Archiv des Autors: Detlef Burhoff

Über Detlef Burhoff

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. ist Autor und Herausgeber mehrerer Werke zum Straf- und Owiverfahrensrecht sowie Herausgeber der Zeitschriften StrafRechtsReport (StRR) und VerkehrsRechtsReport (VRR).

Anwendbares Recht III: Betrug beim Krypto-Vertrieb, oder: Teilweiser Taterfolg in Deutschland

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In der dritten Entscheidung, dem OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2025 – 1 Ws 90/25 – geht es um die Anwendung des deutschen Strafrechts bei einem Organisationsdelikt, und zwar bei dem betrügerischen Vertrieb von sog. „Schulungspaketen“ bzw. dem verdeckten „Handel“ mit einer nur vermeintlich existenten Krypto-Währung.

Das LG hatte im selbständigen Einziehungsverfahren Taterträge im Wert von 20 Mio EUR eingezogen. Das OLG Hamm hat das bestätigt:

„2. Das Landgericht Bielefeld hat im Ergebnis auch zu Recht das deutsche Strafrecht auf den Sachverhalt des selbständigen Einziehungsverfahrens zur Anwendung gebracht. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist zu erwarten, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 20.000.000,00 EUR gegen die Einziehungsbeteiligte anzuordnen ist (§ 435 Abs. 1 StPO), da sie im Zeitraum vom 09.12.2015 – 15.08.2016 in 17.552 tateinheitlich begangenen Fällen jeweils einen gewerbsmäßigen Betrug (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB) begangen hat. Dabei hat die Einziehungsbeteiligte durch Schaffung, Betreuung und Ausnutzung von Organisationsstrukturen Rahmenbedingungen für den betrügerischen Vertrieb von sogenannten „Schulungspaketen“ (bzw. den verdeckten „Handel“ mit einer nur vermeintlich existenten Krypto-Währung) gesetzt und ausgenutzt, die zur täuschungsbedingt veranlassten Schädigung einer Vielzahl von Personen geführt hat. Da sich die Tatbeiträge im Aufbau und der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten (hier gewerbsmäßigen Betruges) ausgerichteten Gewerbebetriebes erschöpft, sind diese als (uneigentliches) Organisationsdelikt nicht nur zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 StGB zusammenzufassen (BGH, Beschluss vom 06.12.2018 – 1 StR 186/18 – juris m.w.N.); das Handeln der Einziehungsbeteiligten ist auch als eine Tat im Sinne des § 264 StPO anzusehen.

Durch das der Einziehungsbeteiligten anzulastende Organisationsdelikt wurden eine Vielzahl von Personen in mehreren Ländern, aber auch deutsche Staatsangehörige geschädigt, welche eine Vermögensverfügung im Sinne des § 263 StGB in Deutschland veranlasst haben. Damit ist der Taterfolg teilweise auch in Deutschland eingetreten, so dass bezogen auf diese Tatteile unzweifelhaft das deutsche Strafrecht nach §§ 3, 9 Abs. 1 StGB zur Anwendung gelangt. Dies führt aufgrund der Bewertung der Tat der Einziehungsbeteiligten als einheitliche Tat zur Anwendung des deutschen Strafrechts auf das gesamte Organisationsdelikt (vgl. dazu: OLG München, Beschluss vom 04.12.2006 – OLG Ausl 262/06 (92/06) = NJW 2007, 788). Da die Verurteilte auch nicht wegen dieser Tat bereits (in einem anderen Land) verurteilt wurde, ist auch unter Beachtung des Verbots der Doppelbestrafung eine abweichende rechtliche Bewertung nicht geboten.

3. Die Einziehung ist gegen mehrere Beteiligte als Gesamtschuldner anzuordnen, wenn diese zumindest vorübergehend (Mit-)Verfügungsgewalt über das Erlangte hatten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2019, 1 StR 208/19; Urteile vom 05.07.2019 – 5 StR 670/18 Rn. 7 und vom 28.10.2010 – 4 StR 215/10; Fischer, StGB, 72. Aufl., § 73 Rn. 29 mwN). Aus den in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegten Gründen haftet die Einziehungsbeteiligte daher in Höhe von 2.580.715,15 EUR als Gesamtschuldnerin. Zu Recht hat das Landgericht daher insoweit die Haftung der Einziehungsbeteiligten als Gesamtschuldnerin angeordnet. Klarstellend ist lediglich vorsorglich auszuführen, dass die Einziehungsbeteiligte insoweit (allein) mit der H. GmbH (Einziehungsbeteiligte des bei dem Landgericht Münster unter dem Az. 7 KLs – 6 Js 167/16 – 2/20 geführten Verfahrens) gesamtschuldnerisch haftet (vgl. Urteil vom 08.01.2024 = BeckRS 2024, 20747 Rn. 1205f (1222f)).“

Anwendbares Recht II: BtM-Ankauf in Holland, oder: Trotz KCanG ist Kauf von Cannabis im Ausland strafbar

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 05.03.2025 – 3 StR 399/24 – geht es auch um die Frage des anwendbaren Rechts, und zwar darum, ob der Begriff der Betäubungsmittel in § 6 Nr. 5 StGB auch nach Inkrafttreten des KCanG die Rauschmittel Cannabis und Marihuana umfasst.

Das LG hat die Angeklagten wegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Nach Feststellungen des LG ging es um Kaufgeschäfte in den Niederlanden, wo 2020 zwei Mal mehrere Kilogramm Marihuana für den Verkauf in Deutschland gekauft worden waren. Das Urteil des LG datiert vom 09.02.2024 – also von vor nach Inkrafttreten des CanG und des KCanG.

Der BGH sagt: Deutsches Strafrecht ist nach wie vor anwendbar. Das begründet es sehr umfassend. Ich beschränke mich hier auf den BGH-Leitsatz und übergebe den Rest dem Selbstleseverfahren:

Der Begriff der Betäubungsmittel in § 6 Nr. 5 StGB umfasst auch nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes die Rauschmittel Cannabis und Marihuana.

Anwendbares Recht I: Vergewaltigung in der Türkei, oder: Deutsches Recht anwendbar, ja oder nein?

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Heute gibt es dann – ich glaube zum ersten Mal – drei Entscheidungen zum anwendbaren Recht, also der Frage: Deutsches Recht ja oder nein.

Ich starte mit dem BGH Beschl. v. 1 StR 113/25Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt. Seine Revision hatte mit der Sachrüge teilweise Erfolg:

1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall C. II. 1. der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen hat keinen Bestand, weil die Feststellungen des Landgerichts zum Strafanwendungsrecht insoweit lückenhaft sind.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Angeklagte die vorgenannte verfahrensgegenständliche Tat während des gemeinsamen Urlaubs der Familie in der Türkei im August 2021 zum Nachteil der Nebenklägerin, seiner leiblichen Tochter. Dem Rubrum des Urteils ist zu entnehmen, dass der Angeklagte türkischer Staatsangehöriger ist; Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Nebenklägerin zur Tatzeit sind aber vom Landgericht nicht getroffen worden.

b) Damit lässt sich aus den bisherigen Feststellungen eine Anwendung deutschen Strafrechts für die in der Türkei begangene Tat nicht entnehmen.

aa) Eine Anwendung deutschen Strafrechts nach § 5 Nr. 8 StGB ist ausgeschlossen, auch wenn der Angeklagte zur Tatzeit seinen Lebensmittelpunkt im Inland hatte. Diese Regelung ist erst durch Gesetz vom (BGBl. I Nr. 203 vom ) mit Wirkung vom eingefügt worden und damit nach Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat. Einer Rückwirkung der Änderung steht § 2 Abs. 1, Abs. 3 StGB entgegen.

Die Rechtsanwendungsregeln der §§ 3 ff. StGB sind zugleich Geltungsvoraussetzung und Bestandteil des materiellen deutschen Strafrechts und bestimmen damit im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG die Strafbarkeit der darin genannten Taten (vgl. Rn. 23 ff., 28, 10 zu § 370 Abs. 7 AO aF mwN).

bb) Eine Anwendung deutschen Strafrechts kommt aber nach § 7 Abs. 1 StGB in Betracht. Danach gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist. Eine Prüfung dieser Voraussetzungen ist dem Senat nach den bisherigen Feststellungen des Landgerichts nicht möglich, da das Urteil sich nicht dazu verhält, ob die Nebenklägerin bei Begehung der Tat deutsche Staatsangehörige war.

c) Die Feststellungen des Landgerichts können bestehen bleiben, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen; zu den tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StGB wird es weitergehende Feststellungen zu treffen haben.

…“

StPO III: Urteilsgründe des Verwerfungsurteils, oder: Wiedergabe/Würdigung der Entschuldigungsgründe

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Und dann habe ich noch den BayObLG, Beschl. v. 07.04.2025 – 206 StRR 105/25 – zu den Urteilsgründen betreffend die Entschuldigungsgründe in einem Berufungsverwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO.

Das AG hatte den wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte u. a. verurteilt. Das LG hat die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten verworfen. Zur Begründung der Verwerfung hat es ausgeführt, der zum Hauptverhandlungstermin ordnungsgemäß geladene und über die Folgen eines nicht oder nicht genügend entschuldigten Ausbleibens belehrte Angeklagte sei ohne hinreichende Entschuldigung nicht erschienen. Das LG hat zur weiteren Begründung dann noch ausgeführt:

„Eine Nachfrage bei der das Attest über eine angebliche Verhandlungsunfähigkeit ausstellende Ärztin ergab, dass diese den Angeklagten nicht untersucht hat. Folglich stellt dieses keine hinreichende Entschuldigung dar. Der Verteidiger ist nicht im Besitz einer schriftlichen Vertretungsvollmacht.“

Das reicht dem BayObLG nicht, so dass es das Verwerfungsurteil wegen einer Lücke in der Begründung aufgehoben hat:

1. Das zulässige Rechtsmittel hat auch einen jedenfalls vorläufigen Erfolg.

a) Die Revision ist unter Heranziehung des gebotenen großzügigen Maßstabes noch zulässig (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt im Einzelnen Senat, Beschluss vom 14.11.2024, 206 StRR 388/24, BeckRS 2024, 31758). Eine Verfahrensrüge ist zwar nicht ausdrücklich erhoben. Die Revisionsbegründung ist jedoch auslegungsfähig; es kommt nicht darauf an, wie der Beschwerdeführer die Rüge bezeichnet, entscheidend ist ihre wirkliche rechtliche Bedeutung auf der Grundlage des Revisionsvorbringens (vgl. Meyer- Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 344 Rdn. 20a m. w. N.). Hier kann dem Revisionsvortrag (noch) die Zielrichtung entnommen werden, dass das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt habe (vgl. Meyer- Goßner/Schmitt aaO § 329 Rdn. 48; BeckOK-StPO/Eschelbach, 54. Edition, § 329 Rdn. 67).

b) Die so verstandene Verfahrensrüge, die den formalen Anforderungen an eine solche noch gerecht wird (vgl. insoweit OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2015, 1 Ss 322/15, BeckRS 2016, 2450, dort Rd. 4), greift auch durch (vgl. Senat, Beschluss vom 27.03.2024, 206 StRR 98/24, BeckRS 2024, 5807 zu einem vergleichbaren Sachverhalt).

Das Urteil des Landgerichts genügt nicht den von der Rechtsprechung an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 329 StPO ergangenen Verwerfungsurteils zu stellenden Anforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung muss das nach § 329 StPO ergangene Urteil so begründet werden, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann. So müssen vorgebrachte Entschuldigungsgründe und als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen wiedergegeben und gewürdigt werden. Dies folgt schon daraus, dass das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 05.04.2023, 203 StRR 95/23, zitiert nach juris, dort Rdn. 4).

Im Urteil des Landgerichts findet sich weder eine in sich geschlossene Darstellung der vom Angeklagten vorgebrachten Entschuldigungsgründe noch ist allein anhand der Entscheidungsgründe nachvollziehbar, warum das Landgericht den Angeklagten nicht als entschuldigt angesehen hat. Aus den dort niedergelegten Erwägungen des Landgerichts lässt sich zwar inzident darauf schließen, dass es zu einer telefonischen Kontaktaufnahme der Vorsitzenden mit der behandelnden Ärztin gekommen sein muss. Welchen näheren Inhalt das Gespräch hatte und mit wem genau es geführt wurde, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Ein Rückgriff auf das Hauptverhandlungsprotokoll oder die Akten ist dem Senat verwehrt. Er kann daher nicht beurteilen, ob die Kammer zurecht angenommen hat, dass der Angeklagte nicht entschuldigt ist, weil ihm ein Erscheinen zur Hauptverhandlung zumutbar war. Allein die Tatsache, dass die Ärztin den Angeklagten am Tag der Hauptverhandlung nicht untersucht hat, führt jedenfalls nicht ohne weiteres dazu, dass eine Verhandlungsunfähigkeit nicht vorgelegen hat; dies hängt u. a. von der Art der Erkrankung und den (Vor-)Kenntnissen der Ärztin von der Krankheit und dem Angeklagten ab.

Zwar rechtfertigt ein Verstoß gegen die Pflicht des Berufungsgerichts, das Entschuldigungsvorbringen lückenlos darzustellen und umfassend zu würdigen, die Aufhebung eines Verwerfungsurteils nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO dann nicht, wenn das angefochtene Urteil nicht auf diesem Fehler beruht, wovon insbesondere dann auszugehen ist, wenn das übergangene Vorbringen des Angeklagten ganz offensichtlich ungeeignet wäre, das Ausbleiben zu entschuldigen (vgl. Senat, Beschluss vom 27.03.2024, 206 StRR 98/24, BeckRS 2024, 5807, Rdn. 11 m w. N.). Im Hinblick auf das Revisionsvorbringen des Angeklagten kann hiervon jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden.“

StPO II: Beweiskraft eines Empfangsbekenntnisses, oder: Falsches Datum auf dem Empfangsbekenntnis

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Im zweiten Posting kommt dann hier der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.04.2025 – 1 Ws 10/25 – zur Beweiskraft eines Empfangsbekenntnisses.

Das Verfahren eingestellt worden, weil der Angeklagte verstorben. Gegen die für ihn nachteilige Kosten- und Auslagenentscheidung hat der Nebenkläger sofortige Beschwerde eingelegt. Das OLG führt in seinem Verwerfungsbeschluss zur Zulässigkeit des Rechtsmittels aus:

„1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

a) Die sofortige Beschwerde wurde insbesondere innerhalb der sich aus den §§ 464 Abs. 3 Satz 1, 311 Abs. 1, Abs. 2, 35 Abs. 2, 43 Abs. 1 StPO ergebenden Wochenfrist und damit fristgemäß eingelegt.

Zwar ist in dem am 26.12.2024 an das Landgericht gefaxten Empfangsbekenntnis als nach § 37 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 175 Abs. 3 ZPO maßgebliches Zustellungsdatum der 17.12.2024 angegeben; danach wäre die am 26.12.2024 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Nebenklägers verfristet. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erst am 24.12.2024 mit einer vom Willen des Empfängers – hier des Nebenklagevertreters – getragenen Empfangnahme bewirkt worden ist. Das Empfangsbekenntnis beweist gemäß § 175 Abs. 3 ZPO und der darin enthaltenen gesetzlichen Beweisregel (§ 286 Abs. 2 ZPO) grundsätzlich das in ihm angegebene Zustellungsdatum, da in dem Empfangsbekenntnis zunächst der Zeitpunkt zu vermerken ist, zu dem der Empfänger das Schriftstück entgegengenommen hat. Dadurch ist der Beweis, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten tatsächlich zu einem anderen Zeitpunkt erreicht hat, allerdings nicht ausgeschlossen, denn § 175 Abs. 3 ZPO sieht Datum und Unterschrift nur als Mittel zum Nachweis, nicht hingegen als Voraussetzung der Zustellung an. Ein falsches Datum auf dem Empfangsbekenntnis verhindert nicht den Nachweis des tatsächlichen Zugangstages (BGH NJW 1990, 2125; NJW 2001, 2722; NJW 2012, 2117; NJW-RR 2021, 158); der Zeitpunkt der Zustellung kann daher auch auf andere Weise festgestellt werden (MüKoStPO/Valerius, 2. Aufl. 2023, StPO § 37 Rn. 48 mwN). Nicht ausreichend ist aber eine bloße Erschütterung der Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis; vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet werden (Musielak/Voit/Wittschier, 22. Aufl. 2025, ZPO § 175 Rn. 4 mwN).

Danach ist die vom Willen des Nebenklagevertreters getragene Empfangnahme des ihm übersandten Beschlusses vom 06.12.2024 (erst) am 24.12.2024 erfolgt. Der Nebenklagevertreter hat durch die von ihm eingereichten Reiseunterlagen belegt, dass er sich bis zum 24.12.2024 auf einer Reise in Südamerika befand; nach dem Schreiben vom 03.04.2025 ist anzunehmen, dass dem Nebenklagevertreter das Empfangsbekenntnis auch nicht (elektronisch) vor dem 24.12.2024 an seinen Urlaubsort zugegangen ist. Der Nebenklagevertreter kann demnach das ihm übersandte Empfangsbekenntnis erst nach Rückkehr von seiner Reise und damit nicht vor dem 24.12.2024 mit Annahmewille entgegengenommen haben. Das auf dem Empfangsbekenntnis angegebene Zustelldatum – der 17.12.2024 – ist damit entkräftet.“