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Corona II: Reisestorno wegen Corona-Warnung, oder: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um

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Und dann im zweiten „Corona-Posting“ die zivilrechtliche Entscheidung. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 09.07.2024 – X ZR 101/23. Es geht um die Stornierung einer Reise wegen der Covid-19-Pandemie und die Rückzahlung einer Anzahlung für diese Pauschalreise.

Die Klägerin verlangt die Rückzahlung einer Anzahlung, die sie für für eine Pauschalreise gezahlt hat. Die Klägerin hatte am 01.07.2021 bei der Beklagten für sich und eine weitere Mitreisende zum Gesamtpreis von 1.552 EUR eine Flugreise mit Hotelaufenthalt und Verpflegung nach Palma de Mallorca gebucht. Die Reise sollte vom 30.07.2021 bis zum 06.082021 stattfinden sollte. Die Klägering leistete auf den Reisepreis eine Anzahlung von 1.242 EUR.

Nach dem geschlossenen Vertrag konnte die Reise bis 21 Tage vor Reiseantritt kostenlos storniert und bis 14 Tage vorher gebührenfrei umgebucht werden. Im Übrigen sollten die AGB der Beklagten gelten. Diese sehen eine Stornierungspauschale vor, und zwar bei einem Rücktritt des Reisenden bis vier Tage vor Reiseantritt 75 % des Reisepreises und ab drei Tage vor Reiseantritt 80 %.

Am 09.07.2021 stufte das RKI Spanien einschließlich der Balearen als Risikogebiet ein. Am 23.07. 2021 kündigte das Institut die Einstufung als Hochrisikogebiet ab dem 27.07.2021 an und das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung ausgesprochen.

Am 26.07.2021 stornierte die Klägerin die Reise unter Bezugnahme auf diese Maßnahmen und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der Anzahlung auf. Die Beklagte teilte der Klägerin am gleichen Tag mit, infolge des Rücktritts falle eine Stornierungsgebühr in Höhe von 1.164 EUR an.

Mit ihrer Klage hat verlangte die Klägerin u.a. die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Das AG hat die Beklagte zur Zahlung von 78 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr Begehren in voller Höhe weiterverfolgt. Das LG hat der Klägerin die Verzugspauschale sowie einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zugesprochen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, ohne Erfolg:

„2. Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage in dem zweitinstanzlich verfolgten Umfang dennoch unbegründet ist, weil die Beklagte dem Anspruch auf Erstattung der Anzahlung einen Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten kann und dieser Anspruch im Streitfall nicht nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im Streitfall einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als Umstand bewertet, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. März 2023 – X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 21; Urteil vom 14. November 2023 – X ZR 115/22, NJW-RR 2024, 193 Rn. 18; Urteil vom 23. Januar 2024 – X ZR 4/23, NJW-RR 2024, 466 Rn 17).

Dies gilt auch für den im Streitfall maßgeblichen Reisezeitraum im Juli und August 2021 (BGH, Urteil vom 14. November 2023 – X ZR 115/22, NJW-RR 2024, 193 Rn. 19).

b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass im Streitfall keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zu besorgen war.

aa) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung besteht, von Bedeutung sein kann, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, kann eine erhebliche Beeinträchtigung jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn bei Vertragsschluss Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Einem Reisenden, der in einer solchen Situation eine Reise bucht, ist es in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen (BGH, Urteil vom 19. September 2023 – X ZR 103/22, NJW-RR 2023, 1540 Rn. 41).

Absehbar in diesem Sinne ist ein Risiko nicht nur dann, wenn es im Zeitpunkt der Buchung nahezu unausweichlich erscheint, dass sich das Risiko bis zum geplanten Beginn der Reise verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn im Zeitpunkt der Buchung ungewiss ist, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, und eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es innerhalb kurzer Zeit zu gravierenden Veränderungen kommt.

bb) Vor diesem Hintergrund ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die im Streitfall vorliegenden Umstände nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB geführt haben, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(1) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Reisewarnung des Auswärtigen Amts zwar Indizwirkung zukommt, hieraus aber nicht zwingend folgt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen ist.

(2) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist es dem Reisenden in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn bereits bei Buchung der Reise eine Reisewarnung bestanden hat, diese auch bei Reisebeginn weiterhin oder wieder besteht und die Risikolage sich nicht wesentlich verändert hat (BGH, Urteil vom 19. September 2023 – X ZR 103/22, NJW-RR 2023, 1540 Rn. 41).

(3) Im Streitfall hat sich die Risikolage zwischen dem Zeitpunkt der Buchung und dem Zeitpunkt des vorgesehenen Reisebeginns zwar verändert. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war aber bereits bei Buchung aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ersichtlich, dass aufgrund des Verhaltens von Urlaubern auf Mallorca ein schneller Anstieg der damals noch relativ geringen Infektionsraten befürchtet wurde.

Diese Feststellungen tragen die vom Berufungsgericht vorgenommene tatrichterliche Würdigung, dass die spätere Entwicklung schon bei Buchung absehbar war. Den Feststellungen ist zwar nicht zu entnehmen, dass ein schneller Anstieg der Inzidenzen, die Einstufung als Risiko- bzw. Hochrisikogebiet und eine Reisewarnung im Zeitpunkt der Buchung als nahezu unausweichlich erschienen. Aus ihnen ergibt sich aber, dass ein Zustand der Ungewissheit bestand, der eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für kurzfristige Veränderungen dieser Art begründete.

c) Entgegen der Auffassung der Revision sind die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Entschädigungsanspruchs gemäß § 651h Abs. 3 BGB auch nicht deshalb gegeben, weil die Beklagte unter diesen Umständen verpflichtet gewesen wäre, das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Pauschalreisevertrags abzulehnen oder die Reise erst gar nicht anzubieten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stand die Einstufung als Risiko-, Hochinzidenz- oder Hochrisikogebiet einer Durchführung der Reise im Streitfall nicht entgegen. Die Konsequenzen einer solchen Einstufung, insbesondere damit verbundene Beschränkungen während des Aufenthalts oder nach der Rückkehr, mögen dennoch von zahlreichen Reisenden als so schwerwiegend eingeschätzt werden, dass sie von einem Antritt der Reise absehen. Auch in Fällen, in denen schon bei Buchung zu erwarten oder zumindest konkret damit zu rechnen ist, dass es zu solchen Beschränkungen kommen kann, ist es dem Reiseveranstalter indes nicht verwehrt, eine Buchung anzubieten.“

Mich überrascht die Entscheidung nicht. Einem Reisenden, der nach Beginn der Pandemie eine Reise gebucht hat, ist es m.E. zur Recht in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken fortbestehen. es war doch zu der Zeit überhaupt nicht vorhersehbar, wie sich die Pandemie entwickeln würde. Eigenes Risiko eben.

Corona I: Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse, oder: Der Anstifter kann nicht Verteidiger sein

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Und dann im „Kessel Buntes“ seit längerem mal wieder etwas zu Corona (und was [noch] damit zu tun hat. Eine Entscheidung stammt aus dem Strafrecht, eine aus dem Zivilrecht.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 06.06.2024 – 2 ARs 85/24. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen eines Verteidigerausschlusses (§§ 138a StPO ff.). Das OLG hat den Rechtsanwalt in einem Strafverfahren gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen. Seine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde war unbegründet.

Folgender Sachverhalt:

„Das Landgericht Dresden führt gegen die Angeklagte Dr. Wi.  ein Strafverfahren unter anderem wegen des Vorwurfs des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 278 Abs. 1 StGB in einer Vielzahl von Fällen. In den Fällen III.66, III.67, III.72 und III.73 der Anklage der Staatsanwaltschaft Dresden vom 29. Juni 2023 soll die Angeklagte unter anderem dem Beschwerdeführer, einem Rechtsanwalt, im Rahmen ihrer Berufsausübung als praktizierende Ärztin zwischen dem 16. Januar 2022 und dem 8. Februar 2022 an insgesamt vier Tagen ärztlich bescheinigt haben, er sei mittels eines Antigen-Schnelltestes negativ auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus getestet worden, obwohl sie selbst die Testungen an diesen Tagen weder vorgenommen noch überwacht habe.

Der Beschwerdeführer hat sich im Verlauf des Verfahrens als Wahlverteidiger der Angeklagten legitimiert. Auf entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Dresden den Beschwerdeführer nach Vorlage durch das Landgericht Dresden und aufgrund durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 10. November 2023 gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO als Verteidiger ausgeschlossen, da dieser der Beteiligung an Straftaten der Angeklagten hinreichend verdächtig sei.“

In der Sache führt das BGH aus:

„2. Auch in der Sache ist der Ausschluss des Beschwerdeführers als Verteidiger in dem gegen die Angeklagte geführten Strafverfahren zu Recht erfolgt.

Die Voraussetzungen des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO liegen vor. Demnach ist ein Verteidiger von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtfertigenden Grade verdächtig ist, dass er an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit der hinreichende Tatverdacht im Sinne der §§ 203, 170 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. März 1989 – 2 ARs 54/89, BGHSt 36, 133; vom 18. April 2018 – 2 ARs 542/17, juris Rn. 12 mwN). Dabei wird vorausgesetzt, dass der Tatvorwurf zwar nicht restlos bis in alle Einzelheiten geklärt ist, die verfügbaren Aufklärungsmöglichkeiten und Erkenntnisquellen aber im Wesentlichen ausgeschöpft sind (sog. Anklagereife, vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 1989 – 2 ARs 54/89, juris Rn. 19). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

a) Das Oberlandesgericht Dresden hat umfassend gewürdigt und begründet, warum sich in tatsächlicher Hinsicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird nachweisen lassen, der Beschwerdeführer habe bei der Angeklagten ärztliche Atteste über negative Testungen auf das SARS-CoV-2-Virus angefordert, die diese sodann ausstellte, ohne den Test selbst durchgeführt oder überwacht zu haben.

b) Der demnach überwiegend wahrscheinlich feststellbare Sachverhalt erweist sich in rechtlicher Hinsicht für den Beschwerdeführer zumindest als Anstiftung zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 Abs. 1, § 26 StGB) in vier Fällen. Sollte die Angeklagte dem Beschwerdeführer zugleich eine Testdokumentation im Sinne des § 22 Abs. 4c Satz 1 IfSG ausgestellt haben, stünde die Anstiftung zur unrichtigen Dokumentation der Überwachung einer Testung (§ 75a Abs. 1 Nr. 1 IfSG in der Fassung vom 22. November 2021, § 26 StGB) jeweils in Tateinheit dazu.

aa) Nach § 278 StGB in der seit dem 24. November 2021 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt. Die Vorschrift soll die Beweiskraft ärztlicher Zeugnisse sichern und setzt grundsätzlich die Feststellung des Gesundheitszustands aufgrund einer Untersuchung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2006 – 2 StR 384/06, NStZ-RR 2007, 343). Auch die ärztliche Testdokumentation nach § 22 Abs. 4c und 4d IfSG in der hier maßgeblichen Fassung vom 10. Dezember 2021, bei der es sich um ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 278 StGB handelt, setzt die Durchführung oder Überwachung der Testung in Bezug auf einen negativen Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 im Beisein der dazu befugten Person voraus. Soweit der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18. März 2022 (BGBl. I, S. 466) § 22a Abs. 3 IfSG dahin gefasst hat, die Testung müsse „vor Ort unter Aufsicht […] stattgefunden“ haben, ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass die Aufnahme der Worte „vor Ort“ in den Gesetzestext allein aus Gründen der Klarstellung vorgenommen wurde (BT-Drucks. 20/958, S. 17). In Bezug auf das zu den einzelnen Tatzeitpunkten weiterbestehende Infektionsgeschehen konnten Testnachweise bzw. -dokumentationen, die auf einer Diagnostik durch Antigen-Schnelltestungen beruhten, als Teil der Bekämpfungsstrategie nur dann wirken, wenn die sachgerechte Durchführung der Tests durch echte Kontrollmöglichkeiten gewährleistet wurde. Dies galt unabhängig davon, ob es sich bei den von der Angeklagten ausgestellten Attesten um Testdokumentationen im Sinne des § 22 Abs. 4c, 4d IfSG oder um Testnachweise im Sinne des § 2 Nr. 7c) COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 14. Januar 2022 handelte.

bb) Die dem Beschwerdeführer auf seine Veranlassung erteilten ärztlichen Bescheinigungen der Angeklagten genügten dem nicht. Insbesondere lag entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung in der zwischen der Angeklagten und dem Beschwerdeführer verabredeten Vorgehensweise keine Überwachung der Testung durch die Angeklagte.

Der Beschwerdeführer hat angeführt, er habe sich vor Ausstellung der ärztlichen Atteste jeweils selbst mittels eines Antigen-Schnelltests auf eine Infektion getestet und ein Foto der entsprechenden Testkassette sodann über Messengerdienste an die Angeklagte übersandt. Dies hat er im Beschwerdeverfahren zum Teil durch Vorlage entsprechender Screenshots belegt. Das schlichte Übersenden eines Lichtbildes einer Testkassette stellt bereits nach allgemeinen Verständnis keinen wirksamen Kontrollmechanismus und damit keine Überwachung eines Tests dar. Eine Überwachung, die dem Regelungszweck der genannten Vorschriften gerecht werden soll, erfordert, dass der die negative Testung Bestätigende sich auf Basis einer verlässlichen Grundlage von der sachgerechten Durchführung der Testung überzeugt. Dazu gehört auch die Prüfung, wann der Test durchgeführt wurde und ob diejenige Person, die getestet wurde, mit derjenigen Person, für die das Attest ausgestellt wird, identisch ist. Allein anhand eines übersendeten Lichtbildes von einer Testkassette war dies nicht möglich. Die Angeklagte konnte nicht überprüfen, wann oder von wem oder in welcher Weise der Test durchgeführt wurde. Daran ändert auch der durch den Beschwerdeführer dargelegte Umstand, die Angeklagte habe ihm zuvor ausführlich erläutert, wie eine Selbsttestung vorzunehmen sei, nichts. Dies würde der Angeklagten allenfalls die Möglichkeit gegeben haben zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer generell in der Lage war, Selbsttestungen fehlerfrei vorzunehmen. Konkret bezogen auf die verfahrensgegenständlichen Testnachweise fehlte es aber an jeglicher Kontrollmöglichkeit. Die ärztliche Gewähr für die Verlässlichkeit des Testergebnisses, die die Angeklagte mit ihren Attesten bescheinigte und deren Schutz § 278 Abs. 1 StGB dient (vgl. Spickhoff/Schuhr, Medizinrecht, 4. Aufl., § 278 StGB Rn. 1), konnte sie damit nicht bieten.

cc) Die Aufforderung des Beschwerdeführers, ihm in den oben genannten vier Fällen ein negatives Testergebnis zu bescheinigen, stellt jeweils ein Bestimmen im Sinne des § 26 StGB dar. Nach derzeitigem Sachstand ist auch im Sinne eines hinreichenden Tatverdachtes von einem doppelten Anstiftervorsatz auszugehen. Jedenfalls nach Aktenlage liegt es nicht nahe, dass der Beschwerdeführer als Rechtsanwalt das von ihm beschriebene Prozedere als hinreichende Grundlage für die Ausstellung eines ärztlichen Attestes angesehen hat.“

Corona II: Impfschäden nach Impfung mit Comirnaty?, oder: Keine Gefährungshaftung von Pfizer/BioNTech

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Und dann im zweiten Posting das OLG Koblenz, Urt. v. 10.07.2024 – 5 U 1375/23. Das Aktenzeichen zeigt, dass es sich um Zivilrecht handelt. An sich gibt es Zivilrecht ja nur am Samstag, aber, da die Thematik heute „Corona“ ist, kann die Entscheidung ausnahmsweise auch heute vorstellen.

Mit dem Urteil hat das OLG Koblenz über eine Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage gegen den Comirnaty-Hersteller BioNTech/Pfizer entschieden. Die Klägerin hatte nach der Impfung starke Kopfschmerzen und Schwindel, die sie auf die Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty zurück geführt hat. Die Klägerin war Ende August das erste und Ende September 2021 das zweite Mal mit Comirnaty gegen Corona geimpft worden. Dieser Impfstoff hatte – wie allgemein bekannt ist im Dezember 2020 zunächst nur eine bedingte zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung und im Oktober 2022 dann die Standardzulassung erhalten. Schon kurz nach der ersten Impfung waren bei der Klägerin Kopfschmerzen und Schwindel aufgetreten, was sich nach ihrer Behauptung nach der zweiten Impfung noch verstärkt hat sie – so die Behauptung – noch immer beeinträchtigt sie noch immer. Geltend gemacht waren als immaterielle Schaden 100.000 EUR, zudem ist die Feststellung beantragt worden, dass BioNTech/Pfizer für materielle Schäden haftet.

Das LG Mainz hatte die Klage abgewiesen. Dagegen dann die Berufung, die das OLG zurückgewiesen hat. Ich stelle hier keine Auszüge aus dem mehr als 40 Seiten langen Urteil des OLg ein, sondern verweise nur auf den verlinkten Volltext. Wer Interesse hat, kann die Argumentation des OLG dort nachlesen.

Aus der Begründung nur: Das OLG hat die Voraussetzungen für eine Gefährdungshaftung des Herstellers nach § 84 AMG verneint. Es ist von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des eingesetzten mRNA-Impfstoffes Comirnaty ausgegangen, wobei das OLG es hat dahinstehen lassen, ob dies schon aus Rechtsgründen aufgrund der europäischen Zulassung bindend feststehe. Denn das OLG auch aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen der Europäischen Arzneimittelagentur, von deren Ausschüssen und dem nationalen Paul-Ehrlich-Institut eigenständig vom positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis überzeugt.

Das OLG hat auch eine unrichtige Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation zu dem mRNA-Impfstoff Comirnaty verneint. Die gesetzlich relevanten Produktinformationen seien nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse richtig gewesen und fortlaufend aktualisiert worden. Die Produktinformationen seien auch frei zugänglich gewesen.

Und: Die Klägerin habe auch nicht nachweisen können, dass ihre behaupteten Gesundheitsprobleme auf die Impfungen zurückzuführen seien. Da sie hierfür auch keine ausreichenden Indiztatsachen darlegen konnte, wies das OLG auch ihre Auskunftsklage ab.

Das OLG hat (natürlich) die Revision zugelassen. Wir hören dazu dann demnächst etwas vom BGH.

Corona I: Fälschung von Impf- und Genesenenausweis, oder: Genug Feststellungen zur Beweiserheblichkeit?

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Und dann seit längerem mal wieder etwas zu Corona, und zwar „Aufarbeitungsentscheidungen“. An der „Front“ ist es ja – zum Glück – ruhiger geworden. Aber die ein oder andere Entscheidung gibt es dann doch noch.

Ich stelle zu der Thematik dann heute zunächst den OLG Celle, Eeschl. v. 18.07.2024 – 1 ORs 18/24 – vor. Geht noch einmal um Urkundenfälschung in Zusammenhang mit Impfausweisen u..a.

Folgender Sachverhalt: Das AG hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Anstiftung zur Urkundenfälschung und zur Fälschung beweiserheblicher Daten freigesprochen. Auf die dagegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG Stade den Angeklagten wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen sowie Anstiftung zur Fälschung beweiserheblicher Daten verurteilt.

Nach den Feststellungen des LG forderte der Angeklagte am 10.05.2021 seine Schwester per Chat-Nachricht dazu auf, drei Impfaufweise für sich, seinen Vater und seine Ehefrau zu bestellen, die Eintragungen über in Wahrheit nicht erfolgte Impfungen gegen Covid-19 enthielten, und überwies ihr dafür insgesamt 450 Euro. Die Schwester des Angeklagten entschloss sich deshalb, die Impfpässe bei der gesondert verfolgten S. O. zu bestellen. Diese beschaffte deshalb die Impfaufweise aus einer unbekannten Quelle.

Außerdem bat im November 2021 seine Schwester darum, ihm einen gefälschten Genesenen-Ausweis zu beschaffen. Diese übersandte ihm daraufhin am 11.11.2021 per E-Mail einen gefälschten Befund eines Labors, der dem Angeklagten einen positiven PCR-Test auf Antikörper für SARS-CoV-2 bescheinigte. Diese Dokumente hatte sie selbst auf ihrem PC erstellt und dafür als Vorlage den Befund einer dritten Person verwendet.

Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg:

„Die Feststellungen des Landgerichts tragen weder den Schuldspruch wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung gemäß §§ 267 Abs. 1, 26 StGB noch den Schuldspruch wegen Anstiftung zur Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 26 StGB. Es fehlt jeweils an vollständigen Feststellungen zu einer entsprechenden Haupttat, die gemäß § 26 StGB Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Anstiftung ist.

1. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB erweisen sich die Urteilsfeststellungen in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft. Sie belegen weder das Vorliegen einer Urkunde noch ein Auseinanderfallen zwischen dem scheinbaren und dem tatsächlichen Aussteller.

a) Eine Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt war, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und den Aussteller erkennen ließ (st. Rspr.; statt aller BGH, Beschluss vom 14. März 2024 – 2 StR 192/23 –, Rn. 35, juris, m. w. N.).

Ein vollständig ausgefüllter Impfausweis erfüllt diese Voraussetzungen; die vollständigen Angaben ergeben die Erklärung des im Impfausweis aufgeführten Impfarztes, der genannten Person die bezeichnete Impfung an einem bestimmten Tag unter Verwendung eines Vakzins einer bestimmten Charge verabreicht zu haben (BGH, Urteil vom 10. November 2022 – 5 StR 283/22 –, Rn. 36, juris; OLG Celle, Urteil vom 31. Mai 2022 – 1 Ss 6/22 –, Rn. 15, juris).

Ob sich einem Impfausweis eine solche Erklärung entnehmen lässt, muss im Urteil in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall festgestellt werden. Es reicht nicht aus, den Inhalt mit reinen Rechtsbegriffen zu umschreiben; erforderlich ist vielmehr eine Beschreibung der jeweiligen Eintragungen, namentlich ob der Impfausweis für eine bestimmte Person ausgestellt wurde und ggf. für welche, ob etwa ein Aufkleber mit einer Chargen-Nummer in dem Impfausweis eingeklebt war und welchen Inhalt dieser gegebenenfalls hatte, ob ein und ggf. welcher Zeitpunkt der angeblich erfolgten Impfung eingetragen wurde, ob ein und ggf. welcher Aussteller der Impfbescheinigung ersichtlich wird (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 202 StRR 71/22 –, juris).

b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es beschränkt sich insoweit auf die Feststellungen, dass der Angeklagte „drei Impfausweise“ bei seiner Schwester bestellt habe, diese daraufhin „die gefälschten Impfpässe“ habe beschaffen wollen und die gesondert Verfolgte O. schließlich „die Impfausweise mit den gefälschten Einträgen zu in Wahrheit nicht erfolgten COVID-19 Impfungen“ beschafft habe. Den zur Konkretisierung des Urkundenbegriffs des § 267 Abs. 1 StGB erforderlichen genauen Inhalt dieser Eintragungen hat die Strafkammer hingegen nicht festgestellt.

c) Das Fehlen ausreichender Feststellungen zur Urkundenqualität entzieht auch der weiteren rechtlichen Bewertung der Strafkammer die Grundlage. Da es sowohl an Feststellungen zur Person des Haupttäters als auch zu einem etwaigen scheinbaren Aussteller fehlt, steht namentlich auch die Unechtheit einer eventuellen Urkunde in Frage; nach den Feststellungen ist nicht ausgeschlossen ist, dass es sich zwar um unrichtige, nicht aber um unechte Impfbescheinigungen handelte.

2. Das angefochtene Urteil belegt auch nicht, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß § 269 Abs. 1 StGB bei der Tat aus November 2021erfüllt sind.

Den Feststellungen des Landgerichts lässt sich noch ausreichend entnehmen, dass die gesondert Verfolgte F. als Haupttäterin echte Daten verändert oder falsche Daten gespeichert hat. Denn sie hat entweder die vom Labor Dr. F. erstellte Datei durch Einfügen des Namens des Angeklagten verändert oder anhand dieser Vorlage eine eigene Datei mit dem Namen des Angeklagten erstellt, deren scheinbarer Aussteller das Labor Dr. F. war.

Die Urteilsfeststellungen belegen aber nicht, dass diese Daten auch beweiserheblich waren. Dieses Tatbestandsmerkmal verlangt, dass die Daten geeignet und bestimmt sind, bei einer Verarbeitung im Rechtsverkehr als Beweisdaten für rechtlich erhebliche Tatsachen benutzt zu werden (Zieschang in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 269 StGB, Rn. 11 m. w. N.). Es ist deckungsgleich mit der für den Urkundenbegriff gemäß § 267 StGB erforderlichen Beweisfunktion und ergibt sich deshalb zugleich aus der weiteren Tatbestandsvoraussetzung des § 269 Abs. 1 StGB, dass im hypothetisch gedachten Fall der Wahrnehmung der Daten eine Urkunde vorliegen muss (Zieschang a. a. O.; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 269 Rn. 9).

Ebenso wie für Urkunden gilt deshalb, dass einer Datei keine Beweisfunktion zukommt, wenn sie erkennbar als Kopie einer Urkunde erscheint. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die entsprechenden Erklärungen üblicherweise als Original-Papierdokumente ausgegeben werden; ein entsprechendes PDF-Dokument ruft dann im Rechtsverkehr nicht den Eindruck eines Originals hervor, sondern wird lediglich als Reproduktion angesehen (OLG Celle, Urteil vom 15. Dezember 2023 – 1 ORs 2/23 –, Rn. 42, juris, m. w. N.).

Eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob der Datei, die von der gesondert Verfolgten F. erstellt wurde, die erforderliche Beweisfunktion zukam, ist dem Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht möglich. Denkbar ist sowohl, dass im Rechtsverkehr bereits dieser Dateiinhalt – etwa beim Vorzeigen mittels eines Mobiltelefons – als ein vom Institut Dr. F. erstellter Genesenenachweis angesehen worden wäre. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass die Datei selbst lediglich als – beispielsweise eingescannte – Reproduktion eines vermeintlich in Papierform vorliegenden Originals erschien und nicht die Datei selbst, sondern erst ein Ausdruck im Rechtsverkehr als eine vom Institut Dr. F. erstellte Erklärung angesehen worden wäre. Im zuletzt genannten Fall würde das Erstellen der Datei lediglich eine – straflose – Vorbereitungshandlung zu einer möglichen späteren Herstellung einer unechten Urkunde darstellen.

Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.“

Und dann noch der BayObLG, Beschl. v. 10.07.2024 – 203 StRR 231/24. Von der Entscheidung gibt es aber nur den Leitsatz, der lautet:

Der Gebrauch einer unechten Impfbescheinigung nach dem 24. November 2021 kann eine Urkundenfälschung nach § 267 Abs.1 3. Al. StGB darstellen. Dies gilt auch nach dem Auslaufen des digitalen COVID-Zertifikats. 

StGB III: „Ungeimpft“ „Judenstern“ während Corona, oder: „from the river to the sea – Palestine will be free“

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Und dann zum Abschluss des Tages noch zwei Entscheidungen, und zwar einmal aus der „Abteilung“ „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“, und zwar „§ 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ bzw. aus der „Abteilung“ „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“, und zwar  „§ 130 StGB – Volksverhetzung“. Von beiden Entscheidungen gibt es aber nur die Leitsätze, die doch rechtlangen Begründungen dann bitte ggf. in den verlinkten Volltexet selbst nachlesen.

Also:

1. Der Wortlaut des § 130 Abs. 3 StGB ist allein auf die Billigung, Leugnung und Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Taten nach § 6 Abs. 1 VStGB bezogen und umfasst damit den Völkermord, nicht aber die weiteren dem Völkermord vorangegangenen Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden unter dem nationalsozialistischen Unrechtsregime.

2. Die Verwendung eines verfremdeten sogenannten Judensterns als Kritik an der Situation ungeimpfter Personen unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (sogenannter Ungeimpft-Stern) verwirklicht nicht den Tatbestand einer Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB, wenn die Verwendung dieses Zeichens nach den tatrichterlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auf Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden bezogen zu verstehen ist, nicht aber auf den an ihnen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord.

1. Es ist fraglich, ob es sich dem Slogan „from the river to the sea – Palestine will be free“ um ein Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB handelt. Jedenfalls ermangelt es an einem hinreichenden Verdacht dahingehend, dass es sich hierbei um ein solches der HAMAS handelt.

2. Zur Strafbarkeit der Verwendung des Slogans „from the river to the sea – Palestine will be free“ “ (hier verneint)