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(Richtige) Bemessung der Rahmengebühren?, oder: Warum braucht man für falschen Beschluss 2 Jahre?

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Die zweite Entscheidung zu § 14 RVG kommt vom LG Heilbronn. Der LG Heilbronn, Beschl. v. 07.01.2025 – 1 Qs 11/23 – ist nicht ganz so schlimm wie der vorhin vorgestellte LG Münster-Beschluss, aber unschön ist er auch, wobei mir hier besonders das Verfahren sauer aufstößt.

In dem Beschluss geht es um die richtige Bemessung der Rahmengebühren in einem Verfahren wegen Unfallflucht. Das AG hat am 27.12.2021 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erlassen. Gegen diesen legte der als Wahlverteidiger tätige Verteidiger Einspruch ein und beantragte Akteneinsicht. Anschließend nahm der Verteidiger mit Schriftsatz vom 22.02.2022 zu dem Tatvorwurf Stellung und regte eine Einstellung des Verfahrens an. Darauf erwiderte die Staatsanwaltschaft am 28.02.2022 Stellung. Bis zum 08.03.2022 führte der Verteidiger dann weitere Telefonate mit dem zuständigen Strafrichter. Sodann übersandte er am 08.03.2022 eine weitere schriftliche Stellungnahme und regte darin abermals eine Verfahrenseinstellung an, wobei er den Sachverhalt nach Aktenlage würdigte. Nach telefonischer Rücksprache des Strafrichters mit der zuständigen Amtsanwältin der Staatsanwaltschaft Heilbronn stimmte diese einer Einstellung des Verfahrens zu, woraufhin das Verfahren am 09.03.2022 nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 18.03.2022 (ja, richtig gelesen: 2022) beantragte der Verteidiger die Festsetzung seiner Gebühren, jeweils in Höhe der Mittelgebühr, und zwar in Höhe von insgesamt 734,23 EUR. Das AG setzte am 19.01.2023 die zu erstattenden notwendigen Auslagen des Angeklagten auf 526,10 EUR fest. Zur Begründung führte die Rechtspflegerin aus, dass die beantragten Gebühren unbillig erhöht seien, weil es sich vorliegend – gemessen an den Kriterien des § 14 RVG — um eine unterdurch-schnittliche Angelegenheit handele. Bei Einspruchseingang habe die Akte lediglich 37 Blatt umfasst. Daher sei eine Kürzung der Mittelgebühren um 30 % angemessen.

Dagegen hat der Verteidiger am 30.01.2023 (auch richtig gelesen) sofortige Beschwerde eingelegt: Eine Absetzung der Gebühren sei nicht angezeigt. Die Begründung lasse jeden Bezug zur konkreten Rechtssache vermissen. Die sofortige Beschwerde hatte dann nur teilweise Erfolg:

„Die sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, hat aber in der Sache nur teilweise Erfolg.

1. So hat der Beschwerdeführer lediglich mit seinen Einwendungen gegen die Absetzungen Erfolg, die im Hinblick auf die Verfahrensgebühren Nr. 4106 und Nr. 4141 VV RVG vorgenommen wurden. In Anbetracht der anwaltlichen Tätigkeiten, die im Beschwerdeverfahren vorgetragen wurden und die in den Abgeltungsbereich dieser Gebühren fallen, erscheint in der Gesamtschau mit den für die Bestimmung der Gebührenhöhe maßgeblichen Kriterien nach § 14 Abs. 1 RVG der geltend gemachte Ansatz der sogenannten Mittelgebühr in Höhe von jeweils 181,50 € als angemessen und nicht als unbillig erhöht im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG.

Der Verteidiger hatte im Vorfeld der Hauptverhandlung zweimal zur Sache Stellung genommen und mehrere Telefonate geführt. Da die Staatsanwaltschaft der ersten Einstellungsanregung zunächst entgegengetreten war, bedurfte es eines zweiten Schriftsatzes mit einer ergänzenden Stellungnahme, um die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO einzuholen.

Zusätzlich war eine Besprechung mit dem Angeklagten unter Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich.

Die Höhe der Gebühr Nr. 4141 VV RVG für die anwaltliche Mitwirkung zur Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung richtet sich nach der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG.

2. Demgegenüber hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Absetzung bei der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG richtet.

Die vom Amtsgericht insoweit getroffene Festsetzung der zu erstattenden notwendigen Auslagen ist nicht zu beanstanden. Die Mittelgebühr, die im Kostenfestsetzungsantrag geltend gemacht wurde, ist ausgehend von der nach § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmenden Gesamtwürdigung, die anhand der vergütungsrelevanten Umstände zu erfolgen hat, als unbillig erhöht anzusehen und damit unverbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Die vom Amtsgericht im Kostenfestsetzungsbeschluss vorgenommene Absetzung in Höhe von 30%, wodurch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG im Ergebnis auf 154,- € festgesetzt wurde, ist angemessen.

Denn es ist zu sehen, dass die maßgeblichen Bemessungskriterien nahezu allesamt für eine deutlich unterdurchschnittliche Einordnung sprechen. Im Bereich der allgemein für alle Gebühren zu berücksichtigenden Aspekte spricht lediglich der Gesichtspunkt der Bedeutung, den die Angelegenheit für den Angeklagten hatte, für eine durchschnittliche, aber eben auch keine überdurchschnittliche Einordnung. Denn vorliegend standen eine nicht unerhebliche Geldstrafe sowie ein zweimonatiges Fahrverbot im Raum. Es drohten zudem Schadensersatzpflichten auf zivilrechtlicher Ebene.

Andererseits war aber weder mit einer Freiheitsstrafe noch mit dem Entzug der Fahrerlaubnis zu rechnen. Zudem handelte es sich bei dem Beschwerdeführer auch nicht um eine bislang noch nicht vorbestrafte Person, sondern gegen ihn sind bereits früher Geldstrafen wegen nicht einschlägiger Delikte verhängt worden. Auch die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit der Sache war in der Gesamtschau als deutlich unterdurchschnittlich einzustufen, da es maßgeblich auf die Fahrereigenschaft des Angeklagten ankam. Die maßgebliche Frage des Tatnachweises ließ sich nur auf ein einziges Beweismittel stützen. Ferner ist nach Aktenlage — insbesondere auch unter Berücksichtigung der Einlassung des Verteidigers im Schriftsatz vom 8. März 2022 — davon aus-zugehen, dass die Einkommensverhältnisse des Angeklagten als unterdurchschnittlich einzustufen sind. Zudem ist auch der Umfang der Sache, den diese allgemein und insbesondere zum Zeitpunkt der Einarbeitung hatte, als unterdurchschnittlich einzuordnen. Denn die Akte hatte zum Zeitpunkt der Akteneinsicht lediglich 38 Blatt und damit einen sehr geringen Umfang. Sie enthält nur wenige Beweismittel. Soweit in der Beschwerdebegründung eine durchschnittliche Einarbeitung geltend gemacht wird, ist dies aus den oben genannten Gründen und insbesondere auch im Hinblick auf die geringe Schwierigkeit der Sache nicht nachvollziehbar.“

Vorab: Wenn man die oben dargestellten Daten zur Kenntnis genommen hat, ist man sprachlos. Man mag den Zeitablauf nicht glauben: Die Rechtspflegerin braucht 10 Monate (sic!!), um über den Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers zu entscheiden und die große Strafkammer dann vom 30.01.2023 bis zum 07.01.2025 – ja, fast zwei Jahre (sic !!), um über die sofortige Beschwerde zu entscheiden. Man fragt sich, warum man für die paar Sätze zur Begründung in einer durchschnittlichen Sache so lange braucht. Will man nicht oder kann man nicht? Letztlich hat es eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Verteidigers, wie dieser auf Anfrage mitgeteilt hat, gebraucht, um die Strafkammer dann endlich zur Erledigung des Verfahrens zu bringen. Ich frage mich, warum der Verteidiger nicht mit der Verzögerungsrüge nach den §§ 198, 199 GVG, die auch im Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar ist, vorgegangen ist. Die hätte wahrscheinlich Erfolg gehabt. Dazu verweise ich auf das OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.10.2018 – 16 EK 10/18, AGS 2019, 556, das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.05.2020 – 15 EK 3/19, MDR 2020, 1250, das OLG Zweibrücken, Urt. v. 26.01.2017 – 6 SchH 1/16 EntV, NJW 2017, 1328 und auch noch auf den BVerfG, Beschl. v. 11.12.2023 – 2 BvR 739/17 – Vz 5/23, NJW 2024, 1331. Ich kann Verteidigern nur raten, in vergleichbaren Fällen nicht „lange zu fackeln“, sondern Verfahrensrüge zu erheben und dann später klageweise eine Entschädigung geltend zu machen. Vielleicht hält das die Gerichte zu einer zeitlich angemessenen Erledigung von (Kostenfestsetzungs)Verfahren an.

Man könnte mit der Trödelei des LG ja noch leben, wenn dann die getroffene Entscheidung wenigstens zutreffend wäre. Aber das ist leider teilweise nicht Fall.

Zutreffend ist die Festsetzung der Mittelgebühr für die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr der Nr. 4104 VV RVG. Zu letzterem verwundert dann, dass die Rechtspflegerin diese Gebühr offenbar gegen dein eindeutigen Wortlaut der Vorschrift unterhalb der Mittelgebühr festgesetzt hatte. Das widerspricht dem Wortlaut und der darauf hinweisenden h.M. in der Rechtsprechung).

Unzutreffend ist die Entscheidung der Strafkammer allerdings hinsichtlich der Bemessung der Grundgebühr 4100 VV RVG um 30 % unter der Mittelgebühr. Das ist nicht nachvollziehbar und wird durch die Begründung der Strafkammer nicht getragen. Die Begründung spricht vielmehr eindeutig für die vom Verteidiger (nur) angesetzte Mittelgebühr, wenn nicht sogar für deren Überschreitung. An gebührenmindernden Umständen verweist die Strafkammer auf den geringen Umfang der Akten zum Zeitpunkt der Einarbeitung, die Vermögensverhältnisse des Angeklagten und die einfache rechtliche und tatsächliche Schwierigkeit, wobei ich bei den mitgeteilten Verfahrensumstände aber erhebliche Zweifel habe. Alle anderen Umstände sind zumindest durchschnittlich, so dass der Ansatz der Mittelgebühr gerechtfertigt gewesen wäre. Das gilt vor allem auch für die Frage der Bedeutung der Angelegenheit für den Angeklagten. Insoweit bleibt es nämlich das Geheimnis der Strafkammer, warum der Umstand, dass der Angeklagte bereits einschlägig in Erscheinung getreten für eine unterdurchschnittliche Einordnung sprechen soll. Das Gegenteil ist der Fall. Und das Verfahren muss auch nicht überdurchschnittlich bedeutsam sei, sondern Durchschnitt reicht für die Mittelgebühr (vgl. zu den Rahmengebühren Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 1747 ff.).

Alles in allem: Überdurchschnittlich unzutreffend.

AVP-Erstattung für den ortsansässigen Verteidiger II, oder: LG Köln macht es richtig

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Dass es mit der Erstattung der Aktenversendungspauschale auch anders als beim AG Tiergarten (s. dazu AG Tiergarten, Beschl. v. 12.11.2024 – 332a OWi 64/22) = richtig geht, zeigt der schon etwas ältere LG Köln, Beschl. v. 24.01.2024 – 110 Qs 8/24 -, den ich trotz „seines Alters“ hier vorstelle. Eben weil er es richtig macht:

„1. Zu Unrecht hat das Amtsgericht indes die Festsetzung der angefallenen Aktenversendung i.H.v. 12,00 € abgelehnt.

Es steht außer Zweifel, dass eine Akteneinsicht für eine sachgerechte Verteidigung unumgänglich ist. Die Einsichtnahme in die Ermittlungs- und Gerichtsakten ist in einem Strafverfahren für eine ordentliche Verteidigung notwendig. Es ist Sache der Verteidigerin, wie sie ihr Akteneinsichtsrecht wahrnimmt, also ob sie die Akten auf der Geschäftsstelle einsieht oder – in Ruhe – in ihrer Kanzlei. Vorliegend wurde von der durch die Justiz selbst angebotenen kostenpflichtigen Versendung Gebrauch gemacht. Die hierdurch angefallenen Aufwendungen sind dann auch erforderlich. Die Erstattung kann auch nicht etwa mit der Begründung versagt werden, dass ein ortsansässiger Anwalt sich die Akte hätte abholen können. und damit keine Pauschale angefallen wäre. Es ist bereits zu beachten, dass der pekuniäre Gegenwert des damit einhergehenden Zeitaufwandes (ggf. zzgl. damit verbundener Fahrtkosten) die verhältnismäßig geringe Versendungspauschale bereits mit Sicherheit übersteigen würde. Ein Beschuldigter bzw. Betroffener ist auch nicht etwa verpflichtet, sich einen Verteidiger auszusuchen, der ein Gerichtsfach unterhält, um damit den Zeitaufwand einer Abholung (bzw. der Aktenversendungskosten) zu ersparen. Eine nähere Begründung, warum es sich bei der geltend gemachten Aktenversendungspauschale i.H.v. 12,00 € hier nicht um notwendige Kosten handele, enthält die Stellungnahme der Bezirksrevisorin, auf die der angefochtene Beschluss offensichtlich allein Bezug nimmt, nicht.“

Na bitte, geht doch 🙂 .

Die vom LG bestätigten Absetzungen bei Grund- und Verfahrensgebühr lassen sich nicht beurteilen. Geltend gemacht war jeweils die Mittelgebühr, AG und LG haben unter der Mittelgebühr festgesetzt. Ob das zutreffend ist, kann man ohne weitere Angaben zu den Verfahrensumständen nicht sagen. Allerdings sprechen die mitgeteilten Umstände schon dafür, dass schon Gebühren unterhalb der Mittelgebühren festzusetzen waren. Das gilt insbesondere für die Verfahrensgebühr Nrn. 4104, 4105 VV RVG. Denn wenn nach der ersten Einarbeitung, die durch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG abgegolten wird, keine oder nur geringe weitere Tätigkeiten erbracht worden sind, ist die Verfahrensgebühr, die immer neben der Grundgebühr entsteht, unterhalb der Mittelgebühr, ggf. sogar nur als Mindestgebühr festzusetzen. Das hat das LG richtig aus Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl. 2023, 4104 Rn 11 m.w.N. zitiert. 🙂

Gebühren nach Rücknahme des Strafbefehlsantrags, oder: Entsteht ggf. auch die „Befriedungsgebühr“?

Daumen

Das zweite Posting ist dann auch ein „Noch-einmal-Posting“. Denn es geht noch einmal um die Gebühren des Verteidigers nach Rücknahme des Strafbefehlsantrags. Darüber habe ich ja schon häufiger berichtet.

Dem dazu ergangegen LG Gießen, Beschl. v. 04.11.2024 – 7 Qs 147/24 – liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Rechtsanwalt hat den Beschuldigten in einem gegen diesen geführten Verfahren wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs vertreten. Gegen den Mandanten war in einem Strafbefehl des AG vom 12.04.2021 eine Geldstrafe festgesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 21.04.2021 zeigte der Beschwerdeführer unter beigefügter Vollmacht vom 21.04.2021 die Verteidigung des Mandanten an, beantragte Akteneinsicht und legte gleichzeitig Einspruch gegen den Strafbefehl ein.

Mit Schriftsatz vom 01.02.2022 hat der Rechtsanwalt für den Beschuldigten zu den Tatvorwürfen Stellung genommen und beantragt, die Klage gemäß § 411 Abs. 3 StPO zurückzunehmen sowie das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen, da das seinem Mandanten vorgeworfene Verhalten keine Straftat darstelle. Unter dem 23.02.2022 nahm die Staatsanwaltschaft die öffentliche Klage nach Maßgabe des § 411 Abs. 3 S. 1 StPO unter Bezugnahme auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen des Rechtsanwalts zurück. Mit Schreiben vom 29.03.2022 und 16.05.2022 erkundigte sich der Rechtsanwalt bei der Staatsanwaltschaft nach dem Sachstand und verwies darauf, dass das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ohne Verzögerungen einzustellen sei und dieses nicht in der Schwebe gehalten werden dürfe. Zur Begründung wurde auf die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 01.02.2022 Bezug genommen. Mit Verfügung vom 24.08.2022 hat die Staatsanwaltschaft dann das Verfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das AG hat am 01.02.2023 die notwendigen Auslagen des Beschuldigte der Staatskasse auferlegt.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung hat der Rechtsanwalt die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG, die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG und eine Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren nach Nr. 4104 VV RVG sowie die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht. Die Vertreterin der Staatskasse hat ablehnend Stellung genommen. Nach ihrer Auffassung soll die Nr. 4104 VV RVG nicht entstanden sein, weil der Verteidiger keine Tätigkeit im Ermittlungsverfahren ausgeübt habe.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts hatte Erfolg:

„Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG ist in Höhe von 181,50 € netto entstanden.

Die Gebühr Nr. 4104 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang u.a. des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht. Der Beschwerdeführer wurde hier zwar erstmals nach Eingang des Antrages auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht für den Mandanten tätig.

Nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur wird ein Verfahren jedoch nach Rücknahme des Antrags auf Erlass des Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 411 Rn. 8). War der Verteidiger bereits zuvor tätig, kann er die Gebühr für das vorbereitende Verfahren nach Nr. 4104 VV RVG nicht erneut verdienen (§ 15 Abs. 2 RVG), da es sich insoweit um dieselbe Angelegenheit handelt. War der Anwalt dagegen — wie hier — im vorbereitenden Verfahren noch nicht tätig, dann verdient er mit der „Zurückversetzung“ des Verfahrens in das Ermittlungsverfahren nunmehr die dortige Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV-RVG, wenn er entsprechend tätig wird.

Nicht einheitlich beurteilt wird hingegen die Frage, welche Anforderungen an das erneute Tätigwerden des Verteidigers in diesem Stadium zu stellen sind, und ob hierunter auch eine Tätigkeit fallen kann, welche zugleich die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG auslöst. Das Landgericht Nürnberg-Fürth geht diesbezüglich (wohl) davon aus, dass es nach der Rücknahme des Strafbefehls zunächst erneuter Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft bedarf und erst ein hierauf reagierendes Verhalten des Verteidigers die Verwirklichung des Tatbestands des Nr. 4104 VV RVG begründen kann und daher ein etwaiges Gespräch des Verteidigers mit seinem Mandanten oder der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens hierfür nicht genügt, sondern gebührenrechtlich vielmehr in Nr. 4141 VV RVG als die dort erforderliche Mitwirkung abgegolten ist (vgl. LG Nürnberg-Fürth Beschl. v. 13.10.2020 — 7 Qs 56/20, BeckRS 2020, 28998 Rn.10-12).

Die vorgenannte Auffassung teilt die Kammer jedoch nicht. Vorliegend hat der Beschwerdeführer in dem „wiederaufgelebten“ Ermittlungsverfahren, also nach Rücknahme der öffentlichen Klage am 23.02.2022, gegenüber der Staatsanwaltschaft auf die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO hingewirkt und diese erneut unter Verweis auf die zuvor dargelegte Rechtsauffassung beantragt. Insoweit handelt es sich zutreffend auch um eine Mitwirkung i.S. der Nr. 4141 VV RVG. Das RVG honoriert auf diesem Weg Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Terminsgebühr führen (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV 4141 Rn. 1, 2.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum dieser Umstand verhindern sollte, dass zusätzlich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VVRVG ausgelöst werden kann. Diesbezügliche Anhaltspunkte sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vielmehr gilt, dass die Verfahrensgebühr Nr. VV 4104 RVG grundsätzlich unabhängig von der Wertigkeit oder dem Umfang der Tätigkeit entsteht. Die Verfahrensgebühr entsteht für alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts, also zum Beispiel auch für Besprechungen/Telefonate mit dem Mandanten, die sich gerade nicht aus der Verfahrensakte ergeben. Es werden insoweit keine hohen Anforderungen gestellt (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV 4104 Rn. 6, 7). Daher überzeugt es nicht, diese Anforderungen deshalb und nur für den Fall zu stellen, weil es sich hier nicht um ein „originäres“, sondern vielmehr um ein nachträgliches/ zurückversetztes Ermittlungsverfahren handelt. Demzufolge dürften bereits die Entgegennahme der Mitteilung über die Rücknahme des Strafbefehlsantrags und die daraufhin stattfindende Besprechung oder Unterrichtung des Mandanten hinsichtlich des weiteren Verfahrensverlaufs genügen, um die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4104 VV RVG auszulösen.

In der Folge kann die Entgeltpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen auch in diesem Verfahrensstadium zusätzlich eingefordert werden, da Nr. 7002 Anm. 1 VV RVG vorgibt, dass diese in jeder Angelegenheit gefordert werden kann und § 17 Nr. 10 RVG klarstellt, dass das Ermittlungsverfahren/vorbereitende Verfahren und das erstinstanzliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind.“

Zutreffend: So z.B. auch: LG Bamberg, Beschl. v. 8.11.2023 – 13 Qs 79/23, AGS 2023, 556 ; LG Berlin, RVGreport 2017, 106 = AGS 2017, 80) und ja grds. auch das LG Nürnberg-Fürth im zitierten LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.10.2020 – 7 Qs 56/20, AGS 2021, 174. Nur bei der Nr. 4141 VV RVG irrt das LG Nürnberg-Fürth aus den dargelegten Gründen.

Abgeltungsbereiche Grund-/Verfahrensgebühr, oder: Grundkenntnissemangel beim LG Koblenz/LG Siegen

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Und dann Gebühren. Zunächst hier mit zwei „unschönen“ Entscheidungen. Die eine kommt vom LG Koblenz, die andere stammt vom LG Siegen.

Es geht noch einmal um das Zusammenspiel von Grundgebühr und Verfahrensgebühr in Zusammenhang mit der Erstreckung. Im LG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2024 – 3 Qs 45/24 – wird nach Verbindung und Erstreckung – zum Sachverhalt bitte im Volltext nachlesen – um die Grund- und Verfahrensgebühr in mehreren der hinzuverbundenen Verfahren gestritten. Die waren nur zum Teil festgesetzt worden. Das AG hatte das damit begründet, dass es sich zum Teil um jeweils eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne gehandelt. Darüber hinaus habe der Verteidiger in drei verfahren auch keine Tätigkeit entfaltet. Die allgemein gehaltene Formulierung, er bestelle sich für alle weiteren Verfahren, stelle keine auch für diese Verfahren eine  gebührenauslösende Tätigkeit des Verteidigers dar. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger Erinnerung eingelegt, die durch das AG zurückgewiesen wurde. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verteidigers hatte nur teilweise Erfolg:

„Das zulässige Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG entsteht nach Übernahme des Mandats und soll den Aufwand für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgelten. Die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren nach Nr. 4104 VV RVG soll dagegen nach der Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information abgelten. Die Verfahrensgebühr entsteht zwar nach Anmerkung 1 zu Nr. 4100 VV RVG neben der Grundgebühr. Abgegolten werden mit ihr im vorbereitenden Verfahren allerdings nur Tätigkeiten nach der Erstinformation des Rechtsanwalts, d.h. alle Tätigkeiten nach erstem Mandantengespräch und erster Akteneinsicht. Die erste Akteneinsicht ist dagegen bereits von der Grundgebühr umfasst. Wird das Verfahren nach erfolgter Erstinformation zu einem anderen Verfahren verbunden, besteht für die Annahme einer neben der Grundgebühr stets entstehenden Verfahrensgebühr (Nr. 4104) daher kein Raum (OLG Celle, Beschluss vom 26.01.2022, 2 Ws 19/22, juris Rn. 18 m.w.N.).

Danach steht dem Beschwerdeführer über die für das führende Verfahren zuerkannten Gebühren hinaus ein Anspruch auf die Grundgebühr in den Verfahren zu den Fallakten 2, 4 und 5 zu. In diesen Verfahren ist der Pflichtverteidiger durch Stellung eines Akteneinsichtsgesuchs tätig geworden. Eine über die Beantragung und Durchführung der Akteneinsicht hinausgehende Tätigkeit ist für keines der hinzuverbundenen Verfahren dargetan. Die Verfahrensgebühr ist daher nicht entstanden. Darüber hinaus kann der Pflichtverteidiger die insoweit entstandene Post- und Telekommunikationspauschale verlangen.

Da die Verbindung des Verfahrens 2040 Js 82971/23 (Fallakte 2) noch vor der Beiordnung des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger erfolgte, ergibt sich der Gebührenanspruch für die vorangehende Tätigkeit des Beschwerdeführers insoweit bereits aus § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG. Für die Verfahren 2040 Js 14516/23 (Fallakte- 4)und 2040 Js 14518/23 (Fallakte 5)folgt er gemäß § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG aus dem Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 11.06.2024 (131. 83 d.A.).“

Die Entscheidung zeigt mal wieder: Manche lernen es nie. Denn: Hinsichtlich des Verhältnisses und zum Anfall von Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und der Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV RVG, macht das LG allerdings einen Fehler, den auch schon vor kurzem das LG Siegen gemacht hat (LG Siegen, Beschl. v. 19.2.2024 – 10 Qs 4/24 – dazu gleich mehr) und der auch dem OLG Celle in dem vom LG zitierten Beschluss unterlaufen ist (OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22). Gerade die Bezugnahme des LG auf die letzte Entscheidung zeigt, wie schnell falsche Ansichten ein „Eigenleben“ entwi-keln. Das insbesondere, wenn sie offenbar ohne nähere Prüfung übernommen werden, wofür m.E. spricht, dass das LG keine anderen Entscheidungen und/oder Kommentare zitiert, sondern sich nur auf die – an dieser Stelle – falsche OLG-Entscheidung bezieht.

Daher noch einmal: Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr – hier die Nr. 4104 VV RVG für das vorbereitende Verfahren – entstehen nach der Anm. zur Nr. 4100 VV RVG immer nebeneinander (vgl. Burhoff AGS 2021, 433). Voraussetzung für das Entstehen der/dieser Gebühren des Rechtsanwalts sind von ihm für den Mandanten erbrachte Tätigkeiten. Dazu stellt das LG auf die Akteneinsichtsgesuche des Pflichtverteidigers ab und meint, da der Pflichtverteidiger (offenbar) weitere Tätigkeiten nicht erbracht hat, sei die Verfahrensgebühr nicht entstanden bzw. deren Anwendungsbereich nicht erreicht. Dabei übersieht es aber, dass die jeweilige Verfahrensgebühr als sog. Betriebsgebühr immer mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts entsteht und daneben zugleich die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Diese honoriert (nur) den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie ist eine Art Verfahrensgebühr mit dem Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BR-Drucks. 517/12, S. 439 = BT-Drucks. 1771471, S. 281; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn 26 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Es ist nicht so, wovon offenbar das LG ausgeht, dass, wenn der Verteidiger nur Tätigkeiten erbringt, die vom Anwendungsbereich dieser Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG erfasst werden, die Verfahrensgebühr – hier die Nr. 4104 VV RVG – wieder wegfällt. Vielmehr verlagert sich die Problematik in den Bereich der Bemessung der Verfahrensgebühr, die ggf., wenn weitere Tätigkeiten „zum Betreiben des Geschäfts„ nicht erbracht werden, nur in Höhe der Mindestgebühr anfällt (so zutreffend LG Hagen, Beschl. v. 23. 4.2018 – 43 Qs 14/18). Die hätten hier also in den in den Verfahren Fallakten 2, 4 und 5 also mindestens auch noch fest-gesetzt werden müssen.

Ob und welche Tätigkeiten der Verteidiger erbracht hat, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen; ich folge dem LG allerdings darin, dass dass die angeführten pauschalen Formulierungen in Schreiben in anderen gegen den Beschuldigten gerichteten Verfahren nicht ausreichen dürften. Dazu muss der Verteidiger vortragen, sollte sich das nicht aus der Akte ergeben. Ein Mandantengespräch oder ähnliches reicht. Beim Pflichtverteidiger entsteht dann aber die gesetzliche Gebühr als Festbetragsgebühr.

Ich hoffe, dass das jetzt aber auch reicht. Aber: Offenbar nich. Denn ähnlich hatte ich auch zu dem oben angeführten LG Siegen, Beschl. v. 19.02.2024 – 10 Qs 4/24  – kommentiert (Erstreckung II: Voraussetzungen der Erstreckung, oder: Grundkenntnisse fehlen beim LG Siegen/der StA Siegen) und dem Einsender vorgeschlagen, gegen die falsche Entscheidung des LG Gegenvorstellung einzulegen – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.  Aber leider ist sie gestorben. Das LG weiß es im LG Siegen, Beschl. v. 19.09.2024 – 10 Qs 4/24, mit dem die Gegenvorstellung zurückgewiesen worden ist, nach wie vor besser und man setzt noch einen drauf, wenn man ausführt:

„Soweit sich der Vortrag des Verteidigers zu seinen Tätigkeiten in den allgemeinen Behauptungen erschöpft, sich in Akten eingearbeitet zu haben und Besprechungen mit der Mandantin geführt zu haben, begründet dies weder die Geltendmachung einer Grundgebühr, noch einer Verfahrensgebühr. Der Vortrag des Verteidigers ist unsubstantiiert und kann nicht nachvollzogen werden. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass Tätigkeiten – abgesehen von Akteneinsichten – nicht aktenkundig sein müssen. Entscheidend ist, ob der Verteidiger die Tätigkeiten erbracht hat. Da er sich tatsächlich vor der Verbindung der Verfahren in die Akten nicht hat einarbeiten können und seine Anträge vorrangig auf eine Beiordnung zielten, hätte es ergänzender Ausführungen auch zu den Besprechungen mit der Mandantin bedurft. Trotz Nachfragen erfolgte dies nicht, so dass Gebührenansprüche nicht festgestellt werden konnten.“

Was soll er denn bitte im Hinblick auf seine Schweigepflicht noch vortragen? Alles mehr als unschön.

Nur für den Vorführtermin bestellter Pflichtverteidiger, oder: Grund-, Verfahrens-, Terminsgebühr

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Und dann – es ist Freitag – heute Gebührenentscheidungen.

Zunächst kommt hier der AG Braunschweig, Beschl. v. 27.09.2024 – 4 Ds 210 Js 8094/24 (33/24) , der sich mal wieder/noch einmal zur Frage des Umfangs des Gebührensanspruchs des Pflichtverteidgers, der nur für die Wahrnehmung eines Vorführtermins beigeordnet wird, äußert. Das AG sagt: Der Verteidiger verdient alle Gebühren:

„Die Erinnerung ist zulässig und begründet.

Dem Verteidiger stehen vorliegend auch im Rahmen einer auf die Haftbefehlsverkündung gemäß § 115 StPO beschränkten Beiordnung sowohl die Terminsgebühr Nr. 4103 VV RVG als auch die Verfahrensgebühr Nr. 4105 VV RVG und die Grundgebühr Nr. 4101 VV RVG nebst Auslagenpauschale zu.

Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG regelt die Vergütung des Verteidigers. Liegt ein Verteidigungsverhältnis vor, macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob sich die Tätigkeit insbesondere auch in den Fällen des sogenannten Terminvertreters auf die Wahrnehmung eines einzelnen Termins beschränkt. Die Beiordnung, auch für einen Termin, begründet ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis in dessen Rahmen der Pflichtverteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine gebührenrechtlich unterschiedliche Behandlung dieses Verteidigers gegenüber dem Hauptverteidiger ließe eine Entwertung des Instituts der Pflichtverteidigung und damit einhergehend des Rechts des Angeklagten auf eine effektive rechtsstaatliche Grundsätzen genügend Verteidigung besorgen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010, 2 Ws 129/10 Juris, Randnr. 6; OLG München, Beschluss vom 23.10.2008 — 4 Ws 140(08) NStZ-RR 2009, 32 jeweils mit weiteren Nachweisen).

Diese Grundsätze gelten vorliegend auch für die Verteidigung im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung nach § 115 StPO. Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen, als eine solche im Rahmen der Hauptverhandlung. Die Freiheit des Betroffenen stellt ein Grundrecht dar. Der in seinem Grundrecht durch die Haftanordnung verletzte Betroffene hat ein Recht auf effektive Verteidigung sowohl hinsichtlich des Tatvorwurfs als auch hinsichtlich der Annahme der Haftgründe (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 24.01.2024 — 3 Ws 50/23; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.07.2024 — 2 Ws 412/24).

Vorliegend war eine Erstberatung noch nicht erfolgt; daher war — unabhängig von der später erfolgten Beiordnung eines Verteidigers für das Verfahren — eine umfassende Beratung zur Verteidigungsstrategie im Rahmen der Vorführung nach § 115 StPO zwingend geboten. Es war zu entscheiden, ob der Beschuldigte sich durch eine Einlassung bereits zum frühen Zeitpunkt verteidigt und dadurch gegebenenfalls das Verfahren abkürzt oder sich eine geständige Einlassung auf die Frage einer Außervollzugsetzung des Haftbefehls auswirken kann bzw. ob andere Umstände hier geringe Tatbeute, eine Außervollzugsetzung rechtfertigen. Die gewählte Vorgehensweise kann sich gegebenenfalls bestimmend für das Verteidigungsverhalten im weiteren Verfahrensverlauf auswirken.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Wir werden in der Sache dann abersicherlich noch einmal etwas lesen. Das wird die Landeskasse nicht hinnehmen.