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Das Ausweichmanöver mit dem Motorrad als Rettungstat, oder: Arbeitsunfall

entnommen wikimedi.org Urheber Noop1958

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Da in dieser Woche der samstägliche „Kessel Buntes“ ausfallen muss – es ist schließlich „Heilig Abend“ – gibt es eben „unter der Woche“ Entscheidungen, die an sich an einem Samstag gepostet werden müssten. Und dazu gehört das SG Dortmund, Urt. v. 02.11.2016 – S 17 U 955/14. Das hat zu der Frage Stellung genommen, ob es sich, wenn ein Motorradfahrer zur Vermeidung eines Zusammenstoßes einem ihm die Vorfahrt nehmenden Fahrradfahrer ausweicht, um eine den Arbeitsunfallversicherungsschutz begründende Rettungshandlung gehandelt hat. Das SG hat das bejaht:

„Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Der Kläger ist bei dem Ereignis unfallversichert gewesen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII sind solche Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Der Kläger hat, indem er seinem potentiellen Unfallgegner ausgewichen ist, diesen aus erheblicher Gefahr für dessen Gesundheit gerettet, möglicherweise ihm sogar das Leben gerettet. Der Umstand, dass der Kläger die Rettungshandlung nicht mit zeitlichem Vorlauf geplant vorgenommen, sondern in Sekundenbruchteilen gehandelt hat, begründet keine andere Bewertung. Auch eine spontan, ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem zitierten Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII. Dies hat das Bundessozialgericht gerade für ein Ausweichmanöver im Straßenverkehr entschieden (BSG, Urteil v. 30.11.1982, Az.: 2 RU 70/81, BSGE 54, S. 190 ff., zur Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 9a) der Reichsversicherungsordnung – RVO). Die Entscheidung erscheint der Kammer sachgerecht, nachdem Gefahrensituationen geradezu immanent ist, dass sie überraschend auftreten und für die Rettungsentscheidung keine lange Überlegung dulden. Entsprechend hat das BSG zutreffend weiter entschieden, dass selbst bei reflexartigen Ausweichmanövern im Straßenverkehr Versicherungsschutz gegeben ist, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen (BSG, Urteil v. 08.12.1988, Az.: 2 RU 31/88, BSGE 64, S. 218 ff.).“

Trinkpause, oder: Ein Malheur beim Trinken ist kein Arbeitsunfall

© Peter Atkins - Fotolia.com

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Ein Fall aus dem Leben (?): Oder doch nicht alltäglich, was das SG Dresden zu entscheiden hatte?

Da hatte der Kläger die einige Sekunden dauernde Pause zur Herstellung der Betriebsbereitschaft eines Kopiergerätes zwischen zwei Kopiervorgängen dazu genutzt, um sich aus dem nur wenig entfernten Kühlschrank eine Flasche alkoholfreies Bier zu holen. Nach dem Öffnen der Flasche wollte er heraussprudelndes Bier abtrinken und brach sich dabei mehrere Zahnspitzen im Oberkiefer ab. Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Dagegen dann die Klage beim SG Dresden.

Das SG sagt im SG Dresden, Beschl. v. 01.10.2013 – S 5 U 113/13: Ein Unfall beim Trinken während des Wartens auf die Betriebsbereitschaft eines Kopiergerätes ist kein Arbeitsunfall. Deshalb hat das SG die Klage abgewiesen (vgl. hier die PM des SG). Die Aufnahme von Nahrung auch während einer Arbeitspause am Kopiergerät sei grundsätzlich nicht unfallversichert. Die Nahrungsaufnahme sei ein menschliches Grundbedürfnis und trete regelmäßig hinter betriebliche Belange zurück. Es haben sich um eine sogenannte eigenwirtschaftliche Verrichtung gehandelt, mit der der Kläger seine versicherte Tätigkeit unterbrochen hatte. Hiervon liege auch keine Ausnahme vor, weil die Kopiertätigkeit nicht geeignet gewesen sei, abweichend vom normalen Trink- und Essverhalten des Klägers ein besonderes Durst- oder Hungergefühl hervorzurufen.

Na ja: Also, wenn der Kläger länger kopiert hätte und dadurch dann einen „trockenen Hals“ bekommen hätte, dann hätte es ein Arbeitsunfall sein können? :-).