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Strafbefehl I: Wirksamer Einspruch per E-Mail?, oder: Beschwerdeschreiben als Anhang zu einer E-Mail

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Und dann geht es in die 23 KW. mit zwei Entscheidungen zum Strafbefehl, und zwar zwei LG-Entscheidungen.

Den Opener macht der LG Potsdam, Beschl. v. 13.02.2025 – 25 Qs 46/24. Dem Angeklagten wird mit Strafbefehl unerlaubtes Entfernen vom Unfallort zur Last gelegt und es werden deswegen  eine und ein dreimonatiges Fahrverbot gegen ihn verhängt. Der wird am 22.03.2024 zugestellt.

Der Beschwerdeführer sandte an die E-Mail-Adresse des AG am 04.042024 zwei E-Mails, denen jeweils ein Schreiben mit Anlagen in PDF-Format angehängt war. Die als „Einspruch“ bezeichneten Schreiben, mit denen er sich gegen den Strafbefehl wendet, tragen – wie auch der Betreff der E-Mail – das Aktenzeichen des Verfahrens, enthalten einen Briefkopf mit Adresse und enden mit dem Namen des Beschwerdeführers in Druckbuchstaben, dem sein Namenszug folgt. Die E-Mails vom 04.04.2024 samt PDF-Anlage wurden beim Amtsgericht am selben Tag ausgedruckt, zur Akte genommen und dem Strafrichter als Posteingang vorgelegt.

Das Amtsgericht Luckenwalde verwarf mit Beschluss vom 26.04.2024 (20 Cs 30/24), zugestellt am 2. Mai 2024, den Einspruch wegen Formmangels als unzulässig. Der Einspruch genüge weder dem Schriftformerfordernis des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO noch den Anforderungen des § 32a StPO für die Einreichung als elektronisches Dokument. Eine einfache E-Mail genüge nicht. Das Amtsgericht nimmt Bezug auf den Beschluss des BGH vom 12.05.2022 (5 StR 398/21). Dagegen die sofortige Beschwerde und der Wiedereinsetzungsantrag, die Erfolg haben.

Das LG äußert sich zunächst dazu, ob es sich bei dem Schreiben überhaupt um eine Rechtsmittel handelt, was es nach Auslegung bejaht; dazu bitte im Volltext nachlesen. Und dann zur Wirksamkeit des Einspruchs:

„Der Einspruch gegen den Strafbefehl wurde insbesondere formwahrend eingelegt.

Die in PDF-Format an die E-Mails vom 4. April 2024 angehängten Schreiben, die innerhalb der Rechtsmittelfrist ausgedruckt und zur Akte genommen wurden, genügten dem Schriftformerfordernis des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Zwar hat das Amtsgericht richtigerweise betont, dass eine einfache E-Mail den Anforderungen des § 410 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nicht genügt. Das Amtsgericht hat jedoch übersehen, dass der Ausdruck eines Schreibens im E-Mail-Anhang die Schriftform erfüllen kann, wenn dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden kann. Dies ist jedenfalls bei einem unterschriebenen, hiernach eingescannten und ausgedruckten Papierdokument, wenn feststeht, dass es sich nicht bloß um einen Entwurf handelt und keine ernstlichen Zweifel an der Urheberschaft des Berechtigten bestehen, der Fall (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 2 Ws 187/23 (S) -, Rn. 8, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. November 2021 – 3 OWi 32 SsBs 199/21 -, BeckRS 2021, 37047, Rn. 15-18 m. w. N.; LG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 16 Qs 6/24 -, Rn. 5, juris; Eckstein, in: MüKoStPO, 2. Aufl. 2024, StPO, § 410, Rn. 11).

Der vom Amtsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nichts anderes zu entnehmen. Der Senat hat vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob auch im Strafverfahren ein unter Missachtung der Vorgaben des § 32a Abs. 3 StPO im Anhang einer einfachen E-Mail eingereichtes elektronisches Dokument durch Ausdruck und Aufnahme in die Akte zu einem formwirksamen Papierdokument werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 5 StR 398/21 -, Rn. 24 a. E., juris)

Den genannten Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung wurden die den E-Mails vom 4. April 2024 als PDF-Datei beigefügten Schreiben jeweils gerecht. Sie tragen einen Briefkopf mit Namen, vollständiger Anschrift und Kontaktdaten des Beschwerdeführers, nennen das Aktenzeichen des Verfahrens, sind als Einspruch bezeichnet und unterschrieben. Die Urheberschaft des Beschwerdeführers ist unzweifelhaft. Die Unterschrift gleicht dem in der Akte befindlichen Namenszug aus Erklärungen im Ermittlungsverfahren. Zudem hat der Beschwerdeführer an ihn gerichtete ärztliche Verordnungen und private Korrespondenz beigefügt. Beide E-Mails wurden auch am 4. April 2024 ausgedruckt und vorgelegt.

Der Einspruch ist damit auch innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO eingelegt worden. Die Einspruchsfrist gegen den am 22. März 2024 zugestellten Beschluss vom 26. April 2024 (20 Cs 30/24) endete gemäß § 43 Abs. 1 StPO mit Ablauf des 5. April 2024.“

OWi I: Verlesung des Messprotokolls in der HV, oder: Beschränkung des Einspruchs und Einspruch per Mail

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Heute dann mal wieder ein OWi-Tag, und zwar zunächst hier drei verfahrensrechtliche Entscheidungen, und zwar jeweils nur die Leitsätze.

1. Unabhängig von einem in § 77a Abs. 1, 2 und 4 OWiG geregelten Zustimmungserfordernis kann das Messprotokoll auf Anordnung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden.

2. Denn das Messprotokoll ist eine Urkunde i.S.v. § 256 Abs. 1 StPO, weil sie eine Erklärung über eine amtlich festgestellte Tatsache einer Ermittlungsmaßnahme ist und keine Vernehmung zum Gegenstand hat.

3. Das Messprotokoll gibt im Sinne des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO auch Auskunft über repressives Handeln der Polizei. Denn die Geschwindigkeitsüberwachung dient auch der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen.

1. Eine Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Enthält der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob sich dem Bußgeldbescheid die Schuldform entnehmen lässt. Dabei kann auch Beachtung finden, dass die Zentrale Bußgeldstelle im Bay. Polizeiverwaltungsamt in der Regel im Rahmen der Erhöhung der Regelgeldbuße auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweist.
2. Bei einem wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch hat der Tatrichter den Schuldspruch so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte; die bloße Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid genügt nicht.

Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann nicht mittels einfacher E-Mail eingelegt werden.

Finger weg von einfacher Email…,

wenn es um die Einlegung eines Rechtsmittels geht. Darauf hat im Sommer das LG Zweibrücken in seinem Beschl. v. 07.07.2010 – Qs 47/10 ausdrücklich hingewiesen und ausgeführt, dass die einfache E-Mail ohne elektronische Signatur nicht die schriftliche Einlegung eines Rechtsmittels ersetzt. Damit war die sofortige Beschwerde eines wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis Verurteilten gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung unzulässig.

Das LG sagt: Es habe nicht ausgereicht, per E-Mail „Widerspruch“ einzulegen, denn nach der Strafprozessordnung ist die sofortige Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich einzulegen. Eine einfache E-Mail, die nicht mit einer elektronischen Signatur versehen ist, ersetzt nicht die schriftliche Einlegung des Rechtsmittels.

Super, 5 Mio € gewonnen, ich höre auf zu bloggen/arbeiten :-)

Ich erhalte gerade folgende Mail:

Google UK Ltd
Belgrave House
76 Buckingham Palace Road
London SW1W 9TQ
United Kingdom
Betreff.: Google Wohltätigkeitsfonds (Auszahlungsnummer: GF-EUROPA-9EJFYT-2010)
Datum: 29.04.2010
Google UK Ltd wünscht Ihnen eine gute Monat (März) und hiermit teilt Ihnen die Ergebnisse von Google Wohltätigkeitsfonds für E-Mail-Adresse [für Deutschland, Schweiz, Oesterreich Einwohner] Programm mit.
Die endgültige Programme wurden auf dem 28 April 2010 in Bonn, Deutschland gehalten.Dies Ergebnis ist jetzt zu Ihnen heute 29 April 2010 freigegeben worden. Ihre E-Mail-Adresse, die in der Einer Kategorie befestigt wird,hat €5,000,000.00 EUR (FUENF MILLIONEN EUROS) gewonnen,und dazu ist Ihre E-Mailadresse als ein Gewinner fuer den Geldpreis vom €5,000,000.00 EUR (FUENF MILLIONEN EUROS) gewählt worden.
Diese Programme wurde von den Google International Inc. und die unten genannten Firmen fundiert:
1. Coca-Cola
2. Mastercard
3. Carlsberg
4. Becks
5. MacDonalds

Alle E-Mail Adressen wurden automatisch durch ein Computerstimmzettelsystem ausgewählt, in den Ihre Email-Adresse als einer der ZEHN {10} glücklichen Gewinner in der Ersten Kategorie ausgewählt wurde. Alle E-mail Adressen wurde von den Europäischen Union{EU} Einwohnerverzeichnis und Internet Benutzer Databanken aus dem ganzen Gebiet {Deutschland, Schweiz und Oesterreich} ausgewählt , nachdem wir die Genehmigung von der Europäischen Union{EU} erhalten haben.

Andere Gewinner in Ihrer Kategorie lautet:
1. Dr. Joerg Müller – Aus Basel, Schweiz
2. Frau Melanie Bäcker – Aus Linz, Oesterreich
3. Herr Friedrich Berger – Aus Klagenfurt, Oesterreich
4. Herr Urs Meier – Aus Bonn, Deutschland
5. Frau Inge Schulz – Aus Stuttgart, Deutschland
6. Pfarrer Luthar Koepf -Aus Bern, Schweiz
7. Frau Anna Bianchi -Aus Muenchen, Deutschland
8. Ing. Johannsen Svensson -Aus Wien, Oesterreich
9. Herr Gerd Baumann – Aus Salzburg, Oesterreich.

Ihre Gewinndaten lautet:
Ticket Nummer :-846594 , Glueckszahl :-5
Ref Nr.: GOOGLE-0293856-2010
Einzahlungsscode: BB-J3948-10

Sie müssen Ihre oben Gewinn Informationen vertraulich {SEHR GEHEIM} behalten, bis Ihre Ansprüche und Ihre Fonds fertig bearbeitet worden sind, und Ihre Fonds zu Ihnen überwiesen worden sind.Dies ist ein Teil von unserem Sicherheitsprotokoll,um Doppelbeanspruchen und ungerechtfertigten Missbrauch von diesem Programm zu vermeiden. Sie müssen Ihr Gewinn nicht später als am 06 May 2010 beansprucht werden.Nach diesem Datum, wird alle unbeanspruchten Fonds zu unserem Zentralebüro in den U.S.A zurückgekehrt werden.

Unten ist eine detaillierten Informationen und Erklärungen auf der Verarbeitung und den Zahlungsanweisungen:

Für die Auszahlung von Ihrem Google Wohltätigkeit Fonds werden Sie berechtigt, einen der unter Auszahlungsoption zu wählen:

* Reise zu unserem Büro in London um Ihre Fonds abzuholen.

* Überweisung von Fonds auf Ihrem Konto.

Wenn Sie zu unserem Büro in London innerhalb 48 Stunden reisen koennen, dann informieren Sie uns sofort, damit wir Ihre Einladungsverfahren vorbereiten können. Aber wenn nicht, dann haben Sie die Moeglichkeit fuer Ueberweisung auf Ihrem Konto.

Wir bitten Sie, sich an der Offiziellen Bezahlende Bank {Bank Of America BOA} zu wenden {für Auszahlung und alle andere wichtige Erklärungen}. Sie sollen mit Ihrer Ansprechperson (Direktor für Ihre Verhandlung) Herr David C. Darnell für weitere Fragen und Erklärungen ueber Ihre Fonds diskutieren, weil er Deutsch verstehen kann:

BANK OF AMERICA INT.(BOA)
VERARBEITUNG UND AUSZAHLUNGSABTEILUNG,
GOOGLE WOHLTÄTIGKEITSFONDS 2010
ANSPRECHPERSON: Herr David C. Darnell
Bank of America Merrill Lynch Financial Centre
2 King Edward St.
London
United Kingdom

David C. Darnell
E-mail: daviddarnel.boa@gmail.com

Für die Verarbeitung und Auszahlung von Ihren Fonds ,füllen Sie sofort die unten Form und reichen Sie es zu Google Wohltätigkeitsfonds 2010 Verarbeitung /Auszahlungsabteilung von der Offiziellen Bezahlende Bank {Bank Of America BOA} Herr David C. Darnell durch E-mail ein:
E-mail: daviddarnel.boa@gmail.com

GOOGLE WOHLTÄTIGKEITSFONDS 2010 GEWINNER ANMELDEFORMULAR FUER AUSZAHLUNG.
VORNAME:………………………

GEBURTSDATUM:.. ……………….

NACHNAME:……………………..

GESCHLECHT:……………………

ADRESSE:………………………

NATIONALITAET:…………………

BERUF:………………………..

TELEFONNUMMER:…………………

FAXNUMMER:…………………….

BETRAG GEWONNEN:……………….

REF NR.:………………………

WELCHE AUSZAHLUNGSOPTION MOECHTEN SIE?:

ABHOLUNG IN LONDON / UEBERWEISUNG AUF IHREM KONTO
GENEHMIGT FUER AUSZAHLUNG

Wir gratulieren Ihnen und hoffen, dass Sie sich an unserem Google Wohltätigkeitsfonds 2010 Mega Ende des Jahres teilnehmen werden, wo Sie eine Chance haben werden, Fünfzig Millionen Euros (€50,000,000.00 EUR) zu gewinnen.

Für Google Wohltätigkeitsfonds 2010 Programm
Mag. Dr. Amelie Williams
Google UK Ltd
Belgrave House
76 Buckingham Palace Road
London SW1W 9TQ
United Kingdom

P.S. BEANTWORTEN SIE NICHT ZU DIESER MAIL,SONDERN WENDEN SIE SICH AN DER BEZAHLENDE BANK DURCH E-MAIL MIT IHREN DATEN {FUER DIE VERARBEITUNG UND AUSZAHLUNG VON IHREN FONDS ZU IHNEN}!

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Ich frage mich: Fällt darauf nun wirklich noch jemand rein? Offenbar ja. denn sonst würde man sich nicht die Mühe machen.

BVerfG zur Beschlagnahme von E-Mails

Seit heute ist auf der Homepage des BVerfG der Volltext des Beschlusses vom 16.06.2009 in der Sache 2 BvR 902/06 veröffentlicht. Auf diese Entscheidung ist lange gewartet worden. Seit Anhängigkeit des Verfahrens hatte das BVerfG eine erlassene einstweilige Anordnung immer wieder verlängert.

Im Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung und Beschlagnahme von E-Mails auf dem Mailserver des Providers. Das BVerfG räumt diesen den Schutz des Art. 10 GG ein, sieht § 94 StPO als Eingriffgrundlage an, betont dann jedoch die Frage der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. So viel nach dem ersten Überfliegen des Beschlusses, der immerhin 17 Seiten lang ist. Ich weiß noch nicht, ob ich mich über ihn freuen soll, da der dann jetzt auch noch in die Neuauflagen der Handbücher einzuarbeiten ist. Und das alles dann noch neben Abspracheregelung, 2. OpferRRG und Untersuchungshaftänderung.