Schlagwort-Archive: Zurückverweisung

OWi II: Nochmals Kampf um Terminsverlegungen, oder: Will das AG Verteidiger/LG ärgern oder liest es nicht?

Bild von Clker-Free-Vector-Images auf Pixabay

Und dann vor Weihnachten doch noch etwas zum Kopfschütteln, und zwar:

Anfang des Monats hatte ich über den LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 342/24 – und den LG Braunschweig, Beschl. v. 27.11.2024 – 2b Qs 346/24 – berichtet (vgl. hier: OWi II: Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, oder: Ablehnung nur mit konkreten Gründen).

In beiden Entscheidungen ging es um vom AG Helmstedt zu Unrecht abgelehnte Terminsverlegungsanträge des Verteidigers, der gegen die Ablehnungen jeweils Beschwerde eingelegt hatte. Das AG hatte dann kurzerhand die Beschwerde dem LG vorgelegt. Eine Abhilfeentscheidung war nicht ergangen. Das LG hatte dennoch nicht zurückverwiesen, sondern aufgehoben und dem AG mit recht deutlichen Worten mitgeteilt, was es von den Ablehnungen in der Sache hält, nämlich nichts.

Wer nun gedacht hatte, dass es damit gut ist/war, der hat sich geirrt. Denn das AG Helmstedt macht folgendes – ich nehme jetzt mal den Sachverhalt aus dem (neuen) LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 371/24 -, der aus dem LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 372/24 – ist identisch: Das LG hatte mit Beschluss vom 27.11.2024  die Entscheidung des Amtsgerichts, die für den 02.12.2024 anberaumte Hauptverhandlung nicht zu verlegen, aufgehoben. Mit Aktenrückübersendung hatte die Vorsitzende das AG darauf hingewiesen, dass in Zukunft eine förmliche Abhilfeentscheidung zu treffen ist und nicht einfach die Akten übersandt werden dürften. Das AG Helmstedt beraumte daraufhin einen neuen Termin für den 23.01.2025 an. Der Termin war mit dem Verteidiger vorher wieder nicht abgestimmt. Mit Schriftsatz vom 03.12.2024 beantragte der Verteidiger erneut Terminsverlegung und bot den 30.01.2025 und 06.02.2025 als neue Verhandlungstermine an. Mit fast wortgleichem Schreiben wie vom 07.11.2024 – das war das frühere Verfahren – lehnte das AG AG Helmstedt die Terminsverlegung wieder ab, wogegen sich dann der Verteidiger erneut mit der Beschwerde wandte.

Und jetzt hat das LG – in beiden Verfahren – gesagt: Genug ist genug und hat aufgehoben und zurückverwiesen. Hier die Gründe aus LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 371/24 -, die aus LG Braunschweig, Beschl. 16.12.2024 – 2b Qs 372/24 – sind gleich:

„An einer Entscheidung über die Beschwerde sieht sich die Kammer mangels Zuständigkeit gehindert; die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil die zunächst erforderliche Abhilfeentscheidung (§ 306 Abs. 2 StPO) noch nicht ergangen ist (vgl. BGH, NStZ 1992, 507; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 6 StR 1/22 –, juris).

Fehlt eine (Nicht-)Abhilfeentscheidung hat das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur schnellen und wirtschaftlichen Erledigung der Beschwerde darüber zu befinden, ob es selbst entscheiden oder dem Erstrichter Gelegenheit geben will, die unterbliebene Entscheidung über die Abhilfe nachzuholen (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 373; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009 -; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 2 Ws 34 – 38/09 –, juris, Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21 – jeweils mit weiteren Nachweisen). Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, eine Zuleitung an das Erstgericht zur Nachholung der (Nicht-)Abhilfeentscheidung komme stets in Betracht, wobei es sich nicht um eine die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung voraussetzende „Zurückverweisung“ handele (Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar, StPO, § 306 Rn. 19 – ohne weitere Begründung). Nach anderer Meinung ist eine Zurückverweisung ausnahmsweise nur dann angezeigt, wenn das Verfahren dadurch beschleunigt wird, weil die tatsächliche Richtigkeit des Beschwerdevorbringens vom sachnäheren Erstrichter leichter und schneller festgestellt werden kann und zu erwarten ist, dass dieser seine Entscheidung aufgrund dessen selbst korrigiert (Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21) und das Beschwerdegericht andernfalls an einer eigenen Sachentscheidung im Sinne des § 309 Abs. 2 StPO gehindert wäre (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 306 Rn. 10). Denn die Nichtabhilfe ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009 -; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 2 Ws 34 – 38/09 –, juris. Holger Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 306 Rn. 21; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 306 Rn. 10). Eine eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts entsprechend § 309 Abs. 2 StPO ist danach bei offensichtlicher Erfolglosigkeit der Beschwerde geboten, bei der ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass das Beschwerdevorbringen die Beschwerde nicht zu begründen vermag (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Dezember 2002 – 2 Ws 475/02 = VRS 104, 372, 374; vom 05. Februar 2009 – 2 Ws 16/2009). Ein Streitentscheid ist hier nicht erforderlich. Ein Fall der sofortigen Entscheidung der Kammer wegen unzumutbarer Verfahrensverzögerung oder der offensichtlichen Erfolglosigkeit der Beschwerde liegt hier gerade nicht vor. Die Beschwerde könnte nach Auffassung der Kammer durchaus begründet sein, weil die Ablehnung des erneuten Terminsverlegungsantrages erneut ermessensfehlerhaft sein könnte.

Wird mit der Beschwerde erhebliches neues Vorbringen verbunden, das einer Klärung bedarf, weil es sich um ein ernstzunehmendes neues und vom Erstgericht ohne sonderliche Mühe überprüfbares Vorbringen handelt, das im Falle seiner Richtigkeit die tatsächlichen Grundlagen der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen würde, dann ist das Erstgericht zu einer Prüfung und zur Begründung seiner Entscheidung verpflichtet (OLG München, NJW 1973, 1143). Das Amtsgericht hat sich gerade nicht mit der Beschwerdebegründung vom 06.12.2024 auseinandergesetzt. Vielmehr erfolgte die Ablehnung der erneuten Terminsverlegung wieder mit fast wortgleichem Schreiben wie zuvor und wie auch im Parallelverfahren unter Beteiligung des gleichen Verteidigers. Eine Ausübung des Ermessens ist darin nicht zu erkennen.

Die Notwendigkeit einer auf das Vorbringen vom 06.12.2024 bezogenen Abhilfeentscheidung entfällt auch nicht deshalb, weil das Amtsgericht in dieser Sache zuvor bereits einmal nicht abgeholfen hat. Diese konkludente Abhilfeentscheidung reicht im Hinblick auf das neue Beschwerdevorbringen nicht mehr aus. Das Abhilfeverfahren soll dem Erstrichter die Gelegenheit zur Korrektur seiner Entscheidung geben, um dem Beschwerdegericht ggf. eine Befassung mit der Sache zu ersparen (BGH MDR 1992, 593¬594; OLG München NJW 1973, 1143). Dieser Aufgabe kann es nur gerecht werden, wenn sämtliches vor Weiterleitung der Akten an das Beschwerdegericht aktenkundige Vorbringen des Beschwerdeführers berücksichtigt wird (BGH MDR 1992, 593-594). So kann das Beschwerdegericht nicht nachvollziehen, warum die angebotenen Ersatztermine am 30.01.2025 und 06.02.2025 für das Amtsgericht nicht in Betracht kommen, obwohl beide Termine einen Donnerstag betreffen, so wie es der Vorgabe des Amtsgerichts entsprach. Dass bei einer Verlegung auf einen der angebotenen Ersatztermine eine nennenswerte Verfahrensverzögerung eintritt, die gegen das Recht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verstößt, ist für die Kammer ebenfalls nicht erkennbar. Eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Abhilfeentscheidung ist daher unerlässlich und könnte mutmaßlich der Beschwerde auch zum Erfolg verhelfen, ohne dass es einer Entscheidung der Kammer bedarf.“

Wie gesagt: Kopfschütteln, und zwar mehr als „gelinde“. Denn man fragt sich, was das Verhalten des AG soll? Die Vorsitzende weist auf die Notwendigkeit einer Abhilfeentscheidung hin und die Kammer schreibt in den Gründen der vorhergehenden Entscheidungen mehr als deutlich, wie mit Terminsverlegungsanträgen umzugehen ist. Und was passiert: Das AG bescheidet die neuen Verlegungsanträge wieder, ohne die Vorgaben des LG zu beachten, und legt dann wieder ohne Abhilfe vor. Was wird damit bezweckt: Will das Gericht den Verteidiger ärgern oder gar die Beschwerdekammer oder liest man einfach nicht, was aus der Beschwerde zurückkommt, nach dem Motto: Was schert mich die Beschwerdekammer. Das AG sollte mal überlegen, was an unnützer Zeit und Arbeit sowohl beim Beschwerdegericht als auch beim Verteidiger damit vergeudet wird. Aber das interessiert wahrscheinlich auch nicht. Für solche Entscheidungen müsste es „Strafzahlungen“ geben 🙂 🙂 .

Rechtsmittel II: Zurückverweisung im der Beschwerde, oder: Ausnahme fehlende Sachentscheidung

© sharpi1980 – Fotolia.com

Im zweiten Posting dann etwas aus dem Beschwerdeverfahren, und zwar:

Ergangen ist die Entscheidung in einem Widerrufsverfahren. In dem hat das AG – das Erkenntnisgericht – eine Bewährung widerrufen, obwohl der Verurteilte in Strafhaft einsass. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte.

Das ist nichts Besonderes, denn das AG war im Verfahren nach § 453 StPO unzuständig. Zuständig wäre nach § 462a Abs. 1 StPO vielmehr die zuständige Strafvollstreckungskammer gewesen. So weit, so gut. Aber – so das LG Chemnitz im LG Chemnitz, Beschl. v. 01.08.20234 Qs 272/23:

„2. Allerdings ist die Beschwerdekammer daran gehindert, die Vorlage an das zuständige Gericht vorzunehmen. Entgegen des Grundsatzes des § 309 Abs. 2 StPO kann die Beschwerdekammer diese Entscheidung nicht selbst treffen.

Eine Zurückverweisung der Sache an das untere Gericht ist im Beschwerdeverfahren ausnahmsweise möglich, wenn etwa das angegriffene Gericht eine Entscheidung in der Sache gar nicht vorgenommen hat, weil es beispielsweise einen Antrag (zu Unrecht) als unzulässig abgelehnt hat (Meyer-Goßner/Schmitt: StPO, 66. Aufl., § 309 Rn. 9). So kommt eine Zurück-verweisung etwa in Betracht, wenn das Gericht einen Antrag durch Beschluss als unzulässig abgelehnt hat, da es unzuständig sei (OLG Stuttgart Beschl. v. 04.02.1991 – 3 Ws 21/91-, juris). Ein solcher Ausnahmefall liegt auch hier vor. Zwar hat das Amtsgericht Chemnitz hier seine Zuständigkeit gerade angenommen und (zu Unrecht) einen Bewährungswiderruf beschlossen. Allerdings hat es zur Frage der Vorlage der Sache an die zuständige Strafvollstreckungskammer keine sachliche Entscheidung getroffen, sondern die Vorlage schlicht unterlassen. Bei einem solchen Unterlassen ist die Sache sodann dem unteren Gericht wieder vorzulegen.

Auch entscheidet bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit verschiedener Gerichte gem. § 14 StPO das gemeinsame obere Gericht. Dies gilt auch bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit der nachträglichen Entscheidung nach § 453 StPO (vgl. nur BGH Beschl. v. 16.12.2009 – 2 ARs 424/09-, juris). Bei einer Streitigkeit über die Zuständigkeit zwischen dem Amtsgericht Chemnitz und dem Landgericht Dresden – Strafvollstreckungskammer – müsste das OLG Dresden als gemeinsames oberes Gericht im Verfahren des § 14 StPO entscheiden. Eine Entscheidung durch das Landgericht Chemnitz als Beschwerdegericht würde diese Zuständigkeit untergraben und die Entscheidungsprärogative des OLG Dresden verletzen. Insofern würde hier eine Spannung zwischen den Befugnissen zweier Rechtsbehelfe bestehen, welche zugunsten des höheren Gerichts und des spezielleren Verfahrens (§ 14 StPO) aufzulösen ist.

Daher sieht sich das Beschwerdegericht im Rahmen des § 309 Abs. 2 StPO gehindert, selbst die Vorlage an das zuständige Gericht vorzunehmen. Die Sache ist folglich zurückzuverweisen. Das Amtsgericht Chemnitz hat die Vorlage an das zuständige Gericht selbst vorzunehmen.“

Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, oder: „Berufungsgebühr“ für Beratung, AG-Richter richtet es

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Ich hatte am vergangenen Freitag über den AG Nürnberg, Beschl. v. 14.02.2024 – 401 Ds 207 Js 8267/22, einen „Rechtspflegerbeschluss“ berichtet (vgl. Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, oder: Abwicklungstätigkeiten des Rechtsanwalts?). Gestritten worden ist in dem Verfarhen um die Anwaltsgebühren der „zweiten Bereufungsinstanz“, also die Gebühren nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das BayObLG an das LG. Der Pflichtverteidiger war dann dort noch für den Mandanten tätig geworden, dann wurde er entpflichtet. Im Streit war, ob der pflichtverteidiger für seine Informations- und Beratungstätigkeit die Nr. 4124 VV RVG geltend machen kann oder oder die durch die Nr. 4130 VV RVG noch abgedeckt ist. Der Rechtspfleger war von letzterem ausgegangen. Der Pflichtverteidiger hatte dann Erinnerung eingelegt. Und die hatte, wie sich aus dem mir inzwischen übersandten AG Nürnberg, Beschl. v. 02.05.2024 – 401 Ds 207 Js 8267/22 – ergibt, Erfolg:

Der Gebührenanspruch des Verteidigers besteht in beantragter Höhe. Die Kosten sind daher wie tenoriert festzusetzen.

Der Verteidiger war bis zur Entpflichtungsentscheidung des Landgerichts vom 10.01.2024 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Das 2. Berufungsverfahren ist gemäß § 21 RVG gegenüber dem Revisionsverfahren, dem 1. Berufungsverfahren und der 1. Instanz eine eigene Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG. Das 2. Berufungsverfahren begann gemäß § 34a StPO mit Ablauf des Tages der Beschlussfassung über die Zurückverweisung an das Landgericht Nürnberg-Fürth, vorliegend mit Ablauf des 23.11.2023.

Voraussetzung für das Anfallen einer Gebühr im 2. Berufungsverfahren ist eine kostenauslösende Tätigkeit des Verteidigers in diesem Berufungsverfahren. Der Verteidiger schildert hierzu, er habe seinen Mandanten mit Schreiben vom 27.11.2023 über das Ergebnis der erfolgreichen Revision und den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens informiert. Außerdem habe er seinem Mandanten mit Schreiben vom 13.01.2024 die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaus-sichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die Entpflichtungsentscheidung des Landgerichts erklärt. Das Schreiben des Verteidigers vom 27.11.2023 ist zeitlich dem 2. Berufungsverfahren zuzuordnen, da es nach Ablauf des 23.11.2023 erfolgte. Soweit der Verteidiger erklärt, hierin dem Mandanten den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erklärt zu haben, so ist dies als kostenauslösende Tätigkeit zu werten. Die Information des Mandanten zum 2. Berufungsverfahren ist Betreiben des Geschäfts und nicht durch vorherige Gebühren erfasst. Die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG zuzüglich Pauschale ist somit angefallen.“

Die Entscheidung ist richtig. Warum der Rechtspfleger falsch lag, hatte ich ja schon am letzten Freitag dargelegt.

Zurückverweisung durch das Revisionsgericht, oder: Abwicklungstätigkeiten des Rechtsanwalts?

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung dann hier der AG Nürnberg, Beschl. v. 14.02.2024 – 401 Ds 207 Js 8267/22. Der liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Rechtsanwalt ist dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden  nd hat ihn seither im ersten, zweiten sowie dritten Rechtszug vertreten. Die Revision des Angeklagten gegen das landgerichtliche Berufungsurteil war teilweise erfolgreich und die Sache wurde mit Beschluss des BayObLG vom 23.11.2023 im Umfang der erfolgten Aufhebung an eine andere Strafkammer des LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

Dort ging die Sache am  29.12.2023 wieder ein und wurde mit dortiger Verfügung vom 03.01.2024 an die 15. Strafkammer übertragen. Als erste Verfahrenshandlung dieser Kammer wurde mit Beschluss vom 10.01.2024 die Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 143 Abs. 2 StPO aufgehoben.

Der Rechtsanwalt hat in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 13.01.2024 die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG samt einer Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG geltend. Der Rechtspfleger des AG hat die Gebühr nicht festgesetzt:

„Grundsätzlich können mehrere Angelegenheiten im Falle einer Verweisung entstehen. Zu unterscheiden ist dabei danach, ob an ein Gericht desselben oder eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen wird. Bei einer Verweisung an das Gericht desselben Rechtszugs zählt das weitere Verfahren noch zur selben gebührenrechtlichen Angelegenheit (§ 20 S. 1 RVG). Wird dagegen – wie vorliegend – an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen, handelt es sich bei dem weiteren Verfahren nach Verweisung um eine neue Angelegenheit i. S. d. § 15 RVG (§ 20 S. 2 RVG).

Damit die Gebühr nach VV Nr. 4124 RVG entsteht, muss allerdings auch eine entsprechende, die Gebühr auslösende Tätigkeit des Anwalts erfolgt sein. In seinen Ausführungen gibt Rechtsanwalt pp. auf Nachfrage des Gerichts hierzu an, er habe seinem Mandanten mit Schreiben vom 13.01.2024 die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die Entpflichtungsentscheidung erläutert. Er habe seinen Mandanten weiterhin mit Schreiben vom 27.11.2023 auch über das Ergebnis der erfolgreichen Revision und den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens informiert.

Grundsätzlich gilt für die Gebühr VV-Nr. 4124 RVG, dass die Einlegung einer Berufung und die Besprechung der erstinstanzlichen Entscheidung noch durch die Verfahrensgebühr der ersten Instanz abgedeckt sind. Analog auf das Verfahren nach Zurückverweisung angewendet ist demnach die im Schreiben vom 27.11.2023 entfaltete Tätigkeit noch von der – bereits am 23.01.2024 aufgrund eines anderen Kostenfestsetzungsantrages des Antragstellers – festgesetzten Verfahrensgebühr der dritten Instanz abgedeckt. Eine allgemeine Information über den grundsätzlichen weiteren Verlauf der neuen Berufungsinstanz vor der eigentlichen Anhängigkeit bei der 15. Strafkammer löst ebenfalls noch keine neue Verfahrensgebühr aus. Es ist üblich, dass sich nach der Kenntnisnahme einer Entscheidung der Prozessbevollmächtigte gegenüber dem Mandanten mündlich oder schriftlich äußert. Diese Tätigkeit ist jedoch noch der gerade zu Ende gegangenen Instanz zuzurechnen.

Die Erläuterung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die erfolgte Entpflichtung erfolgte zeitlich nach der Entpflichtungsentscheidung. Allein deshalb ist bereits keine Grundlage mehr für eine Festsetzung gegen die Staatskasse gegeben. Zudem ist jedoch anzumerken, dass die im Schreiben vom 13.01.2024 entfaltete Tätigkeit m.E. an der Stelle in der neuen Berufungsinstanz die Gebühr VV-Nr. 4124 RVG generell auch noch nicht ausgelöst hat: Die von Rechtsanwalt pp. Fundstelle „Burhoff, Nr. 4124 VV, Rn. 13″ listet zwar unter den von VV-Nr. 4124 RVG erfassten, allgemeinen Tätigkeit u.a. „Pflichtverteidigerbestellung und damit ggf. zusammenhängende Rechtsmittel“, meint m.E. damit aber auch explizit Tätigkeiten in Bezug nur auf eine Bestellungs- und eben gerade nicht auf eine Entpflichtungsentscheidung. Die Prüfung von Erfolgsaussichten dazu sind m.E. vielmehr zunächst nach den VV-Nr. 2100 ff RVG durch den Mandanten selbst zu tragen. Wäre ein Rechtsmittel eingelegt worden, würden dafür dann die üblichen Anrechnungsmodalitäten auf später entstehenden Gebühren gelten.

Die Post- und Telekommunikationspauschale war ebenfalls abzusetzen, da diese grundsätzlich nur entstehen kann, wenn auch eine Gebühr in einer Angelegenheit entstanden war.“

M.E. falsch. Die Argumentation ähnelt der, die wir bei der Frage nach der Erstattung der Gebühren kennen, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel vor Begründung zurücknimmt. Zudem ist die Revisionsinstanz mit der Entscheidung des Revisionsgerichts beendet und es liegt eine neue Angelegenheit vor, die eben nicht mehr von der Gebühr für das Revisionsverfahren honoriert wird. Die Tätigkeiten des Rechtsanwalts gehen m.E. auch erheblich über bloße Abwicklungstätigkeiten hinaus. Also: Die Gebühr hätte festgesetzt werden müssen.

Welche Auslagenerstattung nach Zurückverweisung?, oder: Auslegung von „Die Kosten des Termins….“

Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Wird ein Urteil im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren aufgehoben, stellt sich ggf. nach der abschließenden Entscheidung im neuen Erkenntnisverfahren die Frage, welche Gebühren die Staatskasse ggf. als notwendige Auslagen des Beschuldigten/Betroffenen tragen muss. Das LG Magdeburg befasst sich in LG Magdeburg, Beschl. v. 14.2.2024 – 26 Qs 6/24 mit einer amtsgerichtlichen Kostenentscheidung in einem Verfahren, in dem zunächst ein Verwerfungsurteil ergangen war. Zudem nimmt es zur Verfahrensgebühr Stellung.

Das AG hatte im Hauptverhandlungstermin am 15.08.2022 den Einspruch des Betroffenen gegen einen gegen ihn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassenen Bußgeldbescheid verworfen, weil der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung ohne Entschuldigung ferngeblieben sei  (§§ 73, 74 Abs. 2 OWiG). Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das OLG das AG-Urteil mit Beschluss vom 06.03.2023 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des AG zurückverwiesen. Das AG hat den Betroffenen dann mit Urteil vom 04.09.2023 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt. Die Kostenentscheidung lautete wie folgt: „„Die Kosten des Termins vom 15.08.2022 und des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last. Im Übrigen trägt der Betroffene die Kosten des Verfahrens.”

Der Verteidiger des Betroffenen hat die Festsetzung der von der Staatskasse zu erstattenden Auslagen des Betroffenen beantragt. Dabei hat er für den Hauptverhandlungstermin vom 15.08.2022 eine Verfahrensgebühr Nr 5109 VV RVG und eine Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG nebst Abwesenheitsgeldern und Postpauschale Nr. 7002 VV RVG sowie die Verfahrensgebühr Nr. 5113 VV nebst einer weiteren Pauschale Nr. 7002 VV RVG geltend gemacht.

Die Bezirksrevisorin beim LG hat Einwendungen gegen die Geltendmachung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 VV RVG sowie der Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG für das erstinstanzliche Verfahren erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Staatskasse neben den notwendigen Auslagen des Betroffenen für das Rechtsbeschwerdeverfahren nur noch die notwendigen Auslagen für den Termin am 15.08.2022 auferlegt worden seien. Die Verfahrensgebühr und auch die Pauschale seien jedoch nicht für den Termin selbst, sondern für das „übrige” Verfahren entstanden. Diese Auslagen seien nicht ausscheidbar und daher nicht zu erstatten.

Das AG hat das anders gesehen und ist dem Kostenfestsetzungsantrag des Betroffenen gefolgt. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG und der Postpauschale Nr. 7002 VV RVG hat es damit begründet, dass das Verfahren vom OLG an das AG zurückverwiesen worden sei. Damit sei § 21 Abs.1 RVG einschlägig.

Dagegen hat die Bezirksrevisorin sofortige Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abgeholfen und die Sache dem LG zur Entscheidung vorgelegt hat. Dort hatte die sofortige Beschwerde Erfolg:

„Die sofortige Beschwerde der Landeskasse hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Unrecht die Festsetzung der dem Betroffenen aufgrund der Kostengrundentscheidung des Urteils des Amtsgerichts Wernigerode vom 04.09.2023 zu erstattenden notwendigen Auslagen auch auf die beantragte Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG sowie die Postpauschale, jeweils nebst 19 % Umsatzsteuer, erstreckt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 18.10.2023 sowie in ihrer Beschwerdebegründung vom 04.12.2023, denen sich die Kammer nach kritischer Prüfung vollinhaltlich anschließt, Bezug genommen. Die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG entsteht unabhängig von der Durchführung eines Hauptverhandlungstermins und kann daher nicht – wie die Verteidigung meint – untrennbar mit einem solchen verbunden sein. Ebenso wenig ergibt sich vorliegend aus der Regelung des § 21 Abs. 1 RVG eine Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr Nr. 5109 und der Postpauschale im Wege der Festsetzung der dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen. Es mag nach dieser Vorschrift eine weitere Verfahrensgebühr angefallen sein, allerdings ist diese nach der Kostengrundentscheidung des Urteils vom 04.09.2023 nicht von der Landeskasse, sondern vom Betroffenen zu tragen.“

Die Entscheidung ist zutreffend. M.E. kommt es bei der Bewertung der Entscheidung zunächst auf die vom LG angesprochenen Fragen des Entstehens der Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr sowie die der Frage der Zurückverweisung (§ 21 Abs. 1 RVG) an. Insoweit stellt das LG zutreffend dar, dass die Terminsgebühr nach Vorbem. 5. Abs. 3 VV RVG und auch Vorbem. 4 Abs. 3 VV RVG für die Teilnahme des Rechtsanwalts an einem Termin entsteht. Es handelt sich um eine der in den Vorbem. 5 Abs. 2 VV RVG bzw. Nr. 4 Abs. 2 VV RVG erwähnten besonderen Gebühren. Die durch sie abgegoltene Teilnahme wird nicht von einer Verfahrensgebühr (für das gerichtliche Verfahren) erfasst. Die erfasst nur das (allgemeine) Betreiben des Geschäfts (zum Abgeltungsbereich der Gebühren Burhoff AGS 2022, 1 und 97). Und man muss auch nicht darüber streiten, dass durch die Zurückverweisung der Sache gem. § 21 Abs. 1 RVG alle Gebühren – mit Ausnahme der Grundgebühr – noch einmal entstehen, da es sich nach Zurückverweisung um eine neue Angelegenheit i.S. von § 15 RVG handelt (vgl. dazu Burhoff AGS 2023, 102; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Teil A Rn 2690 ff.). Damit hat das LG Recht, wenn es – unter Bezugnahme auf die Bezirksrevisorin ausführt -, dass durch den Termin vom 15.8.2022 eine Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG nicht mehr entstehen konnte. Denn die war bereits durch die sonstigen Tätigkeiten des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren – unabhängig von der Hauptverhandlung entstanden. Es handelt sich nicht (mehr) um „die Kosten des Termins ….“.