Archiv des Autors: Detlef Burhoff

Über Detlef Burhoff

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. ist Autor und Herausgeber mehrerer Werke zum Straf- und Owiverfahrensrecht sowie Herausgeber der Zeitschriften StrafRechtsReport (StRR) und VerkehrsRechtsReport (VRR).

„Peinlich, peinlich Herr RiOLG – wenn auch nur a.D.“, oder: Was soll mir dieses Schreiben sagen?

Bild von Sergei Tokmakov, Esq. https://Terms.Law auf Pixabay

Manchmal gibt es Dinge, da weiß man nicht, was man davon halten soll. So ein „Ding“ hatte ich heute.

Ich habe nämlich heute in meinem Postfach das hier abgebildete Schreiben gefunden, und zwar in einem Briefumschlag, der (natürlich) keinen Absender hatte. Ich wusste erst gar nicht, ob das Schreiben nun wirklich an mich gerichtet war, da es keine Anrede enthielt, für mich als Empfänger sprach/spricht aber die Adresse. Ich wusste dann auch nicht, was mir dieses Schreiben eigentlich sagen sollte, außer dass sich offenbar der – natürlich anonyme – Absender durch irgendetwas von mir Verlautbares getroffen fühlt.

Ich habe dann mal geforscht und bin dann über die Überschrift: „Peinlich, peinlich Frau LOStAin ….Personalrat gewinnt…“ auf meinen Blogbeitrag vom 06.12.2013 gestoßen – ja, lange ist es her -, in dem ich über eine Entscheidung des VG Münster berichtet habe, die Gegenstand der Berichterstattung der „Westfälischen Nachrichten“ gewesen ist. Und dann habe ich mal nach dem in dem Schreiben angegebenen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.03.2015 – 20 A 97/14.PVL – gesucht und ihn gefunden. Und dann ist mir klar geworden, welches Problem der Verfasser des Schreibens hat, nämlich wohl, dass ich über den Beschluss des VG Münster berichtet habe, nicht aber über die anders lautende Entscheidung des OVG Münster (in der Sache).

Ja, das stimmt. Aber wo ist das Problem, dass ich den weiteren Verfahrensgang nicht im Auge behalten habe? Und was ist das daran so „peinlich“, dass man mich anonym per Briefpost anschreiben muss, also Zeit und Geld aufwendet? Dabei bin ich mir gar nicht klar, was man eigentlich beabsichtigt. Und was sind „Kenntnisse nur aus der ihm zugespielten Presse“? Soll das in Richtung „Lügenpresse“ pp. gehen?

Fragen über Fragen, auf die ich nun leider keine Antwort bekomme. Denn – wie gesagt – es war/ist ein anonymes Schreiben.

Im Übrigen: Wenn man schon kritisiert (?), dann sollte man auch den A…… in der Hose haben, das mit offenem Visier zu tun. Und dann bitte auch mit einer klaren Aussage, was man von mir will. Wenn man sich an mir – aus welchen Gründen – auch immer „abarbeiten“ will: Nur zu. Es gibt ja die Kommentarfunktion. Ich bin da m.E. recht großzügig und schalte Kommentare erst dann nicht mehr frei, wenn sie zu lang und zu aberwitzig werden, wie z.B. beim „unterschriebenen Urteil“ 🙂 .  Das war dieses Schreiben nicht, das war/ist nur unverständlich.

Und das waren jetzt keine „Kenntnisse nur aus der ihm zugespielten Presse“  der „RiOLG – wenn auch nur a.D.“

OWi I: Rüge des lückenhaften Messprotokolls, oder: OLG Frankfurt vergreift sich mal wieder im Ton

Bild von Christian Dorn auf Pixabay

Und dann heute ein wenig OWi.

Ich beginne mit dem OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.05.2025 – 2 Orbs 69/25-, was ja leider – jedenfalls für mich – bei Entscheidungen von dem OLG häufiger der Fall ist.

Gegenstand des Verfahrens wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung war mal wieder der Kampf ums Messprotokoll. Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1.000,00 EUR und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt worden. Der hatte dagegen die Rechtsbeschwerde erhoben und ein lückenhaftes Messprotokoll gerügt.

Beim OLG ohne Erfolg. Zu der Rüge führt das OLG aus:

„Die Prüfung der Falldatei als Kernbeweismittel jeder technischen Verkehrsmessung ist Grundanforderung der Ordnungsbehörden, bevor sie einem Betroffenen einen Verkehrsverstoß vorwerfen dürfen. Im Gegenzug ist es ebenfalls Grundanforderung einer Verteidigung, aus der Falldatei heraus dem Gericht vor der Hauptverhandlung konkrete Auffälligkeiten aufzuzeigen. Das Gericht ist dann verpflichtet, diesen konkret dargelegten Auffälligkeiten nachzugehen. Die anschließende gerichtliche Bewertung ist ureigenste Aufgabe des Tatgerichts und in der Rechtsbeschwerde i.d.R. nur mit einer zulässigen Verfahrensrüge angreifbar.

Diesen einfachen Darlegungsvoraussetzungen genügt das Rechtsbeschwerdevorbringen vorliegend nicht. Die Einwendungen erschöpfen sich in der Behauptung eines lückenhaften Messprotokolls, ohne dass der Senat in die Lage versetzt wird, dies zu prüfen, und in abstrakten Rechtsfloskeln, ohne dass ein konkreter Bezug zum Fall dargelegt wird. Eine Darlegung von Auffälligkeiten und/oder Besonderheiten in der Falldatei, die in einem Kontext zum Messprotokoll gesehen werden kann, wird nicht vorgenommen. Das Tatgericht war daher auch nicht zu weiteren Ausführungen gehalten. Das nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommene Fallbild weist im Übrigen auch keinerlei Auffälligkeiten auf. Es zeigt lediglich einen einsamen Fahrer, der mit entspanntem Gesicht und gemessenen 90 km/h kurz nach Mitternacht durch die Innenstadt von Kassel rast.“.

Damit hätte es an sich gut sein können. Aber nein, das OLG betreibt Richterfortbildung und nimmt seine Entscheidung zum Anlass, ellenlang den grundsätzlichen Umgang mit „lückenhaften“ Messprotokollen zu erläutern. Was hat das in der Entscheidung zu suchen. Das „riecht“ so ein bisschen nach: „Herr Lehrer ist weiß was.“ In meinen Augen überflüssig.

Aber deshalb ist die Entscheidung für mich nicht der Aufreger, sondern es ist u.a. die Passage:

Das nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Bezug genommene Fallbild weist im Übrigen auch keinerlei Auffälligkeiten auf. Es zeigt lediglich einen einsamen Fahrer, der mit entspanntem Gesicht und gemessenen 90 km/h kurz nach Mitternacht durch die Innenstadt von Kassel rast.„.

Das fragt man sich dann doch, was das soll. Die Passage ist völlig unangemessen und man fragt sich, warum das OLG sich so im Ton vergreift und so unangemessen formuliert. Aber: Das passt zum OLG Frankfurt am Main. Ich erinnere an den OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.06.2017 – 2 Ss-OWi 542/17 – mit der für eine OLG bemerkenswerten Aussage, dass es bei der Zulassung des Messgerätes „PoliScanSpeed“ um ein „Scheinproblem“ handle oder an die Kritik an Anträgen auf Entbindung nach § 73 Abs. 2 OWiG am Tag der Hauptverhandlung als „erkennbar nur der Gebührenvermehrung dienende Methode“ im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.06.2021 – 2 Ss-OWi 440/21.  Ich weiß nicht, welches Problem das OLG mit Verteidigern zbd/oder Betroffenen hat, wenn die ihre Rechte geltend machen. Wem das zu lästig ist, der wäre dann vielleicht in einem Zivilsenat oder sonst wo besser aufgehoben.

Zum dem Ganzen passt dann übrigens das „Theater“ um den Erhalt der Entscheidung. Aufmerksam geworden war ich auf die durch die PM des OLG vom 05.06.2025 , in der es hieß: „Die Entscheidung ist in Kürze unter www.rv.hessenrecht.hessen.de abrufbar.“ Ich habe dann gewartet und dort immer wieder geschaut, ob die Entscheidung inzwischen eingestellt war. Nachdem das nach mehr als drei Wochen immer noch nicht der Fall war, habe ich mich an die Presseabteilung des OLG gewandt, aber von dort keine Antwort bekommen. Ich habe nach ein paar Tagen erinnert, wieder keine Antwort. Dann war ich es leid und ich bin den Weg über die Präsidialabteilung des OLG gegangen mit der Androhung einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Die hätte nichts gebracht, aber: Oh Wunder, diese Anfrage hatte Erfolg. Man hat mir kurzfristige Einstellung der Entscheidung angekündigt und hat es dann tatsächlich geschafft, die Entscheidung einigermaßen zügig zu veröffentlichen. Auch hier frage ich mich: Welche Problem hat man eigentlich, wenn ein Rechtsanwalt um die Übersendung einer Entscheidung bittet? Kann man darauf nicht zumindest kurz antworten und die „Hinderungsgründe“ mitteilen? Muss man ein solche Hin und Her auslösen, was an allen beteiligten Stellen unnötigen Zeitaufwand kostet.

Bewährung III: Strafaussetzung einer Reststrafe, oder: Anforderungen an die „Legalprognose“

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und dann zum Tagesschluss noch der BGH, Beschl. v. 13.05.2025 – StB 14/25 -, in dem auch der BGH im Beschwerdeverfahren die Aussetzung eines Strafrestes abgelehnt hat:

„1. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB setzt die Aussetzung der Vollstreckung des Rests einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung voraus, dass dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die durch einen möglichen Rückfall bedrohten Rechtsgüter sind. Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen der bereits erlittenen Freiheitsentziehung und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass es verantwortbar ist, vom weiteren Strafvollzug abzusehen; die Voraussetzungen für eine positive Kriminalprognose dürfen in diesem Bereich nicht so hoch angesetzt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Verschonung von der Haft bleibt. Insbesondere wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Bereitschaft, Gewalttaten zu begehen oder zu fördern, glaubhaft distanziert, kann eine Strafrestaussetzung in Betracht kommen. Dazu ist es letztlich nicht zwingend erforderlich, dass der Verurteilte, der seine Tat während des gesamten Strafverfahrens und im Vollzug bestritten hat, sein strafbares Verhalten nunmehr einräumt (s. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. April 2014 – StB 4/14 , juris Rn. 3; vom 19. April 2018 – StB 3/18 , NStZ-RR 2018, 228; vom 2. November 2022 – StB 43/22 , NJW 2022, 3729 Rn. 6, jeweils mwN).

2. Diese Maßstäbe hat das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung beachtet. Es hat unter anderem die Angaben des Verurteilten im Termin zur persönlichen Anhörung im Januar 2025, den Eindruck eines erkennenden Richters aus der Hauptverhandlung sowie eine (rückblickende) Stellungnahme der Untersuchungshaftanstalt vom Oktober 2022 bewertet und ist in einer überzeugenden Gesamtabwägung zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Verurteilten derzeit keine hinreichend günstige Legalprognose gestellt werden kann. Dabei hat es insbesondere in den Blick genommen, dass sich der Verurteilte bisher nicht von der PKK distanziert habe.

3. Der Senat teilt die Einschätzung des Oberlandesgerichts.

Zwar ist es als prognostisch günstig zu beurteilen, dass der Verurteilte ansonsten unbestraft ist und die abgeurteilte Tat acht Jahre zurückliegt. Die bis zum 30. April 2021 vollzogene Untersuchungshaft ist auch die erste Inhaftierung des Verurteilten gewesen ( § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB ). Er ist eine Ehe eingegangen, hat einen festen Wohnsitz und neuerdings eine befristete Vollzeitarbeitsstelle in einem Supermarkt. Außerdem hat er nicht nur zwei Drittel seiner Strafe, sondern bereits den Großteil verbüßt.

Dem stehen jedoch gewichtige Gründe gegenüber, die gegen eine positive Sozialprognose sprechen. Neben der Schwere des vom Verurteilten und seinen Mittätern verübten Gewaltdelikts ist hier vor allem seine langjährige und tiefgreifende ideologische Nähe zur PKK zu nennen, die ihn zur Tatbegehung veranlasste. Dem Oberlandesgericht ist dahin zuzustimmen, dass der Verurteilte sich von dieser Einstellung bisher nicht ersichtlich gelöst hat. Im Anhörungstermin hat er sich als Sympathisanten der Vereinigung bezeichnet. Fragen danach, wie er seine Tat aus heutiger Sicht bewertet, ist er inhaltlich ausgewichen. Er hat sie dahin beantwortet, dass er in die Zukunft blicken und sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen wolle. Dies belegt den persönlichen Eindruck, den das Erstgericht bei der Anhörung gewonnen hat und dem regelmäßig hohe Bedeutung zukommt ( BGH, Beschlüsse vom 3. September 2020 – StB 26/20 , juris Rn. 5; vom 30. Oktober 2018 – StB 50/18 Rn. 6 [unveröffentlicht]).

Somit bestehen zumindest Indizien für eine fortbestehende militante Einstellung und eine damit einhergehende Gefährlichkeit des Verurteilten. Sichere Belege für eine solche sind nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht erforderlich. Zweifel am Vorliegen von zu seinen Gunsten wirkenden tatsächlichen Umständen gehen vielmehr zu seinen Lasten, die In-dubio-Regel gilt hier nicht (st. Rspr.; s. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2020 – StB 45/20 , juris Rn. 8; vom 5. Februar 2025 – StB 1/25 , juris Rn. 10, jeweils mwN). Deshalb ist die nicht weiter überprüfbare Angabe des Beschwerdeführers, er unterhalte inzwischen keine Kontakte mehr zur PKK, für sich genommen nicht geeignet, das Risiko einer Strafaussetzung als vertretbar erscheinen zu lassen.“

Bewährung II: Widerruf wegen Weisungsverstoßes, oder: Wenn die Weisung unmissverständlich ist

Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Im zweiten Posting dann den OLG Hamm, Beschl. v. 12.06.2025 – 1 Ws 160/25 – zum Widerruf wegen eines Weisungsverstoßes. Es geht noch einmal um eine zu unbestimmte Weisung:

„a) Zwar ist die Weisung während der gesamten Bewährungszeit „engen Kontakt“ zu seinem Bewährungshelfer zu halten, als eigenständige Weisung im Sinne des § 56c StGB zu unbestimmt, denn nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. die Nachweise bei TK StGB/Kinzig, 31. Aufl. 2025, StGB § 56c Rn. 11, beck-online), der auch die ständige Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. z.B. Senat, Beschluss vom 07.05.2019 zu III-1 Ws 152+153/19 zu einer entsprechenden Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht und Beschluss vom 18.02.2020 zu III-1 Ws 49/20), muss das Gericht unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebots grundsätzlich den Inhalt und Umfang der auferlegten Melde- bzw. Kontakthaltungspflicht beim bzw. zum Bewährungshelfer selbst konkret, d.h. insbesondere bezüglich des Meldeintervalls und der Art der Kontakthaltung, bestimmen und darf lediglich die Bestimmung der konkreten Termine dem Bewährungshelfer überlassen, was weder im Aussetzungsbeschluss vom 25.06.2020 noch im Bestellungsbeschluss vom 23.07.2020 geschehen ist. Gleichwohl war der Bewährungswiderruf gemäß §§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1, 56c Abs. 2 Nr. 2 StGB (ausnahmsweise) zulässig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18.02.2020 zu III-1 Ws 49/20 und vom 18.11.2020, III-1 Ws 439-442/20). Denn nach der Weisung war hier im Sinne des Bestimmtheitsgebots unmissverständlich klar, dass der Verurteilte – ungeachtet der Art des Kontaktes und eines konkreten Meldeintervalls – überhaupt Kontakt zu seiner Bewährungshelferin (aufnehmen und) beibehalten musste. Dies war auch dem Verurteilten klar, da die Strafvollstreckungskammer ihn – nach ersten Unregelmäßigkeiten in der Kontakthaltung – mit ihm zugestelltem Schreiben vom 23.05.2022 aufforderte, den Kontakt zur Bewährungshelferin unverzüglich wiederherzustellen und anderenfalls prüfen werde, ob Maßnahmen ergriffen werden müssten und er – der Verurteilte – nach erneuten Terminversäumnissen versuchte, sein Fernbleiben per E-Mail zu entschuldigen.

b) Der Verurteilte hat sich auch – wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend begründet hat – dieser Weisung gröblich und beharrlich entzogen und dadurch Anlass zu der Besorgnis gegeben, dass er erneut Straftaten begehen wird. Ein gröblicher Verstoß ist eine nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen eine Weisung; er ist beharrlich, wenn der Verurteilte durch wiederholtes oder andauerndes Verhalten (z.B. Flucht, Verbergen), seine endgültige Weigerung, die Weisung zu befolgen zum Ausdruck bringt oder trotz einer Mahnung der Weisung nicht nachkommt (TK StGB/Kinzig, 31. Aufl. 2025, StGB § 56f Rn. 13/14 m.w.N., beck-online).

Nach der Mahnung der Strafvollstreckungskammer mit Schreiben vom 23.05.2022 hat der Verurteilte zunächst die Termine mit der Bewährungshelferin ab dem 29.09.2022 nicht mehr wahrgenommen, bevor er sich der Bewährungshelferin dauerhaft durch Verbergen entzogen hat.“

Bewährung I: Ankündigung der Wiederaufnahme, oder: Widerruf der Strafaussetzung dennoch möglich?

Bild von Arek Socha auf Pixabay

Und dann geht es heute hier nach Urlaubsrückkehr „normal“ weiter, und zwar mit Entscheidungen zu Bewährungsfragen.

Den Opener mache ich mit dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 08.05.2025 – 1 Ws 77/25 – zum Zusammenspiel von Wiederaufnahmeverfahren und Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung. Dazu das OLG:

„Entgegen dem Beschwerdevorbringen hindert auch die Absicht des Verurteilten, eine Wiederaufnahme des dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2023 zugrundeliegenden Verfahrens zu betreiben, den Widerruf der Strafaussetzung nicht. Zwar kommt nach rechtskräftiger Anordnung der Wiederaufnahme des Anlassverfahrens nach § 370 Abs. 2 StPO, durch die die Urteilsrechtskraft beseitigt wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. August 1979 – 5 Ss OWi 782/79 – juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 370 Rn. 10), ein Widerruf nicht mehr in Betracht (vgl. KG, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 2 Ws 477 – 478/13 –, juris Rn. 12; Krumm NJW 2005, 1832, 1835). Liegt eine solche – wie hier – hingegen nicht vor, ist das Widerrufsgericht nur dann verpflichtet, eigene Beweise zu erheben, wenn aufgrund nachträglich hervorgetretener Umstände, insbesondere etwaiger Wiederaufnahmegründe, begründete Zweifel an der Tatbegehung bestehen. Ist dies nach Ansicht des Widerrufsgerichts nicht der Fall, so zwingt der bloße Antrag auf Wiederaufnahme des neuen Verfahrens nicht zur Zurückstellung der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung (KG, Beschluss vom 13. April 2018 – 5 Ws 37/18 –; Hubrach in: LK-StGB, 13. Aufl., § 56f Rn. 12). Nichts anderes kann für die bloße Absichtsbekundung gelten, ein Wiederaufnahmeverfahren anzustreben.

Vorliegend sind nachträglich hervorgetretene Umstände, die Zweifel an der Täterschaft des Verurteilten begründen könnten, nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Soweit die Staatsanwaltschaft dort vorgetragenes Vorbringen des Verurteilten zum Anlass genommen hat, eingestellte Ermittlungen gegen einen weiteren möglichen Tatbeteiligten (D. S.) der im Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Oktober 2023 festgestellten Taten wiederaufzunehmen, war das Vorbringen des Verurteilten ausweislich eines Vermerks der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 20. Juni 2024 (Bl. 129 d. BewH) nicht geeignet, die Tatbeteiligung des Verurteilten in Zweifel zu ziehen, sondern gab der Staatsanwaltschaft lediglich Anlass, eine ggf. gemeinschaftliche Tatbeteiligung des D. S. erneut zu prüfen. Konkrete Einwände gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2023 oder Umstände und Tatsachen, die seine Täterschaft in Zweifel ziehen oder eine Wiederaufnahme des Anlassverfahrens rechtfertigen könnten, hat der Verurteilte im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Gründe, die dem entgegenstehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum es dem Verurteilten ohne Einsicht in die Akten des Anlassverfahrens nicht möglich sein sollte, vorzutragen, welche von ihm der Staatsanwaltschaft mitgeteilten und dort zum Anlass der Wiederaufnahme zu Ermittlungen gegen D. S. genommenen oder sonstigen Umstände und Tatsachen entgegen der bisherigen Einschätzung der Staatsanwaltschaft geeignet sein sollen, nicht nur den Verdacht der Tatbeteiligung des D. S. zu begründen, sondern auch die Täterschaft des Verurteilten in Zweifel zu ziehen. Der pauschale Hinweis, dass der Verurteilte die Tatbegehung weiterhin in Abrede stelle und deshalb eine Wiederaufnahme des Anlassverfahrens anstrebe, ist nicht geeignet, durchgreifende Zweifel daran zu begründen, dass der Verurteilte die durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Oktober 2023 in der Bewährungszeit festgestellten Taten begangen hat. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die Überzeugung des Tatgerichts von der Täterschaft des Verurteilten ausweislich der Gründe des Urteils vom 25. Oktober 2023 – entgegen dem Vorbringen des Verteidigers im Beschwerdeverfahren – weder allein noch maßgeblich auf die zeugenschaftlichen Angaben des vom Verurteilten als Täter benannten D. S. stützt, sondern auf eine Vielzahl objektiver Beweise, insbesondere die Inhaberschaft und alleinige Verfügungsberechtigung des Verurteilten hinsichtlich der bei den Tatbegehungen verwendeten Mobilfunknummern und Konten, die derzeit nicht in Frage gestellt sind. Zudem stützt sich die Überzeugung des Tatgerichts insbesondere darauf, dass sämtliche vernommenen Tatgeschädigten, die im Zuge der betrügerischen Verkaufsgeschäfte mit dem Täter fernmündlich in Kontakt standen, bekundeten, dass ihre Kontaktperson akzentfrei deutsch gesprochen habe und über präsentes Fachwissen zu den angebotenen Spielautomaten verfügt habe, was eine Identifizierung der Kontaktperson als den vom Verurteilten beschuldigten D. S., der – anders als der Verurteilte – der deutschen Sprache nicht akzentfrei mächtig sei und aufgrund seines sozialen und beruflichen Hintergrundes nicht über besagtes Fachwissen verfüge, ausschließe (UA S. 20 f.). Hinzu tritt, dass sämtliche bei den betrügerischen Geschäften als Empfangskonten angegebenen Konten ausschließlich der Verfügungsberechtigung des Verurteilten unterlagen und dessen Einlassung, er habe diese Konten erst im Zuge einer durch D. S. vermittelten Darlehensgewährung und auf Geheiß der Darlehensvermittlerin eingerichtet, durch die vom Tatgericht festgestellten Daten der Konteneröffnung widerlegt wurde (UA S. 24 f.).

Steht damit zur Überzeugung des Senats fest, dass der Verurteilte in der Bewährungszeit neue Straftaten begangen hat, war weder die Beiziehung der Akten des Anlassverfahrens veranlasst, noch war es geboten, mit der Entscheidung über den Widerruf der durch Beschluss vom 10. Januar 2023 gewährten Strafaussetzung bis zur tatsächlichen Anstrengung eines Wiederaufnahmeverfahrens durch den Verurteilten und den Ausgang dieses Verfahrens zuzuwarten, weil die Entscheidung über den Widerruf zu treffen ist, sobald Widerrufsgründe nach § 56f Abs. 1 StGB feststehen; ein Zuwarten ist unzulässig (vgl. OLG Hamburg NStZ-RR 2005, 221, 222; OLG Oldenburg StV 2010, 312; Beschluss des 4. Strafsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 6. Oktober 2022 – 4 Ws 247/22 – m.w.N.).“