Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren , oder: Dafür muss die Vollmacht nicht ausgestellt sein.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und am Gebührenfreitag heute dann als erste Entscheidung der LG Mühlhausen, Beschl. v. 16.04.2024 – 3 Qs 32/24. Der liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Angeklagten ein Verfahren wegen des Verdachts der Beleidigung gemäß §§ 185, 194 StGB. In diesem erließ das AG am 10.06.2022 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten. Dagegen hat der Angeklagte durch Schriftsatz seines Wahlverteidigers Einspruch eingelegt. Der daraufhin auf den 11.05.2023 anberaumte Hauptverhandlungstermin wurde nach einer halben Stunde ausgesetzt.

Durch Beschluss des AG ist dann das Verfahren am 21.06.2023 im Hinblick auf die rechtskräftige Strafe in einem anderen Verfahren wegen Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.

Der Verteidiger des Angeklagten hat die Festsetzung der bei ihm entstandenen Gebühren und Auslagen beantragt. Das AG hat die Gebühren weitgehend antragsgemäß festgesetzt. Lediglich die beantragte Terminsgebühr wurde auf 30% unterhalb der Mittelgebühr gekürzt.

Gegen den Beschluss hat der Bezirksrevisor „Erinnerung“ eingelegt. Nach seiner Auffassung hätte die Verfahrensgebühr für das Vorverfahren Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 181,50 EUR nicht festgesetzt werden dürfen. Der Verteidiger habe erst am 21.06.2022 mit der Einspruchseinlegung die Vertretung angezeigt. Die Vollmacht datiere auf den 20.06.2022. Damit sei eine Tätigkeit im Geltungsbereich der Gebühr Nr. 4104 VV RVG weder vorgetragen noch aktenkundig. Der Verteidiger führte demgegenüber aus, dass ausweislich aktenkundig sei, dass er bereits im Geltungsbereich der Vorverfahrensgebühr tätig gewesen sei. Er habe dem Angeklagten noch vor dem 24.05.2022 geraten, keine Angaben zu machen, was dieser gegenüber der ermittelnden Polizeibeamtin mitgeteilt habe. Die Beratung, Mandantengespräche und das Entwerfen einer Verteidigungsstrategie falle in den sachlichen Anwendungsbereich der Nr. 4104 VV RVG. Das Datum der Vollmacht sei unerheblich, die Bestellung könne auch vorher formlos erfolgen. Der Bezirksrevisor hat demgegenüber geltend gemacht, Voraussetzung für die Erfüllung des Gebührentatbestandes einer Verfahrensgebühr sei, dass der Rechtsanwalt einen unbedingten Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit erhalte und er diesen auch annehme. In diesem Rahmen werde regelmäßig die Vollmacht erteilt und auch unterzeichnet. Die sei hier am 20.06.2022 und damit nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erfolgt. Es könne sein, dass der Angeklagte zuvor einen anwaltlichen Rat eingeholt habe, dies stütze aber kein abgeschlossenes Mandat zur Vollvertretung im Ermittlungsverfahren. Es habe allenfalls eine Beratung im Sinne des § 34 RVG stattgefunden, die dann auf die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG anzurechnen sei. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors zurückgewiesen:

„Zu Recht hat das Amtsgericht Mühlhausen in seinem Beschluss sowohl die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 181,50 EURO als auch die Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG festgesetzt.

Die Verfahrensgebühr entsteht nach der Legaldefinition „für das Betreiben des Geschäfts ein-schließlich der Information“. Ausreichend für das Entstehen der Gebühr ist jede Tätigkeit des Rechtsanwaltes, die in den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr fällt. Ausreichend ist also zB auch eine Tätigkeit nur gegenüber dem Mandanten (Beratung, Besprechung usw) (Gerold/Schmidt, RVG W Vorbemerkung 4 Rn. 10, beck-online). Der Antragssteller ist im vorbereitenden Verfahren, also vor dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls, bereits tätig gewesen. Ausweislich BI. 15 d.A. meldete sich der Angeklagte am 24.05.2022 bei PHMin pp. und teilte mit, dass er „auf Anraten seines Rechtsanwaltes“ keine Angaben zur Sache machen und nicht bei der Polizei aussagen werde. Der Antragssteller versicherte anwaltlich, dass er dieser Rechtsanwalt gewesen sei und seinem Mandanten geraten habe, keine Angaben zu machen.“

Manche Entscheidungen führen bei mir zum Kopfschütteln. So auch dieser Beschluss des LG Mühlhausen. Man fragt sich, warum eigentlich in einer solchen Sache der Bezirksrevisor Rechtsmittel einlegt, obwohl die Sach- und Rechtslage eigentlich so klar ist, dass auch ein Bezirksrevisor erkennen sollte, dass die Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG und der Nr. 7002 VV RVG durch das AG zutreffend war. Allerdings setzt das voraus, dass man das erkennen will und sich nicht – wie offenbar hier der Bezirksrevisor – auf einem „Kürzungstrip“ befindet und daher unsinnige Einwände erhebt und unsinnige Rechtsmittel einlegt. Wenn man es nicht tun würde, könnte man die zur Entscheidung über das Rechtsmittel notwendigen Ressourcen sinnvoll anderweitig nutzen.

Dies vorausgeschickt ist zur Sache nur anzumerken, dass die Entscheidung des LG zutreffend ist. Dafür reicht alleine schon, dass es in de Akte heißt, dass der Angeklagte erklärt habe, er mache „auf Anraten seines Rechtsanwaltes“ vorerst keine Angaben. Wie kann man bei der Formulierung durch die Polizeibeamten auf die Idee kommen, ein Verteidigungsauftrag habe noch nicht vorgelegen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert