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OWi III: Keine Entscheidungsgründe – aber dennoch keine Zulassung, oder: Nur schwer vermittelbar…

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Und den Abschluss des Tages macht dann heute der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2018 – 1 RBs 200/18. Ergangen ist die Entscheidung in einem Bußgelverfahren nach der Verurteilung des Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Betroffene hatte mit seinem Zulassungsantrag u.a. eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht. Ohne Erfolg:

„2. Soweit der Betroffene beanstandet, das Amtsgericht habe seinen Antrag auf Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung und Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zwecks Beiziehung weiterer Unterlagen unter Verletzung des rechtlichen Gehörs verfahrensfehlerhaft beschieden, genügt sein diesbezügliches Vorbringen nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Nach diesen Vorschriften sind die Tatsachen, aus denen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) hergeleitet wird, im Zulassungsverfahren in Form einer Verfahrensrüge geltend zu machen, die nur dann zulässig erhoben ist, wenn der Antragsteller einen Sachverhalt vorträgt, aus dem sich — bei unterstellter Richtigkeit des Tatsachenvorbringens — der gerügte Verfahrensverstoß bereits schlüssig ergibt (KK¬Hadamitzky, OWiG, 5. Aufl. [2018] § 80 Rdnr. 41b).

Daran fehlt es hier. Aus der beanstandeten Ablehnungsentscheidung kann sich schon deshalb kein Gehörsverstoß ergeben, weil die — überdies von der hier nicht vorliegenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft abhängige — Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gem. § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG im Ermessen des Tatrichters steht. Auch bei offensichtlich ungenügender Aufklärung des Sachverhalts kann dieser von der Zurückverweisung absehen (Seitz/Bauer, a.a.O., § 69 Rn. 57). Dem Betroffenen steht es dann frei, durch die Stellung von Beweisanträgen auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Dass der Betroffene einen auf Beiziehung der vermissten Unterlagen (u.a. Rohmessdaten sowie Betriebsanleitung und „Lebensakte“ des Messgeräts) gerichteten Beweisantrag gestellt hätte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen hingegen nicht.“

Im Übrigen auch aus anderen Gründen eine OLG-Entscheidung, die der Verteidiger seinem Mandanten nur schwer wird vermitteln können, und zwar: Das AG-Urteil hatte keine Gründe, dennoch aber – wie die h.M. in der Rechtsprechung – keine Zulassung der Rechtsbeschwerde:

„a) Zwar weist das amtsgerichtliche Urteil entgegen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Entscheidungsgründe auf. Das — auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 77b OWiG — unzulässige Fehlen von Urteilsgründen rechtfertigt jedoch im Anwendungsbereich des § 80 OWiG für sich allein noch nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde; vielmehr bedarf es auch in einem solchen Fall einer Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen, für die das Rechtsbeschwerdegericht auch auf Er-kenntnisquellen außerhalb der Urteilsurkunde zurückgreifen darf. Das Fehlen von Urteilsgründen führt daher nur dann zur Begründetheit des Zulassungsantrags, wenn der Senat weder aufgrund des abgekürzten Urteils noch aufgrund des Bußgeldbe-scheids, des Zulassungsantrags, eventuell nachgeschobener Urteilsgründe, dienstlicher Erklärungen oder sonstiger Umstände beurteilen kann, ob die Zulassungsvo-raussetzungen vorliegen (BGHSt 42, 187 ff.; Senat, Einzelrichterbeschlüsse vom 18. Januar 2017 — IV-1 RBs 2/17, vom 27. Juni 2012 — IV-1 RBs 98/12, vom 3. Februar 2012 — IV-1 RBs 14/12 und vom 18. Februar 2010 — IV-1 RBs 9/10; OLG Celle NdsRpfl 1997, 52; KG NZV 1992, 332, 333)….“

Der nach Zurückverweisung nicht verlesene Anklagesatz, oder: Anfängerfehler?

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Bei der zweiten verfahrensrechtlichen Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um das BGH, Urt. v. 24.04.2018 – 1 StR 481/17. Es geht um die Nichtverlesung des Anklagesatze in der Hauptverhandlung. Das LG hat den Angeklagten in einem Verfahren wegen betruges verurteilt. In dem Verfahren war der Angeklagte schon einmal verurteilt worden, und zwar im Januar 2016. Das Urteil hatte der BGH im  September 2016 auf eine Verfahrensrüge des Angeklagten hin teilweise aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen. Gegen das neu ergangene Urteil hat sich der Angeklagte nun wiederum mit einer Verfahrensrüge gewendet, die erneut Erfolg hatte:

„I.
Die Revision rügt mit der Verfahrensrüge, dass in der vom 3. bis zum 30. Mai 2017 andauernden, neu durchgeführten Hauptverhandlung der die vorliegende Tat betreffende Anklagesatz aus der Anklageschrift vom 20. August 2015 nicht verlesen wurde.

II.

Auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge war die Entscheidung des Landgerichts Kempten aufzuheben, sodass es auf die weitere Verfahrensrüge sowie auf die Sachrüge nicht ankommt.

1. Gemäß § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO ist nach der Vernehmung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen der Anklagesatz zu verlesen. Dies erfüllt unter anderem den Zweck, den Angeklagten und die übrigen Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Schöffen, aber auch die Öffentlichkeit über weitere Einzelheiten des Vorwurfs zu unterrichten (BGH, Urteil vom 28. April 2006 – 2 StR 174/05, NStZ 2006, 649, 650) und ihnen zu ermöglichen, ihr Augenmerk auf die Umstände zu richten, auf die es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ankommt (Gorf in BeckOK/StPO, 29. Ed., § 243 StPO Rn. 17). Auf die Verlesung kann daher auch nicht verzichtet werden (LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 39). Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch nach Zurückverweisung der Sache durch ein Rechtsmittelgericht, wobei nur insoweit Einschränkungen durch eine eingetretene Teilrechtskraft oder vorgenommene Beschränkungen oder Erweiterungen des Verfahrensgegenstandes nach § 154a Abs. 2 und 3 StPO zu berücksichtigen sind (LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 243 Rn. 51; Gorf in BeckOK/StPO, 29. Ed., § 243 StPO Rn. 25). Nur bei Zurückverweisung der Sache allein im Strafausspruch sind statt des Anklagesatzes insoweit das Ausgangsurteil und die zurückverweisende Revisionsentscheidung zu verlesen.

Vorliegend betraf die Aufhebung der Entscheidung vom 18. Januar 2016 auch den Schuldspruch, weshalb der entsprechende Teil des Anklagesatzes zu verlesen war. Die Verlesung des Anklagesatzes gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO, deren Einhaltung gemäß § 274 StPO nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1994 – 1 StR 641/94, NStZ 1995, 200, 201). Nachdem das Sitzungsprotokoll hierzu schweigt, muss der Senat davon ausgehen, dass der Anklagesatz in der neuen Hauptverhandlung nicht verlesen wurde.

2. Die Verlesung des Anklagesatzes ist ein so wesentliches Verfahrenserfordernis, dass die Unterlassung im Allgemeinen die Revision begründet (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 494/99, NStZ 2000, 214). Allenfalls in einfach gelagerten Fällen, in denen der Zweck der Verlesung des Anklagesatzes durch die Unterlassung nicht beeinträchtigt worden ist, kann ein Beruhen des Urteils auf der Nichtverlesung des Anklagesatzes unter Umständen ausgeschlossen werden (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 494/99, aaO). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 9. Oktober 2017 ausführlich dargelegt hat, liegt der vorliegenden Strafsache schon angesichts des Umfangs der Tatschilderung in der angefochtenen Entscheidung kein einfach gelagerter Sachverhalt zu Grunde, was auch durch die umfangreiche Beweiswürdigung bestätigt wird. Auch wenn Teile des Revisionsbeschlusses und des angefochtenen Urteils in der Hauptverhandlung zur Verlesung kamen, reichte dies zur Information der Prozessbeteiligten, welche den Akteninhalt nicht kannten, erst recht nicht zur Information der Öffentlichkeit aus. Der Senat vermag daher nicht auszuschließen, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensverstoß beruht.“

In meinen Augen (mal wieder) so eine Entscheidung, bei der man sich fragt, warum es die eigentlich gibt. Oder: Merkt das denn eigentlich nieman, und zwar entweder in der Hauptverhandlung, dass der Anklagesatz noch nicht verlesen worden ist oder später, dass die Verlesung des Anklagesatzes – wenn sie erfolgt ist – nicht m Protokoll steht. Ob das ein „Anfängerfehler“ ist, mag jeder Leser selbst für sich entscheiden.

Einmal entbunden, doch nicht immer entbunden, oder: Lieber immer einen Antrag stellen

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Und als drittes OWi-Posting dann doch noch eine Entscheidung vom OLG Bamberg 🙂 . Es ist der OLG Bamberg, Beschl. v. 15.09.2016 – 3 Ss OWi 1048/16 -, und zwar aus dem schier unerschöflichen Reservoir der „Entbindungsentscheidungen“. Der Beschluss behandelt aber mal nicht die Frage, wann das AG den Betroffenen entbinden muss, sondern die Fragestellung, ob ein Entbindungsantrag, der bereits einmal beim AG gestellt worden ist, wiederholt werden muss, wenn das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen wird und nun erneut die Hauptverhandlung beim AG ansteht. Zu einer ähnlichen Problematik hatte es bereits den OLG Bamberg, Beschl. v. 30.03. 2016 – 3 Ss OWi 1502/15 gegeben (vgl. dazu Einmal entbunden, immer entbunden….) mit dem Leitsatz: Die antragsgemäße Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG wirkt bei einer bloßen Verlegung des Hauptverhandlungstermins fort.“ Davon grenzt das OLG sich jetzt ab und sagt:

„Der Antrag, den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, muss nach Aufhebung des angefochtenen Ersturteils durch das Rechtsbeschwerdegericht und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht erneut gestellt werden.

Begründung:

„1. Die erhobene Verfahrensrüge dringt nicht durch. Der Betr. ist ohne genügende Entschuldigung in der Hauptverhandlung ausgeblieben, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war. Der Betr. hatte auch keinen Entbindungsantrag gestellt, den das AG positiv hätte verbescheiden müssen. Der mit Schriftsatz vom 10.12.2015 gestellte Antrag hatte sich mit dem die Instanz abschließenden Urteil erledigt und hätte neu gestellt werden müssen.

a) Es entspricht der obergerichtlichen Rspr., dass sich ein Antrag des Betr. auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht nur auf die bevorstehende Hauptverhandlung bezieht. Ist diese nach Aussetzung einer ersten Hauptverhandlung erneut durchzuführen, muss der Antrag wiederholt werden (OLG Hamm VRS 110, 431 = DAR 2006, 522; OLG Brandenburg VRS 116, 276 = OLGSt OWiG § 73 Nr. 14). Dieser Rspr. schließt sich der Senat für die vorliegende Konstellation der Aufhebung und Zurückverweisung durch das Rechtsbeschwerdegericht an.

b) Schon der Gesetzeswortlaut des § 73 II OWiG legt nahe, dass der Entbindungsantrag auf die bevorstehende Hauptverhandlung bezogen sein muss und er deshalb spätestens mit dem Abschluss der Instanz seine Erledigung findet. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für diese Auslegung. Aufhebung und Zurückverweisung einer Sache durch das Rechtsbeschwerdegericht haben nämlich zur Folge, dass eine neue selbständige Verhandlung stattzufinden hat, deren Verlauf einen anderen Weg nehmen kann, als die erste Hauptverhandlung. Gerade die Notwendigkeit der Durchführung einer weiteren Hauptverhandlung bedeutet eine Veränderung der Prozesslage, die dem Betr. eine Entscheidung über sein weiteres Prozessverhalten abverlangt. Denn die weitere Hauptverhandlung knüpft dabei nicht etwa inhaltlich an die erste an, sondern ermöglicht es dem Betr., ein von der ersten Hauptverhandlung abweichendes Prozessverhalten zu ergreifen.

c) Dieses Ergebnis steht keinesfalls im Widerspruch zum Beschluss des Senats vom 30.03.2016 (3 Ss OWi 1502/15 = StraFo 2016, 212 = DAR 2016, 391 = VRR 2016, Nr. 6). Diese Entscheidung betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der Senat hatte darüber zu befinden, ob eine vor der Verlegung des Hauptverhandlungstermins beschlossene Entbindung des Betr. auch danach fortwirkt oder es einen Rechtsfehler darstellt, wenn das Gericht ohne erneuten Entbindungsbeschluss im verlegten Hauptverhandlungstermin in Abwesenheit des Betr. nach § 74 I OWiG zur Sache verhandelt. Die Frage, ob es für den verlegten Hauptverhandlungstermin eines neuerlichen Entbindungsantrags bedarf, hatte der Senat dagegen nicht zu entscheiden. Soweit sich die Rechtsbeschwerde darauf beruft, vermengt sie die Frage der Fortgeltung eines Entbindungsbeschlusses mit der Frage der Fortwirkung eines Entbindungsantrags.“

Wem das alles zu „undurchsichtig“ ist, der geht auf „Nummer sicher“ und stellt eben immer, wenn ein Hauptverhandlungstermin nicht zu Ende geführt worden ist, ggf. neu einen Entbindungsantrag.

Akteneinsicht a la AG Kempten: Und ist die Verwaltungsbehörde nicht willig, gibt es die Akten zurück

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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Im Grunde genommen ist das (m.E.) mit der (Akten)Einsicht ganz einfach. Der Verteidiger/Betroffene hat einen Anspruch vollständige Akteneinsicht. Und wenn der nicht erfüllt wird, greifen dann eben die Regeln über das standardisierte Messverfahren nicht und das AG kann ggf. von § 69 Abs. 5 OWiG  Gebrauch machen. So jetzt vor kurzem auch das AG Kempten Allgäu in zwei Beschlüssen, die mir der Kollege Werne aus Memmingen übersandt hat, und zwar:

Zunächst der AG Kempten (Allgäu), Beschl. v. 29.01.2016 – 24 OWi 420 Js 1322/16, in dem es heißt:

„Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt – Zentrale VOWi-Stelle- wird angewiesen, dem Verteidiger vollständige Akteneinsicht zu gewähren. Dies schließt die Übersendung der Originalbilder der Messung des Betroffenen (tatsächliches, unbearbeitetes Originalbild), Originalbilddatei bei Digitalbildern (Rohformat), Printer- oder Hochglanzfoto mit allen vier Bildrändern ein.“

und als dann nichts passiert der AG Kempten (Allgäu), Beschl. v. 18.03.2016 – 24 OWi 420 Js 1322/16:

„Das Verfahren wird mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Kempten gemäß § 69 V1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen.

Gründe:

Mit Beschluss vom 29.1.2016 hat das AG Kempten das Bayrische Polizeiverwaltungsamt – Zentrale VOWi -Stelle- angewiesen, dem Verteidiger vollständige Akteneinsicht zu gewähren. Dies schließt die Übersendung der Originalbilder der Messung des Betroffenen (tatsächliches, unbearbeitetes Originalbild), Originalbilddatei bei Digitalbildern (Rohformat), Printer und Hochglanzfoto mit allen 4 Bildrändern ein. Dem ist das Polizeiverwaltungsamt nicht nachgekommen, sodass der dem Bußgeldbescheid zugrundeliegende Sachverhalt bisher nicht hinreichend aufgeklärt ist (§ 69 V OWiG).“

Jetzt wird es gefährlich. 🙂 Ähnlich übrigens der AG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 26.01.2016 – 13 OWi 516/15 (gefunden hier beim Kollegen Gratz Vom Saulus zum Paulus? AG Dessau-Roßlau ver­pflich­tet Behörde zur Herausgabe der ES 3.0-Messdaten).

Also: ist doch wirklich einfach, auch wenn manches OLG das anders sieht (vgl.„Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei).

“Aufruf an den Rechtspfleger beim AG Wernigerode – ich habe noch eine Altauflage für Sie…!!”

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Auf der Überfahrt gestern von Emden nach Borkum habe ich Emails gecheckt und dabei dann auch eine Mail des Kollegen Siebers aus Braunschweig gelesen. Übersandt hatte er mir den AG Wernigerode, Beschl. v. 30.01.2015 – 7 Ds 835 Js 81311/12 – mit der kurzen und knappen aber treffenden Anmerkung: „Lieber Kollege, zwar eine platte Selbstverständlichkeit, aber selbst die musste ich „erkämpfen“.

Und ich habe den Beschluss dann gelesen und bin danach dann erst mal auf Deck gegangen, um mich ein wenig abzukühlen. Nicht wegen des amtsrichterlichen Beschlusses und auch nicht wegen einer/der Stellungnahme des Bezirksrevisors oder so. Denn das ist beides richtig. Nein. Mir ist der Kamm wegen der Rechtsauffassung des zunächst entscheidenden Rechtspflegers geschwollen und ich habe mich gefragt: Hat der eigentlich ins Gesetz geschaut? Offenbar nicht. Und warum bitte nicht? Das würde nämlich Ressourcen der Justiz schonen, von denen es ja so wenig geben soll.

Worum geht es und was so offensichtlich ist: Das ergibt sich aus dem Beschluss selbst.

„Mit Beschluss vom 04.12.2013 hat das Oberlandesgericht Naumburg das Urteil d s Amtsgerichts Wernigerode vom 05.08.2013 mit den Feststellungen aufgehoben u d die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Mit Antrag vom 2609.2014 (Bd. II BI. 62 f.) hat der Rechtsanwalt Siebers seine Pflichtverteidigervergütung für das Verfahren nach Zurückverweisung geltend ge¬macht. Mit Beschluss vom 09.10.2014 hat das Amtsgericht Wernigerode die Pflichtverteidigervergütung festgesetzt und hierbei die geltend gemachte Verfahrensgebühr gemäß VV-Nr. 4104 (eigentlich 4106) der Anlage zum RVG und die Auslagenpauschale gemäß VV-Nr. 7002 der Anlage zum RVG abgesetzt mit der Begründung, dass diese bereits mit der Festsetzung vom 22.08.2013 gezahlt worden seien. Hie,- gegen wendet sich der Rechtsanwalt.

 Der Rechtsanwalt kann gemäß § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

 Gemäß § 21 Abs. 1 RVG ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht ein neue Rechtszug. Gemäß § 17 Nr. 1 RVG sind verschiedene Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten. Mithin kann der Rechtsanwalt Siebers für das Verfahren nach Zurückverweisung die Verfahrensgebühr nach VV-Nr. 4106 der Anlage zum RVG und auch die Auslagenpauschale gemäß VV-Nr. 7002 der Anlage zum RVG noch einmal fordern. Einer Nachfestsetzung in Höhe von 180,08 € wird deshalb nicht entgegen getreten.“

Noch Fragen? ich habe sie nicht. Im Übrigen: Wenn der Rechtspfleger mitlesen sollte: Sie können sich gern bei mir melden. Ich habe noch einige Exemplar von Altauflagen von Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012. Die stelle ich Ihnen gern zur Verfügung. Die neue brauchen Sie nicht. Das, was das AG entschieden hat, war nämlich schon vor dem 2. KostRMoG Gesetz. § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG a.F. lässt grüßen.

Ein Gebührenrätsel wollte ich übrigens nicht daraus machen. Dafür war mit die Frage zu „platt“.