Archiv des Autors: Detlef Burhoff

Über Detlef Burhoff

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. ist Autor und Herausgeber mehrerer Werke zum Straf- und Owiverfahrensrecht sowie Herausgeber der Zeitschriften StrafRechtsReport (StRR) und VerkehrsRechtsReport (VRR).

Strafe II: Nochmals Verhängung einer kurzen Strafe, oder: Anforderungen sollte man kennen

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Im zweiten Posting stelle ich den BGH, Beschl. v. 07.08.2024 – 3 StR 313/24 – vor. In ihm geht es npch einmal um die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe. Das LG hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrug in vier Fällen verurteit und vier Einzelstrafen von jeweils vier Monaten festgesetzt. Der BGH beanstandet insoweit die Urteilsgründe als lückenhaft:

„2. Das Urteil hält jedoch hinsichtlich der vier Einzelstrafen von je vier Monaten Freiheitsstrafe sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat es – entgegen § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO – versäumt, sich in den Urteilsgründen mit den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Es gilt:

Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteile vom 8. Mai 1996 – 3 StR 133/96, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 7; vom 8. April 2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554; Beschlüsse vom 10. Juni 2020 – 3 StR 135/20, NStZ-RR 2020, 273; vom 23. Januar 2024 – 3 StR 455/23, juris Rn. 9 ff.). Die gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen weiteren Freiheitsstrafe oder – wie hier – zu einer sechs Monate erreichenden oder übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1989 – 3 StR 453/89, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 4; vgl. ferner BGH, Urteil vom 17. November 1994 – 4 StR 492/94, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 9).

Die Verurteilung zu kurzen Freiheitsstrafen war vorliegend nicht derart offensichtlich geboten, dass das Urteil auf der unterbliebenen Erörterung nicht beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Es drängt sich weder auf, dass Freiheitsstrafen unverzichtbar sind, weil die – über 13 Jahre zurückliegenden – Taten ein auffällig hohes Maß an krimineller Energie oder einen Seriencharakter aufweisen, noch liegt auf der Hand, dass besondere Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten eine solche Einwirkung auf ihn unerlässlich machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2008 – 1 StR 382/08, juris; vom 12. Dezember 2023 – 1 StR 16/23, NStZ 2024, 476 Rn. 4 f.). Der 69-jährige Angeklagte ist vielmehr unbestraft sowie nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen durch die lange Verfahrensdauer psychisch belastet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat angesichts seiner positiven Sozialprognose „ohne Weiteres“ zur Bewährung ausgesetzt werden können (zu besonderen Begründungsanforderungen bei Verhängung kurzer Freiheitsstrafen unter gleichzeitiger Strafaussetzung zur Bewährung s. etwa OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. Januar 2022 – 1 OLG 2 Ss 66/21, NStZ-RR 2022, 111, 112).

Nach allem ist die Festsetzung von Einzelgeldstrafen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 1994 – 4 StR 492/94, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 9) nicht sicher ausgeschlossen. Deshalb unterliegen die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe der Aufhebung.“

Ich verstehe es nicht. Das ist doch ein Klassiker, den eine Strafkammer kennen sollte.

Strafe I: Vage Versprechungen sind kein TOA-Ausgleich, oder: Keine Schadenswiedergutmachung

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Heute stelle ich drei Entscheidungen zur Strafzumessung vor, zwei befassen sich mit dem Täter-Opfer-Ausgleich.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 19.06.2024 – 2 StR 479/23. In der geht es u.a. auch um den TOA (§ 46a StGB) Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei und gewerbs- und bandenmäßigem Betrug verurteilt. Dagegen die Revision der StA, die u.a. hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„2. Die Überprüfung des Strafausspruchs ergibt – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2024 – 2 StR 238/23, Rn. 11 mwN) – im Fall II. 1. b) der Urteilsgründe einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.

a) Das Landgericht ist zugunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass im Fall II.1.b) der Urteilsgründe aufgrund eines durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleichs der nach § 49 StGB gemilderte Strafrahmen der § 260a Abs. 1, § 263 Abs. 5, § 267 Abs. 4 StGB eröffnet sei. Die insoweit gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommene Strafrahmenverschiebung erweist sich als rechtsfehlerhaft, da weder die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB noch einer Schadenswiedergutmachung nach § 46a Nr. 2 StGB von den Urteilsgründen getragen wird.

aa) Die Zahlung von lediglich 4.000 Euro und damit weniger als einem Drittel des bei der Geschädigten entstandenen materiellen Schadens von 13.000 Euro stellt schon keine überwiegende Schadenswiedergutmachung dar. Zusagen, den Schaden (später) vollständig wiedergutmachen zu wollen, genügen in diesem Zusammenhang nicht (BGH, Urteil vom 20. Juli 2022 – 2 StR 34/22, Rn. 21; Beschluss vom 19. Oktober 1999 – 1 StR 515/99, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 3 mwN). Mit Blick auf die festgestellten Einkommensverhältnisse des erwerbslosen Angeklagten kann die angebotene Ratenzahlung auch lediglich als vage Versprechung für eine ferne Zukunft angesehen werden. Dies stellt jedoch keine tragfähige Grundlage für eine Strafrahmenmilderung nach § 46a StGB dar (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 – 1 StR 359/10, Rn. 16). Die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses durch den Angeklagten oder der Abschluss eines zivilrechtlichen Vergleiches zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten ist gerade nicht erfolgt. Auch hätte das Landgericht in einem solchen Fall Feststellungen zu der Frage treffen müssen, wie wahrscheinlich die ratenweise Zahlung der vereinbarten Wiedergutmachungsleistung durch den Angeklagten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, Rn. 14).

bb) Weitergehende Ausgleichsbemühungen hat das Landgericht nicht festgestellt, auch nicht solche gegenüber den durch die Tat ebenfalls geschädigten Eheleuten S. Dies wäre aber Voraussetzung für einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB. Denn es reicht nicht aus, dass ein Ausgleich nur in Bezug auf einen von mehreren Geschädigten gegeben ist. Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteile vom 7. Februar 2018 – 5 StR 535/17, Rn. 6, und vom 22. Mai 2019 – 2 StR 203/18, Rn. 19). Ist ein solcher Ausgleich nicht erfolgt, kommt eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46a, 49 StGB nicht in Betracht.

b) Der vorgenannte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung der verhängten Einzelstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafe ohne die erfolgte Milderung des Strafrahmens nach §§ 46a, 49 StGB höher ausgefallen wäre.“

Beweis III: Verhandlungsleitung beim Vorsitzenden, oder: I.d.R. Finger weg vom Fragerecht des Verteidigers

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Und dann habe ich als dritte Entscheidung noch etwas aus der OLG-Rechtsprechung. Und zwar hatte mich ein Kollege auf den OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.07.2024 – 7 ORs 28 SRs 899/23 – hingewiesen. Den habe ich mir dann über die dortige Pressestelle besorgt, was mal wieder sehr gut geklappt hat. Kein Gezicke, sondern: Zack war der Beschluss da.

In der Entscheidung geht es um die die Verhandlungsleitung des Vorsitzenden und Eingriffe des Vorsitzenden in das Fragerecht des Verteidigers. Das machen Vorsitzende ja gerne, wenn es in der HV vermeintlich nicht so läuft, wie es sich das Gericht „vorstellt“.

Hier hatten wir folgenden Sachverhalt. Der Angeklagte ist durch Urteil des LG u.a. wegen Körperverletzung in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden. Hiergegen wendet er sich u.a. mit seiner auf eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Die Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.

Zugrunde lag folgendes Verfahrensgeschehen:

In der Hauptverhandlung wurde der Zeuge A., der mutmaßlich Geschädigte in einigen Körperverletzungsfällen als Zeuge vernommen. Die Vernehmung begann am 14.o6.2023 und wurde am 21.06. 2023 fortgesetzt. Vor dem Fortsetzungstermin war dem Zeugen mit Verfügung des Vorsitzenden vom 15.06.2023 nach § 68b Abs. 2 StPO ein Zeugenbeistand bestellt worden, da der Zeuge seine Befugnisse und Interessen in der Vernehmungssituation nicht selbst wahrnehmen könne.

In der Hauptverhandlung am 21.06.2023 wurde dem Verteidiger das Fragerecht gewährt. Vor Abschluss der Befragung erging folgende Verfügung des Vorsitzenden: „Nachdem der Zeuge von Seiten der Verteidigung bisher mehrfach ständig wechselnd zwischen den Tatkomplexen 1/2 und 3 befragt wurde, wird nunmehr darauf hingewiesen, dass die Befragung zum Tatkomplex 3 fortzusetzen ist und erst im Anschluss, sollten dazu keine weiteren Fragen mehr sein, die noch verbleibenden Fragen zum Tatkomplex 1/2 zu stellen sind.“

Nachdem der Verteidiger um einen Gerichtsbeschluss gebeten hatte, bestätigte die Jugendkammer die Verfügung des Vorsitzenden. Diese sei nicht rechtswidrig; eine weitergehende Begründung erfolgte nicht. Anschließend wurde die Befragung des Zeugen in der vom Vorsitzenden vorgegebenen Reihenfolge fortgesetzt.

Dazu dann das OLG, das dieser Vorgehensweise des Vorsitzenden einen Riegel vorgeschoben hat:

„b) Die Verfahrensrüge ist zulässig.

aa) Das Rügevorbringen genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Weiterge-hender Darlegungen, etwa zum Inhalt der an den Zeugen gerichteten Fragen, bedurfte es nicht, nachdem sich die Rüge nicht gegen die Zurückweisung einzelner Fragen nach § 241 Abs. 2 StPO richtet, sondern gegen die an die Verteidigung gerichtete Anordnung des Vorsit-zenden, den Zeugen nur in einer vorgegebenen Reihenfolge zu den einzelnen Taten zu befragen.

bb) Durch die als Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO auszulegende „Bitte“ um einen Ge-richtsbeschluss hat der Verteidiger zudem von dem erforderlichen Zwischenrechtsbehelf Ge-brauch gemacht. Dass die Beanstandung nicht begründet wurde, schadet hierbei nicht. Denn es bedarf zu einer möglichen Beeinträchtigung verfahrensrechtlicher Belange keines Vortrags, wenn die Beeinträchtigung auf der Hand liegt (KK-StPO/Schneider, 9. Aufl., § 238, Rn. 17; s. auch BeckOK StPO/Gorf, 51. Ed., § 238, Rn. 12). Dies ist vorliegend der Fall.

§ 240 Abs. 2 Satz 1 StPO gewährt dem Verteidiger das Recht, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen. Dieses Fragerecht verschafft ihm die Mög-lichkeit, auf die vollständige Erörterung des Verfahrensstoffes durch die bestmögliche Aus-schöpfung der persönlichen Beweismittel hinzuwirken (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 240, Rn. 1). Eine sinnvolle und effektive Ausübung des Fragerechts ist dabei grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Verteidiger seine Befugnis eigenständig und ununterbrochen in Verfolgung des von ihm entwickelten Konzepts ausüben kann (KK-StPO/Schneider, 9. Aufl., § 240, Rn 8).

Es liegt daher auf der Hand, dass eine gerichtliche Vorgabe, das Fragerecht nur in einer be-stimmten Reihenfolge auszuüben, Verteidigungsbelange berühren kann, macht es eine solche Anordnung dem Verteidiger doch unter Umständen unmöglich, das von ihm vorbereitete Ver-nehmungskonzept umzusetzen. Einer besonderen Begründung der Beanstandung bedurfte es deshalb nicht.

c) Die vom Vorsitzenden getroffene und von der Jugendkammer bestätigte Anordnung erweist sich als verfahrensfehlerhaft. Denn der Senat kann nicht prüfen, ob die Anordnung, den Zeu-gen A. erst zur Tat II. Nr. 3 zu befragen und dann zu den Taten II. Nr. 1 und Nr. 2, zurecht er-folgte.

aa) Der Vorsitzende hat im Rahmen der ihm obliegenden Verhandlungsleitung sowie insbe-sondere in Ausübung seiner Fürsorgepflicht gegenüber Zeugen für einen sachgerechten Ab-lauf der Beweisaufnahme zu sorgen. Dabei hat er auch auf eine hinreichende Strukturierung der Vernehmung hinzuwirken, denn nur dann kann der Zeuge die ihm obliegenden Pflichten erfüllen und zur Wahrheitsfindung beitragen. Dies schließt Vorgaben auch im Hinblick auf die Reihenfolge der Befragung zu einzelnen Tatkomplexen nicht grundsätzlich aus, die Verfah-rensbeteiligten einschließlich des Verteidigers sind im Hinblick auf die Vernehmung von Zeu-gen und Sachverständigen nicht völlig frei. Jedoch bedürfen Vorgaben, die das Fragerecht berühren, stets einer sorgfältigen Begründung. An einer solchen fehlt es hier.

So lässt sich weder der Verfügung des Vorsitzenden noch dem bestätigenden Beschluss der Jugendkammer entnehmen, dass eine besondere Schutzbedürftigkeit des Zeugen bestand, die einen Eingriff in das Fragerecht der Verteidigung hätte rechtfertigen können, und es ist auch nicht dargetan, weshalb es über die Beiordnung des Zeugenbeistands hinaus des Eingriffs in das Fragerecht des Verteidigers bedurfte. Auch ist nicht erkennbar, dass die Vorgabe zur Reihenfolge einzelner Fragen deshalb erforderlich gewesen wäre, weil der Zeuge andernfalls der Befragung nicht hätte folgen können oder zu sachgerechten Antworten nicht in Lage gewesen wäre. Schließlich ist auch nicht dargelegt, dass das Fragerecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt wurde.

bb) Eine zwischen einzelnen Taten wechselnde Befragung eines Zeugen ist nicht generell unzulässig, zumal die den Zeugen A. betreffenden Taten in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Zwei der Taten sollen am 19. Februar 2022 begangen worden sein, die dritte Tat dann wenige Tage später am 1. März 2022. Zudem legen die Feststellun-gen nahe, dass der Hintergrund sämtlicher Auseinandersetzungen darin liegt, dass der Ange-klagte darüber verärgert war, dass der Zeuge A. während seiner Inhaftierung eine Beziehung mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin C. geführt hatte; hinsichtlich des Tatmotivs ist die Ju-gendkammer von Eifersucht des Angeklagten ausgegangen (UA S. 19). Angesichts dessen ist eine zwischen den einzelnen Taten hin und her wechselnde Befragung jedenfalls ohne das Hinzutreten weiterer, vorliegend nicht ersichtlicher Umstände zulässig.

d) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht aus-schließen, dass die Strafkammer im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen A. zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, hätte der Verteidiger seine Fragen in der von ihm vorgesehenen Reihenfolge stellen können. Auf die zudem erhobene Sachrüge kommt es daher insoweit nicht an.“

Fazit:  I.d.R. „Finger weg vom Fragerecht“ und eine Bitte an die Verteidiger: Die Maßnahme des Vorsitzenden muss nach § 238 Abs. 2 StPO beanstandet werden. Dabei sollte man als Verteidiger er klar und deutliche formulieren, was „gewünscht“ ist: Also nicht: „Bitte um einen Gerichtsbeschluss“, sondern „Ich beanstande…..“. Dann gibt es keine Auslegungsprobleme, was eigentlich gewollt ist. Und: Die Beanstandung sollte begründet werden. Das hatte der Verteidiger hier nicht getan, was allerdings nach Auffassung des OLG nicht geschadet hat. In Fällen, in denen die Beeinträchtigung der Verteidigerrechte nicht so eindeutig ist wie hier, kann es ggf. an der Stelle Problem geben.

Zu allem <<Werbemodus an>> Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl., 2025, Rn 1957 ff., und zwar auch zur Zurückweisung von Fragen und zur Entziehung des Fragerechts. <<Werbemodus aus>>.

Beweis II: Nichbescheidung eines Beweisantrags, oder: Erörterung des Beweisantrages in der HV reicht nicht

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Und im zweiten Posting dann eine Entscheidung zum Umgehen mit dem Beweisantrag durch das Gericht.

Das LG hat hat den Angeklagten u.a. wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die mit der Verfahrensrüge teilweise Erfolg hatte.

Der BGH führt im BGH, Beschl. v. 16.07.2024 – 5 StR 185/24 – aus:

„2. Das Rechtsmittel hat mit der auf die Verletzung des § 244 Abs. 4 und 6 Satz 1 StPO gestützten Verfahrensrüge im Anfechtungsumfang Erfolg. Eines Eingehens auf die weitere Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.

Die zulässig erhobene Rüge, mit der die Nichtbescheidung eines Beweisantrags gerügt wird, ist begründet.

Das Landgericht hat über den Beweisantrag nicht entschieden (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO). Der fehlende Gerichtsbeschluss konnte nicht aufgrund etwaiger Erörterungen des Beweisantrages durch die Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung ersetzt werden. Die Verfahrensbeteiligten können auf die Beachtung der Vorschrift des § 244 Abs. 6 StPO nicht verzichten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juni 1992 – 5 StR 175/92; vom 5. Dezember 2019 – 1 StR 517/19).

Die begründete Rüge gebietet die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe mit den Feststellungen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem aufgezeigten Verfahrensverstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).“

Kurz und zackig und: Richtig.

Beweis I: Die bedeutungslosen Beweistatsachen, oder: „keine zwingenden Rückschlüsse“ ist bedeutungslos

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Heute dann mal wieder StPO, und zwar drei Entscheidungen, die mit der Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu tun haben.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 16.07.2024 – 5 StR 255/24 -, der sich noch einmal zur „bedeutungslosen Tatsache“ äußert. Das LG hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte mit einer  Beweisantragsrüge Erfolg:

„1. Zu Recht macht der Beschwerdeführer geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die beantragte Einvernahme zweier Zeugen abgelehnt.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung die erneute Vernehmung des Zeugen T.  zum Beweis der Tatsache beantragt, dass der Nebenkläger im Anschluss an die erste Vernehmung des Zeugen im Hauptverhandlungstermin vom 2. November 2023 diesen noch im Gerichtsgebäude im Foyer angesprochen und massiv damit bedroht habe, ihm und seiner Familie etwas anzutun. Aus der Antragsbegründung geht hervor, dass der Zeuge in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung die Einlassung des Angeklagten gestützt hatte, wonach dieser die ihm vorgeworfene Tat nur zum Zweck der Abwehr eines Angriffs des Nebenklägers verübt haben will, zu dem es gekommen sei, nachdem er ein Angebot des Nebenklägers zum Erwerb von Drogen abgelehnt habe. Die erneute Einvernahme des Zeugen T. sei erforderlich, um das erhebliche und sich plötzlich und unvermittelt entfaltende Aggressionspotential des Nebenklägers zu dokumentieren, welcher nicht einmal in einem öffentlichen Gerichtsgebäude davor zurückschrecke, ihm zuvor vollkommen unbekannte Personen derart zu bedrohen, dass diese nachhaltig verängstigt seien und um ihre Gesundheit und Leben fürchteten. Zum Nachweis desselben Geschehens hat die Verteidigung zugleich beantragt, auch den zum Zeitpunkt des Vorfalls im Gerichtsgebäude diensthabenden Pförtner als Zeuge zu vernehmen.

Das Landgericht hat den Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit gemäß § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO abgelehnt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die unter Beweis gestellten Tatsachen selbst im Falle ihres Erwiesenseins nur mögliche, aber keine zwingenden Rückschlüsse auf das angeklagte Tatgeschehen zuließen. Es fehle schon an einem Bezug zum Tatvorwurf; das unter Beweis gestellte Geschehen habe sich gut acht Monate später im Gerichtsgebäude abgespielt. Es möge so sein, dass der Nebenkläger und der Zeuge am 2. November 2023 in der beschriebenen Art und Weise im Gerichtsgebäude aufeinander getroffen seien. Aber zu der Frage, ob der Angeklagte am 1. März 2023 in einer Notwehrsituation dem Nebenkläger einen Messerstich in den Rücken versetzt habe und ob er von weiteren möglichen Stichen freiwillig Abstand genommen habe, gebe der Vorfall – unterstellt, er habe so stattgefunden – keine zwingenden Antworten und lasse keine zwingenden, sich selbsterklärenden Rückschlüsse zu.

b) Die zulässig erhobene Rüge ist begründet, da die Ablehnungsentschei-dung des Landgerichts den Anforderungen des § 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht genügt.

Tatsächlich bedeutungslos sind Indiz- beziehungsweise Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will (BGH, Urteile vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21 Rn. 63 mwN, StV 2023, 293; vom 10. August 2017 – 3 StR 549/16, NStZ 2018, 111; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 220). Der angegriffene Ablehnungsbeschluss lässt jedoch schon nicht klar erkennen, auf welchen dieser denkbaren Gründe einer Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Gründen er gestützt sein soll.

Sofern die Strafkammer schon jeglichen Zusammenhang zwischen der mit dem Antrag unter Beweis gestellten Tatsache und dem Gegenstand der Urteilsfindung verneinen wollte, weil ein „Bezug zum Tatvorwurf“ fehle, stünde dies im Gegensatz zu den Urteilsgründen. Dort wurde ausgeschlossen, dass der Nebenkläger den Angeklagten – wie von letzterem behauptet – plötzlich und nur wegen des abgelehnten Drogenangebots mit Faustschlägen angegriffen hatte. Begründet wurde dies damit, dass sich ein derartiges Agieren für den erst 22 Jahre alten, unbewaffneten, nicht vorbestraften und aus Afghanistan geflüchteten Nebenkläger in keiner Weise erschließe und der Strafkammer lebensfremd erscheine. Mit der Beweistatsache zielt der abgelehnte Antrag aber ausdrücklich darauf ab, gerade ein sich „plötzlich und unvermittelt entfaltendes Aggressionspotential“ des Nebenklägers zu dokumentieren, als dieser eine ihm zuvor vollkommen unbekannte Person bedrohte, und damit ein der Sachverhaltsschilderung des Angeklagten potentiell vergleichbares Geschehen unter Beweis zu stellen. Angesichts dessen hätte näherer Begründung bedurft, wie ein Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Untersuchungsgegenstand gleichwohl schon dem Grunde nach auszuschließen sein könnte. Dabei erlaubt § 244 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO es dem Tatgericht nicht, die Bedeutungslosigkeit lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abzuleiten (BGH, Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21 Rn. 63 mwN, StV 2023, 293).

Sollte die Strafkammer dagegen einen solchen Zusammenhang für möglich erachtet und lediglich entschieden haben, die mit dem Antrag intendierte Folgerung nicht vorzunehmen, hat sie dabei einen falschen Maßstab zugrunde gelegt. Eine Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache konnte auf diesem Weg nicht bereits damit begründet werden, dass diese „keine zwingenden Rückschlüsse“ auf das Tatgeschehen gebot. Denn tatsächliche Schlüsse müssen nicht zwingend sein. Es genügt vielmehr, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 14/20, NJW 2020, 2741; Urteile vom 16. Februar 2022 – 5 StR 320/21, NStZ 2023, 568; vom 3. Juli 2024 – 5 StR 535/23). Entsprechend hätte es im Ablehnungsbeschluss konkreter fallbezogener Erwägungen dazu bedurft, warum – obwohl dies grundsätzlich in Betracht kam – aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen gezogen werden sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – 3 StR 308/17; LR-StPO/Becker, 27. Aufl., § 244 Rn. 220). Das Tatgericht hat die unter Beweis gestellte Tatsache dabei so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen. Sodann hat es im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2023 – 1 StR 340/23, NStZ 2024, 379). Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (BGH, Beschluss vom 7. August 2023 – 5 StR 550/22 mwN). Entsprechende Ausführungen finden sich in dem Ablehnungsbeschluss des Landgerichts nicht.

c) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte bei rechtsfehlerfreier Entscheidung über den Beweisantrag erfolgreicher als geschehen hätte verteidigen können und das Landgericht zu einer anderen, für den Angeklagten günstigeren Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen gelangt wäre.“