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StGB III: Strafbarer Kommentar zu Klimakleber?, oder: „Einfach drüber fahren selbst schuld ……“

entnommen wikimedia commons Author Jan Hagelskamp1

Und dann habe ich hier noch das schon etwas ältere BayObLG, Urt. v. 06.05.2024 – 203 StRR 111/24. Ausgangspunkt ist eine „Klimakleberaktion“. Es geht hier aber nicht um die Strafbarkeit einer „Klimaaktivistenaktion“ sondern um einen Kommentar, den der Angeklagte zu einem Beitrag der vom BR auf YouTube veröffentlicht worden ist, abgegeben hat.

Das AG hatte den Angeklagten deswegen wegen der Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,00 € verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das LG den Angeklagten freigesprochen und hierzu folgende Feststellungen getroffen:

„Dem Angeklagten wurde durch die Generalstaatsanwaltschaft München zur Last gelegt, am 23.02.2022 gegen 13:16 Uhr zu einem durch den Bayerischen Rundfunk (Redaktion BR 24) auf der Internetplattform YouTube veröffentlichten Beitrag mit dem Titel „Verkehrschaos auf Frankenschnellweg: Aktivisten kleben sich auf Straße“, dessen Gegenstand eine Reportage über Klimaaktivisten, welche sich am selben Tag auf einer Abfahrt des Frankenschnellwegs mit den Händen auf den Asphalt geklebt hatten, um gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu demonstrieren, unter dem Benutzernamen „F. S.“ folgenden Kommentar veröffentlicht zu haben:

„Einfach drüber fahren selbst schuld wenn man so blöd is und sich auf die Straße klebt“ (Schreibfehler übernommen).“

Die Generalstaatsanwaltschaft warf dem Angeklagten vor, mit diesem Kommentar zum Ausdruck bringen haben zu wollen, dass er die Tötung oder jedenfalls erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der auf dem Lichtbild abgebildeten und konkret bestimmbaren Klimaaktivisten gutheißen würde. Da der Kommentar für alle YouTube-Nutzer weltweit einsehbar gewesen sei, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen habe, sei die Größe des Personenkreises, dem der Kommentar zugänglich gemacht wurde, für den Angeklagten nicht mehr kontrollierbar gewesen. Ferner sei der Kommentar auch geeignet gewesen, bei einer nicht unerheblichen Personenanzahl der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland eine Erschütterung des Vertrauens in die öffentliche Rechtssicherheit hervorzurufen, was der Angeklagte ebenfalls zumindest billigend in Kauf genommen habe.

Der Angeklagte habe nach seiner Einlassung gegenüber dem LG nicht in Abrede gestellt, den Kommentar auf der Plattform YouTube veröffentlicht zu haben. Er habe das Verhalten der Klimaaktivisten als lästig und behindernd empfunden, zumal zu Stoßzeiten, wo Arbeitnehmer zur Arbeit fahren wollen. Seinen Beitrag habe er als Teil einer öffentlichen Debatte, die teilweise heftig geführt werde, gemeint. Er habe keinesfalls jemanden dazu ermutigen wollen, tatsächlich einfach die Klimaaktivisten zu überfahren, vielmehr habe er sich an der Diskussion, ob das Verhalten der Aktivisten Nötigung darstelle und somit Notwehr hiergegen erlaubt sei, beteiligen wollen. Eigentlich habe er statt „drüber fahren“ „beiseite schieben“ schreiben wollen, dann habe er wohl zu impulsiv formuliert, dies möglicherweise gefördert durch seine bereits in seiner Kindheit diagnostizierte ADHS-Erkrankung, und habe stattdessen den ihm zur Last gelegten Text geschrieben und veröffentlicht. Dies sei aufgrund seines aufgebrachten Zustands und seiner Impulsivität überspitzt formuliert, aber von ihm keineswegs ernst gemeint gewesen. Er sei auch nicht davon ausgegangen, dass jemand einen solchen Kommentar tatsächlich als Aufforderung verstehen könne und dementsprechend handele (Ziffer II. 2. der Gründe).

Das BayObLG hat den Freispruch „gehalten“. Hier die Leitsätze zu der umfangreich begründeten Entscheidung:

1. Eine Äußerung, die bereits bei objektiver Auslegung ihres Erklärungsinhalts für jeden vernünftig denkenden Menschen eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung darstellt, und die vom Angeklagten in der Erwartung abgegeben wurde, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt, erfüllt nicht den Tatbestand des Billigens von Straftaten.

2. Die Teilnehmer an einer Demonstration sind nicht als „Teile der Bevölkerung“ im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1a StGB zu betrachten, da sie zwar durch gemeinsame äußere und innere Merkmale verbunden sein mögen, aber nur vorübergehend miteinander verbunden sind.

StGB II: Nochmals Straßenblockade als Nötigung, oder: Hindert Bildung einer Rettungsgasse Vollendung?

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Im zweiten Beitrag, dem OLG Karlsruhe, Urt. v. 04.02.2025 – 2 ORs 350 SRs 613/24 – geht es noch einmal um die Strafbarkeit von Straßenblockaden als Nötigung. Die Fragen beschäftigen die Gerichte ja nun schon eine ganze Weile, die Häufigkeit hat aber inzwischen abgenommen. Daher gibt es die Entscheidung auch in der „normalen“ Berichterstattung zum StGB.

Das LG hatte den Angeklagten zum Teil frei gesprochen. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft und die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg, die des Angeklagten nur hinsichtlich des Strafausspruchs.

Folgender Sachverhalt: Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sich am 16.05.2022 und am 23.05.2022 in Freiburg an Straßenblockaden des Aktionsbündnisses „Aufstand Letzte Generation“ beteiligt zu haben. Das AG hat ihn deshalb wegen Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG ihn hinsichtlich der Tat vom 23.05.2022 freigesprochen, im Übrigen hat es ihn wegen Nötigung mehrer anderer Strafen zu einer Geldstrafe verurteilt.

Nach den vom LG getroffenen Feststellungen blockierten der Angeklagte und weitere Beteiligte unter dem Motto „Stoppt den fossilen Wahnsinn“ an den beiden Tattagen im Stadtgebiet von Freiburg die die Stadt in Ost-West-Richtung querende Hauptverkehrsachse B 31/31a jeweils in östlicher Richtung, am 16.5.2022 um 8:12 Uhr auf Höhe der Günterstalstraße, am 23.5.2022 gegen 10:46 Uhr an der Fußgängerampel in Höhe der Brauerei Ganter, indem sie sich jeweils über alle Fahrspuren hinweg auf die Fahrbahn setzten, wobei sich einige der Beteiligten, am 23.5.2022 auch der Angeklagte, mit den Händen an der Fahrbahn festklebten. Dadurch kam bei beiden Aktionen – wie vom Angeklagten und seinen Mitstreitern beabsichtigt – der Verkehr auf der blockierten Strecke vollständig zum Erliegen, so dass es am 16.05.2022 zu einem etwa 5 km langen, am 23.05.2022 zu einem etwa 1,3 km langen Rückstau kam. Die Blockade wurde jeweils erst dadurch beendet, dass die Polizei die Fahrbahn räumte, wobei am 16.05.2022 eine von zwei Fahrspuren ab 8:30 Uhr wieder befahren werden konnte und die Fahrbahn um 9:18 Uhr wieder vollständig frei war; die durch die Blockade ausgelösten Verkehrsbeeinträchtigungen waren jedoch erst um 9:48 Uhr gänzlich beseitigt. Am 23.05.2022 war die Räumung um 11:22 Uhr beendet, jedoch konnten sämtliche von der Blockade betroffenen Verkehrsteilnehmer bis 11:10 Uhr aus dem betroffenen Streckenabschnitt ausgeleitet werden. Den Teilfreispruch hat das LG  damit begründet, dass am 23.05.2022 bereits um 10:48 Uhr eine Rettungsgasse gebildet worden war, die auch von den Autofahrern hätte genutzt werden können. Auch wenn es sich dabei um ein nicht erlaubtes Tun gehandelt hätte, meinte die Strafkammer, dass es deshalb an der Schaffung eines physischen Hindernisses durch den Angeklagten und seine Mitstreiter und damit an einer Nötigung mit Gewalt gefehlt habe, wie sie der Tatbestand der Nötigung voraussetzt.

Dazu das OLG:

„1. Die Revision der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft beanstandet zurecht, dass der Teilfreispruch von den dazu getroffenen Feststellungen nicht getragen wird, aus denen sich vielmehr ergibt, dass der Angeklagte und die weiteren an der Blockade beteiligten Personen, deren Handeln sich der Angeklagte nach den Grundsätzen der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) zurechnen lassen muss, den Tatbestand der Nötigung verwirklicht haben.

a) Der Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) besteht darin, dass der Täter einen Menschen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.

aa) Daraus ergibt sich zum einen, dass ein vom Täter auf einen anderen ausgeübter Zwang nur dann den Tatbestand erfüllt, wenn der Zwang mit einem der in § 240 Abs. 1 StGB bezeichneten Nötigungsmittel ausgeübt wird. Gewalt wird dabei als physisch wirkender Zwang verstanden, wohingegen die von der bloßen körperlichen Anwesenheit ausgehende psychische Zwangswirkung auf einen anderen nicht ausreicht (BVerfGE 73, 206; 104, 92).

(1) Bei Sitzblockaden und ähnlichen Aktionen ist deshalb zunächst zu unterscheiden: Sehen sich Kraftfahrer allein dadurch am Weiterkommen gehindert, weil sich ihnen Blockierer in den Weg stellen, üben Letztere allein einen psychisch wirkenden Zwang aus und handeln daher nicht mit Gewalt. Nutzen die Teilnehmer einer Straßenblockade aber bewusst das durch das Anhalten der in der ersten Reihe anhaltenden Fahrzeuge geschaffene Hindernis zur Behinderung nachfolgender Kraftfahrer aus, beruht die Zwangswirkung insoweit auf dem von dem physischen Hindernis der in der ersten Reihe stehenden Fahrzeuge ausgehenden körperlich wirkenden Zwang und damit auf Gewalt im Sinn des § 240 Abs. 1 StGB (sog. Zweite-Reihe-Rechtsprechung, BGHSt 41, 182 und 231; BVerfG NJW 2011, 3020).

(2) Bei Blockadeaktionen kann gewaltsames Handeln aber auch deshalb vorliegen, weil sich die Teilnehmer nicht auf die bloße Anwesenheit am Tatort beschränken, sondern durch weitere Handlungen ein auch physisch wirkendes Hindernis errichten. Dies ist etwa der Fall, wenn sie nur schwer zu beseitigende Gegenstände als Hilfsmittel einsetzen (BGHSt 44, 34) oder sich festketten (BVerfGE 104, 92 – bei juris Rn. 33; OLG Karlsruhe NStZ 2016, 32). Ein solches nicht ohne Weiteres zu beseitigendes körperliches Hindernis wird indes entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung auch dadurch geschaffen, dass sich Blockierer an der Fahrbahn festkleben (OLG Karlsruhe – Senat, Urteil vom 15.8.2024 – 2 ORs 350 SRs 160/23 [n.v.]; KG NJW 2023, 2792).

bb) § 240 StGB ist zum anderen als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Der Einsatz der Gewalt muss deshalb in kausalem Sinne zu dem vom Täter erstrebten Verhalten des Opfers führen. Vollendet ist die Nötigung dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen hat.

b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe war der Tatbestand der Nötigung durch das – nach den Feststellungen auch hinsichtlich des Erfolgs vom Vorsatz des Angeklagten umfasste – Handeln der an der Blockade beteiligten Personen aber bereits dann vollständig verwirklicht, als sie die erste Reihe der Autofahrer zum Stillstand gebracht und damit für die nachfolgenden Autofahrer ein physisch wirkendes Hindernis geschaffen hatten, das diese am Fortkommen hinderte. Die in der Folge – wenn auch nach den getroffenen Feststellungen nur mit geringem zeitlichem Versatz – eingetretenen Umstände, namentlich die Bildung einer Rettungsgasse, vermögen daran nichts mehr zu ändern, sondern sind vielmehr allein für die Beurteilung der Verwerflichkeit des Handelns des Angeklagten bzw. der Bestimmung des Schuldumfangs als Grundlage der Strafzumessung von Bedeutung. Soweit das Ausmaß der Auswirkungen der Blockade auch durch das Handeln der davon betroffenen Opfer mitbestimmt wird, können von diesen unterlassene Bemühungen den Angeklagten in diesem Rahmen nur entlasten, soweit ein entsprechendes Handeln geboten oder doch mindestens zumutbar war. Von Autofahrern kann jedoch ungeachtet des Bestehens eines dahingehenden Verbots (für Rettungsgassen auf Autobahnen oder außerorts liegenden Straßen § 11 Abs. 2 StVO, Nr. 50a der Anlage zu § 1 Abs. 1 StVO) nicht erwartet werden, dass sie eine für Einsatzfahrzeuge der Polizei und von Rettungsdiensten gebildete Rettungsgasse für das eigene Fortkommen nutzen.

Im Übrigen lässt die Bewertung im angefochtenen Urteil außer Acht, dass auch das Erzwingen einer Umfahrung der durch Errichten eines physischen Hindernisses erfolgten Blockade bereits einen Nötigungserfolg in Form einer Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit der davon betroffenen Personen darstellt, zumal nach den getroffenen Feststellungen eine Umfahrung nur als Sickerverkehr durch Wohngebiete möglich gewesen wäre, der jedenfalls für den Schwerlastverkehr mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre (UA S. 11).

Unter Berücksichtigung, dass die – für sich genommen rechtsfehlerfrei – getroffenen Feststellungen – unangekündigte auf unbestimmte Dauer angelegte Blockade einer dadurch für mehr als zwanzig Minuten nicht befahrbaren Hauptverkehrsstraße mit ganz erheblicher Störung des Verkehrs – die Annahme fehlender Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB) des Handelns des Angeklagten als eher fernliegend erscheinen lassen, führt der aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Teilfreispruchs (§ 353 Abs. 1 StPO). Um dem Angeklagten seine Verteidigungsmöglichkeiten zu erhalten, ist die Aufhebung dabei gemäß § 353 Abs. 2 StPO auch auf die Feststellungen zu erstrecken, die nicht auf seinem Geständnis beruhen (BGH NJW 1992, 382)

1. Die Revision des Angeklagten

Die Überprüfung der Verurteilung des Angeklagten wegen der Tat vom 16.5.2022 deckt keine Rechtsfehler auf.

a) Die in der Revisionsbegründung gegen die Prüfung der Verwerflichkeit der vom Angeklagten und seinen Mittätern begangenen Nötigung vorgebrachten Angriffe gehen fehl. Die Strafkammer hat unter Zugrundelegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabes (zusammenfassend OLG Karlsruhe – Senat, Urteil vom 20.2.2024 – 2 ORs 35 Ss 120/23 = NZV 2024, 392 m.w.N.) eine Abwägung des Rechts des Angeklagten auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) mit den Freiheitsrechten der von der Blockadeaktion betroffenen Personen unter Berücksichtigung der dafür maßgeblichen Umstände vorgenommen. Die Kammer hat dabei zulässigerweise (BVerfGE 104, 92 [Rn. 64]) in den Blick genommen, dass eine konkrete Ankündigung der Protestaktion nicht erfolgt war und die durch die Blockade beeinträchtigten Autofahrer nur einen eingeschränkten Sachbezug zu dem mit der Protestaktion verfolgten Anliegen hatten.

…..“

Klimaaktivisten: Straßenblockade als Nötigung, oder: Zweite-Reihe-Rechtsprechung des BGH

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Die zweite Entscheidung befasst sich dann noch einmal mit einer Straßembockade durch sog. Klimakleber.

Das BayObLG ist im BayObLG, Beschl. v. 11.12.204 – 203 StRR 250/24 – von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen haben die vier Angeklagten gemeinsam mit weiteren gesondert verfolgten Personen am 22.02.2022 ab 7:20 Uhr den Verkehr während der morgendlichen Hauptverkehrszeit auf der Abfahrt Westring der Bundesautobahn A 73 in Fahrtrichtung Nürnberg blockiert. Ohne eine Versammlung anzumelden, haben die zur Gruppierung „Aufstand der letzten Generation“ gehörenden Angeklagten die dort vorhandenen beiden Rechtsabbiegerspuren und die Linksabbiegerspur dadurch blockiert, dass sie sich mit jeweils einer Hand auf der Straße auf Höhe der Fussgängerfurt der Jansenbrücke festklebten. Um ihrem Anliegen, die Regierung zur Verabschiedung eines „Essen-Retten-Gesetzes“ zu veranlassen, größtmögliche Aufmerksamkeit zu verschaffen, verhinderten die Angeklagten und ihre Mittäter von 7:20 Uhr bis etwa 8:20 Uhr die Durchfahrt von zumindest 18 namentlich genannten Verkehrsteilnehmern. Die Angeklagte W. wurde um 8:36 Uhr von der Fahrbahn gelöst, der Angeklagte S. um 8:38 Uhr. Vollständig freigegeben konnte die Straße für den Verkehr erst wieder um 9:37 Uhr.“

Dagegen die Revision mit der die Verfahrensrüge und die Sachrüge erhoben worden ist. Wegen der Ausführungen des BayObLG zur Verfahrensrüge, die keinen Erfolg hatte, komme ich auf die Entscheidung noch einmal zurück. Die Sachrüge hatte einen Teilerfolg. Das LG war von 18 Fällen der Nötigung ausgegangen, das BayObLG sieht nur 15 Fälle. Daher ist insoweit aufgehoben worden und dann natürlich auch der Rechtsfolgenausspruch.

Da auch diese Entscheidung umfangreich begründet ist, stelle ich die Begründung hier nicht ein, sondern verweise auf den verlinkten Volltext. Zur Sache hat das BayObLG seinem Beschluss folgende Leitsätze gegeben:

1. Die Teilnahme an gezielten Verkehrsblockaden zum Zweck des Protests gegen den Klimawandel kann nach § 240 StGB strafbar sein. Zur Feststellung der Verwerflichkeit bedarf es dabei einer an den Umständen des Einzelfalls orientierten Abwägung.

2.  Im Hinblick auf die sog. „Zweite Reihe“-Rechtsprechung des BGH muss das Tatsachengericht Feststellungen dazu treffen, ob die an der Weiterfahrt gehinderten Verkehrsteilnehmer in der ersten Reihe vor den Demonstrationsteilnehmern oder in einer der folgenden Reihen standen. Nach der Rechtsprechung des BGH kommen nur die an der Weiterfahrt gehinderten Verkehrsteilnehmer in der zweiten und den folgenden Reihen als Geschädigte in Betracht.eit ihres Handelns.

Klima II: Lösen eines Klimaklebers von der Straße, oder: Gebührenbescheid der Polizei

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Und als zweite „Klima-Kleber-Entscheidung“ habe ich hier den OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.09.2024 – OVG 1 S 81/23 -, der sich mit der „Nachbereitung“ befasst

Und zwar hat die Polizei Berlin einen Gebührenbescheid in Höhe von 241,- EUR erlassen, mit dem die Kosten für das Lösen eines Klimaaklebers von der Straße geltend gemacht worden sind. Dagegen das Rechtsmittel zum VG, das Erfolg hatte. Und dagegen dann die Beschwerde zum OVG, die keinen Erfolg hatte. Das OVG folgt dem VG, dass davon ausgegangen ist, dass der Gebührenbescheid nicht in rechtmäßiger Weise auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) i.V.m. Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen (PolBenGebO) gestützt werden könne:

„Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde nicht durchzudringen.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, das Ablösen der Hand des Antragstellers von der Fahrbahnoberfläche und das anschließende Wegtragen sei schon deshalb nicht als Ersatzvornahme i.S.d. §§ 9 Abs. 1 lit. a), 10 VwVG zu qualifizieren, da es sich dabei um eine nicht vertretbare Handlung gehandelt habe, die der Ersatzvornahme nicht zugänglich sei.

Soweit die Beschwerde moniert, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich bei den polizeilichen Maßnahmen um eine unmittelbare Ausführung i.S.d. § 15 ASOG – und nicht um einen Sofortvollzug i.S.d. § 6 Abs. 2 VwVG – gehandelt habe, führt dies nicht zu der Einschätzung, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Bescheides überwiege das private Interesse, von der Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat in zutreffender Weise die Regelungen des §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) i.V.m. Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen (PolBenGebO) als maßgebliche Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid erachtet. Dem tritt die Beschwerde nicht entgegen.

Danach kann für eine unmittelbare Ausführung von Maßnahmen und Ersatzvornahmen zur Gefahrenabwehr für Personen, Sachen oder Tiere gemäß den §§ 14, 15 und 36 des ASOG, insbesondere Sicherung von Gefahrenstellen auf öffentlichem Straßenland oder Baustellensicherungen, für Personen und Tiere in Notlagen eine Gebühr zuzüglich der durch die Ersatzvornahme entstandenen Auslagen erhoben werden, sofern nicht eine speziellere Tarifstelle einschlägig ist.

Das Verwaltungsgericht hat zunächst für die hier vorliegende Sachlage – von der Beschwerde insoweit unbeanstandet – angenommen, dass die Voraussetzungen einer Ersatzvornahme nach § 10 VwVG nicht vorliegen und im Folgenden die Frage beantwortet, ob das Lösen der Klebeverbindung zwischen der Hand des Antragstellers und der Straßenoberfläche und das anschließende Wegtragen als unmittelbare Ausführung i.S.d. § 15 ASOG qualifizieren werden kann, hat dies jedoch verneint. Soweit die Beschwerde dagegen einwendet, die Abgrenzung zwischen der unmittelbaren Ausführung nach § 15 ASOG und einem Sofortvollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG könne nicht dahingehend erfolgen, ob die Maßnahme im (mutmaßlichen) Willen des Verantwortlichen erfolgt – dann unmittelbare Ausführung – oder der entgegenstehende Wille des Verantwortlichen überwunden werden muss – dann Sofortvollzug –, denn eine Abgrenzung nach der Zwangsqualität würde zu Regelungslücken in den Bundesländern führen, die nicht über beide Institute verfügen, führt dies für das vorliegende Verfahren nicht weiter, denn im Land Berlin sind beide Institute gesetzlich geregelt. Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, den Streit um die Abgrenzung beider Institute habe der Landesgesetzgeber durch die Einführung des § 23 des Berliner Mobilitätsgesetzes (MobG BE) dahingehend entschieden, dass die unmittelbare Ausführung (auch) als Ausübung von Verwaltungszwang zu qualifizieren sei, steht der Senat dieser Sichtweise skeptisch gegenüber. § 23 MobG BE eröffnet den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Möglichkeit, Fahrzeuge auf Bussonderspuren, in Haltestellenbereichen und auf Wendeanlagen eigenständig umzusetzen. Zur Realisierung dürfen besonders ausgebildete Beschäftigte der BVG bestimmte Befugnisse, wie z.B. die unmittelbare Ausführung gem. § 15 ASOG (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 lit. a MobG BE), die Ersatzvornahme gem. § 10 VwVG (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 lit. a MobG BE) und den unmittelbaren Zwang gegenüber Sachen (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 lit. b MobG BE) ausüben. Daraus nun aber ableiten zu wollen, der Landesgesetzgeber habe die unmittelbare Ausführung nunmehr (auch) als Ausübung von Verwaltungszwang qualifiziert mit der Folge, dass eine Abgrenzung beider Institute nur noch danach erfolgen könne, ob die Gefahrenabwehrbehörde (dann § 15 ASOG) oder eine andere Verwaltungsbehörde (dann § 6 Abs. 2 VwVG) tätig wird, erscheint keineswegs zwingend. Denn genauso gut könnte der Landesgesetzgeber im Rahmen des § 23 MobG BE nur die einzelnen Befugnisse der BVG übertragen haben, die für die Beseitigung der den Busverkehr behindernden Fahrzeuge notwendig und erforderlich sind, ohne damit eine Entscheidung über die hier aufgeworfene Frage zu treffen. Ein diesbezüglicher Wille des Gesetzgebers lässt sich der Begründung jedenfalls nicht entnehmen, denn die Regelung des § 23 MobG BE hat erst auf Vorschlag des Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Kilmaschutz vom 7. Juni 2018 (Drs. 18/1177) während des laufenden Gesetzgebungsprozesses Eingang in das Gesetz gefunden und wird daher von der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 27. Februar 2018 (Drs. 18/0878) nicht erfasst.

Unabhängig von den von der Beschwerde weiter aufgeworfenen Fragen, ob hier von einer konkreten Gefahr für Personen, Sachen oder Tiere ausgegangen werden kann und ob eine Gebührenpflichtigkeit auch dann besteht, wenn sich die unmittelbare Ausführung gegen den Verhaltensstörer richtet, obwohl § 13 ASOG nicht unmittelbar in der Tarifstelle 8 PolBenGebO genannt wird, kann die Beschwerde bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil sie nicht darlegt, dass der Zweck der Maßnahme durch eine Inanspruchnahme des Verhaltensstörers nicht oder nicht rechtzeitig hätte erreicht werden können. Im Grundsatz müssen die durch einen polizeirechtlich Verantwortlichen hervorgerufenen Gefahren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diesem gegenüber untersagt und ggfs. mit den Mittel des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden. Nur dann, wenn der Zweck der Maßnahme auf diesem Wege nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, ist der Anwendungsbereich der unmittelbaren Ausführung nach § 15 ASOG eröffnet (vgl. hierzu: Pewestorf in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 2022, § 15 Rn. 5; Graulich in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Auflage 2021, Abschnitt E Rn. 296; Knape/Schönrock, Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz für Berlin, 11. Auflage 2016, § 15 Rn. 15, 23). Bezogen auf den hier vorliegenden Fall hat der Antragsgegner aber nicht dargelegt, warum der Zweck der Maßnahme – das Freimachen der Straße für den Straßenverkehr – nicht bzw. nicht rechtzeitig mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Vollstreckungsrechts zu erreichen gewesen wäre. Denn es erschließt sich dem Senat nicht, warum im vorliegenden Fall der solchermaßen definierte Zweck nicht nach Auflösung der Versammlung durch Vollstreckung im Wege des unmittelbaren Zwangs gem. § 12 VwVG der gegenüber dem anwesenden Antragsteller unstreitig ausgesprochenen Aufforderung, die Fahrbahn zu verlassen (Platzverweis), erreichbar gewesen sein soll. Gegensätzliches wird auch von der Beschwerde nicht vorgetragen. Der Senat geht zwar entgegen den Ausführungen des Antragstellers nicht davon aus, dass die Verbindung seiner Hand mit der Straßenoberfläche mittels Sekundenklebers durch „wiederholtes Bewegen und Anspannen der Hand“ durch den Antragsteller selbst hätte gelöst werden können. Allerdings erscheint eine Durchsetzung der Anordnung mit den Mitteln des Vollstreckungsrechts – Anordnung der sofortigen Vollziehung mit verbundener Androhung des unmittelbaren Zwangs unter sofortiger Fristsetzung – durchaus möglich.“

Klima I: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, oder: Ankleben an einen Reisebus

entnommen wikimedia commons Author Jan Hagelskamp1

Im ersten „Kessel Buntes“ des Jahres 2025 köcheln zwei Entscheidungen zum Klimakleben und zu „Klimaklebern“. Die Thematik hat uns ja in in der vergangenen Zeit reichlich beschäftigt, inzwischen ist die Thematik ein wenig abgeklungen, aber die Gerichte sind – wie man sieht – immer noch mit der Nachbereitung befasst.

Dazu hier zunächst den KG, Beschl. v. 14.11.2024 – 3 ORs 65/24 – 161 SRs 104/24.  Das AG hatte die Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt. Ihre Berufung hiergegen hat das LG Berlin mit der Maßgabe verworfen, dass die Höhe der Tagessätze auf 15 EUR herabgesetzt und der Angeklagten Ratenzahlung gewährt wird.

„Dem Urteil des LG liegen die folgenden Feststellungen zugrunde (Fehler im Original):

„Am 20.04.2023 fanden verschiedene Aktionen der Gruppe [Anm. des Senats: „Letzte Generation“] statt.

Die Angeklagte und drei weitere Personen begaben sich zum M-Hotel in Berlin-Tiergarten, um einen Reisebus zu blockieren, welcher dort übernachtende Teilnehmer der Tagung „Familienunternehmertage“ des Verbandes „DIE FAMILIENUNTERNEHMER“ mit einer vorgesehenen Abfahrtszeit um 8:00 Uhr zu der Tagung bringen sollte. Hierzu wollten die Aktivisten sich an dem Bus ankleben und ihn so an der Abfahrt hindern. Sie wollten hierdurch auf ihre Ziele aufmerksam machen. Das Ziel ihrer Aktion wählten die Aktivisten aus, weil es sich aus ihrer Sicht bei dem Verband um eine Lobbyistenvereinigung handelte, welche für die von ihnen als schädlich angesehenen Strukturen stand.

Auf dem vor dem M.-Hotel liegenden I-Platz stand der entsprechende Reisebus des Unternehmens „P-GmbH“ mit dem Kennzeichen B. Durchgangsverkehr wurde durch die Warteposition des Busses nicht beeinträchtigt.

Gegen 07:50 Uhr klebte die Angeklagte mit Sekundenkleber die Innenfläche ihrer linken Hand und die Finger an die rechte Rückleuchte des Reisebusses. Die Fläche, über die eine Verbindung Hand und Bus entstand, erstreckte sich über den Großteil der Handinnenfläche; weiterhin waren alle fünf Finger mit einem oder mehreren Fingergliedern mit dem Bus verbunden.

Drei weitere Aktivisten klebten ihre Hände zeitgleich auf die gleiche Weise an anderen Stellen des Busses an. Ein fünfter Aktivist wurde von dem Busfahrer von dem Bus weggezogen, bevor der Sekundenkleber trocknen konnte. Er setzte sich anschließend vor dem Bus auf den Boden.

Die Angeklagte und ein neben ihr stehender Aktivist hielten ein Banner mit einem Herz und dem Text „ART. 20A GG = LEBEN SCHÜZEN“.

Die Bewegungsfreiheit des Busses war damit – planmäßig – faktisch aufgehoben, da ein Bewegen des Busses nur noch unter Inkaufnahme schwerer Verletzungen der angeklebten Personen (und je nach Fahrtrichtung der vor dem Bus sitzenden Person) möglich gewesen wäre. Die Teilnehmer der Veranstaltung „Familienunternehmertage“ begaben sich mit anderen Verkehrsmitteln (etwa Taxen) zum Veranstaltungsort.

Der Angeklagten und den übrigen Aktivisten war beim Ankleben bewusst, dass es eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit im weiteren Verlaufs sein würde, dass die Polizei hinzugerufen werden würde, um die Bewegungsfreiheit des Busses wieder herzustellen, dass die Polizei hierzu auf eine rechtmäßige Weise, die Aktivisten von Ort und Stelle verweisen könnte, und dass die Polizei, würden die Aktivisten der Wegweisung keine Folge leisten, diese sodann nötigenfalls wegtragen würde.

Der Angeklagten und den übrigen Aktivisten war es beim Ankleben weiterhin bewusst und sie setzen es zielgerichtet ein, dass ab dem Trocknen des Sekundenklebers sich ihre Hände nur noch ablösen lassen würden entweder durch kraftvolles Abreißen unter Inkaufnahme von Verletzungen an der jeweils angeklebten Hand oder aber, wenn man solche Verletzungen vermeiden wollte, durch ein vorsichtiges und zeitaufwändiges Hin- und Herbewegen der Hand, gegebenenfalls unterstützt von Hilfsmitteln wie Öl. Sie gingen davon aus, dass beliebige, nicht näher bestimmte Dritte – wie der Busfahrer, Fahrgäste, Hotelmitarbeiter oder andere Personen, aber eben auch hinzugerufene Polizisten versuchen würden, sie von dem Bus zu entfernen, um dessen Bewegungsfreiheit wiederherzustellen. Sie rechneten weiterhin damit, dass jedenfalls Polizeibeamte sie nicht gewaltsam vom Bus abreißen würden.

Ziel des Anklebens war unter anderem – unter den vorbeschriebenen Prämissen für polizeiliches Handeln – die Umsetzung der als möglichen und wahrscheinlich angesehenen polizeilichen Anordnung, sich zu entfernen, welche die Polizei ohne Ankleben durch ein einfaches Wegtragen hätte durchsetzen können, zu erschweren. Die Polizeibeamten sollten in eine zeitaufwändige Ablöseprozedur gezwungen werden, die Blockade sollte hierdurch verlängert werden und die Aufmerksamkeit für die Ziele sollte durch die damit einhergehende nachhaltigere Störung vergrößert werden.

Tatsächlich rief der Busfahrer die Polizei zur Hilfe.

Zunächst traf ein Streifenwagen des Polizeiabschnitts A28 der Polizei Berlin ein. Gegen 08:11 Uhr kamen hinzugerufene Kräfte des 2. Zuges der 31. Einsatzhundertschaft der Polizei Berlin vor Ort an und übernahmen die weiteren Maßnahmen.

Der Einsatzleiter PHK K kam zu der Einschätzung, dass die Aktion Versammlungscharakter habe und stufte sie als Versammlung im Sinne des VerfG Bln ein. Er erkundigte sich nach einem Versammlungsleiter, ihm wurde aber kein solcher benannt.

Sodann tätigte PK M um 08:34, um 08:40 und um 08:52 Uhr drei – polizeiintern standardisiert und den Beamten als schriftlicher Mustertext zur Verfügung stehenden – Verfügungsdurchsagen durch, mit denen die Versammlung als unerlaubte Versammlung eingestuft und auf die gegenüberliegende Seite verlegt wurde, sodann, als die Angeklagten und die übrigen Aktivisten keine Anstalten machten, sich selbständig abzulösen und auf die andere Straßenseite zu begeben, Zwangsmittel angedroht und schließlich die Auflösung der Versammlung nach § 14 Abs. 1 VerFG Bln angeordnet wurde.

Sodann setzten die Polizeibeamten die Auflösung durch.

Hierzu lösten sie in der Zeit von 08:52 bis 09:17 die Angeklagte und die drei anderen angeklebten Aktivisten durch Einpinseln der Ränder der Kontaktflächen zwischen Händen und Bus mit Speiseöl und durch vorsichtiges Hin- und Herbewegen der Hände ab. Es ist nicht auszuschließen gewesen, dass Polizeibeamte in Erwartung des weiteren Ablaufes auch schon vor Erlass der Verfügung, mit welcher die Versammlung letztlich aufgelöst wurde, Öl auf die angeklebten Hände der Aktivisten gaben.

Konkret das Ablösen der Angeklagten wurde POM S in der Zeit von 09:05 Uhr bis 09:17 Uhr durchgeführt.

Nach dem Ablösen begaben sich die Angeklagte und die weiteren Aktivisten freiwillig vom Ort weg bzw. stellten sich den polizeilichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen.“

Mit ihrer Revision hat die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Sie beanstandet insbesondere die Würdigung der Strafkammer, wonach es sich bei dem Ankleben an den Reisebus um Widerstand mit Gewalt i.S.d. § 113 Abs. 1 StGB handelt sowie die Annahme einer rechtmäßigen Diensthandlung durch die Polizeibeamten, § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB.

Die Revision hatte beim KG keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu dem KG-Beschluss:

1. Für das Tatbestandsmerkmal „bei der Vornahme einer Diensthandlung“ reicht es aus, dass der Täter die Kraft schon vor Beginn der Diensthandlung entfaltet, sofern diese – vom Täter auch so gewünscht – das spätere polizeiliche Tätigwerden deutlich erschwert.

2. Entscheidend für die Bewertung der Widerstandshandlung als „mit Gewalt“ ist die Intensität der Kraftentfaltung durch das materielle Zwangsmittel und damit zusammenhängend die Kraft, die aufgewandt werden muss, um diese zu überwinden.

3. Die gezielte Beeinträchtigung privaten Eigentums, die sich nicht als zwangsläufige Folge einer Demonstration ergibt, sondern deren maßgeblicher Bestandteil ist, ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit i.S.d. des Versammlungsgesetzes bzw. Versammlungsfreiheitsgesetzes Berlin.