Archiv des Autors: Detlef Burhoff

Über Detlef Burhoff

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. ist Autor und Herausgeber mehrerer Werke zum Straf- und Owiverfahrensrecht sowie Herausgeber der Zeitschriften StrafRechtsReport (StRR) und VerkehrsRechtsReport (VRR).

StPO III: Mündliche Durchsuchungsanordnung, oder: Wenn die Durchsuchung erst nach einem Monat erfolgt

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Im dritten Posting komme ich dann auf den LG Regensburg, Beschl. v. 21.01.2025 – 10 Qs 8/25 -, den ich neulich schon einmal wegen der vom LG auch entschiedenen Pflichtverteidigungsfrage vorgestellt hatte.

Heute geht es um den zweiten Punkt, zu dem das LG Stellung genommen hat, nämlich zu den Voraussetzungen für die mündliche Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme. Die hat das LG verneint.

Die Staatsanwaltschaft leitete am 07.05.2024 gegen die Beschwerdeführerin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG ein. Anlass für das Ermittlungsverfahren bildete die Zeugenaussage eines Nachbarn der Beschwerdeführerin vom 15.04.2024 bei der örtlich zuständigen Polizeiinspektion, der insbesondere von auffälligem Publikumsverkehr in der Wohnung der Beschwerdeführerin berichtete. Die Staatsanwaltschaft beantragte am 07.05.2024 bei dem Amtsgericht – Ermittlungsrichter – mündlich den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses betreffend die Person, die Wohnung und die Fahrzeuge der Beschwerdeführerin, um dort nach Betäubungsmitteln, Betäubungsmittelutensilien, Vermögenswerte und technische Geräte, welche im Zusammenhang mit dem Handel mit Betäubungsmitteln stehen, zu suchen. Der Ermittlungsrichter ordnete um 14:16 Uhr mündlich die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführerin an. Vollzogen wurde die angeordnete Durchsuchung am 06.06.2024. Dabei wurde insbesondere eine Plombe mit 0,23 g Heroin und eine weitere Plombe mit 0,18 g Methamfetamin aufgefunden.

Die Beschuldigte hat beantragt festzustellen, dass die Anordnung der Durchsuchung rechtswidrig war. Damit hatte sie dann erst beim LG Erfolg:

„1. a) Die Beschwerde ist zulässig.

Soweit sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde gegen die richterliche Anordnung der Durchsuchung und der Beschlagnahme richtet, ist nach § 304 Abs. 1 StPO die Beschwerde der statthafte Rechtsbehelf.

Der Umstand, dass die angeordnete Durchsuchung bereits erledigt und damit prozessual überholt ist, hindert die Zulässigkeit der Beschwerde nicht. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Beschwerde gegen eine erledigte richterliche Anordnung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit gleichwohl zulässig, wenn das Interesse des Beschwerdeführers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme auch nach deren Erledigung fortbesteht. Dies ist vor allem bei tiefgreifenden, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriffen wie etwa einer aufgrund richterlicher Anordnung vorgenommenen Wohnungsdurchsuchung (Art. 13 GG) der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2014, StB 10/14).

b) Die Beschwerde ist begründet, da die Voraussetzungen für den Erlass einer bloß mündlich ergangenen Durchsuchungsanordnung nicht vorlagen, was zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses führt (aa), auch wenn die Anordnungsvoraussetzungen im Übrigen vorlagen (bb).

aa) Obwohl die StPO dies nicht ausdrücklich vorschreibt, muss eine richterliche Durchsuchungsanordnung – abgesehen von Eilfällen – schriftlich getroffen werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 05.08.1966 – 1 BvR 586/62). Als Kontrollorgan der Strafverfolgungsbehörden trifft den anordnenden Richter die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt. Der Durchsuchungsbeschluss muss den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten. Insgesamt dient der Richtervorbehalt der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 20.02.2001 – 2 BvR 1444/00). Darüber hinaus bezweckt das Gebot der umfassenden Begründung des Durchsuchungsbeschlusses die Erleichterung der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung durch das Beschwerdegericht (BGH, Beschluss vom 18.12.2008 – StB 26/08).

Ein fernmündlicher Antrag des Staatsanwalts auf Gestattung der Durchsuchung und eine fernmündliche Gestattung der Durchsuchung durch den Ermittlungsrichter genügen in Eilfällen den formellen Anforderungen an einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss im Sinne des § 105 Abs. 1 StPO. Die fernmündliche Einholung der richterlichen Gestattung in Eilfällen ermöglicht eine vorbeugende richterliche Kontrolle und ist daher ein effektiverer Rechtsschutz als die Wahrnehmung der Eilkompetenz mit nachträglicher richterlicher Bestätigung (vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2005 – 1 StR 531/04; BVerfG, Beschluss vom 23.7.2007 – 2 BvR 2267/06). Das in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Gebot des effektiven Rechtsschutzes begründet für die Strafverfolgungsbehörden in einem solchen Fall die Pflicht, die tatsächlichen Anhaltspunkte des Durchsuchungsverdachts, die Zielrichtung der Durchsuchung sowie die Umstände, die einen Eilfall begründeten, hinreichend zu dokumentieren (BVerfG Beschluss vom 23.7.2007 – 2 ByR 2267/06).

Für den zu entscheidenden Fall lässt sich der Akte entnehmen, dass die Polizei am 07.05.2024 per E-Mail gegenüber der Staatsanwaltschaft beantragt hat, einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung der Beschwerdeführerin zu erwirken und den aus ihrer Sicht gegebenen Anfangsverdacht mit den Angaben des Zeugen pp. begründet hat. Dem Antrag der Polizei ist das Protokoll einer Vernehmung des Zeugen vom 15.04.2024 beigefügt (vgl. BI. 3-10 d.A.).

Der vom sachbearbeitenden Staatsanwalt unter dem 07.05.2024 gefertigte Vermerk (BI. 1-2 d.A.) dokumentiert, dass er dem Ermittlungsrichter den Antrag der Polizei samt Vernehmungsprotokoll per E-Mail übersandte und telefonisch für die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Erlass eines entsprechenden Durchsuchungsbeschlusses stellte. Dem Vermerk ist weiter zu entnehmen, aufgrund welcher Tatsachen die Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht für ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sah und in welchem Umfang der kontaktierte Ermittlungsrichter um 14:16 Uhr die Durchsuchung der Wohnung, der Person und der Fahrzeuge der Beschuldigten mündlich anordnete.

Für die Kammer ist anhand der Aktenlage allerdings nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Staatsanwaltschaft und auch der Ermittlungsrichter davon abgesehen haben, einen schriftlichen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen bzw. zu erlassen. Hierzu verhält sich der genannte Vermerk des sachbearbeitenden Staatsanwalts nicht. Auch drängt sich die Annahme eines Eilfalls nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalls auf (vgl. BVerfG, Beschluss vorn 03. 12. 2002 2 BvR 1845/00):

Die Ermittlungsbehörden hatten jedenfalls seit dem 15.04.2024 (Tag der Einvernahme des Zeugen pp. Kenntnis von den den Anfangsverdacht gegen die Beschwerdeführerin begründenden Tatsachen. Dass am 07.05.2024 die Gefahr eines Beweismittelverlusts durch Erlass eines schriftlichen Beschlusses bestanden hätte, ist nicht erkennbar. Gegen einen Eilfall spricht zudem, dass der mündlich erwirkte Beschluss erst knapp einen Monat (!) später, nämlich am 06.06.2024, vollzogen wurde (vgl. BI. 31 d.A.).

Nachdem ein Eilfall hier nicht feststellbar ist, erweist sich die nur mündliche Anordnung der Durchsuchungsmaßnahme als formell rechtswidrig.“

StPO II: Durchsuchung wegen Abrechnungsbetrug, oder: Vollständige Spiegelung der Patientendaten

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Die zweite Durchsuchungsentscheidung kommt dann auch vom LG Nürnberg-Fürth. Das hat dann im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 27.01.2025 – 12 Qs 60/24 – zur  vollständige Spiegelung der Patientendaten einer Arztpraxis im Wege einer virtuellen Maschine zur Durchführung der Durchsicht bei einer Durchsuchung Stellung genommen.

Gestritten wird um die Beschlagnahme einer sog. virtuellen Maschine durch die StA. Dem liegt zugrunde: Der Beschuldigte ist als Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die GenStA Nürnberg verdächtigt ihn des Abrechnungsbetrugs gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) in den Quartalen 3/2019 bis 3/2021. Das AG erließ dementsprechend Durchsuchungsbeschlüsse, u.a. auch für die Praxisräume des Beschuldigten, die am 09.10.2024 vollzogen wurden.

Im Rahmen der Durchsuchung wurden in der Praxis Daten sichergestellt. Dies geschah in der Weise, dass Daten von Praxisrechnern auf dienstliche Datenträger gespiegelt wurden. Gespiegelt wurde auch die Praxissoftware CGM Medistar in Form einer sog. virtuellen Maschine vom Arbeitsplatzrechner des Beschuldigten. Diese virtuelle Maschine wurde aus dem auf dem Praxisrechner installierten Verwaltungsprogramm für virtuelle Maschinen Microsoft Hyper-V direkt exportiert und auf einem dienstlichen Datenträger gespeichert.

Noch während der laufenden Datensicherung ordnete der in der Praxis anwesende Oberstaatsanwalt die Beschlagnahme der genannten Daten an, um dem Beweismittelverlust durch einen befürchteten (Fern-)Zugriff des Beschuldigten zuvorzukommen. Er begründete das damit, dass der Beschuldigte vor Beendigung der Sicherung die Praxis verlassen habe. Bei Durchsuchungsbeginn habe der Beschuldigte erklärt, die gesuchten Daten lägen nur elektronisch vor und er habe auf sie von seinem Praxisrechner und vom Homeoffice aus Zugriff.

Das AG hat die Beschlagnahme der virtuellen Maschine bestätigt. Die Beschlagnahme sei verhältnismäßig und für die Ermittlungen notwendig.

Dagegen die Beschwerde, die Erfolg hatte. Die angegriffene Beschlagnahme war nahc Auffassung des LG unverhältnismäßig und damit rechtswidrig:

„b) Der Durchsicht außerhalb der Praxisräume standen Rechtsgründe nicht entgegen. Die Durchsicht großer Datenmengen, erst recht, wenn es sich um sensible Gesundheitsdaten handelt, unterliegt allerdings in strikter Weise dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, was verfahrensrechtliche Sicherungen, einschließlich Löschungen nicht benötigter Daten beinhalten kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.04.2005 – 2 BvR 1027/02, juris 106 ff.; Park, NStZ 2023, 646, 647 ff.).

aa) Im ersten Schritt war es zulässig, dass die die Arztpraxis durchsuchenden Ermittler den kompletten Datenbestand von Medistar durch die Erzeugung einer virtuellen Maschine spiegelten und diese mitnahmen.

(1) Ist am Durchsuchungsort eine Durchsicht und Sortierung der Daten nach ihrer Verfahrensrelevanz nicht möglich oder erlaubt die – auch technische – Erfassbarkeit des Datenbestands eine unverzügliche Zuordnung nicht, kann die vorläufige Sicherstellung des gesamten Datenbestands erfolgen, an die sich die Durchsicht gemäß § 110 StPO zur Feststellung der potenziellen Beweiserheblichkeit und -verwertbarkeit der einzelnen Datensätze anschließt (BVerfG, Beschluss vom 15.08.2014 – 2 BvR 969/14, juris Rn. 44). Begrenzt wird ein solcher umfassender Zugriff durch das Übermaßverbot (BVerfG, Beschluss vom 12.04.2005 – 2 BvR 1027/02, juris 120).

Nach den technischen Gegebenheiten des vom Beschuldigten verwendeten Programms Medistar war vor Ort eine nach bestimmten allgemeinen Parametern vorzunehmende Sortierung und ein entsprechend umgrenzter Datenexport in angemessener Zeit nicht möglich. Die unvollständige Spiegelung von Programm und Patientendaten oder etwaige zu dem Zeitpunkt durchgeführten Löschungen hätten dazu geführt, dass die virtuelle Maschine nicht mehr lauffähig ist und daher später nicht gesichtet und ausgewertet werden kann. Insofern war die Erzeugung der virtuellen Maschine zur Durchführung der Ermittlungen erforderlich und geeignet.

(2) Nichts anderes folgt aus dem Hinweis der Beschwerde auf ein anderes Ermittlungsverfahren, in dem Krankenhausmitarbeiter zusammen mit den Ermittlern vor Ort die dortige Datenbank durchgegangen seien und potenziell beweisrelevante Datensätze per Screenshot gesichert haben sollen, sodass die anschließende Auswertung sich allein darauf bezogen habe. Wenn die tatsächlichen Umstände dieses der Kammer nicht bekannten Verfahrens das hergegeben haben, so mag das so sein. Wenn es aber – wie hier – wohl um mehrere Tausend Patienten-Datensätze geht, die einzeln gesichtet werden müssten, so hätte die Durchführung der vorgeschlagenen Prozedur die tage- oder wochenlange Lahmlegung der Arztpraxis zur Folge gehabt, weil Medistar während der Durchsicht zur Meidung von Datenmanipulationen dem Zugriff des Praxispersonals entzogen werden müsste. Die Kammer vermag darin kein milderes Mittel zu erkennen. Die Ermittlungspersonen müssten auch in diesem Fall, den technischen Möglichkeiten von Medistar folgend, alle Datensätze einzeln sichten. Zudem wäre die Binnenorganisation der Ermittlungsbehörden empfindlich gestört, denn die Sichtung vor Ort müsste – zwangsläufig – umgehend erfolgen, was die Ermittlungspersonen für deren Dauer entsprechend binden und sie damit an der Teilnahme an anderen, möglicherweise länger geplanten und koordinierten Ermittlungen hindern würde. Auch das ist im Blick zu behalten.

(3) Die Kammer vermag weiterhin dem Argument der Beschwerde nicht zu folgen, wonach § 500 StPO mit §§ 48, 46 Nr. 14 Buchstabe d BDSG der Sicherstellung der vollständigen Patientendatenbank entgegengestanden hätte. Diese Vorschriften des BDSG sind insoweit nicht anwendbar. Nur der (spätere) Umgang mit den durch strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen gewonnenen Daten richtet sich nach dem spezifischen Datenschutzrecht, das sich in Teil 3 des BDSG und in den speziellen Datenschutzregelungen der StPO findet. Die strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen – und um deren Beurteilung geht es hier – richten sich dagegen nach den Vorschriften der StPO und der hierzu ergangenen Rechtsprechung, weil ihnen als bereichsspezifischen Sonderregelungen der Vorrang gebührt (BGH, Beschluss vom 27.04.2023 – 5 StR 421/22, juris Rn. 4 m.w.N. auch zur a.A.; LR-StPO/Böß, 27. Aufl., § 500 Rn. 6 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 500 Rn. 2).

(4) Das Übermaßverbot wäre durch die Virtualisierung von Medistar allerdings dann verletzt, wenn der die Durchsuchung begründende Tatverdacht insgesamt als nicht hinreichend gewichtig zu werten wäre, um den erheblichen Eingriff zu rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.06.2008 – 2 BvR 1111/08, juris Rn. 4; LR-StPO/Tsambikakis, 27. Aufl., § 110 Rn. 23). Das war aber nicht der Fall, denn die in der Strafanzeige der KVB vorgelegten Anlagen belegen eine Vielzahl von Unregelmäßigkeiten, die geeignet sind, den Verdacht umfänglichen Abrechnungsbetrugs durch den Beschuldigten zu tragen. Die Bekämpfung von systematischem Abrechnungsbetrug in dem auf Vertrauen basierenden Abrechnungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung stellt bei dieser Abwägung einen gewichtigen, gegen den Beschuldigten streitenden Belang dar (vgl. BGH, Beschluss vom 14.04.1993 – 4 StR 144/93, juris Rn. 2 f.; Urteil vom 21.05.1992 – 4 StR 577/91, juris Rn. 34).

bb) Im zweiten Schritt wäre das Aussondern von möglicherweise verfahrensrelevanten Datensätzen im Wege der Sichtung angestanden. Hierbei hätten die Ermittlungsbehörden dem begrenzenden Zweck des im Durchsuchungsbeschluss formulierten Tatverdachtes Rechnung zu tragen gehabt, was einer gezielten Suche nach Zufallsfunden in der Masse der gespiegelten Daten von vornherein Schranken gesetzt haben würde (vgl. Park, NStZ 2023, 646, 651). Der danach verbleibende Bestand potenziell beweisrelevanter Datensätze wäre tauglicher Gegenstand einer anschließenden Beschlagnahme.

c) Eine Durchsicht und damit eine Sortierung nach verfahrensrelevanten und -irrelevanten Datensätzen hat vor der Beschlagnahme jedoch nicht stattgefunden. Beschlagnahmt und damit als potenziell beweisbedeutsam erklärt wurde der gesamte Datenbestand aus den Jahren 2007 bis Ende 2024, obwohl nur der Zeitraum von zwei Jahren (Quartal 3/2019 bis 3/2021) zur näheren Untersuchung ansteht. Dass das, auch angesichts der Sensibilität der fraglichen Daten, die Grenzen der Angemessenheit und damit der Verhältnismäßigkeit überschreitet, liegt auf der Hand (vgl. auch LR-StPO/Menges, 27. Aufl., § 94 Rn. 51 ff.). Der Beschlagnahmebeschluss war daher insgesamt aufzuheben. Eine Teilbarkeit in dem Sinne, dass die Beschlagnahme aufrechterhalten bleibt, soweit sie allein die Daten aus den genannten Quartalen betrifft, war nicht gegeben, denn mangels vorangehender Durchsicht und Sortierung wäre sie (derzeit und absehbar) technisch nicht umsetzbar.“

StPO I: Durchsuchung wegen Steuerhinterziehung, oder: Durchsuchung bei Berufsausübungsgesellschaft

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Und dann stelle ich heute weitere StPO-Entscheidungen vor, und zwar drei LG-Beschlüsse zur Durchsuchung

Ich starte mit dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 08.01.2025 – 18 Qs 27/24 – von dem ich aber nur die Leitsätze einstelle, da der Beschluss 22 Seiten lang ist. Es geht um die inhaltlichen Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss wegen Steuerhinterziehung und um Durchsuchungsmaßnahmen bei Berufsausübungsgesellschaften nach § 59b BRAO bzw. § 50 StBerG:

1. Ein Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung erfüllt die an seinen Inhalt zu stellenden rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nur dann, wenn nach der Beschlussbegründung klar ist, ob und wann der/die Beschuldigte unrichtige Angaben gemacht hat oder ob die (wann und mit welchem Inhalt auch immer) ergangenen Steuerbescheide wegen Nichterklärung aufgrund von Schätzungen erlassen wurden. Sollten unrichtige Angaben gemacht worden sein, muss klar sein, wann was erklärt wurde und zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat.

2. Wie sich aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b AO ergibt, steht das Steuergeheimnis bei Durchsuchungsbeschlüssen gemäß § 103 StPO wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung einer Sachverhaltsbeschreibung nicht grundsätzlich entgegen. Steuerdaten des/der Beschuldigten sollen im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs Dritten aber nur insoweit offenbart werden, als dieses notwendig ist. Mindestens müssen aber Grund, Ziel und Zweck der Durchsuchungsmaßnahmen nachvollziehbar dargestellt sein.

3. Sofern sich Rechtsanwälte gemäß § 59c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRAO mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern in einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 59b BRAO verbunden haben oder umgekehrt Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sich gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StBerG mit Mitgliedern einer Rechtsanwaltskammer sowie mit Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer Berufsausübungsgesellschaft nach § 49 StBerG zusammengeschlossen haben, gemeinsam Räumlichkeiten nutzen und im konkreten Fall bei einer Durchsuchungsmaßnahme lediglich ein Vertrauensverhältnis im Sinne des § 160a Abs. 2 StPO zu einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer betroffen sein kann, richtet sich diese Ermittlungsmaßnahme nicht gegen einen Rechtsanwalt und ist nicht nach § 160a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 4 StPO unzulässig.

Zwang III: ED-Behandlung nach Verfahrenseinstellung, oder: Anstelle ED-Behandlung Rückgriff auf Lichtbilder?

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Und dann habe ich als dritte Entscheidung noch den OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.01.2025 – 5 A 906/24 – zur Frage der erkennungsdienstliche Behandlung nach Einstellung des Verfahrens.

Die Polizei hatte die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers angeordnet. Seine dagegen erhobene Klage hatte beim VG keinen Erfolg. Zur Begründung hatte das VG  ausgeführt: Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers sei rechtmäßig. Sie erweise sich auch unter dem Gesichtspunkt einer Wiederholungsgefahr als notwendig. Selbst bei einer Verfahrensbeendigung durch Einstellung nach §§ 153 ff. StPO oder bei einem Freispruch sei der Straftatverdacht nicht notwendig ausgeräumt. Der vom Beklagten dargelegte Sachverhalt biete genügend Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger könne künftig erneut in den Verdacht der Beteiligung an einer Straftat geraten. Aus den staatsanwaltschaftlichen Akten ergäben sich ausreichende Anhaltspunkte für einen fortbestehenden Tatverdacht. Mit Blick auf die Tathandlung der Anlasstat bestehe ausweislich des Inhalts der Strafakte der Staatsanwaltschaft X. bzw. des Amtsgerichts B. ein Restverdacht. Das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung sei nicht eingestellt worden, weil festgestanden habe, dass er die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen habe, sondern vielmehr auf der Grundlage des § 153a StPO gegen Auflage. Der als Zeuge vernommene Geschädigte habe ausgesagt, von dem Kläger mit einem Stock geschlagen worden zu sein. Auch bei dem weiteren berücksichtigten Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, welches nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden sei, sei der Tatverdacht nicht entfallen. In dem zur Verfahrenseinstellung gefertigten Vermerk habe die Staatsanwaltschaft I. festgehalten, der Kläger sei eines Vergehens nach § 224 StGB weiterhin verdächtig. Ob der Kläger im Zusammenhang mit der Tat am 22.04.2019 wegen erheblicher Alkoholisierung als schuldunfähig anzusehen gewesen sei, sei unerheblich, weil eine Schuldfeststellung keine Voraussetzung dafür sei, den Tatvorwurf zum Anlass einer (präventiven) erkennungsdienstlichen Behandlung zu machen. Die erkennungsdienstliche Behandlung lasse als Maßnahme der Gefahrenabwehr die Unschuldsvernutung unberührt. Vor dem Hintergrund dieser Taten offenbare sich die Neigung des Klägers, Konflikte unter Einsatz körperlicher Gewalt lösen zu wollen. Es deute auf ein erhöhtes Aggressionspotential hin, dass er bereit sei, Gegenstände gegen Personen einzusetzen. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei ebenfalls frei von Fehlern. Die konkret angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien für künftige Ermittlungen erforderlich und angemessen.

Dagegen die Berufung des Klägers, die ebenfalls keinen Erfolg hatte:

„Die hiergegen erhobenen Einwendungen des Klägers bleiben ohne Erfolg. Sie begründen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung, die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers nach § 81b Abs. 1 2. Alt StPO erweise sich als rechtmäßig.

Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der Sachverhalt, der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens festgestellt worden ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, indem sie den Betroffenen überführen oder entlasten. Maßgeblich sind alle nach kriminalistischer Erfahrung bedeutsamen Umstände des Einzelfalls – insbesondere Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Juni 2018 – 6 C 39.16 -, juris, Rn. 22, und vom 23. November 2005 – 6 C 2.05 -, juris, Rn. 22, sowie Beschluss vom 6. Juli 1988 – 1 B 61.88 -, Buchholz 306 § 81b StPO Nr. 1; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. August 2024, a. a. O., Rn. 12, vom 20. März 2024, a. a. O., Rn. 13, und vom 20. April 2022 – 5 A 2551/20 -, juris, Rn. 19.

Dabei gebieten der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahmen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist.

OVG NRW, Beschlüsse vom 23. September 2008 – 5 B 1046/08 -, juris, Rn. 6, und vom 13. Januar 1999 – 5 B 2562/98 -, DVBl 1999, 1228, juris, Rn. 17.

Der von dem Kläger angeführte Zeitablauf, während dem er seit der letzten Tat vom 29. Januar 2021 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ist nicht geeignet, die Abwägung zu seinen Gunsten ausfallen zu lassen. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfs – § 224 StGB sieht auf Rechtsfolgenseite nur Freiheitsstrafe vor, bei der auch angeklagten räuberischen Erpressung handelt es sich um ein Verbrechen – sowie der Tatsache, dass der Kläger bereits zum zweiten Mal in einem Zeitraum von weniger als zwei Jahren einschlägig auffällig geworden ist, kann allein aufgrund des Zeitablaufs nicht von einer günstigen Prognose ausgegangen werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Anlassverfahren gegen den Kläger erst am 22. September 2023 endgültig eingestellt wurde und der Kläger während des noch laufenden Strafverfahrens und der drohenden nicht unerheblichen Verurteilung einen besonderen Anreiz hatte, sich rechtstreu zu verhalten.

Vgl. zum Zeitablauf OVG NRW, Beschlüsse vom 27. August 2014 – 5 A 1692/13 -, juris, Rn. 9, und vom 11. September 2020 – 5 E 548/20 -, n. v., S. 4 f. des Beschlussabdrucks; Sächs. OVG, Beschluss vom 6. Februar 2017 – 3 A 862/16 -, juris, Rn. 12.

Die vorgebrachte „gefestigte Veränderung der Lebensumstände“ des Klägers bzw. den Vortrag, er lebe „in geordneten Verhältnissen“ und habe sich „die Strafverfahren zur Warnung“ „dienen lassen“, substantiiert er nicht. Die Ausführungen des Klägers sind außerdem nicht geeignet, die vom Verwaltungsgericht angenommene Neigung des Klägers zur Konfliktlösung mit Gewalt in Frage zu stellen. Weder die Manifestierung des Verhaltens unter Alkoholeinfluss noch die fehlende Alltäglichkeit der Situationen stehen einer Neigung zur gewaltsamen Konfliktlösung entgegen. Vergleichbares gilt für die Frage, ob die Konflikte vom Kläger ausgingen. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, woran angesichts der Schilderungen der Zeugen in den Strafverfahren Zweifel bestehen, existieren andere Möglichkeiten der Konfliktlösung.

Die pauschale Behauptung des Klägers, er habe in keinem der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren versucht, seine Identität zu verschleiern, steht der Erforderlichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht entgegen. Der Beklagte führt hierzu zu Recht aus, dass bei den bislang in Rede stehenden Taten stets Personen als Zeugen zur Verfügung gestanden hätten, die den Kläger identifizieren konnten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger zukünftig dem Verdacht einer einschlägigen Tat ausgesetzt ist, der eine Ermittlung und Identifizierung mithilfe der erkennungsdienstlichen Unterlagen erfordert.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2023 – 5 B 1015/23 -, juris, Rn. 25 f. m. w. N.

Der Vorschlag des Klägers, anstelle der Aufnahme von Lichtbildern im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung auf die beim Einwohnermeldeamt vorhandenen Lichtbilder zurückzugreifen, ist aufgrund der damit verbundenen Umständlichkeit und der zeitlichen Verzögerung nicht geeignet, eine effektive und schnelle Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch die Polizei zu gewährleisten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2015 – 5 E 184/14 -, juris, Rn. 15.

Mit Blick auf seinen Vortrag zu einer als gering anzusehenden Schuld im Rahmen der berücksichtigten Straftaten und der Art der Verfahrenseinstellung setzt sich der Kläger bereits nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise mit den u. a. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung gestützten diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander.

2. Auch die sinngemäß geltend gemachte Verfahrensrüge des Klägers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), mit der er rügt, dass das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, das persönliche Erscheinen des Klägers zur mündlichen Verhandlung anzuordnen, um sich einen eigenen Eindruck vom Kläger zu verschaffen, greift nicht durch. Aus dem Zulassungsvorbringen folgt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs oder den Amtsermittlungsgrundsatz.

Hält ein Kläger sein persönliches Erscheinen vor Gericht trotz anwaltlicher Vertretung für unerlässlich, muss er unter substantiierter Darlegung der für die Notwendigkeit seiner Anwesenheit sprechenden Gründe die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung oder die Anordnung seines persönlichen Erscheinens vor Gericht (§ 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO) beantragen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 1982 – 9 C 1.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 41, juris, Rn. 12; Bay. VGH, Beschluss vom 5. März 2021 – 24 ZB 21.30264 -, juris, Rn. 6.

Insofern bedarf es insbesondere der substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen die entsprechenden tatsächlichen Aspekte bzw. Umstände nicht vom Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten vorgetragen werden können.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 – 1 B 313.01, 1 PKH 40.01 -, Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 31, juris, Rn. 7.

Das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich ausreichend vertretenen Partei wird dagegen durch ihren Gehörsanspruch nicht geschützt.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Februar 2002 a. a. O., Rn. 7, und vom 4. August 1998 – 7 B 127.98 -, juris, Rn. 2.

Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss der Rechtsmittelführer im Übrigen substantiiert ausführen, zu welchen tatsächlichen Umständen Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Aufklärungsmaßnahmen sich hierfür hätten eignen können und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat; lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den genannten Anforderungen nicht.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Februar 2022 – 4 B 25.21 -, juris, Rn. 8, vom 1. Februar 2017- 10 B 24.16 -, juris, Rn. 4; und vom 18. Februar 2015 – 1 B 2.15 -, juris, Rn. 2; Urteil vom 29. Mai 2008 – 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186, juris, Rn. 13; OVG NRW, Beschlüsse vom 28. März 2024 – 5 A 2099/23 -, juris, Rn. 14, und vom 16. Oktober 2023 – 5 A 2727/21 -, juris, Rn. 33; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 191, m. w. N.

Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der anwaltlich vertretene Kläger keinen Beweisantrag gestellt. Dem Gericht musste sich angesichts des Vorstehenden eine weitere Sachverhaltsaufklärung auch nicht aufdrängen.“

Zwang II: Führung eines Anbahnungsgesprächs, oder: Kontaktaufnahme über einen Dritten

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Und als zweite Entscheidung dann auch noch einmal etwas zur U-Haft, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 19.11.2024 – III 3 Ws 385/24 – zur Erteilung einer Besuchserlaubnis zur Führung eines Anbahnungsgesprächs mit dem potentiellen Mandanten, wenn die Kontaktaufnahme zu dem Rechtsanwalt über einen Dritten auf Veranlassung des Mandanten erfolgt ist. Da war das OLG Hamm ja früher recht restriktiv. Hier ist die Besuchserlaubnis erteilt worden, nachdem das LG abgelehnt hatte:

„Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg. Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben.

Beschwerdebefugt ist auch der (angehende) Verteidiger (vgl. Jahn/Klie in LR-StPO, 27. Aufl. § 148 Rn. 57).

1. Gem. § 137 Abs. 1 StPO kann sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens eines oder mehrerer Verteidiger bedienen. Dieser durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Anspruch umfasst das Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von einem gewählten Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (BVerfG, NJW 1975, 1013, 1014).

a) Dem inhaftierten Beschuldigten muss deshalb zur Anbahnung – neben unüberwachten Gesprächen – die unüberwachte telefonische und schriftliche Kontaktaufnahme zur Antragung eines Verteidigungsverhältnisses ermöglicht werden – ggf. auch zu mehreren potentiellen Verteidigern, da nur so § 137 Abs. 1 S. 2 StPO und dem Wahlrecht aus § 142 Abs. 5 StPO genügt werden kann. Neben der Möglichkeit, potentielle Verteidiger zu kontaktieren, muss deren Besuch ohne Hürden ermöglicht werden (MüKoStPO/Kämpfer/Travers, 2. Aufl. 2023, StPO § 148 Rn. 8).

b) Eine Konstellation, in der Dritte den Rechtsanwalt beauftragt haben, ohne dass in irgendeiner Form ersichtlich wäre, dass dies auf den Wunsch des Anklagten zurückgeht, sondern sich aus der Begründung für die Besuchserlaubnis schließen lässt, dass der Angeklagte von der Kontaktaufnahme zu dem Rechtsanwalt nichts weiß (vgl. Senat, NStZ 2010, 471), liegt hier nicht vor. Vielmehr ergibt sich aus der vom Angeklagten selbst auf Nachfrage der Kammer abgegebenen Erklärung, dass dieser tatsächlich die Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts beabsichtigt und dass zu diesem Dritte mit seiner Billigung Kontakt aufgenommen haben. Die Bevollmächtigung eines Dritten zur Anbahnung des Mandatsverhältnisses war gem. § 167 Abs. 2 BGB formfrei möglich. Vor diesem Hintergrund ist angesichts der Angaben des Rechtsanwalts ohne weiteres davon auszugehen, dass die Kontaktaufnahme zu ihm auf Wunsch und Veranlassung des Angeklagten erfolgt ist — zumal dem Rechtsanwalt augenscheinlich die vorgesehenen Verhandlungstermine bekannt sind.“