Immer wieder müssen die Beschwerdekammern unzutreffende Entscheidungen der Kostenbeamten und AG zum Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG reparieren. So jetzt auch das LG Duisburg im LG Duisburg, Beschl. v. 08.08.2025 – 82 Qs 15/25.
Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde am 24.12.2023 bei der Polizei eine Strafanzeige erstattet wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls. Am 05.06.2024 ist dann gegen den Angeklagten Haftbefehl erlassen worden wegen des dringenden Tatverdachts, an diesem Wohnungseinbruchsdiebstahl beteiligt gewesen zu sein. Dieser Haftbefehl wurde im Haftbefehlsverkündungstermin vom 28.11.2024 in Vollzug gesetzt. Am selben Tag hat das AG zudem den Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
Dem ehemaligen Angeklagten ist dann mit Anklage vom 17.01.2025 ein gemeinschaftlich mit anderen begangener Wohnungseinbruchsdiebstahl zur Last gelegt worden. Dabei sollen drei Luxushandtaschen der Marken Chanel und Louis Vuitton, eine Geldbörse und einen Koffer der Marke Louis Vuitton, einen Trainingsanzug der Marke Gucci sowie drei Paar Turnschuhe der Marken Louis Vuitton, Dior und Alexander [Mc Queen] entwendet worden sein. Der Angeklagte wurde am 31.03.2025 freigesprochen und der Staatskasse wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Freispruch eingelegt.
Der Pflichtverteidiger des Angeklagten hat wegen der bei ihm bislang entstandenen Gebühren einen Vorschuss nach § 47 RVG beantragt. Beantragt worden ist auch die vorschussweise Zahlung der Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 399,00 EUR nebst Umsatzsteuer. Zur Begründung hat der Pflichtverteidiger ausgeführt, er habe seinen Mandanten in dem Haftprüfungstermin am 28.11.2024 über die Möglichkeit der Einziehung, insbesondere des Wertersatzes gemäß § 73c StGB, belehrt und ihn dahingehend beraten. Den Gegenstandswert setze er mit 20.000,00 EUR an, da der Geschädigte in der Hauptverhandlung den Wert der Beute auf diesen Betrag geschätzt habe.
Das AG hat die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht festgesetzt, da eine Einziehung seitens der Staatsanwaltschaft Duisburg weder in der Anklage noch in der Hauptverhandlung beantragt worden sei und daher auch der Freispruch keine derartige Maßnahme umfasse.
Die dagegen gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG gerichtete Beschwerde hatte beim LG Erfolg. Nach Auffassung des LG war auch die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG festzusetzen:
„Die einzig in Streit stehende 1,0 Verfahrensgebühr gemäß §§ 2, 13, 49 RVG i.V.m. Nr. 4142 VV RVG ist angefallen und wäre dementsprechend vom Amtsgericht Oberhausen zu berücksichtigen gewesen. Nach Nr. 4142 VV RVG fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (vgl. BGH, Beschluss vom 24.02.2015, 1 StR 245/09, Rn. 4; Beschluss vom 29.11.2018, 3 StR 625/17, Rn. 4, jeweils zitiert nach juris). Die Verfahrensgebühr wird dabei auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten. Das wird immer dann der Fall sein, wenn Fragen der Einziehung naheliegen. Es kommt weder darauf an, ob der Erlass der Maßnahme rechtlich zulässig ist, noch, ob es an einer gerichtlichen Entscheidung über die Einziehung fehlt, noch ist erforderlich, dass die Einziehung ausdrücklich beantragt worden ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.07.2023, 1 Ws 22/23, Rn. 7; OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2023, 3 Ws 66/23, Rn. 9, jeweils zitiert nach juris). Entsprechende Verteidigungsbemühungen sind also schon dann vergütungspflichtig, wenn zur Zeit ihrer Vornahme die Einziehung oder eine diesem Zweck dienende Beschlagnahme nach Lage der Dinge in Betracht kommt (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.07.2010, III-1 Ws 183/10, Rn. 4, OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.03.2022, 1 Ws 38/22, Rn. 3; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.07.2023, a.a.O.; OLG Dresden, Beschluss vom 26.10.2023, a.a.O., jeweils zitiert nach juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen kam bei dem dem Angeklagten pp. zur Last gelegten Wohnungseinbruchsdiebstahl, bei dem Teile der Beute ausweislich der Angaben des Geschädigten weiterhin nicht aufgefunden und zurückgegeben worden sind, jedenfalls eine Einziehung des Wertes der Taterträge nach § 73c StGB in Betracht. Eine solche war von Seiten der Strafverfolgungsbehörden auch zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Vor diesem Hintergrund hat für den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Haftprüfung seines Mandanten im November 2024 auch Veranlassung bestanden, diesen über die Möglichkeit einer solchen Maßnahme zu beraten. Ob die Staatsanwaltschaft eine solche Maßnahme bei der Anklageerhebung oder in der Hauptverhandlung tatsächlich beantragen würde, war zu diesem Zeitpunkt offen, aber denkbar.“
Zu der Entscheidung ist nicht viel anzumerken, außer: Sie zutreffend ist und entspricht dem Stand der herrschenden Meinung in der Frage (vgl. u.a. die vom LG zitierten Entscheidungen; wegen weiterer Nachweise siehe Burhoff, AGS 2024, 193 und die Kommentierung der Nr. 4142 VV RVG bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 7. Aufl. 2025), den man übrigens <<Werbemodus an: hier (vor)bestellen kann <<Werbemodus aus. Also: Nichts Neues aus Duisburg. Angesicht der eindeutigen weitgehend übereinstimmenden Rechtsprechungsnachweise ist es allerdings erstaunlich, dass die Kostenbeamten, aus welchen Gründen auch immer, immer wieder noch versuchen, den Anwendungsbereich der Nr. 4142 VV RVG einzuengen. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Nr. 4142 VV RVG eine reine Wertgebühr ist, die beim (Pflicht)Verteidiger zu nicht unerheblichen Gebühreneinnahmen führen kann, die dann aus der Staatskasse kommen (müssen).





