Schlagwort-Archive: zusätzliche Verfahrensgebühr

Welche Gebühren bei der selbständigen Einziehung?, oder: Ggf. alles noch einmal…..

Bild von moerschy auf Pixabay

Heute ist der letzte Arbeitstag vor Weihnachten und ich stelle hier – es ist Freitag – noch einmal Gebührenentscheidungen vor.

Ich hatte im vergangenen Jahr über den AG Bremen, Beschl. v. 04.03.2021 – 87 Ds 310 Js 53638/14 (29/18) – berichtet. Der hat zu den Gebühren im selbständigen Einziehungsverfahren (§§ 421 ff. StPO) Stellung genommen. Nun bin ich durch Zufall auf die dazu ergangenene Rechtsmittelentscheidung gestoßen, deren Volltext ich mir dann über das LG Bremen besorgt habe. Den LG Bremen, Beschl. v. 17.02.2022 – 5 Qs 321/21 u. 5 Qs 488/21 will ich dann heute als erste Entscheidung vorstellen.

Nochmals kurz der Sachverhalt: Der Rechtsanwalt war für die Betroffene sowohl im Strafverfahren als auch in einem sich anschließenden selbstständigen Einziehungsverfahren tätig. Er hat für dieses nach dessen Einstellung gegenüber der Staatskasse, der die Kosten des Verfahrens auferlegt worden waren, neben der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG u.a. auch die allgemeinen Verfahrensgebühren und eine Terminsgebühr geltend gemacht. Diese sind vom AG Bremen im Beschl. v. 04.03.2022 festgesetzt worden. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Staatskasse hatte keinen Erfolg:

„Die zulässigen sofortigen Beschwerden mit einem Beschwerdewert von 268,94 Euro (5 Qs 321/21) und 686,15 Euro (5 Qs 488/21) sind aus den bereits in den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichts Bremen genannten Gründen als unbegründet zurückzuweisen.

Die erkennende Kammer teilt vollumfänglich die Auffassung, dass es sich bei dem eingestellten Ermittlungsverfahren und dem selbstständigen Einziehungsverfahren nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG handelt. Gebührenrechtlich hat eine eigenständige Abgeltung zu erfolgen bei der – neben der zusätzlichen Verfahrensgebühr für Einziehungen nach Nr. 4142 VV RVG – auch Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren für den Einziehungsbeteiligten entstehen können (vgl. auch Burhoff, AGS 2021, 400-401).

Aus Sicht der Kammer kann die zur gleichgelagerten Problematik in Bußgeldsachen (Nr. 5116 VV RVG) ergangenen Rechtsprechung auf den Bereich der Strafsachen übertragen werden (vgl. zu Nr. 5116 VV RVG: LG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 07. Dezember 2012 – 5 Qs 384/12 –, juris; LG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Februar 2013 – 3 Qs 6/13 Ko –, juris; LG Trier, Beschluss vom 08. August 2016 – 1 Qs 32/16 –, juris; LG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 29. Oktober 2019 – 16 Qs 30/19 –, juris, LG Stuttgart, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 20 Qs 15/19 –, juris und LG Hamburg, Beschluss vom 18. Oktober 2021 – 612 Qs 100/20 OWi –, juris; a.A. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. April 2012 – 1 AR 70/11 –, juris und LG Kassel, Beschluss vom 15. Mai 2019 – 8 Qs 4/19 –, juris).

Wie die §§ 421 ff. StPO und insbesondere § 427 StPO deutlich machen, geht das Gesetzgeber davon aus, dass ein Einziehungsbeteiligter zur Wahrung seiner Rechte nicht nur vollumfänglich am Verfahren zu beteiligen ist, sondern ihm grundsätzlich auch die gleichen Befugnisse einzuräumen sind, die einem Angeklagten zustehen. Gerade die ggf. unterschiedliche Interessenlage zwischen Beschuldigten und Einziehungsbeteiligten kann es im Einzelfall erforderlich machen, dass der Einziehungsbeteiligte sich intensiv(er) und umfangreich(er) – z.B. über Beweisanträge – am Verfahren beteiligen muss. Eine Vergütung lediglich anhand der als Wertgebühr ausgestalteten Einziehungsgebühr würde der gesetzlichen Stellung und Interessenlage der Einziehungsbeteiligten demnach nicht gerecht werden und führt in aller Konsequenz in eine Situation, in der Verteidiger von Einziehungsbeteiligten nur dann mit einer angemessenen Vergütung rechnen können, wenn der Wert des Einziehungsgegenstandes ausreichend hoch ist, um ggf. auch umfangreiche und schwierige anwaltliche Tätigkeiten abzudecken.“

Ist zutreffend. Und an diejenigen, die Ausführungen zur Grundgebühr vermissen. Dazu hatte das AG bereits Stellung genommen. Die Frage hat im Rechtsmittelverfahren keine Rolle mehr gespielt.

(Keine) Mitwirkung bei „derzeitigem Schweigen“?, oder: Oh, hättest du doch geschwiegen, AG Hannover

Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

Und heute dann RVG.

Ich beginne mit dem – falschen – AG Hannover, Beschl, v.15.08.2022 – 171 AR 15/22 – , den der Kollege Siebers aus Braunschweig hat ertragen müssen.

Der Kollege war für den (ehemaligen) Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG tätig. Er hat am 17.12.2021 seine Vertretung angezeigt, Akteneinsicht gefordert und mitgeteilt. dass der Beschuldigte seinem Rat folgend jedenfalls zunächst schweigen werde. Ferner beantragte er seine Beiordnung als Pflichtverteidiger, welche im Anschluss durch Beschluss vom 11.02.2022 erfolgte. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren dann nach Gewährung von Akteneinsicht und Rückkehr der Akte ohne weitere Verfügung am 20.04.2022 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kollege hat die Festsetzung auch der Nr. 4141 VV RVG beantragt. Die ist nicht festgesetzt worden. Das Rechtsmittel des Kollegen hatte keinen Erfolg:

„Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Gebühr gem. Nr. 4141 Anlage 1 zum RVG ist bezeichnet: „Durch die anwaltliche Mitwirkung wird die Hauptverhandlung entbehrlich“. Abs. 2 der Nr. 4141 stellt klar, dass die Gebühr nicht entsteht. wenn eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Vorliegend hat der Erinnerungsführer durch anwaltlichen Schriftsatz vom 17.12.2021 seine Vertretung angezeigt, Akteneinsicht gefordert und mitgeteilt. dass die Mandantschaft seinem Rat folgend jedenfalls zunächst schweigen werde. Ferner beantragte der Erinnerungsführer seine Beiordnung als Pflichtverteidiger, welche im Anschluss durch Beschluss vom 11.02.2022 erfolgte. Weitere Tätigkeit als Verteidiger ist nicht ersichtlich. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat das Verfahren im Anschluss nach erfolgter Gewährung von Akteneinsicht und Rückkehr der Akte ohne weitere Verfügung am 20.04.2022 gem. § 170 Abs. 2 StPO nach eigener Prüfung der Beweislage eingestellt.

Soweit der Erinnerungsführer zitiert. dass „eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG auch dann zur Entstehung gelangt, wenn der Beschuldigte auf anwaltlichen Rat hin zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt nach § 170 II eingestellt wird“, so ist dies zunächst zutreffend. Erforderlich ist jedoch ein sog. „gezieltes Schweigen“. Berät der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber in diese Richtung und wird. weil ggf. das einzige Beweismittel verloren geht, daraufhin das Verfahren eingestellt. hat der Verteidiger an der Einstellung mitgewirkt. Es sollte aber klar und deutlich zu erkennen gegeben werden, dass sich der Mandant auf sein Aussageverweigerungsrecht beruht. Demgemäß ist die Mitteilung. dass der Beschuldigte sich nicht zu Sache einlassen wird bzw. der _Rat zum Schweigen, Mitwirken im Sinne der Vorschrift, da gerade das die Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens veranlassen kann (Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021, RVG VV 4141 Rn. 9). Es stellt hingegen keine Mitwirkung des Rechtsanwaltes dar, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes auf die (bloße) Verteidigerbestellung und Akteneinsicht beschränkt [….] und eine mögliche Einlassung zu einem späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat (Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021. RVG VV 4141 Rn. 10).

So liegt der Fall hier. Zum einen ist durch die Formulierung. der Beschuldigte werde _jedenfalls zunächst- schweigen, ein gezieltes Schweigen bzw. das klar und deutliche Berufen auf das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten, nicht erkennbar. Insoweit hätte durch die Formulierung auch eine Einlassung zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. nach erfolgter Akteneinsicht, erfolgen können. Die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft beruht ferner allein auf einer eigenen Würdigung und umfangreichen Prüfung der Sach- und Rechtslage von Amts wegen, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Zeugin pp. keine weiteren Angaben mehr zum Verfahren machen wolle und die aufgenommene Audiodatei zum einen keinen Nachweis für die Taten geben könne sowie zum anderen einem Beweisverwertungsverbot unterliege.“

Folgende kurze Anmerkung:

1. Zum Mitschreiben für das AG: Man ist nicht auf dem Stand der aktuellen Rechtsprechung. Denn es haben gerade erst zwei AG zutreffend entschieden, dass auch in den Fällen, in denen mitgeteilt wird, dass der Beschuldigte zunächst schweigen wird, die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entsteht, wenn dann das Verfahren eingestellt wird (AG Augsburg, Urt. v. 20.12.2021 – 21 C 2535/21; AG Strausberg, Urt. v. 23.3.2022 – 9 C 166/21, AGS 2022, 317). Beide waren auch hier im Blog. Etwas anderes folgt auch nicht aus meinen vom AG angeführten Ausführungen in Gerold/Schmidt/Burhoff, (a.a.O.). Denn es ist an der Stelle mit „soll nicht entstehen“ formuliert, woraus deutlich wird – dem AG Hannover aber offenbar nicht -, dass der Verfasser, also ich, nicht der Auffassung der angeführten AG-Entscheidung ist. Ich lasse mich ungern vor fremde Karren spannen.

2. Der Hinweis des AG auf die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft „nach eigener Prüfung der Beweislage“ legt den Schluss nahe, dass das AG offenbar meint, die Mitwirkungshandlung des Verteidigers müsse ursächlich für die Einstellung gewesen sein. Auch das ist unzutreffend (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4141 Rn 21).

3. Zum Schluss noch einmal der Rat. Wenn der Mandant schweigen soll, schweigt er und dann sollte auch nur das der Staatsanwaltschaft/dem Gericht mitgeteilt werden. Der Mandant schweigt, wenn ggf. auch erst nur „derzeit“. Aber darüber muss man die Staatsanwaltschaft/das Gericht nicht informieren. Man vergibt sich als Verteidiger nichts, wenn man diese Einschränkung weglässt. Das ist sogar vorteilhaft, denn man vermeidet solche (falschen) Entscheidungen wie die des AG Hannover.

4. Oh hättest du – AG hannover – doch geschwiegen.

Zusätzliche VG nach Absehen von der Einziehung?, oder: Das OLG Nürnberg kann es auch nicht

© PhotoSG – Fotolia.com

Ich hatte vor einiger Zeit über den (falschen)  LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2022 – 12 Qs 1/22 berichtet (Und schon wieder zusätzliche Gebühr nach Einziehung, oder: Und schon wieder falsch). Zu der Entscheidung liegt inzwischen der auf die weitere Beschwerde hin ergangene OLG Nürnberg, Beschl. v. 11.04.2022 –  Ws 250/22 – vor.

Hier noch einmal der Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hat am 09.06.2020 Anklage wegen Steuerhinterziehung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen den Angeklagten beim AG – Schöffengericht für Wirtschaftsstrafsachen – erhoben. Darin führte sie aus: „Von der Einziehung der Taterträge wird gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen. Soweit die Verfolgung der Taten vorläufig gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurde, wird gemäß § 435 StPO von der selbständigen Einziehung abgesehen.“ Die entsprechende Verfügung der Staatsanwaltschaft datiert vom 03.06.2020. Nach Zustellung der Anklageschrift wurde mit Beschluss vom 08.07.2020 der bis dahin nicht mandatierte Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt.

Nach unveränderter Zulassung der Anklage fand am 28.10.2020 die Hauptverhandlung statt. Die die Einziehung betreffende Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 03.06.2020 wurde verlesen. In seinem Plädoyer beantragte der Beschwerdeführer u.a., gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung von Wertersatz abzusehen. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Einziehungsentscheidung traf das AG nicht, außerdem war die Einziehung nicht Gegenstand sonstiger Erklärungen.

Der Rechtsanwalt hat die Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG beantragt. Er habe seinen Mandanten ausführlich über die Möglichkeit einer Einziehung beraten. Das reiche für die Entstehung der Gebühr aus. Das sehen AG, LG und auch OLG anders:

„… Aus den zutreffenden Gründen der Vorinstanzen, insbesondere des Landgerichts Nürnberg-Fürth in dessen Beschluss vom 20.01.2022 und in der Nichtabhilfeverfügung vom 08.02.2022, denen sich der Senat anschließt, hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die beantragte Gebühr Nr. 4142 VV RVG. Es liegt keine diese Verfahrensgebühr auslösende Tätigkeit des Verteidigers vor.

1. Voraussetzung für das Entstehen einer solchen Verfahrensgebühr ist eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehender Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme dient. Sinn der Einführung dieser Gebühr war, im Hinblick auf die Zunahme von Verfahren mit Einziehungs- oder Verfallerklärung und im Hinblick auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, die die Anordnung dieser Maßnahmen für den Beschuldigten haben kann, eine Aufgabe der Regelungen in §§ 83 ff. BRAGO und eine Vereinfachung der Gebührenberechnung (BT-Drs. 15/1971, 228).

2. Die Verfahrensgebühr wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwaltes ausgelöst (Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., zu Nr. 4142 VV Rn. 23 m.w.N.). Mit der Gebühr nach Nr. 4142 VV hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass zu den im Strafprozess unumgänglichen Überlegungen zur Schuld- und Straffrage eine weitere, die Eigentums- und Vermögenslage des Mandanten berührende Thematik hinzugetreten ist, die in der Regel Mehrarbeit verursacht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten (Burhoff/Volpert, ebenda, m.w.N.).

Davon ist aber – ausgehend von der Gesetzesbegründung – nur auszugehen, wenn die Frage der Einziehung naheliegt, entweder weil aufgrund der Aktenlage mit einem Einziehungsantrag in der Hauptverhandlung zu rechnen ist oder weil in der Anklage die Einziehung beantragt wurde. Hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränkt und besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht die Wiedereinbeziehung der Einziehung anordnen könnte, ist eine Beratung des Angeklagten über die theoretische Möglichkeit der Einziehung durch seinen Verteidiger nicht geboten, so dass die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nicht anfällt.

3. Vorliegend bestand während des gerichtlichen Verfahrens für den Beschwerdeführer keine Veranlassung für eine Beratung; diese war nicht geboten.

a) Im Hinblick auf die angeklagten Taten hat die Staatsanwaltschaft gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StPO von der Einziehung abgesehen. Soweit die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung weiterer Taten (Betrug/Solidaritätszuschlag) vorläufig nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO abgesehen hat, hat sie gemäß § 435 StPO von der selbständigen Einziehung abgesehen. In der Anklageschrift wurde die Einziehung von Wertersatz von der Staatsanwaltschaft nicht beantragt.

b) Damit war eine Einziehung oder eine dieser vergleichbaren Maßnahme nicht mehr Gegenstand des Strafverfahrens. Zwar hätte das Gericht gemäß § 421 Abs. 2 Satz 1 StPO die Wiedereinbeziehung der Einziehung in jeder Lage des Verfahrens, somit auch erst im weiteren Instanzenzug, anordnen können. Dies hätte aber eine entsprechende Anordnung des Gerichts vorausgesetzt.

c) Somit bestand unter keinem Gesichtspunkt Veranlassung, den Beschuldigten über die Möglichkeit der Einziehung zu beraten. Es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich bei einer nicht im Raum stehenden Einziehung ein Haftungsrisiko des Verteidigers ergeben könnte.

4. Auch der Antrag des Beschwerdeführers im Rahmen seines Schlussvortrags, von der Einziehung von Wertersatz abzusehen, kann die Gebühr nicht auslösen, da er nicht veranlasst war. ….“

Dazu: Das OLG referiert zwar zutreffend, was bei „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., zu Nr. 4142 VV Rn. 23 m.w.N.“ u.a. steht, es zieht daraus m.E. aber nicht die zutreffenden Schlüsse, die dem vorliegenden Sachverhalt gerecht werden. Das hängt u.a. auch damit zusammen, dass mal wieder die Frage des Entstehens der/einer Gebühr mit der Frage der Erstattung/Festsetzung einer Gebühr vermengt wird. Die Problematik kennen wir bei der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren in den Fällen der Beratung des Mandanten vor der Begründung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, wenn das anschließend zurückgenommen wird.

Im Übrigen: Die Gebühr ist hier auf jeden Fall durch die Beratung des Mandanten über die (verbliebenen) Möglichkeiten der Einziehung entstanden, unabhängig davon, dass die Einziehung nach § 435 StPO (zunächst) aus dem Verfahren ausgeschieden war, aber, worauf das OLG auch hinweist, jederzeit wieder hätte aufgenommen werden können. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bis zur Pflichtverteidigerbestellung offenbar keinen anwaltlichen Beistand hatte. Es lag also, als der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt wurde, auch eine anwaltliche Beratung nahe. Insoweit ist auf die Sicht des Angeklagten abzustellen und nicht auf die des AG, LG oder OLG, die den Beratungsbedarf im Zweifel verneinen. Dass AG, LG oder OLG – hoffentlich – insoweit keinen Beratungsbedarf haben, ändert daran nichts und hätte der Festsetzung der Gebühr nicht entgegengestanden. Alles in allem m.E. mal wieder eine Entscheidung, der man anmerkt, dass dem Verteidiger die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht „gegönnt“ wird.

Zusätzliche Verfahrensgebühr nach § 154er-Einstellung, oder: In der Kürze liegt die Würze

© Andrey Popov – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern. Das LG Nürnberg-Fürth hat im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 06.07.2022 – 12 KLs 503 Js 1439/14 – zur zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG Stellung genommen.

Das Verfahen war nach § 154 StPO eingestellt worden. Der Kollege Urbanzyk, der mir den Beschluss geschickt hat, hat dann auch die Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Die ist nicht festgesetzt worden. Dagegen dann die Erinnerung, die Erfolg hat. Das LG begnügt sich mit folgender kurzen Begründung:

„Die mit Festsetzungsbeschluss vom 09.05.2022 abgesetzte Gebühr gem. Nr. 4141 VV RVG in Höhe von 348,00 € ist wie beantragt zu gewähren, da hier eine vorläufige Einstellung des Verfahrensgem. § 154 Abs. 2 StPO erfolgt ist.

„Die Einstellung nach § 154 Abs. 1, 2 StPO ist einer endgültigen Einstellung gleichzusetzen.“ (Gerold/Schmidt, RVG VV 4141 Rn. 17, beck-online)

Hinzu kommt die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % gem. Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 66,12 €, so dass sich der festgesetzte Betrag auf 414,12 € beläuft.“

Das ist in der Kürze liegt die Würze. Mehr muss man da aber auch nicht schreiben, denn die Frage ist ausgekaut und von der Rechtsprechung zig-mal entschieden. Warum der Kostenbeamte dagegen dann Sturm läuft, erschließt sich nicht. Man könnte in solchen Fragen sich und anderen eine Menge Arbeit ersparen.

Die FE wird entzogen, der Führerschein “eingezogen”, oder: (Keine) zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142?

Bild von ElisaRiva auf Pixabay

Ich habe neulich über den AG Amberg, Beschl. v. 04.12.2021 – 7 Cs 114 Js 5614/18 (2) – berichtet (vgl. hier: Die FE wird entzogen, der Führerschein “eingezogen”, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG?).

Das AG hatte in den Fällen der Einziehung des Führerschein(dokuments) bei der Entziehung der Fahrerlaubnis den Anfall der Nr. 4142 VV RVG bejaht und war von einem Gegenstandswert von 300 EUR ausgegangen. Der Kollege Jendricke, der die Entscheidung erstritten hatte, war wegen des Gegenstandswertes in die Beschwerde gegangen. Nun hat sich das LG Amberg im LG Amberg, Beschl. v. 18.05.2022 – 11 Qs 9/22 – geäußert. Es hat das Rechtsmittel verworfen und nimmt dabei auch zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG Stellung genommen:

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat den Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren zu Recht auf 300 € festgesetzt.

a) Zunächst ist festzustellen, dass nach Auffassung der Kammer für die Einziehung des Führerscheindokuments – entgegen der Entscheidung des Ausgangsgerichts – mangels gesetzlichen Gebührentatbestands keine Gebühr anfällt. VV 4142 RVG ist nicht einschlägig, da er den Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nicht umfasst (OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Februar 2006 – 2 Ws 98/06). Die Einziehung des Führerscheindokuments ist aber lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis. Damit fällt auch diese nicht unter den Gebührentatbestand VV 4142 RVG.

Jedoch ist die Entscheidung des Amtsgerichts insoweit nicht durch die Staatskasse angefochten worden. Die Kammer hat daher nicht über den Anfall der Gebühr VV 4142 RVG zu befinden, sondern dieser steht im vorliegenden Verfahren fest.

b) Da aber über den Anfall der Gebühr in vorliegender Sache rechtskräftig entschieden ist, ist über einen Gegenstandswert zu befinden. Die Gebühr ist auf Grundlage eines Gegenstandswerts von 300 € zu berechnen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf den Beschluss des Ausgangsgerichts Bezug genommen, dem sich die Kammer anschließt.

Der Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der für Führerscheinsachen Klasse B, BE den Auffangwert von 5.000 € vorschlägt, ist einerseits nicht verbindlich und andererseits im vorliegenden strafgerichtlichen Verfahren nicht maßgeblich. Die Kammer sieht auch keine Veranlassung, den Auffangwert von 5.000 € für die Wertfestsetzung der Anwaltsgebühren heranzuziehen. Der Auffangwert ist grundsätzlich nur maßgeblich, wenn eine Schätzung in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte nicht möglich ist. Vorliegend ist jedoch eine Schätzung möglich.

Die Kosten für die Wiedererlangung des Führerscheindokuments, das eingezogen wurde, hat das Amtsgericht auf 300 € geschätzt. Diese Schätzung ist nicht zu beanstanden und folgt dem Vorschlag des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 26.05.2021.

Maßgeblich waren insoweit die Verwaltungsgebühren, die für die Wiedererteilung eines Führerscheindokuments selbst anfallen – wie auch das Amtsgericht in seiner Entscheidung ausführt. Kosten, beispielsweise für eine MPU, sind bei der Wertfestsetzung insoweit nicht zu berücksichtigen. Letztlich sind diese erforderlich, weil die Fahrerlaubnis entzogen wurde, wofür aber nach allen Ansichten und auch nach Ansicht des Verteidigers keine Gebühr nach VV 4142 RVG anfällt. Dann können diese Kosten aber auch nicht für die Wertfestsetzung betreffend die Einziehung berücksichtigt werden. Die Einziehung des Führerscheindokuments ist lediglich sekundäre Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. Kosten für eine MPU beispielsweise fallen deshalb an, weil in erster Linie eine neue Fahrerlaubnis erteilt werden muss, die in gewissen Fällen lediglich bei Vorlage einer MPU-Bescheinigung erteilt wird.

Damit ist es nicht zu beanstanden, dass lediglich die Verwaltungskosten, die sich auch auf die Erstellung eines neuen Führerscheindokuments beziehen, für die Bemessung der Anwaltsgebühren herangezogen wurden.“

Damit liegt die erste landgerichtliche Entscheidung zur Höhe des Gegenstandswertes in diesen Fällen vor. Andere Gerichte und die Vertreter der Staatskasse werden die Entscheidung mit Freude lesen, scheint damit doch der Ansatz über den Streitwertkatalog vom Tisch zu sein. Aber immerhin: 300 EUR sind besser als nichts.

Im Übrigen: Nichts hätte es aber gegeben, wenn der Bezirksrevisor seine im Verfahren vertretene Auffassung, dass die Gebühr Nr. 4142 VV RVG in diesen Fällen, nicht anfällt, weiter verfolgt hätte. Man merkt dem Beschluss des LG an, wie traurig der entscheidende Einzelrichter ist, dass die Frage wegen fehlenden Rechtsmittels der Staatskasse nicht zur Entscheidung anstand. Damit hätte man es dann als Einzelrichter aber auch bewenden lassen sollen.

Denn warum „hängt man sich so weit aus dem Fenster“ und entscheidet eine Frage, die man gar nicht entscheiden muss?. Und es ist die Übertragung der Entscheidung auf die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung gerade damit abgelehnt worden, dass die Frage des Anfalls der Gebühr nicht entschieden werden musste. Was soll dann also das obiter dictum? Und wenn schon ein obiter dictum in der Frage für erforderlich gehalten wird, dann darf man aber doch wohl eine vernünftige Begründung für die mitgeteilte Auffassung erwarten und nicht nur, dass die Einziehung des Führerscheindokuments lediglich zwingende Folge des Entzugs der Fahrerlaubnis sei und damit die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nicht anfalle. Basta! Zudem setzt sich der Einzelrichter auch nicht mit entgegenstehender Rechtsprechung und Literatur auseinander. Auch das hätte man erwarten dürfen, wenn man schon meint, sich ungefragt äußern zu müssen. So überzeugt der Beschluss nicht, jedenfalls mich nicht.