Schlagwort-Archive: OLG Brandenburg

Abtrennung eines Verfahrens/zeitgleiche Einstellung, oder: HV-Terminsgebühr im abgetrennten Verfahren?

Bild von Alexa auf Pixabay

Im zweiten Posting dann etwas aus dem Strafverfahren, nämlich den OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.05.2025 – 2 Ws 71/25 – zum Anfall der/einer Terminsgebühr nach Abtrennung eines Verfahrens.

Ein Pflichtverteidiger hatte die Festsetzung einer Terminsgebühr für ein Verfahren beantragt, das in einer Hauptverhandlung durch Abtrennung entstanden und sofort nach § 154 Abs. 1 und 2 StPO eingestellt worden war. Die Hauptverhandlung in dem Ursprungsverfahren hat vor einer großen Strafkammer vom 05.04.2024 und bis zum 11.06.2024 stattgefunden. Im Hauptverhandlungstermin am 15.05.2024 beantragte die StA die teilweise Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 und 2 StPO. Nachdem der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatten, hat die Strafkammer während einer Verhandlungsunterbrechung beschlossen, das Verfahren bezüglich einer Tat der Anklage abzutrennen und zugleich gemäß § 154 Abs. 1 und 2 StPO im Hinblick auf die verbliebenen Anklagevorwürfe einzustellen. Dieser Beschluss wurde sodann in der fortgeführten Hauptverhandlung verkündet.

Nach Verurteilung des Angeklagten wegen der restlichen Tatvorwürfe hat der Pflichtverteidiger u.a. die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung für das abgetrennte und eingestellte Verfahren beantragt. Dabei machte er eine Terminsgebühr nach Nr. 4114 VV RVG sowie eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG Umsatzsteuer geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Festsetzung dieser Vergütung insgesamt zurück gewiesen. Durch Abtrennung des Verfahrens mit gleichzeitiger Einstellung sei keine Hauptverhandlung erspart worden, so dass der Gebührentatbestand der Nr. 4141 VV RVG nicht greife. Da eine gesonderte Hauptverhandlung nicht stattgefunden habe, sei auch eine Terminsgebühr nicht entstanden.

Gegen den Festsetzungsbeschluss richtete sich die Erinnerung des Pflichtverteidigers. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat dann der Erinnerung nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin bei dem LG teilweise abgeholfen und die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG antragsgemäß festgesetzt. Die Erinnerung im Übrigen ist durch den Einzelrichter zurückgewiesen worden, weil nach der Abtrennung des Verfahrens in dieser Sache eine Hauptverhandlung nicht mehr stattgefunden habe. Dagegen richtet die Beschwerde, die beim OLG keinen Erfolg hatte:

„Der Verteidiger kann in dem abgetrennten und sodann unmittelbar anschließend (zugleich) eingestellten Verfahren keine Terminsgebühr nach Nr. 4114 VV RVG beanspruchen.

Mit zutreffender Begründung, auf die zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist dem Beschwerdeführer mit der angefochtenen Entscheidung die beantragte Terminsgebühr nach Nr. 4114 VV RVG für das abgetrennte und gemäß § 154 Abs. 1 und 2 StPO eingestellte Verfahren versagt worden. Die einzige Handlung bzw. Entscheidung der Kammer hat sich nach Abtrennung der Verfahren in der zeitgleich im selben Beschluss tenorierten Einstellung nach § 154 Abs. 1 und 2 StPO in einer Verhandlungspause erschöpft, die weder eine Mitwirkung noch die Anwesenheit der übrigen Verfahrensbeteiligten erforderte und bei der es auch keine Mitwirkung der übrigen Verfahrensbeteiligten gab, so dass keine neben der bereits im führenden Verfahren entstandenen Terminsgebühr zusätzlich zu vergütende Teilnahme des Verteidigers an einem weiteren (Hauptverhandlungs-)Termin im Sinne der Vorbemerkung 4 Abs. 3 VV RVG, Nr. 4108-4109 VV-RVG vorliegt.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht darauf abgestellt, dass vorliegend eine weitere Hauptverhandlung in dem abgetrennten Verfahren nicht mehr stattgefunden hat, sondern dieses bereits mit Verkündung des einheitlichen Beschlusses seine Erledigung gefunden habe.

Zwar gilt der in der Verhandlungspause gefasste und sodann in der Hauptverhandlung verkündete Beschluss als in der Hauptverhandlung erlassen. Es entstand durch die Abtrennung, wie der Beschwerdeführer zutreffend vorträgt, auch eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit.

Die erfolgreiche Geltendmachung einer weiteren Terminsgebühr erfordert indes eine eigenständige Hauptverhandlung in der abgetrennten Sache, die vorliegend ersichtlich nicht stattgefunden hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2016 – 1 Ws 348/16 –, Rn. 8 – 11, juris m.w.N.; Schneider/Volpert RVG, Rn 19 zu VV 4108-4111; Burhoff/Volpert RVG Straf- und Bußgeldsachen Teil A).

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Entscheidung des LG Bremen vom 13. Juni 2012 (5 Qs 146/12) beruft, lag dieser Fall insoweit anders, als nach Abtrennung des Verfahrens die Einstellung desselben gesondert und nicht im selben Beschluss (gleichzeitig), wie im vorliegenden Fall, erfolgte.“

Die Entscheidung dürfte im Ergebnis zutreffend sein. Allerdings kann man m.E. bezweifeln, ob mit der Abtrennung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 und 2 StPO, wovon das OLG ausgeht, eine neue Angelegenheit entstanden ist. Denn es dürfte sich bei den Vorwürfen in dem abgetrennten Verfahren immer noch um Vorwürfe handeln, die auch Gegenstand des Gesamtverfahrens war. Die Frage spielt allerdings für die vom OLG entschiedene Frage, ob in dem abgetrennten Verfahren auch noch eine Terminsgebühr entstanden ist, keine Rolle, denn das OLG hat die Frage mit einer anderen Begründung verneint, nämlich, dass eine eigenständige Hauptverhandlung in dem abgetrennten Verfahren nicht mehr durchgeführt worden ist. Das dürfte zutreffend sein, denn das Verfahren war mit der Abtrennung und der Verkündung der Einstellungsentscheidung beendet. Insofern ist die Formulierung des OLG, der in der Verhandlungspause gefasste und sodann in der Hauptverhandlung verkündete Beschluss gelte als in der Hauptverhandlung erlassen, wenn nicht widersprüchlich, dann aber zumindest missverständlich, es sei denn das OLG meint, dass der Abtrennungs-/Einstellungsbeschluss in der fortgeführten Hauptverhandlung des Ursprungsverfahrens erlassen worden ist.

Geht man davon aus, dass die Annahme des OLG – eigenständige Angelegenheit „abgetrenntes Verfahren“ zutreffend ist, ist auch die Gewährung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG durch die Urkundsbeamtin im Erinnerungsverfahren zutreffend. Allerdings hätte dann m.E. ggf. auch noch eine Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG für das abgetrennte Verfahren gewährt werden können/müssen. Deren Festsetzung war aber vom Pflichtverteidiger nicht beantragt, so dass sich dazu weder die Urkundsbeamtin, noch das LG oder das OLG äußern mussten.

Strafe III: Vollzug zur Verteidigung der Rechtsordnung?, oder: Meistens Zwei-Drittel-Entlassung beim Ersttäter

© rcx – Fotolia.comUnd dann noch zwei Entscheidungen, die sich mit Bewährungsfragen befassen.

Zunächst das BayObLG, Urt. v. 17.03.2025 – 203 StRR 613/24, das ich bereits einmal vorgestellt habe (vgl. hier: TOA III: Wiedergutmachungserfolg als Voraussetzung?, oder: Schweigen des Opfers). Zur Bewährung dann folgender Leitsatz:

Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte.

Und als zweite Entscheidung dann noch der OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.05.2025 – 1 Ws 58/25 – mit folgendem Leitsatz:

1.Bei einem Verurteilten, der erstmalig eine Freiheitsstrafe verbüßt, ist nach obergerichtlicher Rechtsprechung im Allgemeinen davon auszugehen, dass er nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe durch die Strafvollstreckung so nachhaltig beeinflusst sein wird, dass er sich zukünftig straffrei verhält.

2. Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte.

OWi III: Rechtsbeschwerde beim Urteil ohne Gründe, oder: Widerspruch Gründe und Beweisbeschluss

Bild von John Hain auf Pixabay

Und dann kommen heute zum Schluss drei OLG-Entscheidungen, die sich mit den Urteilsgründen bzw. mit Urteilen ohne Gründe befassen. Auch hier stelle ich nur die Leitsätze zu den Entscheidungen vor, und zwar:

Das Fehlen von Urteilsgründen führt nicht zwingend zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

1. Das Urteil unterliegt in vollem Umfang der Aufhebung, wenn es keine Gründe enthält und daher nicht geprüft werden kann, ob dem Tatgericht bei seiner Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind.

2. Eine nachträgliche Ergänzung der Urteilsgründe kommt dann nicht (mehr) in Betracht, sobald das Urteil aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben wurde.

Verhalten sich die Urteilsgründe widersprüchlich zu einer einem Beweisbeschluss zugrunde liegenden Rechtsauffassung, ohne dass der Tatrichter diesen Widerspruch – etwa durch eine ausdrückliche Aufgabe der zuvor vertretenen Sichtweise – aufgelöst hätte. genügen die Urteilsgründe nicht den – wenn auch nicht hoch anzusetzenden – Anforderungen, die an ein Urteil in Bußgeldverfahren zu stellen sind.

OWi I: Entbindungsantrag in der Hauptverhandlung, oder: Liegt die besondere „Vertretervollmacht“ vor?

© G.G. Lattek – Fotolia.com

Heute stelle ich OWi-Entscheidungen vor. Ja, richtig gelesen. Es gibt mal wieder einen OWi-Tag. Im Moment ist der „Eingang“ von solchen Entscheidungen recht dünn. Es wird kaum  etwas veröffentlicht und ich erhalte auch nicht so viele Einsendungen wie in der Vergangenheit. Aber heute reicht es dann mal für drei Postings. Ich stelle allerdings auch heute keine bahnbrechenden Entscheidungen vor.

Die  Berichterstattung beginne ich mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.4.2025 – 1 ORbs 55/25. Es geht  mal wieder um eine Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG.

Gegen den Betroffenen ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Bußgeldbescheid eine Geldbuße festgesetzt worden. Nach fristgerecht eingelegtem Einspruch hat das AG Termin zur Hauptverhandlung auf den 21.10.2024, 9:30 Uhr anberaumt.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2024 räumte der Verteidiger für den Betroffenen dessen Fahrereigenschaft ein, gab zudem an, in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen zu wollen und beantragte, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Dem Anwaltsschriftsatz war die von dem Betroffenen unterschriebene „Vollmacht in Straf- und Bußgeldsachen“ beigefügt, die sich nach Ziffer 1 auf „Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen (einschließlich Steuersachen), Nebenklageverfahren und Privatklageverfahren“ bezieht.

Das AG hat dann den Einspruch des Betroffenen verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid zwar rechtzeitig Einspruch erhoben habe, aber in dem Termin zur Hauptverhandlung trotz der durch Zustellungsurkunde vom 29.08.2024 nachgewiesenen ordnungsgemäßen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei und von seiner Verpflichtung zum Erscheinen auch nicht entbunden gewesen war.

In dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 21.10.2024 ist vermerkt, dass der Terminvertreter Rechtsanwalt pp. den Antrag auf Entpflichtung des Betroffenen gemäß dem Anwaltsschriftsatz vom 22. August 2024 gestellt hatte. Diesen Antrag hat das Amtsgericht im Hauptverhandlungstermin durch Beschluss zurückgewiesen, da keine „besondere Vollmacht“ für einen Entpflichtungsantrag von Rechtsanwalt („Name 01“) vorgelegen habe und die Terminsvollmacht für Rechtsanwalt („Name 02“) aus („Ort 03“) weder eine Vollmacht zur Vertretung des Betroffenen nach § 73 Abs. 3 OWiG umfasse noch von dem Vollmachtgeber, Rechtsanwalt („Name 01“) aus („Ort 02“), unterschrieben worden war.

Der Zulassungsantrag des Betroffenen hatte beim OLG Brandenburg keinen Erfolg. Das führt im OLG Brandenburg, Beschl. v. 16. April 2025 – 1 ORbs 55/25 – aus:

„2. Der Zulassungsantrag ist jedoch unbegründet.

a) Gegen die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann der Betroffene im Zulassungsverfahren im Wesentlichen nur mit der Beanstandung gehört werden, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs nicht vorgelegen hätten, das Amtsgericht das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt habe ansehen dürfen oder das Amtsgericht einem Entpflichtungsantrag hätte stattgeben müssen, mithin eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege (statt vieler: Senatsbeschluss vom 26. August 2019, (1 B) 53 Ss-OWi 173/19 (263/19), m.w.N., vgl. Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 19. Aufl., 2024, § 74 Rn. 48a).

Die Rüge, das Gericht habe zu Unrecht den Antrag des Betroffenen abgelehnt, ihn von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, greift nicht durch.

Da die Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zu Anwesenheit in der Hauptverhandlung wesentliche persönliche Verfahrensrechts des Betroffenen – insbesondere das Anwesenheitsrecht, die Gewährung rechtlichen Gehörs, die Äußerungsbefugnis, die Wahrnehmung des „letzten Wortes“ – betrifft bzw. auf den vertretenen Verteidiger übergehen (vgl. KG NStZ-RR 2015, 385) und im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG seine Rechte aus § 74 Abs. 4 OWiG verliert (vgl. OLG Koblenz VRS 54, 363), bedarf es hierzu einer besonderen Vollmacht des Verteidigers (st. Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 13. Mai 2009, 1 Ss (OWi) 68 Z/09 in: VRS 116, 276 m.w.N.; ebenso OLG Köln NZV 2002, 241; BayObLG DAR 2000, 342; KG VRS 120, 200, siehe auch Krumm in DAR 2008, 413; Senge in: KK-OWiG, 5. Aufl., § 73 Rn. 19; Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 18. Aufl., § 73 Rn. 4).

Eine solche besondere Vollmacht hat der Betroffene seinem Verteidiger nicht erteilt; die Vollmachtsurkunde vom 22. Januar 2024 geht über eine allgemeine Vollmacht in Bußgeldsachen nicht hinaus; der unterbevollmächtigte Rechtsanwalt hat eine nicht unterschriebene Vollmacht vorgelegt.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen ist im Zusammenhang mit dem Verwerfungsurteil mithin nicht zu konstatieren.

…“

Wie gesagt: Nichts Neues, sondern alter Wein…. Mich erstaunt nur immer wieder, dass Verteidiger teilweise die Problematik doch noch nicht kennen.

StPO I: „Richtige“ Besetzung einer Strafkammer, oder: Urlaub der Schöffinnen

Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay

Heute stelle ich dann StPO-Entscheidungen vor, und zwar zweimal OLG und einmal AG.

Den Opener macht der OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.03.2025 – 1 Ws 39/25 (S) – zur „richtigen“ Besetzung einer (Wirtschafts)Strafkammer. Im Streit ist, ob eine Schöffin zu Recht vom Sitzungsdienst entbunden worden ist.

In dem Verfahren hatte der Vorsitzende mit Verfügung vom 20.01.2025, ausgeführt und dem Verteidiger zugestellt am 23.01.2025, dem Verteidiger des Angeklagten G. unter gleichzeitiger Ladung zur am 21.02.2025 beginnenden und am 03., 07., 12., 24., 19., 21., 24. und 26.03.2025 fortzusetzenden Hauptverhandlung die Gerichtsbesetzung mitgetielt. An der Hauptverhandlung sollten der Mitteilung zufolge als beisitzende Berufsrichterinnen Richterinnen am Landgericht S. und E. sowie die Schöffinnen W. und H. als für den ersten Verhandlungstag zugewiesene Schöffinnen teilnehmen.

Nachdem Frau W. in einer an das Gericht gerichteten E-Mail vom 22.01.2025 mitteilte, dass sie aufgrund der Leitung einer Klausurtagung des Personalrats im Bezirksamt S. als dessen Vorsitzende am 07.03.2025 verhindert sei, erging am 23.01.2025 nach Feststellung der Verhinderung der Schöffin W. und Heranziehung des Ersatzschöffen, ausgeführt und dem Verteidiger zugestellt am 27.012025, eine neue Besetzungsmitteilung, die statt Frau W. Frau F. auswies.

Am 23.01.2025 teilte dann Frau H. ihre urlaubsbedingte Verhinderung für den 21., 24. und 26.03.2025 unter Beifügung einer Buchungsbestätigung vom 15.01.2025 für einen Spanienurlaub im Zeitraum vom 21. bis 28.03.2025 mit. Daraufhin wurde ihre Verhinderung durch den Vorsitzenden am 27.01.2025 festgestellt und die Heranziehung eines Ersatzschöffen verfügt. Mit Datum vom 28.01.2025 erfolgte eine weitere, Frau B. als Ersatz für Frau H. ausweisende, Mitteilung der Gerichtsbesetzung an den Verteidiger, die ihm am selben Tage zuging.

Gegen die geänderte Gerichtsbesetzung erhob der Verteidiger unter dem 04.02.2025 schriftsätzlich den Besetzungseinwand. Er wendet ein, das Gericht sei hinsichtlich der Schöffinnen F. und B. nicht ordnungsgemäß besetzt.

Die Kammer hat den Besetzungseinwand für unbegründet gehalten und ihn dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Dort hatte er keinen Erfolg:

„2. Die zulässige Besetzungsrüge ist indes unbegründet. Die Gerichtsbesetzung ist ordnungsgemäß. Zwar begründen berufliche Umstände nur ausnahmsweise die Unzumutbarkeit (Meyer – Goßner/ Schmitt, StPO Kommentar, 67. Aufl., § 54 GVG, Rn. 6; hierzu und dem Folgenden: BGH, Urteil vom 04. Februar 2015, Az. 2 StR 76/14); indes wird dies für Berufsgeschäfte u.a. angenommen, bei denen sich der Schöffe nicht durch einen anderen vertreten lassen kann, weil die Geschäfte ihrer Art nach eine Vertretung nicht zulassen oder kein geeigneter Vertreter zur Verfügung steht. Über die Anerkennung einer derartigen Verhinderung hat der zur Entscheidung berufene Richter unter Abwägung aller Umstände bei Berücksichtigung der Belange des Schöffen, des Verfahrensstands und der voraussichtlichen Dauer des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. hierzu und dem Folgenden: BGH, Beschluss vom 05. August 2015, Az. 5 StR 276/15 m.w.N.). Er ist zu weitergehenden Erkundigungen hinsichtlich des angegebenen Hinderungsgrundes nicht verpflichtet, wenn er die Angaben für glaubhaft hält. Vorliegend hat die Schöffin W. in ihrer E-Mail vom 22. Januar 2025 angegeben, freigestellte Vorsitzende des Personalrats im Bezirksamt S. von B. zu sein und als solche die Klausurtagung des Personalrats am 07. März 2025 zu leiten. Dies stellt keine vertretungsfähige Tätigkeit dar; insoweit ist der Strafkammervorsitzende nicht von einem zu weiten Begriff des Hinderungsgrundes ausgegangen, als er die Schöffin auf deren Mitteilung von der Mitwirkung an der Verhandlung entband. Die Glaubhaftigkeit ihres Vorbringens zu beurteilen, war allein Sache des Vorsitzenden; er überschritt sein pflichtgemäßes Ermessen nicht dadurch, dass er es ohne weitere Prüfung zugrunde legte (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 1976, Az. 3 StR 363/76). Die Ermessensentscheidung des Vorsitzenden wurde mit Datum vom 23. Januar 2025 gemäß § 54 Abs. 3 Satz 2 GVG aktenkundig dokumentiert. Die Überprüfung der Entschließung, einen Schöffen von der Dienstpflicht zu entbinden, ist allein am Maßstab der Willkür auszurichten (vgl. BGH, Beschluss vom 05. August 2015, Az. 5 StR 276/15). Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Strafkammervorsitzenden nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist, bestehen nicht. Die Heranziehung dieses und nur dieses Prüfungsmaßstabes wird dem Wortlaut des § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG gerecht, wonach die Entscheidung des Vorsitzenden nach § 54 Abs. 1 GVG, einen Schöffen von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen zu entbinden, nicht anfechtbar ist (Anschluss an Arnoldi, Praxiskommentar zu BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016, Az. 2 StR 342/15). § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG wurde mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 mit dem Ziel des Gesetzgebers eingeführt, die Zahl von Urteilsaufhebungen infolge von Besetzungsfehlern wesentlich zu verringern (vgl. BT-Dr. 8/976, 24 ff.). Im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sollte dem Willen des Gesetzgebers entsprechend eine Ausnahme allein bei „echten Ausreißern“ gelten. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn eine Entbindung objektiv willkürlich und (nicht lediglich falsch, sondern) grob fehlerhaft ist, wofür, wie bereits konstatiert, vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen.

Auch die urlaubsbedingte Entbindung der Schöffin H. begegnet keinen Bedenken. Mit Ihrer Mitteilung vom 23. Januar 2025, eingegangen bei Gericht am 27. Januar 2025, hat die Schöffin H. angezeigt, die für den 21., 24. und 26. März 2025 anberaumten Fortsetzungstermine aufgrund urlaubsbedingter Abwesenheit nicht wahrnehmen zu können, und dies mit einer sie betreffenden Buchungsbestätigung/Rechnung des Reiseanbieters „l.“ für einen Spanienaufenthalt vom 15. Januar 2025 für den Zeitraum vom 21. bis 28. März 2025 belegt. Ein Urlaub begründet in der Regel die Unzumutbarkeit der Schöffendienstleistung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016, Az. 2 StR 342/15). Die insoweit vom Vorsitzenden zu treffende Ermessensentscheidung wurde durch diesen mit Datum vom 27. Januar 2025 gemäß § 54 Abs. 3 Satz 2 GVG aktenkundig gemacht. Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter ist daher auch bei der Entpflichtung der Schöffin H., die keine Willkür erkennen lässt, nicht zu entdecken.

Schließlich sind auch die Entscheidungen des Vorsitzenden, in beiden Fällen die Schöffinnen von der Dienstleistung insgesamt zu entbinden und die jeweiligen Fortsetzungstermine nicht zu verlegen, speziell im Fall der Entbindung der Schöffin W., die „nur“ für den 07. März 2025 ihre Verhinderung angezeigt hatte, nicht als willkürlich anzusehen. Unabhängig davon, ob eine Pflicht hierzu überhaupt angenommen werden kann (überzeugend ablehnend etwa OLG Hamm, Beschluss vom 17. März 2020, Az. 2 Ws 36/20), war dies jedenfalls vorliegend angesichts dessen, dass ein umfangreiches Beweisprogramm bereits vorbereitet war und Zeugen geladen waren – für den Fortsetzungstermin am 07. März 2025 waren es vier an der Zahl, was im Übrigen im Rahmen des Rügevorbringens, das revisionsrechtlichen Anforderungen zu genügen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Mai 2024, Az. 1 Ws 65/24 m.w.N.), nicht dargestellt worden ist – nicht geboten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Für die Anwendung dieser Bestimmung ist auch die Erhebung einer erfolglos gebliebenen Besetzungsrüge als erfolglos eingelegtes Rechtsmittel anzusehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Februar 2024, in: NJW-Spezial 2024, 216 f.; OLG Bremen, Beschluss vom 14. April 2020, in: NStZ 2020, 565 f., OLG Celle, Beschluss vom 27.01.2020, 3 Ws 21/20, in: StraFo 2020 159; vgl. auch die Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 05. November 2019, BT-Drucks. 19/14747, S. 32).“