häufig werden Abkürzungen, Verfremdungen des Namens oder gänzliche Fantasienamen kreiert. In vielen Fällen wird auch ge-zielt ein fremder Name benutzt. Allein durch die Kenntnis eines Profilnamens gelingt dem Anzei-geerstatter daher noch keine Individualisierung. Diese kann lediglich durch – den Ermittlungsbe-hörden vorbehaltene – Auskünfte des jeweiligen Plattformbetreibers und anschließende Provider-anfragen erfolgen. Selbst diese führen aufgrund falscher E-Mail-Adressen oder fehlender Zuor-denbarkeit einer Mobiltelefonnummer zu einer bestimmten Person häufig nicht zu der Ermittlung eines Tatverdächtigen. Der Anzeigeerstatter hatte daher bei Kenntnis des Kommentars am 07.08.2022 noch keinerlei Kenntnis über die hinter dem Kommentar stehende Person und auch keine Möglichkeit, diese näher zu identifizieren.

Hinzu kommt, dass der Grund für die geringen Anforderungen an die Kenntnis des Täters in den beiden zitierten Entscheidungen auch darin liegt, dass bei Straßenverkehrsstraftaten die Kenntnis von Namen und Lebensumständen des dem Geschädigten meist unbekannten Täters für die Frage der Antragstellung ohne Bedeutung ist (so ausdrücklich OLG Stuttgart, a. a. 0.). Anders gelagert sind dagegen die Fälle im Internet eingestellter Kommentare. Hier wird für den Anzeigeerstat-ter häufig die Kenntnis des Namens des Täters relevant sein, da entsprechende Kommentare oft durch dem Geschädigten bekannte Personen eingestellt werden, die der Geschädigte möglicherweise nicht anzeigen will. Die Kenntnis des Namens wird für den Anzeigeerstatter daher in der Regel wichtig sein, um herausfinden zu können, ob es sich um eine ihm bekannte oder eine ihm fremde Person handelt. Bei Äußerungen, die wie hier das berufliche Umfeld des Geschädigten betreffen, wird dieses Interesse an der Identität des Täters häufig noch stärker sein. So kann allein bei Kenntnis des Namens herausgefunden werden, ob es sich bei dem Täter um eine dem Anzeigeerstatter eventuell aus dem beruflichen Umfeld bekannte Person handelt. Des Weiteren bleibt es bei Internet-Beiträgen oft nicht bei der einmaligen Einstellung eines Betrages, sondern es kommt zu wiederkehrenden Auseinandersetzungen einer Person mit einem bestimmten Thema. Auch insoweit kann der Anzeigeerstatter nur dann herausfinden, ob es sich bei dem Verfasser um eine Person handelt, die bereits einmal einen Text über ihn verfasst hat, oder eine Person, die er – auch aus diesem Zusammenhang – noch nicht kennt.

Die für Verkehrsstraftaten in der Rechtsprechung teilweise entwickelten Grundsätze sind damit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Besonderheiten der Tatbegehung durch Kommentierungen im Internet berücksichtigend war dem Geschädigten erst zuzumuten, Strafantrag zu stellen, nachdem er von der Polizei nach Abschluss der hierzu getätigten Ermittlungen am 09.01.2023 über den ermittelten Klarnamen der Angeklagten informiert worden war. Der an diesem Tag vom Geschädigten unterzeichnete Strafantrag wurde somit form- und fristgerecht gestellt.

2. Die Revision führt jedoch auf die allgemeine Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, da die Urteilsgründe lückenhaft sind und daher nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht zu Unrecht von einer Erfüllung des Tatbestands der Beleidigung ausgegangen ist. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht…..“

Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier dazu nur der Leitsatz:

Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung erst dann an, wenn sie keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind dies Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen.

StGB II: Öffentlichkeit einer Beleidigung der Polizei, oder: „Größere Anzahl“ von Zuhörern/Versammlunng

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Als zweite Entscheidung dann der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.02.2025 – 1 Ss 3/25 – zur Frage der „Öffentlichkeit“ einer Beleidigung und einer damit erhöhten Strafe (§ 185 Abs. 2 StGB). Dazu das OLG:

„(3) Schließlich tragen die Feststellungen des Amtsgerichts auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen sowie Beleidigung in fünf tateinheitlichen Fällen. Insbesondere handelt es sich jedenfalls bei den Bezeichnungen der eingesetzten Polizeibeamten als „Arschloch“ und „Wichser“ (Tat vom 18. März 2023) bzw. „Wichser“ und „Hurensöhne“ (Tat vom 2. April 2023) um dem Tatbestand des § 185 StGB unterfallende Formalbeleidigungen, bei denen die Meinungsfreiheit des Angeklagten hinter den Ehrenschutz der Beamten zurückzutreten hat, ohne dass es insoweit einer Einzelfallabwägung bedurft hätte (vgl. BVerfGE 82, 43, 51; 85, 1, 16; 90, 241, 248; 93, 266, 293 f; 99, 185, 196; Senatsbeschlüsse vom 23. März 2022 – 1 Ss 5/22 – und vom 22. Mai 2023 – 1 Ss 5/23 –).

……

d) Das Urteil kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil der allein getroffene Strafausspruch an durchgreifenden Rechtsfehlern leidet.

…….

(3) Hinsichtlich der Strafaussprüche für die Taten vom 18. März 2023 und vom 2. April 2023 unterliegt das angefochtene Urteil deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht seiner Entscheidung über den Strafausspruch den erhöhten Strafrahmen des § 185 Alt. 2 StGB zu Grunde gelegt hat, ohne dass die Feststellungen belegen, dass die dem Angeklagten zur Last gelegten Beleidigungen öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen wurden.

(a) Für das Vorliegen einer vom Landgericht angenommenen öffentlichen Beleidigung genügt es nicht, dass die ehrenrührige Kundgabe an einem öffentlichen Ort begangen wurde (vgl. zum gleichlautenden Begriff der Öffentlichkeit in § 186 StGB Hilgendorf in LK-StGB, 13. Aufl., § 186 Rn. 13; Eisele/Schittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 186 Rn. 19). Von dem Qualifikationstatbestand des § 185 Alt. 2 StGB werden vielmehr nur Äußerungen erfasst, die von einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden können (BT-Drs. 19/17741, S. 35; Eisele/Schittenhelm, a.a.O.). Entsprechendes ist für die Tat vom 18. März 2023 bereits deshalb nicht belegt, weil nicht festgestellt ist, dass bei den beleidigenden Äußerungen des Angeklagten über die betroffenen Polizeibeamten hinaus weitere Personen anwesend waren, die die Äußerungen wahrnehmen konnten. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Tat vom 2. April 2023. Auch hier ist die „etwa zehnköpfigen Gruppe von Saarbrücken-Anhängern“ zahlenmäßig umgrenzt. Dass die Gruppenmitglieder durch nähere Beziehungen miteinander verbunden sind, lässt sich anhand der Urteilsfeststellungen jedenfalls nicht ausschließen (vgl. zu insoweit erforderlichen Feststellungen auch KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2024 – (5) 161 Ss 153/22 (33/22) –, juris).

(b) Die landgerichtlichen Feststellungen belegen auch nicht, dass die Tat vom 2. April 2023 „in einer Versammlung“ begangen wurden. Eine Versammlung im Sinne des § 185 StGB ist nur eine räumlich zu einem bestimmten Zweck vereinigte größere Anzahl von Menschen (BT-Drs. 19/17741, S. 35; vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 12. März 2024 – (5) 161 Ss 153/22 –, juris zu § 86a StGB). Ein zufälliges zeitweiliges Beisammensein genügt nicht (Eisele/Schnittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, a.a.O., § 187 Rn. 7 unter Bezugnahme auf Sternberg-Lieben, a.a.O., § 90 Rn. 5). Dass die „Gruppe von Saarbrücken-Anhängern“, in der der Angeklagte sich nach dem Fußballspiel auf dem Bahnhofsvorplatz befand, sich mit ihm gezielt zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen hat, ist nicht festgestellt. Hinsichtlich der Tat vom 18. März 2023 scheidet eine Tatbegehung „in einer Versammlung“ mangels Anwesenheit unbeteiligter Dritter von vornherein aus.

(c) Die Wahl des unzutreffenden Strafrahmens zwingt zur Urteilsaufhebung, da der Senat nicht auszuschließen vermag, dass das Gericht bei zutreffender Anwendung des Grundtatbestandes des § 185 StGB mit einer nur halb so hohen Strafobergrenze ein milderes Strafmaß verhängt hätte als unter Zugrundelegung des Strafrahmens Qualifikationstatbestandes.“

Beleidigung I: Politiker auf einem Fahndungsplakat, oder: Bezeichnung u.a. als „Terroristen“, Staatsfeinde“

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Heute dann zum Wochenauftakt zwei Entscheidungen zur Beleidigung.

Zunächst kommt hier der BayObLG, Beschl. v. 12.12.2024 – 203 StRR 599/24 – zur Frage der Beleidigung von Politikern durch Darstellung auf einem Fahndungsplakat, verbunden mit ihrer Bezeichnung als „Terroristen“, Staatsfeinde“, „gesucht“ wegen „organisiertem Verbrechen, Hochverrat, Genozid, Kindesmissbrauch, Volksverhetzung, Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauch, Erpressung, Nötigung, arglistige Täuschung und andere, schwerwiegenden Straftaten …“ und „Gewalttäter“.

Das BayObLG hat die Verurteilung wegen Beleidigung nach § 185 StGB „gehalten“:

„1. Eine Strafbarkeit wegen Beleidigung setzt voraus, dass im Einzelfall nach den hierzu vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Angeklagten hinter den Schutz des Persönlichkeitsrechts der jeweils Betroffenen zurücktreten muss.

2. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die private Gestaltung eines Fahndungsaufrufs, verbunden mit der gegen die darin Abgebildeten gerichteten Beschuldigung, schwere Straftaten begangen zu haben, jedenfalls auch eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung darstellen kann (zur Abgrenzung Regge/Pegel in MüKoStGB, 4. Aufl. 2021, StGB § 186 Rn. 5 ff.; Hilgendorf in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 185 StGB, Rn. 4 ff.). Die Qualifizierung des Tatrichters, der Fahndungsaufruf stelle sich nach dem Gesamtkontext als Meinungsäußerung dar, trägt der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung Rechnung (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. April 2024 – 1 BvR 820/24 –, juris Rn. 17) und stellt hier sicher, dass die verfahrensgegenständliche Verlautbarung insgesamt am Schutz des Grundrechts von Art. 5 Abs. 1 GG teilnimmt.

a) Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext dieser Äußerung an. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht. Auch ist im Einzelfall eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte. Denn anders als bei Meinungen, bei denen insbesondere im öffentlichen Meinungskampf im Rahmen der regelmäßig vorzunehmenden Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem Rechtsgut, in deren Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz wie den §§ 185 ff. StGB eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zugunsten der freien Rede gilt, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (st. Rspr., vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. April 2024 – 1 BvR 820/24 –, juris Rn. 17 m.w.N.).

b) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt zunächst ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts. Der Schutz der Meinungsfreiheit ist gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert seine Bedeutung. Davon unberührt bleibt, dass der Gesichtspunkt der Machtkritik im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit in die Abwägung eingebunden und nicht jede ins Persönliche gehende Beschimpfung von Amtsträgern erlaubt ist (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. April 2024 – 1 BvR 820/24 –, juris Rn. 12 m.w.N.).

3. Dass der Tatrichter hier keine sorgfältige Auslegung der Verlautbarung vorgenommen hat, gefährdet den Bestand des Urteils nicht.

a) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst wird (st. Rspr., vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. April 2024 – 1 BvR 820/24 –, juris Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2024 – 206 StRR 343/24 –, juris Rn. 8). Maßgebend ist dabei weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. April 2024 – 1 BvR 820/24 –, juris Rn. 15 m.w.N. BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2024 – 206 StRR 343/24 –, juris Rn 8). Bei mehrdeutigen Äußerungen müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor man die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. April 2024 – 1 BvR 820/24 –, juris Rn. 15 m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2024 – 206 StRR 343/24 –, juris Rn. 8).

b) Die Auslegung einer Äußerung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann diese bei vollständigen Feststellungen jedoch auch selbst vornehmen (BayObLG, Beschluss vom 14. Oktober 2024 – 206 StRR 343/24 –, juris Rn. 8; im Erg. auch BayObLG, Beschluss vom 15. August 2023 – 204 StRR 292/23 –, juris Rn. 27).

c) Danach ist die vom Angeklagten verantwortete Abbildung der Geschädigten mit Portraitaufnahmen und Wiedergabe von persönlichen Daten, gestaltet als Fahndungsplakat, verbunden mit ihrer Bezeichnung als „Terroristen“, Staatsfeinde“, „gesucht“ wegen „organisiertem Verbrechen, Hochverrat, Genozid, Kindesmissbrauch, Volksverhetzung, Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauch, Erpressung, Nötigung, arglistige Täuschung und andere, schwerwiegenden Straftaten …“ und „Gewalttäter“ von einem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikum bei Facebook nur dahingehend zu verstehen, dass der Angeklagte die Betroffenen mit der Zuschreibung der aufgeführten Straftaten öffentlich verächtlich machen wollte.

4. Der Senat holt die vom Landgericht unterlassene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten und dem Ehrschutz der Geschädigten nach (zur Nachholbarkeit vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2023 – 203 StRR 204/23 –, juris Rn. 15).

Auf der einen Seite steht das Interesse des Angeklagten, auf öffentlichen Plattformen seine Meinung über die Geschädigten frei und uneingeschränkt kundtun zu dürfen und als Mittel der Teilnahme an der politischen Willensbildung auch das Mittel der Herabsetzung von gesellschaftlichen Entscheidungsträgern und Personen des öffentlichen Lebens einzusetzen. Die freie Meinungsäußerung ist ein unverzichtbares Element eines demokratischen Rechtsstaats. Der Schutz der Meinungsfreiheit ist gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet darin unverändert seine Bedeutung. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise der Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden. Die Grenzen zulässiger Kritik sind bei Politikern weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Insofern Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten, unterscheidet sich ihre Situation auch von derjenigen staatlicher Amtswalter, denen ohne ihr besonderes Zutun im Rahmen ihrer Berufsausübung eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 204 StRR 574/21 –, juris Rn. 61 unter Verweis auf BVerfG NJW 2020, 2622, juris Rn. 30 f. m.w.N. auch zur Rechtsprechung des EGMR zu Art. 10 Absatz 2 EMRK).

Auf der anderen Seite haben die Geschädigten dem Angeklagten ungeachtet der von ihnen getroffenen, vom Angeklagten möglicherweise nicht gebilligten Entscheidungen persönlich keinen Anlass gegeben, sie der Begehung schwerer Straftaten zu bezichtigen und Dritte aufzufordern, sie festzunehmen. Der Angeklagte hat zudem mit der Wahl des Veröffentlichungsmediums bewusst seine Einflussmöglichkeit bezüglich der Weiterverbreitung des Fahndungsaufrufs aus der Hand gegeben. Die im Fahndungsaufruf inkludierte, von ihm nicht als frei erfunden gekennzeichnete Beschuldigung, schwere Straftaten wie etwa Kindesmissbrauch begangen zu haben, könnte zudem von einzelnen rechtlich unbedarften Lesern dahin gehend verstanden werden, dass sie auf Tatsachen basiert. Der Senat stellt in die Abwägung auch ein, dass ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Amtsträgern und Politikern im öffentlichen Interesse liegt, was das Gewicht dieser Rechte in der Abwägung verstärken kann. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist (BayObLG, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 204 StRR 574/21 –, juris Rn. 62 unter Verweis auf BVerfG NJW 2020, 2622, juris Rn. 32). Der Aufruf zur Festnahme ist schließlich geeignet, die Betroffenen in die Gefahr einer Handgreiflichkeit zu bringen.

5. Der Senat ist hier zu der Entscheidung gelangt, dass dem Schutz der personalen Würde der drei Betroffenen der Vorrang gegenüber der Meinungsfreiheit des Angeklagten gebührt und dass der Schuldspruch wegen Beleidigung in drei Fällen im Ergebnis zu Recht erfolgt ist.“

Corona: Wieder Beleidigung von Polizeibeamten, oder: „Wir haben so’n paar Nervzwerge an der Backe ….“

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Und dann der Wochenstart heute mit zwei StGB-Entscheidungen, und zwar einmal etwas, das noch aus Coronazeiten stammt und dann etwas zu Klimaklebern.

Zunächst hier der – schon etwas ältere – BayObLG, Beschl. v. 18.03.2024 – 206 StRR 63/24 – noch einmal zu den Anforderungen an die Auslegung einer Äußerung beim Verdacht der Beleidigung von Polizeibeamten.

Der Angeklagte ist vom AG/LG wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Hiergegen die Revision, die Erfolg hatte.

Das LG hat folgende Feststellungen getroffen:

„Am 13. Februar 2022 fand in Ingolstadt eine angemeldete Versammlung mit dem Thema „Impfzwang, Corona“ mit etwa 1.500 Teilnehmern statt. Als Auflage war behördlich die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Teilnehmern bestimmt worden, anderenfalls müsse eine Maskenpflicht angeordnet werden. Der Angeklagte fungierte während der gesamten Veranstaltung als Moderator auf der Bühne, auf der verschiedene Redner auftraten. Aufgrund zahlreicher Verstöße gegen das Abstandsgebot wurde der Veranstaltungsleiter, bei dem es sich nicht um den Angeklagten handelte, durch anwesende Polizeikräfte wiederholt ohne Erfolg aufgefordert, über das Mikrofon zur Einhaltung der Auflagen anzuhalten. Schließlich traten der polizeiliche Einsatzleiter und sein Stellvertreter an den Versammlungsleiter heran und forderten eindringlich eine unverzügliche Durchsage. Letzterer informierte den Angeklagten über die Notwendigkeit einer Unterbrechung, woraufhin dieser über das Mikrofon folgende Ansage machte: „Wir haben so’n paar Nervzwerge an der Backe, und der Z. [Anm. des Senats: der Veranstaltungsleiter] muss eine Durchsage machen“; die Ansage selbst wurde anschließend vom Versammlungsleiter durchgegeben. Der Angeklagte wusste bei seiner Äußerung nicht, welche konkreten Beamten dem Versammlungsleiter die Anweisung gegeben hatten. Er fühlte sich davon „genervt“, dass die anwesende Polizei schon den ganzen Nachmittag über die Reden hatte unterbrechen wollen. Die beiden Polizeibeamten und ihr Dienstvorgesetzter haben Strafantrag gestellt.“

Das LG hat diese Äußerung als Beleidigung gemäß § 185 StGB zum Nachteil der beiden Polizeibeamten, die den Versammlungsleiter zur Durchsage aufgefordert hatten, gewertet. Mit der Äußerung habe der Angeklagte gerade diese konkreten Personen öffentlich verunglimpfen wollen. Es handle sich, da kein sachlicher Bezug zu einer beanstandungswürdigen Diensthandlung oder sonstigen Verfehlung der Beamten erkennbar sei, um eine bloße Schmähkritik. Eine vorsorglich vorgenommene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Angeklagten und dem Persönlichkeitsrecht der Beamten ergebe zudem keine überwiegende Schutzwürdigkeit der Meinungsäußerungsfreiheit.

Das hat das BayObLG „im konkreten Einzelfall“ anders gesehen:

„b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die vom Landgericht vorgenommene Auslegung, die Durchsage stelle eine persönliche Verunglimpfung der beiden Polizeibeamten dar, als zumindest unvollständig. Es handelt sich vielmehr um eine mehrdeutige Äußerung, bei der ein anderer – strafloser – Aussagegehalt, nämlich die Äußerung einer Kritik an polizeilichen Anordnungen und Maßnahmen ohne Herabwürdigung der handelnden Personen, zumindest nicht aus-geschlossen werden kann.

aa) Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen ist, dass ihr Sinn zutreffend erfasst wird (BVerfG, Beschluss vom 24. November 2023, 1 BvR 1962/23, NJW 2024, 745 Rn. 4; NJW 1995, 3303, 3305, juris Rn. 124; Beschluss vom 9. Februar 2022, 1 BvR 2588/20, NJW 2022, 1523 Rn. 21). Maßgebend ist dabei weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG a.a.O.). Demgemäß sind weder die Aussage der Beamten, sie hätten sich direkt angesprochen und beleidigt gefühlt (UA S. 6), noch die Einlassung des Angeklagten, er habe nicht die konkreten Beamten, sondern die polizeilichen Maßnahmen insgesamt kritisieren wollen (UA S. 5), jeweils allein ausschlaggebend.

Bei der Auslegung ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen, der aber den Sinn nicht abschließend festlegt. Vielmehr sind alle sprachlichen und sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen. Kommen mehrere Deutungen in Betracht, darf sich das Gericht nur dann für die zur Bestrafung führende entscheiden, wenn es eine straflose Deutungsvariante mit überzeugenden Gründen ausschließt (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3305, juris Rn. 126; Beschluss vom 23. September 1993, 1 BvR 584/93, juris Rn. 17; st. Rspr.).

Die Auslegung einer Äußerung ist Sache des Tatgerichts und unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob die Auslegung auf einem Rechtsirrtum beruht, gegen Sprach- und Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder lückenhaft ist MünchKomm-StPO/Bartel, 2. Aufl. 2024, § 261 Rn. 355; OLG Hamm, Beschluss vom 10.Oktober 2005, 3 Ss 231/05, NStZ-RR 2007, 140).

bb) Das Landgericht hat die verfassungsrechtlichen Maßgaben zwar im Grundsatz bedacht, jedoch nicht ohne Rechtsfehler angewandt. Seine Auffassung, die Äußerung des Angeklagten könne, was „unzweifelhaft klar“ sei, „nur“ dahin verstanden werden, dass sie sich auf die beiden Polizeibeamten bezogen habe (S. 10), hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

(i) Die Deutung als herabsetzende Äußerung gegenüber den konkreten Beamten erscheint zwar möglich. Die Bezeichnung einer Person als „Nervzwerg“ ist nicht nur grob ungehörig und distanzlos, sondern kann im konkreten Kontext auch als deren Herabwürdigung verstanden werden.

(ii) Gerade bei Äußerungen gegenüber Polizeibeamten ist aber stets zu prüfen, ob die vermeintlich herabsetzende Äußerung dem einschreitenden Beamten selbst oder der Vorgehensweise der Polizei generell gilt (vgl. BeckOK StGB/Valerius, 60. Ed., Stand 01.02.2024, § 185 Rn. 25.4 m.w.N.).

Dies hat das Gericht zwar erwogen (vgl. UA S. 11), es hat aber die konkreten Umstände nicht erschöpfend gewürdigt. Es hat die Abgrenzung zu Unrecht darauf reduziert, dass der Ausdruck entweder auf die beiden konkreten Beamten oder aber auf die Polizei im Allgemeinen „irgendwo im Staat“ bezogen gewesen sein kann (UA S. 10). Dabei hat es übersehen, dass auch dann, wenn ein Vorwurf sich auf vor Ort anwesende Beamte oder selbst dann, wenn er sich auf bestimmte Beamte bezieht, er gleichwohl, je nach den Begleitumständen, als generelle Kritik an der Vorgehensweise der Polizei verstanden werden und von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 23. September 1993, 1 BvR 584/93, juris Rn. 18: Bezeichnung von Polizeibeamten als „kassierende Bullen“; BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2004, 1 St RR 153/04, NJW 2005, 1291: Polizeibeamte als „Wegelagerer“; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. März 2003, III 2b Ss 224/02-2/03, NStZ-RR 2003, 295; „Wegelagerei“; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Oktober 2005, 3 Ss 231/05, NStZ-RR 2007, 140: Beamte des Bundesgrenzschutzes als „Menschenjäger“).

(iii) Der Senat vermag die ergänzende Auslegung der inkriminierten Äußerung auf der Grundlage der vom Landgericht sorgfältig und umfassend getroffenen Feststellungen, die sich nicht nur aus dem Urteilsabschnitt Ziff. III (Sachverhalt), sondern aus der Gesamtheit der Urteilsgründe erschöpfend ergeben, selbst vorzunehmen. Er kann unter Berücksichtigung der erkennbaren Gesamtumstände sowie des konkreten Kontextes nicht ausschließen, dass ein unvoreingenommener und verständiger Zuhörer die Durchsage nicht als Geringschätzung konkreter Personen, sondern als generelle Kritik an der Vorgehensweise der Polizei vor Ort während der Versammlung, nämlich in Form von wiederholten Aufforderungen an die Versammlungsleitung zum Zweck der Beachtung der infektionsschutz-rechtlichen Auflagen verstehen musste.

Allein der vom Landgericht hervorgehobene enge Zusammenhang zwischen der Aufforderung durch die beiden Beamten an den Versammlungsleiter und der Durchsage des Angeklagten vermag die Auslegung, die Kritik habe allein diesen beiden Personen gegolten, nicht zu tragen. Auch der verwendete Ausdruck „Zwerge“ impliziert dies nicht zwingend, denn die Beamten waren nicht von auffällig kleiner Körpergröße (UA S. 12). Der Angeklagte hat nach den Feststellungen (UA S. 4) zudem weder gewusst, welche Beamten die Anweisung zu einer Durchsage gegeben hatten, noch hatte er nachweislich das Gespräch mit dem Versammlungsleiter gesehen (UA S. 6). Zuvor war bereits wiederholt (durch andere Beamte) die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Auflagen und entsprechende Durchsagen gefordert worden (UA S. 3, 6), wovon der Angeklagte „genervt“ war (UA S. 4). Es ist nach diesen konkreten Umständen eine Deutung möglich und nicht fernliegend, dass er, für unvoreingenommene Zuhörer erkennbar, seinen allgemeinen Unmut über das polizeiliche Vorgehen als solches zum Ausdruck bringen, nicht aber konkrete Beamte verächtlich machen wollte.

(iv) Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass, wie das Landgericht im Rahmen der Abwägung, ob eine sog. Schmähkritik vorliegt, ausführt, „keine beanstandungswürdige Diensthandlung oder sonstige Verfehlung der Beamten erkennbar“ war (UA S. 12). Der Angeklagte kann sich auch von rechtmäßigen Diensthandlungen „genervt“, also belästigt gefühlt und diese (abfällig) kommentiert haben.

cc) In der Deutungsvariante, dass der Angeklagte die polizeilichen Maßnahmen während der Veranstaltung kritisiert hat, führt die Äußerung nicht zu einer Bestrafung, denn es fehlt bereits tatbestandsmäßig an einer Beleidigung (vgl. BayObLG NJW 2005, 1291, 1292).

Auch ein wenigstens mittelbar in der Äußerung liegender ehrverletzender Vorwurf an die Handelnden lässt sich nicht zwingend erschließen, insbesondere lässt sich dies nicht aus der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen herleiten. Insoweit ist auch zu bedenken, dass es mit der Bedeutung der Meinungsfreiheit nicht vereinbar ist, die Zulässigkeit einer kritischen Äußerung danach zu beurteilen, ob die kritisierte Maßnahme des Beamten rechtmäßig oder rechtswidrig ist (BVerfG, Beschluss vom 5. März 1992, 1 BvR 1770/91, NJW 1992, 2815, 2816). Das Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen zu kritisieren, gehört zum Kernbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (BVerfG a.a.O.; BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2004, 1 StRR, 153/04, NJW 2005, 1291; st. Rspr.). Dass sich die Kritik gegen rechtmäßige Maßnahmen richtet, kann deswegen nicht die Schlussfolgerung begründen, sie sei zwangsläufig auf die handelnden Personen bezogen.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, diese Auslegungsvariante zugrunde gelegt, jedenfalls gleichzeitig auch eine ehrverletzende Missachtung gegenüber den beiden zuletzt handelnden Beamten zum Ausdruck gebracht hat, lassen sich nicht sicher feststellen.

dd) Da es in einer der möglichen Auslegungsvarianten der mehrdeutigen Äußerung damit bereits an deiner tatbestandsmäßigen Tathandlung gemäß § 185 StGB fehlt, ist nicht mehr zu entscheiden, zu welchem Ergebnis eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz (vgl. UA S. 13-19), die bei einer beleidigenden Äußerung aus verfassungsrechtlichen Gründen stets vorzunehmen ist, im konkreten Fall führen würde. Der Senat weist lediglich darauf hin, dass entgegen der Annahme des Landgerichts (UA S. 12 f.) nicht von einer Schmähkritik ausgegangen werden kann. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn eine Äußerung keinen irgendwie gearteten Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht (BVerfG NJW 2020, 2622 Rn. 19). Ein sachlicher Bezug der gegenständlichen Äußerung zum vorangegangenen dienstlichen Einschreiten der Beamten liegt aber auf der Hand.“

StGB III: Richterbeleidigung durch Freislervergleich?, oder: LG Köln eröffnet – nicht nur Meinungsfreiheit?

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Ich hatte im April des Jahres den AG Brühl, Beschl. v. 27.02.2024 – 51 Ds-74 Js 273/23-280/23 – vorgestellt (vgl. hier StGB II: Richterbeleidigung durch Freislervergleich?, oder: Meinungsfreiheit?). Mit dem Beschluss hatte das AG Brühl die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen Rechtsanwalt abgelehnt, der wegen Beleidigung eines Richters (§ 185 StGB) angeklagt war. Der Rechtsanwalt hatt in einem zivilrechtlichen Verfahren bei einem Streit um die Höhe des Streitwertes einen sog. Freisler-Vergleich betreffend den Richter angestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf das o.a. Posting

Die Staatsanwaltschaft ist gegen die Nichteröffnung in die Beschwerde gegangen. Dazu liegt jetzt die Entscheidung des LG Köln vor. Das hat im LG Köln, Beschl. v. 12.07.2024 – 120 Qs 31/24 – das Hauptverfahren vor dem AG eröffnet. Begründung:

„Die gemäß § 210 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist gemäß § 311 Abs. 2 StPO zulässig und begründet. Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss zu Unrecht die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hat sich der Angeschuldigte wegen Beleidigung gem. § 185 StGB hinreichend verdächtig gemacht, indem er den vorbezeichneten Schriftsatz vom 28.03.2023 samt Bildabfolge zur Gerichtsakte einreichte. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Brühl lässt die sachliche Bezugnahme der in diesem Schriftsatz enthaltenen Bildfolge zu einer (vorläufigen) Streitwertentscheidung im laufenden Zivilverfahren eine Strafbarkeit der diesem Schriftsatz in seiner Gesamtheit zu entnehmenden beleidigenden Äußerung über die Person des (mit-)erkennenden Vorsitzenden Richters am Landgericht – bei vorläufiger Würdigung – nicht nach § 193 StGB entfallen.

1. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Amtsgerichts insoweit an, als die gegenständliche Äußerung bei Anlegung der auch im angefochtenen Beschluss zutreffend dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäbe in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit fällt, so dass eine Strafbarkeit nur nach Gewichtung der Beeinträchtigung, die einerseits der Meinungsfreiheit des sich Äußernden und andererseits der persönlichen Ehre des von der Äußerungen Betroffenen droht, in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 93, 266 (319)). Eine dem Schutzbereich entzogene Schmähkritik, bei der die in einer Äußerung liegende persönliche Kränkung ein etwaiges sachliches Anliegen von vorneherein völlig in den Hintergrund drängt, ist hier nicht ersichtlich. Vielmehr wird ein sachlicher Bezug der Äußerung zu einer konkreten Streitwertentscheidung im laufenden Verfahren nicht nur aus dem Anlass ihrer Tätigung – hier der Antwort auf die Rückfrage einer Rechtspflegerin, ob angesichts der Kritik an der (vorläufigen) Streitwertentscheidung an dem gestellten PKH-Festsetzungsantrag festgehalten werde –, sondern auch an zahlreichen Stellen der bildhaften Darstellung ersichtlich. Dies von der ersten Sprechblase, welche sinngemäß auf einen PKH-Festsetzungsantrag verweist, über die in weiteren Sprechblasen erörterte Sinnhaftigkeit der Anwaltsvergütung und – rolle bis hin zum abschließenden Schriftzug, welcher nicht nur den Wert der im laufende Verfahren erfolgten Streitwertfestsetzung von 6.000,- EUR, sondern auch deren Begründung aufgreift. Zutreffend führt das Amtsgericht vor diesem Hintergrund aus, dass eine Auseinandersetzung mit der Sache erfolge, welche von dem ehrbeeinträchtigenden Gehalt der Darstellungen nicht von vornherein völlig in den Hintergrund verdrängt werde.

Dem steht der hier in dem historischen Vergleich zum nationalsozialistischen Unrechtsregime begründete übersteigert polemische Charakter der Darstellung nicht entgegen. Dabei besteht durchaus Anlass in Frage zu ziehen, ob es sich noch um eine bloß überspitzte Darstellungsform handelt, wenn die (vermeintliche) Fehlerhaftigkeit bzw. Willkür einer Einzelfallentscheidung ohne Not in die Nähe des Unwertes des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gerückt wird, oder hierdurch nicht entweder das nationalsozialistische Unrecht geschmälert oder aber der von der Darstellung betroffenen Person eine nationalsozialistische Gesinnung unterstellt werden soll. Zumal einem Rechtsanwalt angesichts langjähriger Studien- und Ausbildungszeiten andere sprachliche Mittel zur Verfügung stehen sollten, um seine Rechtsansichten und Anliegen zu unterstreichen (zur Relevanz der Ausdrucksfähigkeit des jeweiligen sich Äußernden s. BVerfG, Beschluss v. 19.05.2020, 1 BvR 2397/19, Rn. 28). Wegen seines bereits den Anwendungsbereich der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen jedoch eng zu verstehen. Die Grenze zulässiger Meinungsäußerung liegt nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (BVerfG, Beschluss v. 8.02.2017, 1 BvR 2973/14, juris Rn. 14). Historische Vergleiche mit nationalsozialistischer Praxis können für sich besehen daher nicht die Annahme des Vorliegens von Schmähkritik begründen (BVerfG, Beschluss v. 14.06.2019, 1 BvR 2433/17, juris Rn. 19;).

2. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann die Äußerung in ihrer Gesamtheit indes nicht – aufgrund des aufgezeigten Sachbezugs – dahingehend gedeutet werden, dass dem Vorsitzenden Richter keine nationalsozialistische Gesinnung unterstellt wird, sondern sich die Äußerung in dem Vorwurf der vermeintlichen Fehlerhaftigkeit und Willkür einer konkreten gerichtlichen Entscheidung erschöpft. Das Amtsgericht verkennt insoweit, dass die der bildhaften Darstellung einleitend vorweggestellte Textpassage das dem Schriftsatz in seiner Gesamtheit zu entnehmende Werturteil von einer konkreten gerichtlichen Entscheidung hin zu der Person des Vorsitzenden Richters lenkt und damit aus dem Kontext eines Sachbezugs weitgehend herauslöst.

Demnach ist unerheblich, dass die bildhafte Darstellung für sich genommen – wie das Amtsgericht im Ergebnis wohl zutreffend ausführt – angesichts des vielschichtigen Sachbezugs zu dem (vorläufigen) Streitwertbeschluss in einem laufenden Verfahren als eine lediglich überpointierte Kritik im „Kampf um das Recht“ erscheint, die der Vorsitzende Richter von Berufs wegen (vgl. BVerfGE 76, 171) unter Berücksichtigung der zum gegenwärtigen Verfahrenszeitpunkt bekannten Gesamtumstände gem. § 193 StGB auszuhalten haben dürfte. Denn die einleitend vorangestellte Textpassage enthält eine konkrete Bezugnahme auf die Person des Vorsitzenden Richters, welche den nach der bildhaften Darstellung auf einen Einzelfall bezogenen Willkürvorwurf zu einem allgemeinen Charakterzug erhebt. So handelt es sich bei den in Bezug genommenen „dunkle(n) Momente(n)“, die in dem Vorsitzenden Richter „hier und da“ durchbrächen, ausweislich der Gegenüberstellung zu dessen „nette(n) Seiten“ um einen ebenfalls vorhandenen Wesenszug. Die sodann gewählte Interpunktion – hier des Doppelpunktes – verdeutlicht, dass es sich bei der nachfolgenden bildhaften Darstellung lediglich um einen plakativen Beispielsfall für diesen allgemeinen Wesenszug handele. Dies wird durch die der Schule der Analytischen Psychologie von C.G. Jung entlehnte Wortwahl des „Schattens“ wie auch des „kollektiven Unbewusstseins“ nur noch verdeutlicht. Zwar zielt die genannte Schule auf einen Prozess des Erkennens, Akzeptierens und Integrierens von verdrängten Aspekten der Persönlichkeit (sog „Schatten“) ab, um den Einzelnen zu einer größeren humanitären Reife und sozialen Verantwortlichkeit zu führen. Die Begrifflichkeit dient indes erkennbar dazu, dem Vorsitzenden Richter eine besondere Ausprägung des genannten Wesenszuges bzw. jedenfalls eine besondere Anfälligkeit für das Durschlagen dieses – möglicherweise auch der gesamten „deutschen Richterschaft“ eigenen – Wesenszuges auf seine Handlungen zu unterstellen. Damit handelt es sich nicht lediglich um eine überpointierte Kritik an einer konkreten richterlichen Entscheidung, sondern um eine Diffamierung eben der Person des Richters selbst, die lediglich anlässlich der – als solche möglicherweise überpointiert kritisierten richterlichen Entscheidung vorgetragen wurde.

3. Angesichts des erheblichen Gewichts der Ehrkränkung, welche den Vorsitzenden Richters in die Nähe einer Ideologie vergleichbar mit derjenigen der Unterstützter des nationalsozialistischen Unrechtsregimes rückt (vgl. OLG Köln, Urt. v. 10.12.2019 – III- 1 RVs 180/19, juris), und des – wie aufgezeigt – nur mittelbaren sachlichen Bezugs der getätigten Meinungsäußerung fällt die die erforderliche Gesamtwürdigung – bei vorläufiger Bewertung nach derzeitigem Verfahrensstand – zulasten des Beschwerdeführers aus, weswegen ein hinreichender Tatverdacht bezüglich des Vorliegens einer Beleidigung gem. § 185 StGB vorliegt. Dabei hat die Kammer auch die vom Amtsgericht zutreffend zugunsten des Beschwerdeführers herangezogenen weiteren Umstände – soweit bekannt – berücksichtigt, namentlich die Parteiöffentlichkeit der Äußerung und die persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers in Vergütungsfragen in einem langjährigen Verfahren, in welchem es mehrfach zu Konflikten zwischen dem Beschwerdeführer und dem Vorsitzenden Richter gekommen war. Hingegen war auch zu beachten, dass die gegenständliche Äußerung nicht ad hoc in einem (hitzigen) Gespräch gefallen war, sondern schriftsätzlich auf Anfrage nicht etwa des Vorsitzenden Richters selbst, sondern einer Rechtspflegerin vorgetragen wurde, so dass die Spontanität der freien Rede hier nicht zugunsten des Beschwerdeführers sprechen kann (vgl. BVerfGE 7, 198 (112)).“

Ich wage – na ja, dazu gehört nicht viel „Mut“ – die Behauptung, dass ich über die Sache sicherlich nicht das letzte Mal berichtet habe.