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StPO II: Wenn die Beschuldigtenvernehmung „platzt“, oder: Endgerätedurchsicht vor Ort vor Beschlagnahme

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Und dann als zweite Entscheidung – ebenfalls aus Bayern – der LG München I, Beschl. v. 18.1.2024 – 19 Qs 24/24.

Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, bezugnehmend auf ein Schreiben in einer Zwangsvollstreckungssache, mit welchem er wegen eines nicht beglichenen Rundfunkbeitrags in Höhe von 376,06 EUR zur Abgabe einer Vermögensauskunft geladen wurde, in einem Schreiben vom 17.04.2023 gegenüber pp. ARD ZDF Deutschlandradio, erklärt zu haben, dass er die Ladung als Angebot sehe, welche er u.a. unter die Bedingung stelle, dass sie ihm binnen einer Frist von 21 Tagen „eine amtliche Legitimation“ in notarieller Form und die „Gründungsurkunde des Staates“ vorlegen. Sofern dies nicht geschehe, habe dies die „unwiderrufliche“ und „absolute Zustimmung“ zu einem „privaten kommerziellen Pfandrecht in Höhe von 700.000 EUR“ zu seinen Gunsten zur Folge. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.04.2023.

Die Staatsanwaltschaft hat auf der Grundlage dieses Schreibens die Polizei beauftragt, den Beschuldigten im Strafverfahren zu vernehmen. Die Polizei teilt dann mit, dass der Beschuldigte bereits am 01.07.2023 von seiner ursprünglichen Wohnadresse in Unterhaching nach 04519 Rackwitz verzogen sei, wo er auch einwohnermelderechtlich gemeldet sei. Daraufhin teilte die Staatsanwaltschaft gegenüber der Polizei mit, dass unter diesen Umständen keine weiteren Maßnahmen – wie beispielsweise die Einvernahme im Rahmen eines Ermittlungsersuchens an die für seinen Wohnsitz zuständige Kriminalpolizei – veranlasst seien.

Stattdessen beantragte die Staatsanwaltschaft München I einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Beschwerdeführer an dessen Wohnsitz in Rackwitz. Der wird erlassen und vollzogen. Beschlagnahmt werden1 Dell PC Tower mit Kabel, 1 USB-Stick EMTEC, 1 Mobiltelefon Microsoft, 1 Mobiltelefon Nokia und 1 Klapp-Handy Nokia. Dagegen die Beschwerde des Beschuldigten,die Erfolg hatte:

„Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und die Beschwerde gegen die Beschlagnahmebestätigung der konkret beschlagnahmten Gegenstände erweisen sich in der Sache als erfolgreich, da zwar ein Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer bestand, jedoch aufgrund des Zeitablaufs von mehreren Monaten nur noch eine geringe Auffindevermutung bestand und sowohl die Durchsuchung als auch die Beschlagnahme mangels Verhältnismäßigkeit rechtswidrig waren.

a) Bei jeder Anordnung einer Durchsuchung gem. §§ 102, 105 Abs. 1 S. 1 StPO ist aufgrund der Erheblichkeit des Eingriffs der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Teilurteil vom 5. August 1966 – 1 BvR 586/62, 610/63, 512/64). Die Durchsuchung muss den Erfolg versprechen, geeignete Beweismittel zu erbringen. Auch muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.

Ferner muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und
der Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02).

Mit diesen Voraussetzungen setzt sich der amtsgerichtliche Beschluss nicht weiter auseinander. Er enthält neben der Vermutung, die Durchsuchung werde zum Auffinden von Beweismitteln, insbesondere Speichermedien und EDV führen, keine weiteren Ausführungen. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe hätte sich dem Amtsgericht bei seiner Entscheidung jedoch aufdrängen müssen, dass bereits Zweifel an der Auffindevermutung und Erforderlichkeit der Maßnahme bestehen – welchen durch Aufnehmen einer Abwendungsbefugnis hätte begegnet werden können – sie aber jedenfalls unangemessen ist und somit im vorliegenden Fall das Schutzinteresse aus Art. 13 GG gegenüber dem Strafverfolgungsinteresse des Staates überwiegt (vgl. LG Hamburg Beschl. v. 26.7.2022 – 631 Qs 17/22, BeckRS 2022, 35057).

Denn dafür, dass der Beschuldigte tatsächlich noch im Besitz einer digitalen Form des Schreibens vom 17.04.2023 stehen könnte, bestanden bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses am 07.02.2024 angesichts des Zeitablaufs von 10 Monaten zumindest Zweifel. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Durchsuchung tatsächlich erst am 29.05.2024 – mithin erst über ein Jahr nach der Verfassung des gegenständlichen Schreibens vollzogen wurde – erachtet die Kammer die Durchführung der Durchsuchung zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr als erfolgsversprechend.

Zudem bestehen Zweifel an der Erforderlichkeit der Maßnahme. Denn auch die Staatsanwaltschaft München I hielt ursprünglich keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen für erforderlich, um den Tatnachweis zu führen. Ausweislich des Akteninhalts sollte vor Abschluss des Verfahrens ursprünglich lediglich eine Beschuldigtenvernehmung durchgeführt werden, sodass die Akte zu diesem Zweck der Polizei zugeleitet wurde.

Erst als die Polizei nach weiteren 5 Monaten mitteilte, dass der Beschwerdeführer nicht mehr im Zuständigkeitsbereich wohnhaft sei und bislang nicht vernommen worden sei, beantragte die Staatsanwaltschaft München I einen Durchsuchungsbeschluss, obwohl seither keine weiteren Ermittlungsergebnisse dazugekommen waren, welche nunmehr weitere Maßnahmen zur Verfolgung der im Raum stehenden Straftat nachvollziehbar erscheinen lassen. Dass ein Termin zur Beschuldigtenvernehmung nicht zustande kam, für den der Beschwerdeführer offiziell auch nicht geladen wurde, kann jedenfalls nicht zulasten des Beschwerdeführers gehen und nicht den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses begründen.

b) Hinsichtlich der Beschlagnahmebestätigung ist anzuführen, dass die Beschlagnahme sämtlicher beim Beschwerdeführer vorgefundener EDV in Form von einem Dell PC Tower mit Kabel, einem USB-Stick EMTEC, seinem Mobiltelefon Microsoft, einem Mobiltelefon Nokia und einem Klapp-Handy Nokia (Bl. 86) außer Verhältnis zu dem Eingriff auf das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung steht.

Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist von dem Grundrecht aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG verbürgt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 [43] = NJW 1984, 419). Das Grundrecht dient dabei auch dem Schutz vor einem Einschüchterungseffekt, der entstehen und zu Beeinträchtigungen bei der Aus-übung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Die Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, kann dadurch wesentlich gehemmt werden. Auch das Gemeinwohl wird hierdurch beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [43] = NJW 1984, 419).

Demnach sind bei dem Vollzug der Beschlagnahme – insbesondere beim Zugriff auf umfangreiche elektronisch gespeicherte Datenbestände – die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu gewährleisten, die der Senat in seinem Beschluss vom 12.4.2005 (NJW 2005, 1917 [1921f.]) entwickelt hat. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, dass die Gewinnung überschießender, für das Verfahren bedeutungsloser Daten nach Möglichkeit vermieden wird.

Die Beschlagnahme sämtlicher gespeicherter Daten zum Zweck der Erfassung von Kommunikationsdaten, etwa des E-Mail-Verkehrs, ist dabei regelmäßig nicht erforderlich. Vielmehr muss im Regelfall wegen des von vornherein beschränkten Durchsuchungsziels die Durchsicht der Endgeräte vor Ort genügen.

Das Amtsgericht München hat in dem angegriffenen Bestätigungsbeschluss nicht berücksichtigt, dass insoweit erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu stellen waren und hat hierzu keine Ausführungen gemacht.

Auch ist vorliegend nicht ersichtlich, warum die Beschlagnahme eines nicht internetfähigen Klapp-Handys ohne Datei-Verarbeitungsprogramm bestätigt wurde, welches offensichtlich gera-de nicht zum Verfassen, Verarbeiten oder Speichern des Schreibens genutzt werden konnte.

Auch lagen aus Sicht der Beschwerdekammer die Voraussetzungen der Einziehung nicht vor, sodass die Gegenstände nicht zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden konnten, § 111b Abs. 1 S. 1 StPO. Denn vorliegend sind weder der Computer des Beschwerdeführers noch sonstige Speichermedien als eigentliches Mittel der im Raum stehenden Straftat eingesetzt worden. Die dem Beschwerdeführer angelastete versuchte Erpressung war insbesondere nicht von der Verwendung der zur Einziehung angeordneten EDV und Speichermedien abhängig. Ent-sprechend unterliegt ein Computer, den der Täter zum Schreiben eines – später abgesandten – Briefes mit strafrechtlich relevanten Inhalt benutzt hat, nicht der Einziehung nach § 74 StGB (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23-12-1992 – 5 Ss 378/92, 5 Ss 120/92 I).

c) Wegen des hohen Eingriffs in das Rechtsgut der Unverletzlichkeit der Wohnung erachtet
die Kammer angesichts des im Raum stehenden Delikts des Versuchs einer Erpressung, der Tatsache, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist und des dargestellten Zeitablaufs die Anordnung der Durchsuchung und die Bestätigung der Beschlagnahme als nicht mehr angemessen und insgesamt unverhältnismäßig.“

StPO I: Durchsuchung beim unverdächtigen Notar, oder: Umfang von Beschlagnahmeverboten

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Und dann geht es in die erste „normale“ Woche des Jahres 2025, oder: Haben fertig mit Feiertagen.

Ich beginne die Berichterstattung mit zwei StPO-Entscheidungen, und zwar äußern sich beide zu Durchsuchungsfragen. Hier stelle ich zunächst den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 22.11.2024 – 18 Qs 17/24 – vor. Er äußert sich – umfangreich – zur Durchsuchung bei einem unverdächtigen Notar und dabei zum Umfang des Beschlagnahmeverbotes hinsichtlich Unterlagen nach § 97 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 StPO bei Mandatsbeziehung des Berufsgeheimnisträgers nur zur juristischen Person und nicht zu deren Organ als Beschuldigtem.

Der Beschluss ist sehr umfangreich. Es sind mehr als 20 Seiten. Ich stelle daher hier nur die Leitsätze vor, Rest dann bitte ggf. selbst lesen und auswerten:

1. Das für die geschützten Berufe geltende Beschlagnahmeverbot aus § 97 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 StPO erfasst nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Zeugnisverweigerungsberechtigten und dem Mandanten, wenn dieser der Beschuldigte ist.

2. Wird dem Beschuldigten eine Straftat im Zusammenhang mit der Vertretung einer juristischen Person vorgeworfen, dann unterliegen Beweismittel beim Berufsgeheimnisträger, der (nur) die juristische Person berät oder vertritt, nicht dem Beschlagnahmeverbot.

3. Zeichnet sich aufgrund tatsachenbasierter Anhaltspunkte objektiv ab, dass die juristische Person als Adressatin einer Geldbuße nach § 30 OWiG oder als Einziehungsbeteiligte gemäß § 424 StPO zu beteiligen wäre, befindet sich die juristische Person in einer beschuldigtenähnlichen Verfahrensstellung und Verteidigungsunterlagen, die auf Veranlassung der und für die juristische Person vom Berufsgeheimnisträger angefertigt wurden, sind beschlagnahmefrei.

4. Täuscht ein Urkundsbeteiligter den Notar anlässlich einer Beurkundung über Tatsachen und bewirkt er dadurch eine falsche Beurkundung im Sinne des § 271 StGB sind die Urschrift sowie Abschriften und Ausfertigungen der Urkunden gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht beschlagnahmefrei. Gleiches gilt für durch den Notar gefertigte Kopien gefälschter und bei der Beurkundung vorgelegter Personaldokumente.

5. § 97 StPO stellt nach § 160a Abs. 5 StPO eine Spezialregelung für Beschlagnahmen dar, die § 160a StPO grundsätzlich verdrängt. Die Zulässigkeit von Beschlagnahmen bei Berufsgeheimnisträgern ist danach allein an § 97 StPO zu messen.

6. Nichtverdächtigen Betroffenen, insbesondere Berufsgeheimnisträgern, ist zumindest vor der Vollstreckung der Durchsuchung in der Regel Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben.

StPO II: Freiwillige Herausgabe vor der Durchsuchung, oder: Dann braucht man keine Durchsuchung mehr

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Im zweiten Posting dann noch eine Entscheidung zur Durchsuchung und sie kommt ebenfalls aus Sachsen. Es handelt sich um den LG Dresden, Beschl. v. 23.10.2024 – 2 Qs 13/24.

Nach dem Sachverhalt führt die StA gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung. Er soll in den frühen Morgenstunden des 16.03.2024 gegen 02:50 Uhr der Beschuldigte durch das Eintreten der Tür in die Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin eingedrungen sein und ihr im dortigen Schlafzimmer mehrmals mit der Faust und dem Ellenbogen in das Gesicht von pp. geschlagen haben. Anschließend soll er mit Gewalt für etwa zehn Minuten den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchgeführt haben.

Der Beschuldigte wurde am 16.03.2024 vorläufig festgenommen und das Amtsgericht Dresden ordnete mit Beschluss vom 16.03.2024 die Untersuchungshaft gegen ihn an. Im Rahmen des Termins zur Haftbefehlseröffnung vor dem AG am 16.03.2024 beantragte die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnung des Beschuldigten zum Auffinden von dessen Mobiltelefon, seiner Schuhe, von Betäubungsmitteln und von Unterlagen über die Beziehung zwischen dem Beschuldigten und pp. Der Beschuldigte erklärte daraufhin, dass die gesuchten Unterlagen ausschließlich bei pp. aufzufinden seien und er sein Mobiltelefon und seine Schuhe mit Widerspruch übergeben würde, um den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses zu vermeiden.

Das Amtsgericht Dresden ordnete daraufhin mit Beschluss vom 16.03.2024 (dennoch) die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten zum Zwecke des Auffindens des Mobiltelefons des Beschuldigten, seiner zur Tatzeit getragenen Bekleidung sowie von Unterlagen über die persönliche Beziehung zwischen dem Beschuldigten und pp. an. Im Hinblick auf die ebenfalls beantragte Durchsuchung der Wohnung nach Betäubungsmitteln sah das Amtsgericht den erforderlichen Anfangsverdacht für nicht gegeben.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschuldigte Beschwerde ein und widersprach zugleich der Verwertung der aufzufindenden Beweismittel. Die Durchsuchungsanordnung vom 16.03.2024 wurde noch am selben Tag vollzogen. Der beschuldigte begehrt nunmehr die Feststellung, dass die Durchsuchung rechtswidrig erfolgt sei. Mit Erfolg:

„1. Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Ein Rechtsschutzinteresse für die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der hier gegenständlichen, prozessual überholten Durchsuchungsmaßnahme ist wegen des mit der Durchsuchung verbundenen Grundrechtseingriffs gegeben (BVerfG, Beschluss vom 05.07.2023 – 2 BvR 370/13, BeckOK StPO/Cirener, § 296, Rn. 12 ff.).

2. Die Beschwerde des Beschuldigten hat auch in der Sache Erfolg.

a) Gegenüber der durch Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 angeordneten Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten standen den Ermittlungsbehörden gleichermaßen geeignete, aber grundrechtsschonendere Maßnahmen zur Verfügung, weshalb die angeordnete Maßnahme gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieß und der Beschluss mithin rechtswidrig war.

Bei der Anordnung einer Durchsuchungsmaßnahme gemäß §§ 102, 105 Abs. 1 Satz 1 StPO muss aufgrund des damit für den Betroffenen einhergehenden intensiven Grundrechtseingriffs dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße Rechnung getragen werden (BVerfG NJW 1966, 1603 (1607)). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet daher, nahe liegende gleichermaßen geeignete grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen der Maßnahme nach § 102 StPO vorzuziehen (BVerfG NStZ-RR 2006, 110). Eine Durchsuchungsmaßnahme muss aus Gründen der Verhältnismäßigkeit daher unterbleiben, wenn der Betroffene die im Beschluss konkret benannten Gegenstände freiwillig und vollständig herauszugeben bereit ist (MüKoStPO/Hauschild, 2. Aufl., § 102, Rn. 31). Gleichermaßen unterbleiben muss eine Durchsuchungsmaßnahme, wenn durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie die Vernehmung von Zeugen oder die Beiziehung von Akten, der Durchsuchungszweck erreicht werden kann (BVerfG BeckRS 2005, 32877; BVerfG NJW 2009, 281 (282); OLG Dresden BeckRS 2008, 7878).

Im Haftprüfungstermin am 16.03.2024 wurde durch den Beschuldigten erklärt, dass er bereit sei, sein Mobiltelefon und die am Tattag getragene Kleidung freiwillig herauszugeben. Diese im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 konkret genannten Gegenstände hätten somit durch freiwillige Übergabe von dem Beschuldigten erlangt werden können, ohne dass es einer polizeilichen Wohnungsdurchsuchung bedurft hätte. Sachliche Erwägungen, weshalb diese weniger einschneidende Maßnahme zurückgestellt wurde, sind nicht erkennbar. Die angeordnete Maßnahme war daher im Hinblick auf die Durchsuchung zum Zwecke des Auffindens des Mobiltelefons und der am Tattag getragenen Kleidung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar.

Gleichermaßen unvereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz war die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten im Hinblick auf die Unterlagen zu der persönlichen Beziehung zwischen dem Beschuldigten und der Zeugin pp. Im Haftprüfungstermin am 16.03.2024 wurde durch den Beschuldigten diesbezüglich erklärt, dass die gesuchten Unterlagen ausschließlich bei der Zeugin pp. aufzufinden seien. In Anbetracht dieser Aussage wäre es zunächst angezeigt gewesen, den konkreten Verbleib der Unterlagen durch Einvernahme der Zeugin pp. zu erforschen bzw. die freiwillige Herausgabe zu erwirken. Weiterhin bestand von Seiten der Ermittlungsbehörde, die hier insbesondere ein Interesse am Auffinden von Unterlagen zu familienrechtlichen Streitigkeiten hatte, die Möglichkeit der Aktenanforderung beim zuständigen Familiengericht. Die Ermittlungsbehörden wären daher angehalten gewesen, sich zu bemühen, zunächst durch weniger einschneidende Maßnahmen an die relevanten Unterlagen zu gelangen und die grundrechtsintensive Maßnahme der Wohnungs-durchsuchung zumindest zurückzustellen, insbesondere auch in Anbetracht des Um-standes, dass den Unterlagen zu der persönlichen Beziehung zwischen dem Beschuldigten und hinsichtlich des Tatverdachts der Vergewaltigung nur ein mittelbarer Beweiswert zukommt.

b) Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 16.03.2024, Az. 273 Gs 1363/24 ist indes nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das allgemeine Willkürverbot rechtswidrig.

Ein Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot liegt nicht bereits bei der zweifelsfrei fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts vor, sondern erfordert, dass eine zweifelsfrei einschlägige Norm nicht angewendet wurde oder deren Inhalt in erheblicher Weise missgedeutet wurde (BeckOK GG/Kischel, Art. 3, Rn. 84).

Wenngleich das Amtsgericht Dresden bei Auslegung und Anwendung des § 102 StPO die Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verkannt hat, wurde in Ermangelung eines Anfangsverdachts wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln ein darauf gerichteter Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich nicht erlassen. Anhaltspunkte dafür, dass der Durchsuchungsbeschluss gleichwohl zur weiteren Erforschung eines etwaigen Betäubungsmitteldelikts erlassen wurde, sind nicht ersichtlich.“

StPO I: Durchsuchungsbeschluss im Kipo-Verfahren, oder: Nachbesserung durch das Beschwerdegericht

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Und dann stelle ich heute StPO-Entscheidungen aus der Instanz vor.

Na ja, nicht ganz/nur aus der Instanz, denn die erste Entscheidung stammt vom VerfGH Sachsen. Der hat im VerfGH Sachsen, Beschl. v. 24.10.2024 – Vf. 24-IV-23 – erneut zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Durchsuchungsanordnung Stellung genommen. Folgender Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Inhalte. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das AG den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Durchsuchungsbeschluss In der Begründung heißt es, der Beschuldigte sei Mitglied einer Gruppe des Messengers „WhatsApp“ gewesen, in der kinderpornographische Inhalte versandt worden seien und habe in der Zeit, in der er Mitglied gewesen sei, Dateien (Bilder und Videos) mit kinder- und jugendpornographischen Inhalten empfangen. Der Beschwerdeführer habe sich aktiv an der Gruppe beteiligt. Dagegen die Beschwerde des Beschuldigten. Das LG hat die  Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass dem Beschwerdeführer der Tatverdacht des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB zur Last liege.

Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg:

„…..

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts und der diesen abändernde Beschluss des Landgerichts gerecht. Der Durchsuchungsbeschluss begegnet in der Gestalt, den er durch den landgerichtlichen Beschluss erhalten hat, in formeller Hinsicht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (aa). Die fachgerichtliche Annahme eines Anfangsverdachts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (bb). Zudem hält die angegriffene Maßnahme einer Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stand (cc).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss in der Gestalt, den er durch die landgerichtliche Entscheidung erhalten hat, beschreibt den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tatvorwurf hinreichend und bezeichnet das zu durchsuchende Objekt und die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so, wie es nach Lage der Dinge geschehen konnte. Die vorgenommene Umschreibung reicht aus, um den mit dem Vollzug des Beschlusses betrauten Beamten aufzuzeigen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten, und damit den Zweck der Durchsuchungsanordnung – die Begrenzung des Zugriffs auf Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung– zu erfüllen (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 20. Oktober 2023 – Vf.56-IV-23 [HS]/Vf. 57-IV-23 [e.A.]; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003 – 2 BvR 180/03 – juris Rn. 2).

bb) In der Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts liegt dem Durchsuchungsbeschluss auch eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung des Anfangsverdachts zugrunde.

Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Für die Annahme eines solchen Anfangsverdachts genügen konkrete, tatsächliche Anhaltspunkte, die es nach den kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat begangen wurde (vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 152 Rn. 35, 38; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 1994 – 2 BvR 1912/93 – juris Rn. 4; Beschluss vom 23. Juli 1982, NStZ 1982, 430). Auch in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die Maßnahme vom Vorliegen eines erhöhten Verdachtsgrads abhängig zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 – juris Rn. 15; Beschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 – juris Rn. 5). Diesen Verdacht hat der für die vorherige Gestattung des behördlichen Eingriffs oder dessen nachträgliche Kontrolle zuständige Richter zu prüfen. Hierzu gehört eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Einzelfall (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14 – juris Rn. 18; Beschluss vom 28. April 2003, BVerfGK 1, 126 [131]). Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des vom Fachgericht angenommenen Anfangsverdachts ist hingegen nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes. Sein Eingreifen ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1188/18 – juris Rn. 43; Beschluss vom 20. November 2019 – 2 BvR 31/19 – juris Rn. 24; Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 BvR 2419/13 – juris Rn. 17).

Es kann dahinstehen, ob die rechtliche Bewertung des Amtsgerichts, der dem Durchsuchungsbeschluss zugrundeliegende Lebenssachverhalt sei als Verbreitung kinderpornographischer Inhalte gemäß § 184b Abs. 1 StGB strafbar, zutreffend war. Jedenfalls ist es nicht objektiv willkürlich, dass das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung diese rechtliche Bewertung abänderte und annahm, es liege ein Anfangsverdacht für ein Sichverschaffen von kinder- und jugendpornographischen Inhalten gemäß § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3 StGB vor. Im Beschwerdeverfahren sind zwar Prüfungsmaßstab und die Heilungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts bei der Überprüfung einer durch Vollzug erledigten Durchsuchung beschränkt, weil dieses keine eigene Entscheidung über die Durchsuchungsanordnung trifft. So können Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 – juris Rn. 29; Beschluss vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03 – juris Rn. 4). Doch kann das Beschwerdegericht Defizite in der Begründung des zugrundeliegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nachbessern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. April 2023 – 2 BvR 2180/20 – juris Rn. 29 m.w.N.). Dies umfasst auch Indiztatsachen, die den Anfangsverdacht belegen, weil diese für Zwecke der Begrenzung der Vollziehung der Maßnahme nicht immer erforderlich sind und folglich im Durchsuchungsbeschluss selbst nicht notwendigerweise genannt werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2003, BVerfGK 1, 126 [131]). Die vom Landgericht für seine abweichende rechtliche Bewertung angeführten tatsächlichen Umstände – das Einstellen derartiger Inhalte in den Gruppenchat und die aktive Beteiligung des Beschwerdeführers an diesem Chat – sind bereits im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts wiedergegeben. Indem das Landgericht den der Verdachtsannahme zugrundliegenden Lebenssachverhalt lediglich einer anderen rechtlichen Würdigung unterzog, hat es die Grenzen der Heilungsmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren nicht überschritten.

Auch in der Sache sind die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der landgerichtlichen Bewertung der Tatsachenbasis ist ein willkürliches Überspannen der Anforderungen an einen Anfangsverdacht, der gerade noch nicht einen die Anklageerhebung rechtfertigenden Verdachtsgrad erreicht haben muss (vgl. Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Aufl., § 152 Rn. 35), nicht festzustellen. Die Annahme des Landgerichts, es liege im Bereich des Möglichen, dass der Beschwerdeführer von den inkriminierten Dateien Kenntnis erlangt und diese gebilligt habe, ist nicht schlechterdings unhaltbar. Rein spekulativen Charakter hat diese Annahme angesichts der aktiven Beteiligung des Beschwerdeführers am Chat, nachdem bereits inkriminierte Dateien geteilt worden waren, nicht.

cc) Die fachgerichtliche Bewertung, die angeordnete Durchsuchung stehe in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat sowie zu der Stärke des Tatverdachts und sei für die Ermittlungen notwendig, widerspricht ebenfalls nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen.“

StPO I: BVerfG nochmals zur „Umgrenzungsfunktion“, oder: Wie oft muss sich das BVerfG dazu noch äußern?

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Und in die 34. KW. geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Zwangsmaßnahmen, und zwar einmal von ganz oben – also BVerfG – und einmal „nur“ von oben, also BGH.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 27.06.2024 – 1 BvR 1194/23. Es geht mal wieder um die nicht ausreichende Umgrenzung eines Durchsuchungsbeschlusses. Folgender Sachverhalt:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Hehlerei. Im November 2022 hatte der Marktleiter eines Baumarkts der Polizei mitgeteilt, dass in letzter Zeit häufiger hochwertige Baumarktartikel gestohlen worden seien. Bei Recherchen im Internet sei er auf einen eBay-Account gestoßen, auf dem u.a. die entwendeten Gegenstände angeboten worden seien. Die Polizei konnte den eBay-Account dem Beschulidgetn zuordnen. In den Wochen vor Einleitung der Ermittlungen waren über diesen Account 69 zum Großteil neuwertige und originalverpackte Baumarktartikel zum Kauf angeboten worden. Eine Liste aller inserierten Artikel wurde zu den Akten genommen.

Am 18.01.2023 ordnete das AG „wegen Hehlerei“ die Durchsuchung der Person, der Wohnung und der sonstigen Räume des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung habe insbesondere den Zweck, als Beweismittel „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ aufzufinden. Die Beschlagnahme dieser Beweismittel wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, über eBay-Kleinanzeigen unter seinem Account „diverse Artikel“ zum Verkauf anzubieten, die zuvor in dem näher benannten Baumarkt entwendet worden seien. Der Tatverdacht beruhe auf den Online-Ermittlungen der Polizei und der Auskunft des Marktleiters des Baumarktes. Nach den bisherigen Ermittlungen sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung seien, führen werde. Es folgte eine kurze Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung.

Die Durchsuchung wurde am 26.01.2023 vollzogen. Der Beschuldigte legte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein, die vom LG verworfen wurde.

Dagegen dann noch die Verfassungsbeschwerde, die Erfolg hatte. Nach dem üblichen „allgemeinen Vorspann“ führt das BVerfG zur Sache aus:

„b) Danach genügt der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts den an seine Umgrenzung zu stellenden Anforderungen nicht. Seine Formulierung ist nicht dazu geeignet, sicherzustellen, dass der Eingriff in das Wohnungsgrundrecht des Beschwerdeführers messbar und kontrollierbar blieb.

Der Durchsuchungsbeschluss benennt die gesuchten Beweismittel für sich genommen nicht hinreichend konkret (aa). Eine hinreichende Umgrenzung der gesuchten Beweismittel kann auch der weitere Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses nicht leisten, weil er keine für eine hinreichende Umgrenzung ausreichend konkreten Angaben zum tatsächlichen oder rechtlichen Tatvorwurf einschließlich der konkreten vorgeworfenen Vortaten (bb) und insbesondere keinerlei Angaben zum Tatzeitraum (cc) enthält; ebenso fehlen für eine hinreichende Umgrenzung ausreichende Angaben zu Indizien, die den Tatvorwurf trügen (dd). Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab (ee). Eine nähere Beschreibung der gesuchten Beweismittel wäre dem Amtsgericht schließlich auch nicht unmöglich oder unzumutbar gewesen (ff).

aa) Der Durchsuchungsbeschluss enthält für sich genommen keine hinreichend konkret umgrenzte Angabe der gesuchten Beweismittel. Diese gibt der Beschluss lediglich mit „entwendete Badarmaturen“ und „sonstige entwendete Baumarktartikel“ an. Dies allein genügt nicht, um dem Beschwerdeführer als Betroffenen und den Ermittlungspersonen präzise aufzuzeigen, wonach gesucht werden sollte. Denn insbesondere die Umschreibung als „sonstige entwendete Baumarktartikel“ ist erheblich zu weit, um die Durchsuchung eines Privathaushalts hinreichend mess- und kontrollierbar zu begrenzen. Umfasst sind ausdrücklich alle Artikel aus dem Sortiment eines Baumarktes. Darunter können eine Vielzahl von Gegenständen in diversen Stückelungen und sehr unterschiedlichen Preiskategorien fallen. Baumärkte verkaufen ein sehr breites und vielfältiges Sortiment. Darüber hinaus lässt die Umschreibung der gesuchten Beweismittel nicht erkennen, ob nur Baumarktartikel gesucht werden, die in einer bestimmten Art und Weise verpackt sind (etwa originalverpackt), einen bestimmten Zustand (etwa neuwertig) aufweisen, einen bestimmten Wert oder eine bestimmte Größe haben oder in einer bestimmten Anzahl aufgefunden werden. Eine solche Umgrenzung wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil zu erwarten ist, dass sich in einem durchschnittlichen Privathaushalt eine Vielzahl von alltäglich genutzten Gegenständen befindet, die im Sortiment eines Baumarktes enthalten sein können und daher von der Beschreibung der gesuchten Beweismittel im Durchsuchungsbeschluss erfasst wären.

bb) Auch die im Durchsuchungsbeschluss enthaltenen Angaben zum Tatvorwurf, dem ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt oder den für eine Hehlerei erforderlichen Vortaten können die Mängel der Umgrenzung nicht hinreichend kompensieren, um Umfang und Tiefe der Durchsuchung mess- und kontrollierbar zu gestalten. Der Durchsuchungsbeschluss erwähnt weder § 259 Abs. 1 StGB, noch wird die dortige Beschreibung des Straftatbestands der Hehlerei wörtlich zitiert oder wenigstens paraphrasiert. Die einzige Erwähnung der „Hehlerei“ findet sich im Rubrum des Durchsuchungsbeschlusses. Darüber hinaus fehlen Angaben über die konkret entwendeten oder zum Verkauf angebotenen Gegenstände, die möglichen Täter, den möglichen Ablauf und die Anzahl etwaiger Vortaten. Statt einer auf Grundlage der vorhandenen Inserate-Liste oder der Zeugenaussage des Marktleiters formulierten Beschreibung der im Baumarkt entwendeten oder vom Account des Beschwerdeführers aus verkauften Gegenstände spricht der Durchsuchungsbeschluss nur von „diverse[n] Artikeln“. Auch der subjektive Tatbestand (Wissen und Wollen des Verkaufens gestohlener Gegenstände) ist nicht im Ansatz beschrieben. Dem konkreten Tatvorwurf im Durchsuchungsbeschluss lässt sich mangels subjektiven Tatbestands weder eine Verwirklichung eines Strafgesetzes noch eine Vollendung der Tat („zum Verkauf anzubieten“) entnehmen.

cc) Eine hinreichende Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen zeitlichen Eingrenzung des Tatvorwurfs, da eine solche fehlt. Die Formulierung des Tatvorwurfs im Präsens mag darauf hindeuten, dass dem Beschwerdeführer eine noch andauernde Handlung vorgeworfen wird. Das hilft aber über die mangelnde Eingrenzung nicht hinweg, weil nicht erkennbar ist, seit wann das vorgeworfene Handeln andauert (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Die vorgeworfenen Taten sind auch keine Dauerdelikte, so dass es auf ihren Beginn nicht ankäme (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 1872/05 -, Rn. 11). Vielmehr werden dem Beschwerdeführer mehrere einzelne, aber nicht weiter konkretisierte Hehlereitaten vorgeworfen. Es ist aus dem Durchsuchungsbeschluss nicht einmal erkennbar, ob die vorgeworfenen Taten möglicherweise bereits verjährt sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 31). Das gilt insbesondere insofern, als die Wertung, ab welchem Zeitpunkt Taten in der Vergangenheit möglicherweise verjährt sind, mangels Angaben dazu, ob dem Beschwerdeführer versuchte oder vollendete Delikte als Täter oder Teilnehmer vorgeworfen werden, für Beschwerdeführer und Ermittlungspersonen auf Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses nicht möglich ist; selbst aus einer angenommenen zeitlichen Beschränkung des Tatvorwurfs auf nichtverjährte Taten könnte sich daher keine mess- und kontrollierbare Begrenzung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 – 2 BvR 2551/12 -, Rn. 25).

dd) Soweit der Durchsuchungsbeschluss einige wenige Indizien (den Namen des verwendeten Accounts, Name und Anschrift des Baumarktes) nennt, können diese hier von vornherein keine mess- und kontrollierbare Umgrenzung der Durchsuchung leisten.

ee) Auch in einer Gesamtschau steckt der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses den äußeren Rahmen der Durchsuchung nicht hinreichend ab. Weder die inhaltliche, zeitliche oder rechtliche Umschreibung des Tatvorwurfs und der Vortaten noch die Benennung der Beweismittel zeigt klar auf, welche Baumarktartikel gesucht werden sollen. Dadurch war es dem Beschwerdeführer auch praktisch nicht möglich, durch die Herausgabe von Gegenständen die Durchsuchung abzuwenden. Denn weder der Beschwerdeführer noch die Ermittlungspersonen hätten abschätzen können, welche Gegenstände der Beschwerdeführer freiwillig herausgeben müsste, um weitere Durchsuchungshandlungen abzuwenden.

ff) Die Anforderungen an eine Umgrenzung der gesuchten Beweismittel waren hier auch nicht deshalb abgesenkt, weil dem Amtsgericht eine nähere Beschreibung nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151>). So gab es zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses zahlreiche Anhaltspunkte in den Akten, deren Aufnahme in den Durchsuchungsbeschluss den äußeren Rahmen der Durchsuchung hätten begrenzen können – ohne dass die Aufnahme dieser einzelnen Punkte für sich genommen verfassungsrechtlich geboten gewesen wäre. Hervorzuheben ist hier insbesondere die praktisch übliche und im Regelfall unerlässliche (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2004 – 2 BvR 2105/03 -, Rn. 11) Nennung des groben Tatzeitraums, die vorliegend eine deutliche Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses ermöglicht hätte. Die hier fehlende zeitliche Eingrenzung ist nicht mit typischerweise fehlenden Details aufgrund des frühen Stadiums der Ermittlungen zu erklären. Vielmehr hatte die Polizei eine konkrete Auflistung von 69 verdächtigen Verkaufsanzeigen mit Erstellungsdatum zur Akte genommen. Auch die Angaben des Marktleiters als Zeugen, dass es „in den vergangenen Wochen vermehrt zu Diebstählen gekommen sei“, machen jedenfalls eine grobe Eingrenzung des Zeitraums sowohl der Vortaten als auch der konkret vorgeworfenen Hehlereitaten möglich. Auch durch eine bloß beispielhafte Nennung einiger der Artikel aus den 69 dokumentierten Inseraten sowie insbesondere durch eine ausdrückliche Beschränkung auf neuwertige oder originalverpackte Ware hätte sich die Durchsuchung bedeutend besser messen und kontrollieren lassen.

c) Der Beschluss des Landgerichts konnte diesen Mangel nicht heilen. Zwar kann das Beschwerdegericht einzelne Inhalte eines Durchsuchungsbeschlusses ergänzen oder bewerten, die zu einer hinreichenden Umgrenzung beitragen können. Das gilt insbesondere für die Begründung der Annahme eines Tatverdachts, wenn die für die Begründung verwendeten Indizien bereits bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses vorlagen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 19 m.w.N.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2010 – 2 BvR 2561/08 -, Rn. 29), oder für Darlegungen zur Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 – 2 BvR 358/03 -, Rn. 18). Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können aber, wenn die Durchsuchung – wie hier – bereits stattgefunden hat, im Beschwerdeverfahren nicht mehr geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>). Auch kann eine Begrenzung der Durchsuchungsmaßnahme, die durch die Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses präventiv erreicht werden soll, durch eine erst nach der Durchführung ergehende Entscheidung nicht mehr herbeigeführt werden (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 29 m.w.N.).

Dies hat das Landgericht verkannt. Die Zurückweisung der Beschwerde verletzt daher den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG (vgl. auch Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Juli 2020 – 2 BvR 1324/15 -, Rn. 30, und vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, Rn. 25, 30).“

Man fragt sich: Wie oft muss sich das BVerfG zu den Fragen denn noch äußern? Das haben wir doch schon alles so oder ähnlich gelesen. Für mich sind solche Entscheidungen von AG eine Unverschämtheit. immerhin geht es um die Unverletztlichkeit der Wohnung. Da wäre ein wenig Sorgfalt und Mühe wohl angebracht.