Auf geht es in die 4. KW/2025, und zwar mit zwei Haftentscheidungen. Nichts Besonderes und nichts Neues, sondern nur „alte“ Probleme/Aussagen der entscheidenden OLG.
Zunächst stelle ich den OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.12.2024 – 2 Ws 153/24 (S) – vor. Ergangen ist er im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO. Das OLG äußert sich (noch einmal) zum Begriff derselben Tat, der ja für die Frage der Berechnung der Sechs-Monats-Frist von Bedeutung ist:
„Eine Entscheidung durch den Senat ist derzeit nicht veranlasst. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 15. November 2024 das Folgende ausgeführt:
„I.
Im Übrigen handelt es sich um andere Taten im Sinne des § 121 StPO, als die wegen der der Beschuldigte ursprünglich inhaftiert wurde. Der nun vollstreckte Haftbefehl betrifft nicht mehr dieselbe Tat wie der ursprüngliche Haftbefehl (siehe hierzu BGH NStZ-RR 2023, 349 m.w.Nachw.). Der Begriff derselben Tat im Sinne des § 121 StPO weicht vom prozessualen Tatbegriff im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO ab und ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Er erfasst alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt geworden sind und in einen bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie Gegenstand desselben Verfahrens oder getrennter Verfahren sind (vgl. BGH Beschl. v. 02.06.2021 – AK 33/21, BeckRS 2021, 15386 Rn. 6 m.w.Nachw.). Dadurch wird eine sogenannte Reservehaltung von Tatvorwürfen vermieden, die darin bestünde, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt gewordene Taten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen. Somit löst es keine neue Haftprüfungsfrist gemäß § 121 Abs. 1 StPO aus, wenn ein neuer Haftbefehl lediglich auf Tatvorwürfe gestützt bzw. durch sie erweitert wird, die schon bei Erlass des ersten Haftbefehls – im Sinne eines dringenden Tatverdachts – bekannt waren. Tragen dagegen die erst im laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse für sich genommen den Erlass eines Haftbefehls und ergeht deswegen ein neuer oder erweiterter Haftbefehl, so wird dadurch ohne Anrechnung der bisherigen Haftdauer eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt (BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – AK 54/23 -, Rn. 8, juris m. w. Nachw.). So liegt es hier jedenfalls bezüglicher der Taten Nr. 6, 8, 9, 12-17, 19-20 und 22-23 des Haftbefehls vom 5. November 2024.
…..
Für den Beginn der neuen Sechsmonatsfrist gemäß §§ 121, 122 StPO bezüglich dieser Taten ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich der Verdacht hinsichtlich der neuen Tatvorwürfe zu einem dringenden verdichtet hat. Entscheidend ist mithin, wann der neue bzw. erweiterte Haftbefehl hätte erlassen werden können (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 16. Mai 2018 – 1 Ws 149/18 H -, Rn. 8), nicht hingegen, wann die Staatsanwaltschaft ihn erwirkt hat. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Haftbefehl spätestens an dem auf die Beweisgewinnung folgenden Tag der veränderten Sachlage anzupassen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – AK 54/23 -, Rn. 8), insbesondere der Tag nach der Vernehmung des Zeugen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. März 2019 – 2 Ws 39 – 42/19 -, Rn. 8, juris).
1. Eine neue Sechsmonatsfrist läuft daher ab den 20. Juni 2024 jedenfalls im Hinblick auf die erst und nur durch Vernehmung der Zeugin … (Name 02) am 19. Juni 2024 (Bd. 111 BI. 466 ff. der Akte) ermittelten haftbefehlsgegenständlichen Vorwürfe schweren sexuellen Missbrauchs gemäß § 176c StGB (Bd. IV BI. 832 der Akte), nämlich zwei Fälle des Vollzugs des Geschlechtsverkehrs an ihr durch den Beschuldigten in einem Auto im Wald (Tat Nr. 22 und 23). Diese tragen aufgrund der Tatschwere (§ 176a Abs. 2 StGB a. F. bzw. § 176c StGB) und der Gesamtschau der geschilderten Beweislage gegen den Beschuldigten und die Mitbeschuldigten allein den Vollzug des Haftbefehls. Bezüglich dieser Taten läuft die Sechsmonatsfrist daher erst am 20. Dezember 2024 ab.
2. Eine neue Sechsmonatsfrist läuft zudem bezüglich der übrigen zum Gegenstand des erweiterten Haftbefehls gemachten Vorwürfe schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, die gegen den Beschuldigten erst erhoben werden konnten, nachdem er auf Foto- und Videoaufnahmen des Missbrauchs identifiziert werden konnte. Diese Aufnahmen befanden sich auf den am 21.Mai 2024 sichergestellten Datenträgern und gelangten erst durch Auswertungsbericht vom 25. September 2024 zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden. Es handelt sich dabei um Tat 6 (Nr. 12 auf BI. 47 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 8 (Nr. 7 BI. 181 f. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 13 (Nr. 8 BI. 38 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 14 (Nr. 7 BI. 37 des Sonderhefts Gutachten P- 2024-0326), Tat 15 (Nr. 6 BI. 36 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 16 (Nr. 3 BI. 34 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 17 (Nr. 2 BI. 34 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), Tat 19 (Nr. 11 BI. 39 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) und Tat 20 (Nr. 12 BI. 39 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) des Haftbefehls. Dabei kann es aufgrund der geschilderten Maßstäbe für den Beginn einer neuen Sechsmonatsfrist nicht allein auf den Tag nach der Vorlage des Auswertungsberichts am 25. September 2024 ankommen (BI. 1 ff. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326), da ansonsten die Ermittlungsbehörden willkürlich durch verzögerte Auswertung von Datenträgern Haftbefehle „auf Reserve“ generieren könnten. Für den Beginn einer neuen Sechsmonatsfrist ist im Falle von Taten, denen der Beschuldigte erst durch Auswertung von Datenträgern dringend verdächtig ist und die zum Gegenstand eines (erweiterten) Haftbefehls gemacht werden, entscheidend, wann frühestens mit der Auswertung der Datenträger zu rechnen wäre (vgl. OLG Jena Beschl. v. 16.11.201 O – 1 Ws 446/10 (32), BeckRS 2011, 15235) und sodann der Tag nach der Vorlage der Auswertung maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2023 – AK 54/23 -, Rn. 24, juris). Vorliegend wurden die am 21. Mai 2024 sichergestellten Datenträger am 12. Juni 2024 dem externen IT-Forensiker überreicht und der Auftrag am 24. Juni 2024 erteilt (BI. 1 ff. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326, siehe Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 31. Mai 2024, Bd. II BI. 314 der Akte).
Dieser Zeitraum hätte unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen und der möglichen Vorbereitung der Auswahl der Stelle, die die Auswertung der sichergestellten Datenträger vornehmen soll, auf eine Woche nach Ablauf des Tages des Erlasses und der Vollstreckung des ursprünglichen Haftbefehls am 22. Mai 2024 verkürzt werden können, indem der Auftrag am 30. Mai 2024 erteilt worden wäre. Die Auswertung selbst dauerte vom 24. Juni 2024 bis 25. September 2024, wobei nicht ersichtlich ist, dass die Auswertung in kürzerer Zeit möglich gewesen wäre. Die im Zuge der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 21. Mai 2024 als Beweismittel sichergestellten über zwei Dutzend Datenträger (BI. 7 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) konnten trotz kostspieliger Beauftragung eines externen Gutachters (Bd. IV BI. 865 der Akte) erst am 23. Juli 2024 (BI. 1 ff. des Sonderheftes „vorläufige Auswertung“) und 5. September 2024 vorläufig ausgewertet werden und enthielten ca. 10.000 Dateien mutmaßlich kinderpornographischen Materials und Videoaufnahmen mutmaßlich schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen der Zeuginnen … (Name 02) sowie der … (Name 01) durch den Beschuldigten und die Mitbeschuldigten … (Name 03) und … (Name 04) (Bd. IV BI. 832 der Akte). Die Auswertung nahm 252 Arbeitsstunden in Anspruch (ca. 84 Stunden pro Monat, Bd. IV BI. 865 der Akte). In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind zur Berechnung neuer Sechsmonatsfristen Zeiträume von über drei Monaten von der Sicherstellung bis zur Auswertung von Datenträgern anerkannt (vgl. OLG Jena Beschl. v. 16.11.2010 – 1 Ws 446/10 (32), BeckRS 2011, 15235; BGH, Beschluss vom 20. September 2023 -AK 54/23 -, Rn. 24, juris). Das ohne erkennbaren Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz erstellte Gutachten über die forensische Auswertung der Datenträger vom 25. September 2024 fasst die Ergebnisse dahingehend zusammen, dass 2.728 Bilder und 71 Videos jugend- und kinderpornographischen Inhalts festgestellt werden konnten, die zu einem wesentlichen Anteil den schweren sexuellen Missbrauch der Geschädigten … (Name 02) und … (Name 01) zeigen würden (BI. 1 ff., 31 ff. des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326) und jedenfalls die Taten Nr. 6, 8, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 20 des Haftbefehls belegen, die sich ausschließlich aus dem Auswertebericht vom 25. September 2024 ergeben (BI. 31-50 des Sonderhefts Gutachten P-2024-0326).
Mit Ausnahme der geschilderten Verzögerung von drei Wochen und vier Tagen hätten diese Taten, derer der Beschuldigte erst aufgrund der Auswertung der Datenträger in der Gesamtschau der Ermittlungsergebnisse (siehe unter 11.) dringend verdächtig ist, nicht früher als am 26. September 2024 zum Gegenstand des erweiterten Haftbefehls gemacht werden können. Maßgeblicher Zeitpunkt der neuen Sechsmonatsfrist ist hiernach der Tag nach der Vorlage der Auswertung, der 26. September 2024, unter Abzug von drei Wochen und vier Tagen, die die Auswertung vermeidbar verzögert worden ist. Jedenfalls hinsichtlich der Taten Nr. 6, 8, 13, 14, 15, 16, 17, 19 und 20, die angesichts der geschilderten Beweislage und der Schwere der Vorwürfe den derzeit vollstreckten Haftbefehl gegen den Beschuldigten alleine tragen, begann die neue Sechsmonatsfrist mithin am 1. September 2024 und endet am 1. März 2025.“
Diesen zutreffenden Erwägungen tritt der Senat bei.“
Wenn man es zweimal gelesen hat, versteht man es 🙂 .