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StPO I: DNA-Untersuchung nach Speichelprobe, oder: Anforderungen an die Prognoseentscheidung

Zur Wochenmitte dann ein Tag mit StPO-Entscheidugen,

Ich starte mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.07.2023 – 1 Ws 87/23 – zur Frage der Entnahme einer Speichelprobe und deren molekulargenetischer Untersuchung (§ 81g StPO)

Der Angeklagte ist mit Urteil vom 06.12.2022 wegen des sich Verschaffens kinderpornographischer Schriften in 5 Fällen sowie wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden hat, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem die StA den Angeklagten zur Abgabe einer Speichelprobe zum 05.07.2022 geladen hatte und dieser durch seine Rechtsanwältin mit Schriftsatz vom 05. Juli 2022 hat mitteilen lassen, eine solche freiwillig nicht abzugeben, beantragte sie gemäß § 81g StPO bei der Berufungskammer des Landgerichts Potsdam unter dem 23.03 2023 die Anordnung der Entnahme einer Speichelprobe sowie deren molekulargenetische Untersuchung.

Die Strafkammer hat angeordnet, dass dem Beschwerdeführer Körperzellen entnommen und diese zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden dürfen. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die beim OLG Erfolg hatte:

„Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der DNA-Identitätsfeststellung nach § 81g Abs. 1 und 4 StPO liegen nicht vor.

Nach § 81g Abs. 1 und 4 StPO dürfen einem wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtskräftig Verurteilten (Anlasstat) zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftige Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden (Wiederholungsgefahr). Hinzutreten muss, dass das DNA-Identifizierungsmuster einen Aufklärungsansatz für einen Spurenabgleich bezüglich der Straftat von erheblicher Bedeutung bieten muss (BVerfG [Kammer], Beschl. v. 14.12.2000 – 2 BvR 1741/99).

a) Eine vom Gesetz geforderte Anlasstat besteht, da der Beschwerdeführer wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung rechtskräftig verurteilt wurde.

aa) Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat mit Urteil vom 25. April 2012, rechtskräftig seit dem 03. Mai 2012, gegen ihn wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit versuchtem schweren Missbrauch von Kindern und dem sexuellen Missbrauch von Kindern auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde später widerrufen und die Strafe bis zum 23. Januar 2017 verbüßt.

bb) Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat sodann mit Urteil vom 16. Januar 2017, rechtskräftig seit dem 24. Januar 2017, gegen ihn wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in 23 Fällen sowie wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften in 12 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt, die teilweise verbüßt wurde.

cc) Mit Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 06. Dezember 2022 (Az. 21 Ls 1951 Js 16680/20) wurde der Beschwerdeführer – wie eingangs erwähnt – wegen des sich Verschaffens kinderpornographischer Schriften in 5 Fällen sowie wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Urteils, die die Beschwerde nicht in Zweifel zieht, Bezug genommen.

b) Es liegen indes die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 81g Abs. 1 StPO jedenfalls deshalb nicht vor, weil kein ausreichender Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden, bei denen der Täter deliktstypisch Identifizierungsmaterial am Tatort hinterlassen wird.

Bei der Frage, ob Grund zu einer solchen Annahme besteht, handelt es sich um eine Prognosefrage, deren Beantwortung unter Prüfung und Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu erfolgen hat, wobei insbesondere auf die Anlasstat, Vorstrafen, Rückfallgeschwindigkeit, Prägung in Richtung bestimmter Delikte, Motivationslage bei früheren Straftaten, das Verhalten des Betroffenen in einer Bewährungszeit oder nach einem Straferlass sowie frühere und derzeitige Lebensumstände abzustellen ist (vgl. BVerfGE 103, 21; BVerfG 2 BvR 2391/07). Die Prognoseentscheidung muss sich dabei mit den Umständen des Einzelfalls auseinandersetzen. Eine bloß abstrakte Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens genügt für die Anordnung der Maßnahme nach § 81g StPO nicht.

Zwar hat sich der Beschwerdeführer in der Vergangenheit wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit versuchten schweren Missbrauchs von Kindern und sexuellen Missbrauchs von Kindern strafbar gemacht. Der Beschwerdeführer hatte an einem nicht näher zu bestimmenden Tag im Zeitraum 15. Oktober 2009 bis 04. März 2010 seine damals bei ihm wohnende, etwa 12 Jährige Tochter veranlasst, sich auf die Couch im Wohnzimmer der Wohnung zu legen. Dort hatte er ihr die Schlafanzughose ausgezogen, mit seinen Händen an deren Geschlechtsteil manipuliert und versucht, einen Vibrator in die Scheide des Mädchens einzuführen. Da das Kind durch diese Handlung Schmerzen empfunden und begonnen hatte, Abwehrhandlungen zu tätigen, hatte der Beschwerdeführer von dem weiteren Vorhaben abgelassen, wonach das Kind das Wohnzimmer verlassen hatte.

Diese Tat, die einmalig war und ihrer Schwere nach wohl eher im unteren Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern einzustufen sein wird, liegt inzwischen bereits mehr als 13 Jahre zurück. Zudem hat der Angeklagte diese Tat im familiären Kontext begangen, welcher durch das Heranwachsen seiner Tochter so nicht mehr besteht.

Auch ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen inzwischen bereits mehr als 2 ½ Jahre an einer Sexualtherapie teilnimmt, in der ihm Vermeidungsstrategien vermittelt werden, er Medikamente zur Dämmung seines Sexualtriebes einnimmt und gegenüber seiner Familie offen mit seiner sexuellen Neigung umgeht. Diese halte zu ihm und unterstütze ihn bei der Therapie.

Unter Gesamtwürdigung dieser Umstände ist dem Beschwerdeführer jedenfalls hinsichtlich möglicher Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit Körperkontakt eine positive Kriminalprognose zu stellen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer wiederholt wegen in § 184b StGB genannten Straftaten verurteilt werden musste.

Anzeichen dafür, dass der Beschwerdeführer seine Neigungen künftig auch durch Körperkontakt mit Kindern ausleben könnte und somit auch Strafverfahren wegen sog. „Hands-on-Delikte“ im Bereich der Sexualstraftaten geführt werden könnten, bestehen in Ansehung der beim Beschwerdeführer zu verzeichnenden abnehmenden Deliktschwere und der o.g. Umstände gegenwärtig nicht (vgl. LG Dresden, Beschluss vom 6. Dezember 2022 – 15 Qs 63/22).

Es fehlt mithin an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Beschwerdeführer künftig Straftaten von erheblichem Gewicht begehen wird, bei denen er DNA-Material hinterlassen wird. Das dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 06. Dezember 2022 keine positive Sozialprognose gestellt wurde, da die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, spricht nicht dagegen. Zum einen liegen die letzten vom Beschwerdeführer begangenen Taten zwischenzeitlich 2 ¾ Jahre zurück, zum anderen ist das Urteil mit der Berufung angefochten und es ergeben sich aus ihm keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die vom Amtsgericht gestellte Prognose auch auf Delikte bezieht, bei denen DNA-Material hinterlassen wird.“

 

Durchsuchung I: Das verfassungsrechtliche 1 x 1, oder: So bekämpft man „Clankriminalität“ nicht

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Den Monat Mai beschließe ich dann mit einem EV-Tag, also mit Entscheidungen aus dem Ermittlungsverfahren, und zwar zur Durchsuchung.

Ich beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 19.04.2023 – 2 BvR 2180/20. In ihm hat das BVerfG noch einmal/schon wieder zu den Voraussetzungen für die Anorndung einer Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen/nehmen müssen. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten (Alias-Name: M)  wegen des Verdachts der Geldwäsche und weiterer Delikte. Dieses Ermittlungsverfahren stand im Zusammenhang mit einem weiteren Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten K. wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs. K. soll im Rahmen seiner Tätigkeit als Pkw-Händler in zahlreichen Fällen dabei mitgewirkt haben, dass unter anderem gegenüber Versicherungen und Banken falsche Angaben für die Finanzierung hochpreisiger Fahrzeuge gemacht wurden, sodass er sich infolgedessen an den ausgezahlten Summen zu Unrecht bereichert haben soll. Aus den Ermittlungen ging hervor, dass K. und die genutzten Fahrzeuge Verbindungen ins kriminelle Milieu pp). aufweisen, darunter auch zum Beschuldigten. Der Beschuldigte soll einem örtlichen M.-Clan angehören und in zahlreiche polizeilich erfasste Vorgänge verwickelt sein, darunter in Ermittlungen wegen Verdachts des Kokainhandels, wegen Delikten aus dem Bereich der Gewaltkriminalität und wegen Verdachts des Landfriedensbruchs. Soweit es den Beschuldigten angeht, betrifft die ihm angelastete Tatbeteiligung nur einen Teil der gegen K. erhobenen Vorwürfe. Diese stehen in Zusammenhang der Tätigkeit des K. als Geschäftsführer zweier Unternehmen, welche den Betrieb einer Lounge (im Folgenden: A. UG) und eines Handels für Kraftsportartikel (im Folgenden: B. UG) zum Gegenstand hatten.

Mit Beschluss vom 06.08.2020 hat das AG u.a. die Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten angeordnet. Die Durchsuchung diente dem Zweck, Hinweise „auf die Nutzung und Beschaffung der Aliaspersonalie N.“, auf „Aufwendungen im Zusammenhang mit der A. UG sowie der B. UG“ sowie die Herkunft dieser Mittel, auf etwaige Absprachen zwischen den Beteiligten, sowie Dokumente, Mobiltelefone, Datenträger, Computer und sonstige Speichermedien aufzufinden. In Bezug auf diese Beweismittel ordnete das Gericht die Beschlagnahme an. Die Durchsuchung wurde am 12.08.2020 vollzogen. Die gegen die Durchsuchungsmaßnahme eingelegte Beschwerde hat das LG als unbegründet verworfen. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG als weitgehend begründet angesehen:

„b) Eine Wohnungsdurchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche setzt nicht nur voraus, dass ein Anfangsverdacht für die Geldwäschehandlung, sondern gemäß der damals geltenden Fassung des Gesetzes auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer bestimmten Katalogtat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. vorliegt. Dass eine Vortat aus dem Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. begangen wurde, war ein wesentliches Merkmal der Strafbarkeit der Geldwäsche (vgl. BVerfGK 8, 349 <353>). Nicht ausreichend für die Annahme eines Anfangsverdachts ist es demnach, wenn keine über bloße Vermutungen hinausgehenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Vortat bestehen. Auch Anhaltspunkte für die Annahme, das betroffene Geld oder der betroffene Vermögensgegenstand rührte aus irgendeiner Straftat her, genügen nicht, um Strafverfolgungsmaßnahmen auszulösen. Insofern ist die mögliche Katalogtat zu konkretisieren, auch wenn nicht erforderlich ist, dass die Geldwäschevortat bereits in ihren Einzelheiten bekannt ist. Das Stadium des Anfangsverdachts zeichnet sich gerade dadurch aus, dass weitere Ermittlungen gegebenenfalls in Form von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen nötig sind, weil die Tat in ihren Einzelheiten noch nicht aufgeklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Januar 2020 – 2 BvR 2992/14 -, Rn. 40 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Mai 2020 – 2 BvQ 26/20 -, Rn. 32; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. März 2021 – 2 BvR 1746/18 -, Rn. 56 ff.).

c) Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entsprechend behält Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Betroffene wird auf diese Weise zugleich in den Stand versetzt, die Durchsuchung zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151 f.>). In dem Beschluss muss zum Ausdruck kommen, dass der Ermittlungsrichter die Eingriffsvoraussetzungen selbstständig und eigenverantwortlich geprüft hat (vgl. BVerfGE 103, 142 <151 f.>). Dazu ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen benannt werden (vgl. BVerfGK 8, 349 <353>; 9, 149 <153>; 18, 414 <418>; 19, 148 <153>).

Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen (vgl. BVerfGK 5, 84 <88>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2018 – 2 BvR 1260/16 -, juris, Rn. 29). Defizite in der Begründung des zugrundeliegenden Tatverdachts und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme können hingegen im Beschwerdeverfahren nachgebessert werden (vgl. BVerfGE 115, 166 <197>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 5).

2. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen sind mit den aufgeführten verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht vereinbar.

a) Soweit die Fachgerichte den Durchsuchungsbeschluss auf den Tatverdacht einer Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 StGB a.F. gestützt haben, reichen die zugrundeliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht über vage Anknüpfungen und bloße Vermutungen hinaus.

aa) Der Beschluss des Amtsgerichts enthält kaum aussagekräftige Ausführungen zur Herkunft der verschleierten Vermögenswerte, was auch das Landgericht in der Beschwerdeentscheidung erkannt hat. Der Durchsuchungsbeschluss deutet lediglich an, dass der Verdacht einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO bestehen konnte. Nähere Anhaltspunkte zu den betroffenen Steuerarten, dem Veranlagungszeitraum und den pflichtwidrig unterlassenen oder falsch abgegebenen Steuererklärungen oder Voranmeldungen hat das Amtsgericht nicht geschildert. Die Ausführungen des Amtsgerichts waren daher für die Verdachtsannahme einer Steuerhinterziehung als Geldwäschevortat (vgl. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Buchstabe b StGB a.F.) nicht tragfähig (vgl. BVerfGK 8, 349 <354>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. April 2004 – 2 BvR 2043/03, 2 BvR 2104/03 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 – 2 BvR 2551/12 -, Rn. 22 ff.).

bb) Soweit das Landgericht zum Verdacht einer Geldwäschevortat ergänzend ausgeführt und unter anderem auf „Gewaltkriminalität“ verwiesen hat, handelt es sich dabei ebenfalls um eine nicht hinreichend konkretisierte Verdachtsannahme. Welche vom Katalog des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. erfassten Straftatbestände mit diesem Begriff gemeint sein sollen, bleibt völlig offen.

cc) Zureichende Anhaltspunkte für die Verdachtsannahme eines Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als Geldwäschevortat gemäß § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB a.F. in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG sind nicht ersichtlich. Den polizeilichen Ermittlungen zum Hintergrund des Beschwerdeführers ist lediglich zu entnehmen, dass gegen diesen zahlreiche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln geführt wurden. Die Ermittlungsakte teilt jedoch nicht mit, welche Anhaltspunkte dafür ausschlaggebend waren, dass die Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Den pauschalen Angaben kann nicht entnommen werden, ob die vermuteten Betäubungsmitteldelikte überhaupt im Zusammenhang mit den hier interessierenden, nicht nachvollziehbaren Transaktionen um die A. UG und die B. UG standen. Ob die erwähnten Ermittlungsverfahren bereits abgeschlossen oder zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung des Durchsuchungsbeschlusses noch angedauert haben, bleibt ebenfalls im Dunkeln. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer sich an etwaigen Betäubungsmitteldelikten beteiligt und die Erlöse aus diesen Taten dem Vermögen der A. UG und der B. UG zugeführt haben soll, erschöpft sich insofern in einer nicht näher begründeten Vermutung. Ob die Fachgerichte – etwa durch entsprechende Nachfrage bei den Ermittlungsbehörden – konkretere Erkenntnisse hätten erlangen können, spielt dabei keine Rolle. Denn maßgeblich für die verfassungsgerichtliche Prüfung sind allein die objektiv dokumentierten Erkenntnisse in der Ermittlungsakte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer öffentlich als führendes Mitglied eines Familienclans auftritt – nicht zuletzt ersichtlich an der Nutzung eines Aliasnamens, der die Familienzugehörigkeit eindeutig klarstellen soll – und sich offenbar mit den kriminellen Tätigkeiten des Clans identifiziert, kann für sich genommen eine Verdachtsannahme nicht tragfähig begründen.

b) Die Durchsuchungsanordnung wird auch den Anforderungen an die Begrenzungsfunktion nicht gerecht.

aa) Im Hinblick auf den Tatvorwurf der Geldwäsche beschreibt der Beschluss im Kern den Vorwurf, dass der Beschwerdeführer Vermögenswerte in die bezeichneten Unternehmen eingebracht und verschleiert haben soll, die ihrerseits aus mutmaßlich kriminellen Handlungen herrühren. Als Vortat wird lediglich eine etwaige Steuerhinterziehung angedeutet. Die vom Landgericht erwähnte „Gewaltkriminalität“ und das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln findet in dem amtsgerichtlichen Beschluss keine Erwähnung. Für die Mess- und Kontrollierbarkeit der Vollziehung der Durchsuchung macht es dabei einen entscheidenden Unterschied, worauf sich der Verdacht des Herrührens der verschleierten Vermögenswerte konkret bezieht. Die Angabe der Geldwäschevortat wäre insofern für die mit dem Vollzug der Durchsuchungsanordnung betrauten Beamten ein wesentlicher Anhaltspunkt gewesen, nach welchen konkreten Beweismitteln zu suchen ist. Ohne eine nähere Angabe und Eingrenzung der in Betracht kommenden Geldwäschevortaten bestand die Gefahr einer uferlosen Ausforschung des Beschwerdeführers.

bb) Im Hinblick auf den Tatverdacht einer mittelbaren Falschbeurkundung und einer Urkundenfälschung hat das Amtsgericht zwar ein Verhalten erwähnt, welches die Verwirklichung der benannten Straftatbestände andeutet. Eine solch pauschale und vage Darstellung des Tatvorwurfs genügt den verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an die Begrenzung einer Durchsuchungsanordnung jedoch nicht. So enthält der Beschluss keine Umschreibung wesentlicher tatbestandlicher Voraussetzungen der erwähnten Straftatbestände. In Bezug auf den Tatverdacht einer Urkundenfälschung fehlt es an einer für den Tatbestand des § 267 Abs. 1 StGB geforderten Schilderung, welches konkrete Dokument im vorliegenden Fall unecht oder verfälscht gewesen und worin die konkrete Tathandlung des Beschwerdeführers zu sehen sein soll. Der im Raum stehende Verdacht, dass falsche Ausweisdokumente verwendet worden sein sollen, findet im amtsgerichtlichen Beschluss keine Erwähnung. Was den Tatvorwurf einer mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 Abs. 1 StGB betrifft, enthält der amtsgerichtliche Beschluss keinerlei Ausführungen dazu, welche Urkunde, welches Buch oder welches Register betroffen gewesen ist und welche konkrete Tathandlung des Beschwerdeführers die falsche Beurkundung bewirkt haben soll. Die aufgeführten Mängel führen dazu, dass die Durchsuchungsanordnung insoweit nicht mehr mess- und kontrollierbar ist.“

Der Beschluss enthält keine neuen Aussagen des BVerfG zu den Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung. Das hat man alles schon einmal/mehrmals gelesen.Das ist das 1 x 1 der Durchsuchung.

Man fragt sich allerdings, warum hier das AG und auch das LG diese Vorgaben des BVerfG nicht umgesetzt und bei Erlass der Durchsuchungsmaßnahme beachtet haben, mal wieder. Hier hat man den Eindruck, dass offenbar die (vermutete) Zugehörigkeit des Beschuldigten zu einem Clan der (wahre) Grund für die Durchsuchungsmaßnahme gewesen ist. Das reicht aber nun mal nicht aus. Das BVerfG will mehr als nur vage Vermutungen lesen, nämlich konkrete Anhaltspunkte. Die Mühe, diese zu finden und aufzulisten, müssen sich die Ermittlungsbehörden schon machen, wenn man die „Clankriminalität“ – was man sich ja auf die Fahnen geschrieben hat – erfolgreich bekämpfen will. Wenn man es nicht beachtet, erhält man eben eine verfassungsgerichtliche Klatsche und landet dann – so wie hier – in der Presse (vgl. z.B. hier  der Beitrag aus dem Focus). Kein Ruhmesblatt.

Durchsuchung I: Anforderungen an Durchsuchungsanordnung, oder: Konkreter Verdacht reicht

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In die 36. KW. starte ich mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung.

Die erste kommt von „ganz oben“, nämlich vom BGH. Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. . 26.06.2019 – StB 10/19. Ergangen ist er in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Der BGH hat die vom Ermittlungsrichter des BGH angeordnete Durchsuchung als rechtmäßig angesehen:

„1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) waren im Zeitpunkt, in dem der Beschluss erlassen wurde, gegeben. Hierzu gilt:

a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 – 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443; BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08, NStZ-RR 2009, 142, 143; vom 12. August 2015 – StB 8/15, NStZ 2016, 370 f.). Ein solcher ausreichend konkreter Verdacht kann auch dann allein durch die Angaben eines Zeugen begründet werden, wenn weitere Ermittlungen den Tatverdacht weder erhärten noch entkräften konnten, zumal die Durchsuchung in einem frühen Stadium eines Ermittlungsverfahrens gerade auch dazu dienen kann, die Qualität der Angaben eines Zeugen zu überprüfen und neben der Belastung auch zur Entlastung des Beschuldigten beitragen kann.

b) Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Insbesondere konnte der Tatverdacht auf die Angaben des Anzeigeerstatters gestützt werden. Im Einzelnen:

aa) Der Zeuge F. hat sich eigeninitiativ am 21. November 2017 an die Verfassungsschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und mitgeteilt, im Laufe des Oktober 2017 den Betroffenen zufällig in Fr. auf einem Stadtfest getroffen zu haben, bei dem dieser geäußert habe, er wolle ein Gewehr erwerben, mit dem man auch nachts weit schießen könne, denn er wolle Politiker liquidieren. Insbesondere habe der Betroffene, um ein starkes Zeichen zu setzen, einen Anschlag auf den Bundespräsidenten und dessen Familie ins Auge gefasst. Er habe eine ausländerfeindliche Gesinnung und eine Affinität zum Nationalsozialismus. Der Betroffene wisse, dass der Anzeigeerstatter nebenberuflich als Büchsenmacher tätig und als solcher in der Lage sei, Scharfschützengewehre zu bauen. Auf den Hinweis, die Herstellung der von dem Betroffenen gewünschten Waffe verursache Kosten in Höhe von ca. 25.000 €, habe dieser erwidert, er zähle zu seinem Umfeld Personen, die ein solches „Projekt“ finanziell unterstützen würden, Geld spiele daher keine Rolle. In seinen polizeilichen Vernehmungen vom 22. November 2017 und 1. Dezember 2017 hat der Anzeigeerstatter den Kern seiner Angaben wiederholt und ergänzend ausgeführt, zu dem zufälligen Zusammentreffen mit ihm sei es anlässlich eines Festes, das er zusammen mit seiner Freundin besucht habe, unweit der Wohnung des Betroffenen gekommen. Als „Gegenleistung“ für seine Informationen hat der Zeuge u.a. die Einstellung eines gegen ihn wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Waffengesetz geführten Strafverfahrens verlangt.

Nachdem die Lebensgefährtin des Anzeigeerstatters in ihrer Vernehmung vom 11. Dezember 2017 einen gemeinsamen Aufenthalt in Fr. anlässlich eines Volksfestes in Abrede gestellt, aber einen Cafe-Besuch im Oktober 2017 erinnert hatte, hat der Zeuge den Ermittlungsbehörden noch am selben Tag schriftlich sinngemäß mitgeteilt, es sei möglich, dass das Gespräch mit dem Betroffenen bereits am 24. September 2017 stattgefunden habe. An diesem Tag habe er sich mit seiner Freundin in Fr. zum Kaffeetrinken getroffen. Zur Bestätigung hat der Anzeigeerstatter einen Auszug aus der über den Messengerdienst „WhatsApp“ mit seiner Partnerin geführten Kommunikation vom 24. September 2017 vorgelegt.

Die weiteren verdeckt durchgeführten Ermittlungen (Erhebung retrograder Verkehrsdaten nach § 100g StPO, Telefonüberwachungsmaßnahmen, Observationsmaßnahmen) haben keinen Beweis für das durch den Zeugen behauptete Vorhaben des Betroffenen ergeben, dieses jedoch auch nicht widerlegt. Das in der Anzeigeerstattung geschilderte Randgeschehen ist indes zumindest teilweise bestätigt worden. So ergibt sich aus den durch den Zeugen F. übergebenen Protokollen seines Chatverkehrs mit dem Betroffenen, des- sen Profilinformationen bei „WhatsApp“ und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen seine ausländerfeindliche Gesinnung. Zudem haben die Ermittlungen des Generalbundesanwalts ergeben, dass der Anzeigeerstatter, der zeitweise als Büchsenmacher tätig war, aufgrund seiner Kenntnisse und Geschäftsbeziehungen in der Lage gewesen wäre, die durch den Betroffenen angefragte Waffe nebst Zubehör zu beschaffen und entsprechend etwaigen Kundenwünschen zu modifizieren.

Bei dieser Beweislage bestand mit Blick auf das zu Tage getretene Eigeninteresse des Zeugen an der Anzeigeerstattung, dessen Aussageverhalten und dem im Kerngeschehen detailarmen Inhalt seiner Angaben zwar Anlass dafür, die Glaubhaftigkeit der Aussage kritisch zu hinterfragen. Indes handelte es sich gerade vor dem Hintergrund, dass zumindest das mitgeteilte Randgeschehen in den weiteren Ermittlungen Bestätigung fand, nicht um eine augenscheinliche Falschbelastung, so dass Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Anzeigeerstatters nicht dazu führten, dass ihnen keinerlei Beweiswert mehr zukam. Eine weitergehende individuelle Glaubhaftigkeitsanalyse war in diesem Stadium des Verfahrens zudem weder rechtlich geboten noch tatsächlich möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2018 – StB 43-44/18, juris Rn. 33; vom 22. Februar 2018 – StB 29/17, juris Rn. 28). Die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme, die gerade auch dazu diente, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen zu verifizieren, konnte daher auf die Aussage des Anzeigeerstatters gestützt werden.

bb) Unter Zugrundelegung der Angaben des Zeugen F. lagen auch noch zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Betroffene mit weiteren noch unbekannten Personen zu einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zusammenschloss, um Tötungsdelikte zu begehen und sich später an dieser mitgliedschaftlich beteiligte. Angesichts des von dem Anzeigeerstatter bekundeten Unvermögens des Betroffenen, mit der bestellten Waffe selbst umzugehen, und seines Hinweises auf Personen, die den Kauf der Waffe finanzieren würden, lag jedenfalls ein Anfangsverdacht für das Bestehen eines auf Dauer angelegten, organisierten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen vor, der mit der beabsichtigten Ermordung des Bundespräsidenten und gegebenenfalls weiterer Politiker, womit ein politisches Fanal gesetzt werden sollte, ein übergeordnetes Ziel verfolgte und darauf ausgerichtet war, Straftaten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu begehen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden, ausführlichen Erwägungen des angefochtenen Beschlusses vom 13. Dezember 2017 Bezug genommen.

2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Durchsuchungsanordnung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Gegenüber der Durchsuchung stand auch kein gleichwirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 2 BvR 9/10, NJW 2014, 2265 Rn. 17 mwN). Dem Betroffenen lag der Verdacht eines Verbrechens der Gründung und mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) zur Last. Der gegen ihn gerichtete Tatverdacht ergab sich nicht lediglich aus vagen Indizien, sondern der Aussage eines über die strafrechtlichen Konsequenzen einer falschen Verdächtigung belehrten Zeugen. Der Wahrheitsgehalt dieser Zeugenaussage war zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Entscheidung durch die weiteren Ermittlungen weder bestätigt noch widerlegt. Auch unter Berücksichtigung des mit der Anordnung der Durchsuchung regelmäßig verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die durch das Grundrecht aus Art. 13 GG geschützte Lebenssphäre des Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. November 1981 – 2 BvR 1118/80, BVerfGE 59, 95, 97; vom 13. Mai 2014 – 2 BvR 9/10, NJW 2014, 2265 Rn. 16/17) ist die Verhältnismäßigkeit der Anordnung nicht zweifelhaft.2

Mir geht es ein wenig weit, was der BGH da ausführt. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG darf die Durchsuchung gerade nicht zur Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdacht führen (vgl. die Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 1588), sondern sie setzt den Tatverdacht bereits voraus. Das hilft m.E. auch nicht, wenn der BGH ausführt, die Durchsuchung könne gerade auch dazu dienen, die Qualität der Angaben eine Zeugen zu überprüfen und neben der Belastung auch zur Entlastung des Beschuldigten beitragen.

DNA-Feststellung, oder: Zur Negativprognose muss man was schreiben

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Und als Entscheidung des Tages – als zweites Posting – dann der LG Hannover, Beschl. v. 12.06.2019 – 33 Qs 38/19– zur sog. DNA-Feststellung. Um den bzw. um die Art der Einstellung hatte es in der vergangenen Woche in der FB-Gruppe „Strafverteidiger“ Aufruhr gegeben, weil ein Kollege die Präsentation der Entscheidung durch den Kollegen Nordmann aus Hannover, der den Beschluss eingestellt hatte, nicht „schön“ genug = lesbar fand.

Hier daher dann der Beschluss, den nun hoffentlich alle lesen können 🙂 :

Zum Hintergrund der Entscheidung: Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Beschuldigten sowie einen Mittäter Anklage wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor dem Amtsgericht Hannover — Schöffengericht — erhoben. Da der Beschuldigte der Entnahme einer DNA-Probe nicht zugestimmt hatte, hat die Staatsanwaltschaft beantragt, die Entnahme einer Speichelprobe sowie deren molekular-genetische Untersuchung gemäß §§ 81g, 81a StPO anzuordnen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG Hannover gemäß §§ 81a Abs. 1, Abs. 2, 81g Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 StPO und § 8 Abs. 6 BKAG angeordnet, dass dem Betroffenen Körperzellen entnommen und zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden dürfen.

Dagegen hat der Beschuldigte Beschwerde eingelegt, die beim LG Erfolg hatte:

„Der nach § 81g Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StPO erforderliche Tatverdacht liegt vor. Die An-ordnung einer DNA-Identitätsfeststellung setzt lediglich voraus, dass der Betroffene einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, wobei es auf den Verdachtsgrad nicht ankommt, so dass auch einfacher Tatverdacht (Anfangsverdacht) ausreicht. Diese Verdachtslage muss zum Zeitpunkt der Anordnung der Entnahme und der Untersuchungsanordnung nach § 81f bestehen (KK-StPO/Hadamitzky, 8. Aufl. 2019, StPO § 81g Rn. 4a, 5).

Es fehlt jedoch an der erforderlichen Negativprognose, wonach wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder auf Grund sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme bestehen muss, dass gegen ihn künftig erneut ein (oder mehrere) Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung, wegen Verbrechen oder Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder wegen mehrerer sonstiger Straftaten im Sinne von Abs. 1 S. 2 zu führen sind. Für die Begründung der für die Anordnung erforderlichen Wiederholungsgefahr reicht es nicht aus, dass der angefochtene Beschluss insoweit allein auf die Schwere der begangenen Straftat verweist, die auf „ein hohes Maß an krimineller Energie“ hindeute. Auf den konkreten Einzelfall bezogene Umstände zu Art und Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstige Erkenntnisse, die die Annahme der Gefahr von erheblichen Straftaten des Betroffenen in der Zukunft tragen könnten und durch das Gericht festzustellen sind (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 62 Auflage, § 81g Rn. 10a), werden nicht mitgeteilt. Solche sind derzeit auch nicht ersichtlich, insbesondere ist der Beschuldigte nicht vorbestraft. Insofern reicht allein das Vorliegen einer bloß abstrakten Wahrscheinlichkeit eines künftigen Strafverfahrens – insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch die Anordnung in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen wird – für die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g Abs. 1 StPO nicht aus. Eine andere Entscheidung könnte sich daher erst nach Abschluss des Strafverfahrens ergeben.“

M.E. Munition gegen den Anordnungsautomatismus, der vielfach gegeben ist.

Einziehung III: Arrest in das gesamte Vermögen, oder: Verhältnismäßigkeit

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Schon etwas länger schlummert in meinem Blogordner der OLG Bamberg, Beschl. v. 19.03.2018 – 1 Ws 111/18, den mir die Kollegin Waterstradt aus Aschaffenburg geschickt hat. Heute passt die Entscheidung ganz gut. Es geht zwar zunächst noch nicht um Einziehung, aber um die Verhältnismäßigkeit eines Arrestes in das gesamte Vermögen eines Beschuldigten. Dazu das OLG:

„Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NStZ 2006, 639, beck-online; noch auf der Grundlage des früheren Rechtszustands, aber wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung für das unverändert gebliebene grundrechtliche Spannungsverhältnis zwischen staatlichem Eingriff und bürgerlichen Grundrechten weiterhin zutreffend) ist der Vermögensarrest als staatlicher Zugriff auf das Vermögen am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen. Er erlaubt zwar nicht die endgültige Entziehung des Eigentums, beschränkt aber die Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten in einschneidender Weise. An seine Zumutbarkeit und an das Verfahren seiner Anordnung sind besondere Anforderungen zu stellen. Zu berücksichtigen ist, dass das möglicherweise strafbar erlangte Vermögen oder sein Wertersatz zu einem Zeit-punkt sichergestellt wird, in dem lediglich ein Tatverdacht besteht und noch nicht über die Straf-barkeit entschieden worden ist. Das Eigentumsgrundrecht verlangt in diesen Fällen eine Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit der Eigentumsposition des Betroffenen.

Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt eine Wechselbeziehung zwischen dem Gewicht des Eingriffs und den Anforderungen an seine Anordnung. Je intensiver der Staat mit Sicherungsmaßnahmen in den vermögensrechtlichen Freiheitsbereich eingreift, desto höher sind die Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs. Wird durch die Sicherungsmaßnahme nahezu das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Betroffenen entzogen, so fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine besonders sorgfältige Prüfung und eine eingehende Darlegung der maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Anordnung.

Der Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG wird bei der Arrestanordnung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren durch die Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens gesichert. Zur Gewährleistung des Eigentumsrechts sieht die Strafprozessordnung einen grundsätzlichen Richtervorbehalt vor (§ 111j StPO). Nicht nur die entsprechenden Normen des Prozessrechts, sondern auch der Schutz des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG verlangen vom Ermittlungsrichter und dem Rechtsmittelgericht, dass sie die tatsächlichen Grundlagen einer Arrestanordnung selbst ermitteln und ihre rechtliche Auffassung unabhängig von der Exekutive gewinnen und begründen. Eine Bindung der Gerichte an die im Verfahren der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen wird dadurch ausgeschlossen. Vielmehr müssen die eigene richterliche Prüfung der Voraussetzungen des Eingriffs und die umfassende Abwägung zur Feststellung seiner Angemessenheit mit auf den Einzelfall bezogenen Ausführungen dargelegt werden. Schematisch vorgenommene Anordnungen oder formelhafte Bemerkungen in den Beschlussgründen vertragen sich mit dieser Aufgabe nicht. Wird im Wege vorläufiger Sicherungsmaßnahmen das gesamte oder nahezu das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Betroffenen entzogen, fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht lediglich eine Vermutung hinsichtlich der Höhe erlangten Vermögens, vielmehr bedarf dies einer besonders sorgfältigen Prüfung und einer eingehenden Darlegung der dabei maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen in der Anordnung, damit der Betroffene dagegen Rechtsschutz suchen kann.

Angesichts der Höhe des Arrestbetrags und der sonst bekannt gewordenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten ist davon auszugehen, dass hier der Arrest das gesamte derzeitige Vermögen des Beschuldigten umfasst. Praktisch sieht es so aus, dass der Beschuldigte als einzigen bedeutsamen Vermögensgegenstand die Ansprüche aus seinem Arbeitsverhältnis hat, die in Vollzug des Arrests gepfändet wurden und den Beschuldigten somit auf den pfändungsfreien Teil seines Arbeitseinkommens zurückfallen lassen.

Den hieraus erwachsenden Anforderungen, so wie sie vorstehend dargestellt sind, wird die angefochtene Entscheidung in Verbindung mit der vorangegangenen amtsgerichtlichen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung gerecht. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die hier vorgenommene Schadensberechnung jedenfalls im gegenwärtigen Ermittlungsstadium hinreichend konkret und realistisch ist, weil sie auf konkreten Aussagen von Zeugen beruht, die mit den Vor-gängen, die der Berechnung zugrunde liegen,, unmittelbar befasst waren, und darüber hinaus keine Bedenken gegen deren Glaubwürdigkeit ersichtlich sind….“