Schlagwort-Archiv: Rechtsbeschwerde

BtM II: Zurückstellung der Strafvollstreckung, oder: Therapiewille/Therapiebereitschaft?

Bild von Mohamed Hassan auf Pixabay

Als zweite Entscheidung dann der BayObLG, Beschl. v. 23.09.2025 – 203 VAs 198/25, der sich noch einmal zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG äußert.

In dem Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft die vom Verurteilten beantragte Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass die erforderlichen Zustimmungen zur Zurückstellung nicht vorliegen. Dagegen dann schließlich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel der Zurückstellung nach § 35 Abs. 1 BtMG gestellt, der Erfolg hatte. Das BayObLG „vermisst“ einen „zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt“:

„a) Der Vollstreckungsbehörde steht bei ihrer Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer Drogentherapie gemäß § 35 BtMG ein Ermessen zu. Eine solche Ermessensentscheidung setzt aber voraus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 S. 1 BtMG erfüllt sind. Fehlt es an einer Tatbestandsvoraussetzung, so lehnt die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung ab; ein Ermessen besteht insoweit nicht (Weber in: Weber/Kornprobst/Maier, 6. Aufl. 2021, BtMG, § 35 Rn. 144).

b) Der Therapiewille bzw. die Therapiebereitschaft des Antragstellers ist eine solche Tatbestandsvoraussetzung. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit der Folge, dass der Vollstreckungsbehörde bei der Feststellung, ob ein Therapiewille vorliegt, ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (Senat, Beschluss vom 09.12.2024 – 203 VAs 529/24, juris, Rn. 7, 8; BayObLG, Beschluss vom 18.10.2024 – 204 VAs 325/24, nicht veröffentlicht; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 11.11.2004 – 2 VAs 37/04, juris, Rn. 4; und vom 31.10.2008 – 2 VAs 16/08, juris, Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.11.2015 – 2 VAs 11/15, juris, Rn. 19; Fabricius in: Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl. 2024, § 35 Rn. 320; Weber in: Weber/Kornprobst/Maier, a.a.O., § 35 Rn. 111, 123, 142; BeckOK BtMG/Bohnen, 27. Ed. 15.06.2025, § 35 Rn. 310).

c) Die gerichtliche Kontrolle bei einer Verneinung der Therapiebereitschaft bzw. des Therapiewillens durch die Vollstreckungsbehörde beschränkt sich somit darauf, ob diese den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und vollständig festgestellt und gewertet hat, von zutreffender rechtlicher Deutung der anzuwendenden Normen und Rechtsbegriffe ausgegangen ist und den gezogenen Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes nicht überschritten hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.10.2024 – 204 VAs 325/24, nicht veröffentlicht; Senat, Beschluss vom 11.03.2025 – 203 VAs 3/25, juris, Rn. 10 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 11.11.2004 – 2 VAs 37/04, juris, Rn. 4; und vom 31.10.2008 – 2 VAs 16/08, juris, Rn. 6; BeckOK-BtMG/Bohnen, a.a.O., § 35 Rn. 310; Fabricius in: Patzak/Fabricius, a.a.O., § 35 Rn. 204).

d) Die Vollstreckungsbehörde muss ihrem Bescheid daher einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde legen und die maßgebenden Tatsachen und Erwägungen mitteilen, um dem Senat die nach § 28 Abs. 3 EGGVG gebotene Überprüfung zu ermöglichen. Bei unzureichender, lückenhafter Begründung muss der Bescheid aufgehoben werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.10.2024 – 204 VAs 325/24, nicht veröffentlicht; OLG Karlsruhe, Beschlüsse vom 11.11.2004 – 2 VAs 37/04, juris, Rn. 4; und vom 05.02.2002 – 2 VAs 51/01, juris, Rn. 4 und 5; OLG Nürnberg Beschluss vom 30.11.2015 – 2 VAs 11/15, juris Rn. 22; Fabricius in: Patzak/Fabricius, a.a.O., § 35 Rn. 398).

e) Soweit die Vollstreckungsbehörde ihre Entscheidung auf die Versagung der gerichtlichen Zustimmung zur Zurückstellung nach § 35 BtMG stützt, hat der Senat im Rahmen der rechtlichen Überprüfung des von dem Verurteilten angegriffenen Ablehnungsbescheides der Vollstreckungsbehörde gemäß § 35 Abs. 2 S. 3 BtMG auch die Versagung der richterlichen Zustimmung auf Ermessensfehlgebrauch mit zu überprüfen (Fabricius in: Patzak/Fabricius, a.a.O., § 35 Rn. 406). Denn dem Verurteilten steht gegen die Versagung der gerichtlichen Zustimmung kein Rechtsmittel zu. Er kann vielmehr gemäß § 35 Abs. 2 S. 2 BtMG die Verweigerung der Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach §§ 23 ff. EGGVG anfechten. Es steht allerdings auch die Entscheidung über die Zustimmung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts des ersten Rechtszuges (Weber in: Weber/Kornprobst/Maier, a.a.O., § 35 Rn. 134). Aus diesem Grund besteht für den Senat nur eine beschränkte Nachprüfungsmöglichkeit der gerichtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG. Der Senat überprüft lediglich, ob das Gericht von einem zutreffenden Sachverhalt unter Einhaltung der Grenzen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums ausgegangen ist und ob es die Grenzen des Ermessens eingehalten hat (vgl. Senat, Beschluss vom 16.08.2023 – 203 VAs 88/23, juris, Rn. 8). Hierzu gehört die Überprüfung, ob überhaupt ein Ermessen ausgeübt wurde (Ermessensausfall), ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden oder ob eine etwaige Ermessensreduzierung auf Null übersehen wurde (vgl. BayObLG, Beschlüsse vom 23.09.2024 – 204 VAs 366/24; und vom 11.12.2024 – 204 VAs 530/24, beide nicht veröffentlicht; Fabricius in: Patzak/Fabricius, a.a.O., § 35 Rn. 397, 398, 406; KG Berlin, Beschluss vom. 06.08.2014 – 4 VAs 26/14, juris, Rn. 13).

3. Dieser Überprüfung halten die Versagung der Zustimmung des Landgerichts Bayreuth vom 20.02.2025 und die Verfügung der Staatsanwaltschaft Bayreuth vom 21.02.2025 in der Gestalt, die sie im Vorschaltverfahren (§ 24 Abs. 2 EGGVG, § 21 StVollstrO) durch den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Bamberg vom 04.04.2025 erhalten hat, nicht stand.

a) Der Einwand der Generalstaatsanwaltschaft München gegenüber den Erfolgsaussichten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG wurde zwischenzeitlich ausgeräumt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schriftsatz vom 22.09.2025 die Zusicherung der Kostenübernahme für die Rehabilitationsmaßnahme durch die Krankenkasse A. vom 12.09.2025 und die Zusage der Aufnahme in die Fachklinik Sch. vom 12.09.2025 vorgelegt.

b) In der Sache ist die Entscheidung des Landgerichts Bayreuth vom 20.02.2025 nicht tragfähig. Sie besteht nur aus der Begründung, dass der weitere Vollzug von Freiheitsentziehung in der Gesamtschau aller Umstände geboten sei. Welche Umstände dies sind, lässt die Entscheidung offen, so dass diese mangels ausreichender Sachverhaltsdarlegung ermessensfehlerhaft ist. Im Anschluss daran konnte diese Entscheidung auch nicht die Ablehnung der Zurückstellung durch die Staatsanwaltschaft Bayreuth vom 21.02.2025 tragen. Dem folgt indes auch die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg im angefochtenen Bescheid vom 04.04.2025 mit dem Hinweis, dass die Vollstreckungsbehörde dem Antrag aufgrund der Zustimmungsverweigerung seitens des Gerichts nicht entsprechen konnte. Die auf den Gründen für die Erledigung des Maßregelvollzugs beruhende Hilfsüberlegung der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg ist bereits deswegen nicht tragfähig, weil wesentliche Aspekte wie die aktuelle Entwicklung des Antragstellers fehlen – worauf auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 11.07.2025 hinweist. Diese geht davon aus, dass das Landgericht die Zustimmung zu Unrecht verweigert habe. Der Weg aus der Drogensucht sei regelmäßig mit gescheiterten Therapieversuchen und mit Rückfällen in kriminelle Verhaltensweisen verbunden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28.10.2024 – 204 VAs 351/24; nicht veröffentlicht). Zu einer positiven Einschätzung der Erfolgsaussichten des Zurückstellungsgesuchs neigt auch der Senat, wenngleich er seine Beurteilung und sein Ermessen nicht anstelle der hierzu berufenen Stellen setzen kann.“

OWi II: Bunt Gemischtes zum Verfahrensrecht, oder: Einstellung, Verjährung, WhatsApp, AG-Vorlage, Gründe

Bild von Alexa auf Pixabay

Und dann kommen im zweiten Posting des Tages einige Entscheidungen zum Verfahren(srecht), dreimal „OLG“ und viermal von Amtsgerichten. Ich stelle aber jeweils nur die Leitsätze zu den Entscheidungen vor. Die lauten:

Das tatrichterliche Urteil muss bei Geschwindigkeitsmessungen mittels standardisierter Messverfahren Feststellungen zum angewandten Messverfahren und zum in Ansatz gebrachten Toleranzabzug enthalten.

1. Ergeht gegen eine auf der Grundlage von § 30 OWiG in Anspruch genommene neben- oder „verfahrensbeteiligte“ juristische Person ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, so muss sich deren Verfahrensrolle aus der Rechtsbeschwerdebegründung ergeben, weil § 74 Abs. 2 OWiG auf die bußgeldrechtliche Inanspruchnahme einer juristischen Person als Nebenbeteiligte nicht anwendbar ist und stattdessen die §§ 46 Abs. 1 OWiG, 444 StPO gelten (vgl. BGHSt 66, 309).

2. Zu den Darlegungsanforderungen bei der Rüge nicht ordnungsgemäßer Ladung zur Hauptverhandlung.

Ohne die Aktenvorlage der Staatsanwaltschaft nach § 69 Abs. 4 OWiG darf der Richter sich nicht mit der Angelegenheit befassen, da die förmliche Zuleitung der Akte an das Gericht durch die Staatsanwaltschaft Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren ist.

Eine audiovisuelle Zeugenvernehmung nach § 247a StPO in Verbindung mit § 71 OWiG kann auch per WhatsApp über das Betroffenenhandy stattfinden, wenn die an der Vernehmung beteiligten Personen trotz Hinweises auf datenschutzrechtliche Bedenken hierbei freiwillig mitmachen.

Aufgrund eines Zeitablaufs von mittlerweile fast sechs Jahren seit Tatbegehung ist die Schuld des Betroffenen als so gering anzusehen, dass eine Einstellung des Verfahrens rechtfertigt ist.

Hat die Bußgeldbehörde auf einen Antrag des Betroffenen nicht vollständig Akteneinsicht gewährt, hat die Bußgeldbehörde im Rahmen des Abhilfeverfahrens betreffend einen Antrag nach§ 62 OWiG zu entscheiden, inwieweit weitere Akteneinsicht zu gewähren ist. Soweit die Bußgeldbehörde dem Antrag auf Einsicht in die begehrten Unterlagen nicht abhilft, ist das Verfahren gern. § 62 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 306 Abs. 2 Hs 2 StPO dem Amtsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Eine Unterbrechung und Verlängerung der Verjährungsfrist erfolgt nicht durch die Zustellung des Bußgeldbescheides, wenn bei der Zustellung das Zustelldatum nicht auf dem (Brief)Umschlag eingetragen wurde.

OWi I: Dauerbrenner Verwerfung des Einspruchs, oder: Vertrauen auf Verteidiger/Inhaftierung und mehr

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und dann das eigentliche OWi-Programm des Tages.

Ich beginne mit Entscheidungen, die sich u.a. mit dem Dauerbrenner „Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen befassen, und zwar:

1. Die Rüge, ein nach § 74 Abs. 2 OWiG erlassenes Verwerfungsurteil sei prozessrechtswidrig, weil der Betroffene auf den Antrag des Verteidigers von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens hätte entbunden werden müssen, bedarf der Darlegung, dass der Verteidiger durch „nachgewiesene Vollmacht“ zur Vertretung und damit zur Antragstellung befugt war.

2. Jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände darf ein Betroffener nicht der Aussage seines Verteidigers vertrauen, er werde von der Verpflichtung des persönlichen Erscheinens entbunden und müsse daher zur Hauptverhandlung nicht erscheinen.

3. Zu den Voraussetzungen sog. „subjektiven Entschuldigtseins“.

1. Der tatsächliche Zugang eines Schriftstücks ist ggf. dadurch belegt, dass der Verteidiger gegen den Bußgeldbescheid für den Betroffenen Einspruch eingelegt hat und darüber hinaus Akteneinsicht genommen hat, so dass dann jedenfalls im Zeitpunkt der Einsichtnahme in die Bußgeldakte die Heilung des Zustellungsmangels wirksam geworden und die Unterbrechung der Verjährung eingetreten ist.

2. Es ist nicht erforderlich, dass der Zustellungsadressat und der tatsächliche Empfänger eines Schriftstücks identisch sind; vielmehr reicht es aus, wenn das Dokument nicht dem genannten Adressaten, sondern einer Person zugeht, an die die Zustellung ebenfalls hätte gerichtet werden können.

3. Macht die Verteidigung zur Begründung eines Entbindungsantrags geltend, dass der Betroffene weiterhin in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert sei und er deshalb weder zu dem Hauptverhandlungstermin wirksam geladen worden sei, noch habe erscheinen können, gibt dieses offensichtlich nicht ungeeignete Entschuldigungsvorbringen Anlass für eine Erörterung in den Urteilsgründen geben.

1. Gegen einen möglicherweise verhandlungsunfähigen Betroffenen findet eine Hauptverhandlung nicht statt.

2. Durch die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Hauptverhandlung trotz möglicher Verhandlungsunfähigkeit eines Mitbetroffenen wird die Verteidigung unzulässig beschränkt.

 

OWi III: Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde, oder: Zusammenrechnung mehrerer Geldbußen?

Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Und last but not least der OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.01.2025 – 1 ORbs 289/24 – zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bei mehreren Geldbußen.

Der Betroffene ist vom AG wegen Benutzens eines elektronischen Geräts als Fahrzeugführer, wobei das Mobiltelefon in der Hand gehalten wurde, wegen des Nichtaufzeichnens auf der Fahrerkarte und wegen des Nichtbenutzens des Fahrtenschreibers zu einer Geldbuße in Höhe von 600,00 EUR (Einzelgeldbußen 100,00 EUR, 250,00 EUR, 250,00 EUR) verurteilt worden. Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge hatte der Betroffene am 29.11.2023 mit seinem Lkw die Bundesautobahn A 10 in Fahrtrichtung Polen befahren. Auf Höhe des Kilometers pp. hatte er sein Mobiltelefon in der rechten Hand vor sein Gesicht gehalten und seine Lippen bewegt. Bei der sodann erfolgten polizeilichen Kontrolle waren die Lenk- und Ruhezeiten ausgewertet worden, wobei festgestellt worden war, dass er im gesamten Kontrollzeitraum vom 01.11.2023 bis 29.11.2023 (01., 02., 07., 21., 22., 23., 28. und 29.11.2023) auf der Fahrerkarte nur Lenkzeiten verzeichnet hatte, nicht aber zwischenzeitliche Ruhezeiten. Auch eine Bescheinigung über die Ruhezeiten hatte der Betroffene nicht vorlegen können. Zudem hatte er als zweiter Fahrer (Beifahrer) in der Zeit vom 27.11.2023, 23:24 Uhr, bis zum 28.11.2023, 03:26 Uhr, nicht den Fahrtenschreiber genutzt, eine Fahrerkarte war nicht eingelegt gewesen, sodass eine Kontrolle nicht möglich war. Das AG hat den Betroffenen wegen tatmehrheitlich begangener Ordnungswidrigkeiten nach §§ 23 Abs. 1 a), 49 StVO, §§ 24 Abs. 1 und 3 Ziff. 5 StVG, §§ 23 Abs. 2 Ziff. 1, Ziff. 7 FPersV, § 8 Abs. 1 Ziff. 2 b) FpersG, Art. 3 Abs. 1, Art. 34 Abs. 3 VO (EU) 165/2014 schuldig gesprochen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft wertet das Rechtsmittel als Anträge auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und hat beantragt, diese als unbegründet zu verwerfen. Das sieht das OLG Brandenburg anders:

„1. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Zossen vom 26. Juli 2024 nach Auffassung des Senats nicht als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne von § 80 OWiG auszulegen. Die Rechtsbeschwerde ist vielmehr gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 OWiG statthaft.

Der Betroffene hat ein unbeschränktes Rechtsmittel eingelegt. Zwar wendet er sich mit seiner Beschwerdebegründung vorrangig gegen die Beweiswürdigung des Tatgerichts in Bezug auf den Handyverstoß. Gleichwohl ist die Rechtsbeschwerde nicht auf das insoweit erkannte Bußgeld, dessen Einzelhöhe das Amtsgericht ausweislich seiner Urteilsgründe zu Ziffer IV.3) auf 100,00 € festgesetzt hat, beschränkt. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Betroffene sich auch gegen die Annahme des Tatgerichts wendet, die Verstöße stünden zueinander im Verhältnis von Tatmehrheit, § 20 OWiG.

Bei einer unbeschränkt eingelegten Rechtsbeschwerde sind für die Frage der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde die mehreren Geldbußen zusammenzurechnen, denn schon die Frage, ob im sachlich-rechtlichen Sinn Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt, kann von dem Rechtsmittelgericht anders beurteilt werden als von dem Tatgericht (BGHSt 24, 185; BayObLG NStZ-RR 1997, 248; KG wistra 1988, 322; OLG Koblenz VRS 75, 71; Bauer in: Göhler, OWiG, 19. Auflage, zu § 79, Rz. 23; Burhoff ZAP 2015, 549, zu Ziff. II.1; vgl. auch OLG Karlsruhe VRS 51, 76). Danach ist die Rechtsbeschwerde hier gegeben, denn die Summe der einzelnen Geldbußen übersteigt den Betrag von 250,00 €.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 3S.1 OWiG in Verbindung mit §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht und begründet worden, sonach zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel mit der allein erhobenen Sachrüge keinen Erfolg.

……. “

b) Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht Tatmehrheit zwischen den Verkehrsverstößen angenommen. In Abgrenzung dazu ist eine natürliche Handlungseinheit gegeben, wenn mehrere Verhaltensweisen in einem solchen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, dass das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten objektiv als ein einheitlich zusammengefasstes Tun anzusehen ist (BGHSt 4, 219; 16, 397; 26, 284; KG BeckRS 2016, 11960; OLG Köln NZV 2004, 536; Thoma in: Göhler a. a. O., vor § 19, Rz. 3). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Weder existiert ein Handlungsteil, der gleichzeitig zur Verwirklichung der mehreren Bußgeldvorschriften beiträgt, noch vermag die mangelnde Nutzung des Fahrtenschreibers oder die mangelnde manuelle Eintragung der Ruhezeiten auf dem Fahrtenschreiber die Taten zu einer Handlungseinheit zu verbinden. Das ergibt sich bereits aus den verschiedenen Tatzeitpunkten (29. November 2023; 01., 02., 07., 21., 22., 23., 28. und 29. November 2023; 27. bis 28. November 2023). Stattdessen beruhten die Verstöße auf jeweils getrennten Willensbildungen des Betroffenen.“

OWi III: Entbindung und rechtlicher Hinweis, oder: Rechtsbeschwerde – Anlagenkonvolut/Unterzeichnung

Bild von Reimund Bertrams auf Pixabay

Und dann habe ich hier im letzten Posting des Tages noch Rechtsprechung zum Verfahrensrecht im Bußgeldverfahren; auch hier nichts Neues, das hatten wir alles schon:

1. War der Verteidiger nicht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG „mit nachgewiesener Vollmacht“ zur Vertretung befugt und deshalb auch nicht berechtigt, einen Entbindungsantrag für den Betroffenen zu stellen, so ist der Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen.

2. Hat das Amtsgericht gleichwohl zur Sache verhandelt und entschieden, so ist der Betroffene mit dem Einwand ausgeschlossen, in der fälschlich abgehaltenen Verhandlung sei Verteidigervortrag unberücksichtigt geblieben.

3. Hat die prozessordnungswidrige Verhandlung für den Betroffenen zu einer Verschlechterung geführt (Erhöhung der Geldbuße), so stellt dies einen Verfahrensfehler dar, der auf Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des Urteils zumindest im Rechtsfolgenausspruch führen würde. Ein Zulassungsgrund nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ergibt sich aber nicht, weil sich die Fehlerhaftigkeit des Urteils nicht aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt, sondern aus der irrtümlichen Annahme, der Verteidiger sei zur Vertretung befugt.

Möchte der Tatrichter die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße erhöhen, so bedarf dies grundsätzlich keines Hinweises entsprechend § 265 StPO.

Gibt der Verteidiger durch einen distanzierenden Zusatz zu erkennen, dass er nicht die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen will oder kann, ist die Rechtsbeschwerdebegründung nach § 345 StPO formunwirksam.

1. Ein unübersichtliches Konvolut aus Ablichtungen des Bußgeldbescheides, Ablichtungen aus dem amtsgerichtlichen Sitzungsprotokoll, Gesetzeszitaten, Ablichtungen aus einem privaten Sachverständigengutachten sowie von Schreiben des Verteidigers an das Gericht genügt den Anforderungen an einen ausreichenden Vortrag nicht.

2. Aus dem Rechtsbeschwerdevortrag muss erkennbar sein, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sich das Gericht zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen sollen.

3. Es ist nicht Aufgabe des Rechtsbeschwerdegerichts, sich aus einem unübersichtlichen Vortrag das für die jeweilige Rüge Passende herauszusuchen.