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BVerfG I: Keine Beschlagnahme nach 5 Jahren, oder: Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde

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Und dann der Start in die 51. KW, an deren Ende wir dann das Weihnachtsfest einläuten. Zum Start stelle ich dann mal wieder zwei BVerfG-Entscheidungen vor und beginne mit dem BVerfG, Beschl. v. 17.11.2022 – 2 BvR 827/21.

Es geht um eine Verfassungsbeschwerde, die sich sich gegen die Anordnung der Beschlagnahme zahlreicher Unterlagen und Ordner im Rahmen eines Strafverfahrens wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung richtet. Dem waren im April 2013, Juni 2014 und Dezember 2014 richterlich angeordnete Durchsuchungen vorausgegangen. In Vollzug dieser Durchsuchungsbeschlüsse wurden die später beschlagnahmten Gegenstände zur Durchsicht mitgenommen. Die Steuerfahndungsstelle ersuchte erst am 27.01.2020 die zuständige Staatsanwaltschaft, einen Antrag auf Beschlagnahme der Gegenstände zu stellen. Das AG ordnete daraufhin die Beschlagnahme mit Beschluss vom 31.01.2020 an, das LG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten im April 2021 zurück.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, was aber auf formellen Gründen beruht. Denn:

„Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen.

1. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. BVerfGE 63, 77 <78>). Danach hat ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 81, 22 <27 m.w.N.>). Die Verweisung auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde steht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit einer anderweitigen prozessualen Möglichkeit zur Abhilfe (vgl. BVerfGE 134, 106 <115 f. Rn. 28 m.w.N.>).

2. Soweit der Beschwerdeführer seinen Einwand, dass die Sicherstellung (§ 110 StPO) unzumutbar lang angedauert habe, erstmals gegen die Beschlagnahmebeschlüsse vorgebracht hat, hat er nicht alle nach Lage des Verfahrens zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten genutzt, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken und die Grundrechtsverletzung zu verhindern. Denn ihm wäre es möglich und zumutbar gewesen, die Dauer der Sicherstellung im Wege eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO einer fachgerichtlichen Prüfung zu unterziehen (vgl. BVerfGK 1, 126 <133 f.>; 15, 225 <236 f.>).

Ein derartiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung erschiene nicht offenkundig aussichtslos. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Durchsicht zügig durchgeführt wird, um abhängig von der Menge des vorläufig sichergestellten Materials und der Schwierigkeit seiner Auswertung in angemessener Zeit zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, was als potentiell beweiserheblich dem Gericht zur Beschlagnahme angetragen und was an den Beschuldigten herausgegeben werden soll (BGH, Beschluss vom 5. August 2003 – StB 7/03 -, juris, Rn. 16; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2002 – 2 BvR 2248/00 -, Rn. 11).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Verfahrensweise der Ermittlungsbehörden erheblichen Bedenken ausgesetzt. Die Mitnahme der Gegenstände zur Durchsicht dauerte ohne einen erkennbaren sachlichen Grund mehr als fünf Jahre lang an. Das Fehlen eines sachlichen Grundes offenbart sich darin, dass die Staatsanwaltschaft und das Landgericht die Verfahrensweise offen als „bedauerliches Versehen“ bezeichnet haben. Eine solche Verfahrensweise dürfte mit dem Schutzzweck des § 110 StPO, eine übermäßige und auf Dauer angelegte Datenerhebung zu verhindern (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>), kaum zu vereinbaren sein. Einen ebenso nicht unerheblichen Verfahrensverstoß dürfte es darstellen, dass die Steuerfahndung allem Anschein nach bereits Beweismittel ausgewertet hat. Dies ist ihr erst nach richterlicher Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 94 Abs. 2 in Verbindung mit § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO gestattet (vgl. Köhler, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 110 Rn. 2 m.w.N.). Dieser Umstand deutet darauf hin, dass grundlegende Verfahrensvorschriften verkannt wurden. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht fernliegend, dass ein mit der Prüfung befasstes Gericht die Dauer der Sicherstellung für unverhältnismäßig gehalten und diese aufgehoben hätte.“

Die Entscheidung bestätigt mal wieder: Der Weg nach Karlsruhe ist der letzte Schritt, der erst begangen werden kann/darf, wenn zuvor alle prozessualen Schritte im fachgerichtlichen Verfahren gegangen worden sind und nicht zum Erfolg geführt haben. Und dazu gehört dann eben bei einem Vorgehen gegen eine Beschlagnahme von Unterlagen nicht nur die Beschwerde zum LG sondern ggf. auch noch der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Sicherstellung (§ 98 Abs. 2 Satz 2 StPO). Das gilt vor allem, wenn, was m.E. aus Entscheidung des BVerfG deutlich wird, die (vorläufige) Sicherstellung eindeutig zu lange – mehr als fünf Jahre () – gedauert und damit das Rechtsmittel wohl Erfolg gehabt hätte. Der Beschuldigte vergibt sich mit diesem Vorgehen ja auch nichts, denn: Denn sieht auch/schon das Fachgericht die Sicherstellung als zu lang und damit unverhältnismäßig an, hat er bereits auf dem Weg sein Ziel erreicht. Sieht das Fachgericht das nicht so, ist der Weg nach Karlsruhe ja nicht versperrt, sondern die Tür für eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde weit geöffnet

StPO III: Fahren ohne Fahrerlaubnis wegen Fahrverbot, oder: Unverhältnismäßige Beschlagnahme des Pkw

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Und dann zum Tagesschluss noch der LG Dresden, Beschl. v. 11.07.2022 – 15 Qs 32/22 – zur Aufhebung der Beschlagnahme eines Pkw wegen Unverhältnismäßigkeit.

Das AG hat im Verfahren wegen des Verdachts des vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots einen BMW 735i. Der Beschuldigte soll am 20.02.2022 gegen 22:48 Uhr mit dem beschlagnahmten PKW gefahren sein, obwohl gegen ihn ein Fahrverbot bestand, das noch bis zum 21.03.2022 wirksam gewesen sein soll. Dagegen die Beschwerde, die der Beschuldigte u.a. damit begründet hat, dass er nicht Eigentümer des beschlagnahmten PKW sei, sondern seine Mutter pp. Mit einer Einziehung des beschlagnahmten PKW sei auch im Falle einer Verurteilung nicht zu rechnen, da sie nicht verhältnismäßig sei.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Der Beschuldigte ist nach Lage der Akten des ihm zur Last gelegten Vergehens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG derzeit hinreichend verdächtig. Dabei kann die Kammer offenlassen, ob der beschlagnahmte PKW tauglicher Gegenstand einer Einziehung wäre, weil die Beschlagnahme jedenfalls zwischenzeitlich nicht mehr verhältnismäßig ist.

Denn unverhältnismäßig kann die Einziehung sein, wenn der Unrechtsgehalt der Tat und die Täterschuld so gering sind, dass demgegenüber der Entzug des Eigentums eine unangemessene Härte und damit ein inadäquates Übel bedeuten würde (statt aller OLG Nürnberg NJW 2006, 3448, 3449), wobei sich jede formale Betrachtung verbietet.

Zumindest ausweislich des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 07.06.2022 ist der Beschwerdeführer nicht vorbestraft. Nach dem Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 07.06.2022 ist der Beschwerdeführer bisher moderat verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Einschließlich der Geschwindigkeitsübertretung, die zum hier betroffenen Fahrverbot führte, sind vier Eintragungen ersichtlich, wobei die übrigen drei Eintragungen in der Geldbuße 100 Euro jeweils nicht überstiegen und keine Geschwindigkeitsübertretung betrafen. Zu berück-sichtigen ist weiter, wie die Verteidigung zutreffend ausführt, dass es sich lediglich um die An-ordnung eines Fahrverbotes gehandelt hat. Insoweit dürfte in derartigen Konstellationen die Abwägung derzeit eher zu Gunsten des bisher noch nicht in Erscheinung getretenen Beschwerdeführers ausfallen.

Auch andere Gründe rechtfertigen die Beschlagnahme nicht. Das Fahrzeug wurde nämlich nach Lage der Akten nicht unmittelbar bei der sich anschließenden Widerstandshandlung, beispielsweise als gefährliches Werkzeug eingesetzt.

Die in den Mitteilungen, E-Mails und Beschwerden an die Polizei getätigten und in Wortwahl und Sprachgebrauch eher eigenwilligen Äußerungen und Vorwürfe des Beschwerdeführers dienen dagegen seiner eigenen Rechtsdurchsetzung und auch seiner Verteidigung im vorliegenden Verfahren. Es handelt sich im Wesentlichen um rechtliche Bewertungen der Ereignisse seitens des Beschwerdeführers aus seiner Sicht. Aus deren sehr wahrscheinlich fehlenden Schlüssigkeit oder Überzeugungskraft kann nach Auffassung der Kammer zumindest nicht auf die Geeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.“

StPO III: Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme, oder: Beschlagnahme eines Mobiltelefons nach 4 Monaten

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Am Anfang der Woche hatte ich ja schon über den AG Bad Kreuznach, Beschl. v. 17.5.2022 -43 Gs 734/22 – berichtet, und zwar in Zusammenhang mit der materiellen Frage der so. Impfpassfälschung. Ich komme jetzt auf die Entscheidung noch einmal wegen der Frage der Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme, um die es in dem Beschluss geht, zurück.

Ich erinnere: Das Handy ist am 29.12.2021 sicher gestellt worden. Der Verteidiger beantragt dann mit Schriftsatz vom 02.02.2022 u.a. die Freigabe des sichergestellten IPhones und wiederholt diesen Antrag mit Schriftsatz vom 25.04.2022. Daraufhin beantragt die Staatsanwaltschaft gemäß § 98 StPO die Beschlagnahme des Iphones, da es als Beweismittel benötigt werde. Die erfolgte Sicherstellung sei noch verhältnismäßig, da die Auswertung aufgrund des unbekannten Entsperrcodes (Entsperrung durch das LKA ist noch nicht erfolgt) noch nicht erfolgen konnte. Das AG entscheidet am 17.05.2022 und meint: Auch zeitlich noch verhältnismäßig:

„Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach bzw. die Kriminalinspektion Bad Kreuznach hat das IPhone bereits Anfang Januar 2022 dem LKA zur Entsperrung übersandt. Aufgrund der bekannten Auslastung des LKA nimmt dieser Vorgang entsprechend viel Zeit in Anspruch.

Die Entsperrung erfolgt in jedem Fall und nachfolgend auch die Auswertung. Woher der Verteidiger die Erkenntnis hat, die Auswertung werde nur erfolgen, wenn der Beschuldigte die PIN mitteilt, erschließt sich dem Gericht nicht.

Die Staatsanwaltschaft übt keinen unzulässigen Druck auf den Beschuldigten aus. um sein Schweigerecht zu unterlaufen.

Die Staatsanwaltschaft hat lediglich darauf hingewiesen, dass es der Beschuldigte in der Hand hat. den Zeitraum bis zur Auswertung zu verkürzen, indem die Entsperrung durch das LKA nicht mehr erforderlich ist, weil er die PIN zur Verfügung stellt.

Bei der Prüfung. ob die Beschlagnahme noch verhältnismäßig ist, ist dieser Aspekt auch zu berücksichtigen. Der Beschuldigte hat es in der Hand den Fortgang der Ermittlungen zu beschleunigen. Wenn er dies nicht tun will, dauern die Ermittlungen eben entsprechend länger.“

M.E. – gelinde ausgedrückt – sehr dünn an der Stelle. Denn die „bekannte Auslastung des LKA“ ist m.E. kein Umstand, den man dem Beschuldigten anlasten kann. Und die Erwägung: „Der Beschuldigte hat es in der Hand den Fortgang der Ermittlungen zu beschleunigen. Wenn er dies nicht tun will, dauern die Ermittlungen eben entsprechend länger.“ halte ich schlicht für unzulässig. Jedenfalls würde sie in der Strafzumessung auffliegen.

Durchsuchung III: Beschlagnahme von Steuerakten, oder: Beschlagnahme-/Verwertungsverbot?

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Und als dritte Entscheidung heute dann noch der LG Koblenz, Beschl. v. 25.05.2021 – 10 Qs 30/21. Thematik Beschlagnahme/Beschlagnahme-/Verwertungverbot hinsichtlich beschlagnahmter Steuer- und Steuerstrafverfahrensakten.

Dazu das LG:

„e) Letztendlich steht der Beschlagnahme auch kein Beschlagnahmeverbot entgegen. Auch wenn hier keine Sperrerklärung nach § 96 StPO vorliegt, gebietet § 30 1 AO dem Amtsträger im Grundsatz die Wahrung des Steuergeheimnisses, was an sich zu einem Beschlagnahmeverbot von Steuerakten führt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.1991, Az.: 3 Ws 552/90, BeckRS 1991, 119326). Vorliegend ist die Offenbarung jedoch nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 b) AO zulässig, sodass die Herausgabe der begehrten Steuerakten das Steuergeheimnis nicht verletzen würde.

Nach § 30 Abs. 5 Nr. 5 b) AO ist die Offenbarung oder Verwertung vom Steuergeheimnis geschützter Daten zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das namentlich gegeben ist, wenn Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern. Hier handelt es sich bei dem zu verfolgenden Delikt des Subventionsbetruges um eine Wirtschaftsstraftat, was sich aus § 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GVG ergibt. Zwar ist die Tat hier bei einem alleinigen Abstellen auf den Schaden in Höhe von 9.000,00 EUR nicht geeignet, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern. Jedoch liegt hier eine Begehungsweise vor, die diese Eignung aufweist. Wie bereits ausgeführt, kann gerade der Subventionsbetrug bezüglich der sog. Corona-Soforthilfe einen (unbenannten) besonders schwerer Fall begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 04.05.2021, Az.: 6 StR 137/21, zit. nach juris). Dies hat der Bundesgerichtshof u.a. mit dem Ausnutzen eines Soforthilfeverfahrens in einer deutschlandweiten Notlage begründet. Auf dieser Linie liegt auch die Rechtsprechung des Landgerichts Aachen (vgl. Beschluss vom 16.11.2020, Az.: 86 Qs 19/20, wistra 2021, 126), der sich die Kammer anschließt. Die Ausgestaltung des Soforthilfeverfahrens mit dem damit verbundenen (ganz erheblichen) Vertrauensvorschuss in die gesamte Bevölkerung in der Krisensituation und dessen Ausnutzung ist ohne weiteres zumindest geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern. Somit verstößt die Offenbarung bzw. Herausgabe der Akten nach § 30 Abs. 5 Nr. 5 b) AO nicht gegen die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses aus § 30 Abs. 1 AO.

Zudem wäre eine Offenbarung der nach § 30 AO geschützten Verhältnisse ebenfalls zulässig nach § 31a Abs. 1 Nr. 2 AO, da sie für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückgewähr einer Leistung aus öffentlichen Mittel erforderlich ist. Soll eine Entscheidung über die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Erstattung, Weitergewährung oder Belassen einer Leistung aus öffentlichen Mitteln von der dafür zuständigen Behörde getroffen werden, hat die Finanzbehörde die ihr bekannten Informationen mitzuteilen, soweit dies für die Entscheidung erforderlich ist. Zuständig sind alle Behörden und Gerichte, die für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs zuständig sind und darüber hinaus können allen Behörden und Gerichten, die über Leistungen aus öffentlichen Mitteln entscheiden, Erkenntnisse übermittelt werden (vgl. Intemann in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 31a, Rn. 16). Zutreffend hat die Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass sie – zwingend (ohne Ermessen) – neben der Strafverfolgung wegen des Verdachts nach § 264 Abs. 1, Abs. 2 StGB auch über die Einziehung des Tatertrages nach §§ 73 ff. StGB zu entscheiden bzw. Maßnahmen zu treffen hat. Bei der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB handelt es sich zwar nicht um den Rückgewähranspruch als solchen, sondern um einen quasibereicherungsrechtlichen Anspruch des Staates, der jedoch ganz eng mit diesem verbunden ist und letztendlich seiner Absicherung dient. Dies kommt nicht zuletzt in der Regelung des § 73e Abs. 1 StGB deutlich zum Ausdruck, wonach die Einziehung ausgeschlossen ist, soweit der Anspruch auf Rückgewähr erloschen ist. Zudem knüpft bereits § 73 Abs. 1 StGB konkret an das aus der Tat Erlangte an, mithin an den Gegenstand, der vom Rückgewähranspruch der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz erfasst wäre. Da dieser wegen seines Verbrauchs nicht mehr rückgabefähig ist, kann sich auch der originäre Rückabwicklungsanspruch nur in einen Bereicherungsanspruch umgewandelt haben, sodass ein wesentlicher struktureller Unterschied zur Einziehung nicht erkennbar ist. Infolge dieser engen Bindung an den Rückgewähranspruch und dem Umstand, dass es sich dabei um zwingendes Recht handelt, ist eine Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs im konkreten Fall gegeben. Folglich ist eine Offenbarung bzw. Herausgabe der Steuerakten auch nach § 31a Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig und stellt keinen Verstoß gegen das Steuergeheimnis aus § 30 Abs. 1 AO dar.“

StPO II: Bedeutung als Beweismittel, oder: Herausgabe des bei der Durchsuchung beschlagnahmten Handys

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern. Es handelt sich um den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.03.2021 – 12 Qs 9/21.

Gegenstand des Verfahrens ist der Streit um die Beschlagnahme eines Handys. Das AG hat die Durchsuchung des Wohnanwesens des Beschuldigten angeordnet. Dem Durchsuchungsbeschluss lag der Verdacht zugrunde, der Beschuldigte habe am 06.08.2019 eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1, § 205 Abs. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) begangen, indem er das zwischen ihm und zwei Polizeibeamten – PHK pp. und PHM´in pp. – anlässlich einer Verkehrskontrolle geführte Gespräch heimlich mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet habe, obwohl er gewusst habe, dass er dazu nicht berechtigt sei.

Mit Beschluss vom 25.02.2021 ordnete das AG dann die Beschlagnahme der sichergestellten Speichermedien an, wobei sich darunter auch ein Mobiltelefon Samsung Galaxy xCover 4s, Seriennummer: pp., mit SIM Karte, befand, welches im Eigentum der Firma pp. GmbH & Co. KG, der Arbeitgeberin des Beschuldigten, steht und dem Beschuldigten zu Nutzung als Diensthandy überlassen worden war.

Die Firma hat dann Herausgabe des Mobiltelefons verlangt mit der Begründung, dass das Mobiltelefon erst am 22.04.2020 und damit ein halbes Jahr nach dem dem Beschuldigten zur Last liegenden Vorgang angeschafft wurde. Es sei daher nicht möglich, dass der Beschuldigte das Gespräch mit diesem Mobiltelefon aufgezeichnet habe.

Die StA hat der Herausgabe widersprochen und dazu u.a. ausgeführt, dass das Mobiltelefon zwar erst am 22.04.2020 angeschafft worden sei, es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Aufnahme auf dieses Mobiltelefon überspielt und dort gespeichert habe. Dies lasse sich erst nach Auswertung des Mobiltelefons klären, welche jedoch noch andauere.

Das AG hat dann die Akten dem LG vorgelegt. Das hat das Handy herausgegeben:

„Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die vom Amtsgericht Nürnberg gemäß §§ 94,98 StPO angeordnete Beschlagnahme des Mobiltelefons der Beschwerdeführerin Samsung Galaxy xCover 4s, Seriennummer: pp., mit SIM Karte war aufzuheben, da dieses vorliegend nicht als Beweismittel von Bedeutung ist.

Für die Bejahung der Bedeutung als Beweismittel für die Untersuchung ist es sowohl erforderlich als auch ausreichend, dass bei einer ex ante-Betrachtung die Möglichkeit bejaht wird, dass der Gegenstand im weiteren Verfahren zu Beweiszwecken verwendet werden kann (BVerfG NJW 1988, 890 (894); BGH NStZ 1981, 94; OLG Düsseldorf StV 1991, 473; NJW 1993, 3278; OLG München NJW 1978, 601). Einer (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit bedarf es zwar nicht, jedoch bedarf es zumindest der Erwartung, dass der Gegenstand oder dessen Untersuchung Schlüsse auf verfahrensrelevante Tatsachen zulässt (BeckOK StPO/Gerhold, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 94 Rn. 11). Dies ist jedenfalls im Hinblick auf das hier genannte Mobiltelefon Samsung Galaxy der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Das Mobiltelefon wurde erst über ein halbes Jahr nach der dem Beschuldigten zur Last liegenden Tat angeschafft. Mithin ist es ausgeschlossen, dass der Beschuldigte die Tat mit diesem Mobiltelefon begangen hat. Zwar ist – wie die Staatsanwaltschaft ausführt – das Mobiltelefon zur Speicherung der Aufnahme geeignet, die Annahme, der Beschuldigte könnte die von ihm mutmaßlich am 6. August 2019 getätigte Aufnahme des Gesprächs mit den Polizeibeamten über ein halbes Jahr später auf sein Diensthandy überspielt haben, hält die Kammer bei lebensnaher Betrachtung für ausgeschlossen. Der Beschuldigte verfügte über zahlreiche eigene Speichermedien, welche ebenfalls beschlagnahmt wurden. Bei lebensnaher Betrachtung ist allenfalls denkbar, dass der Beschuldigte die Aufnahme auf einem anderen Speichermedium, welches in seinem Eigentum steht, gesichert hat. Eine Speicherung der Aufnahme auf seinem Diensthandy ist hingegen nicht zu erwarten.

In den Blick genommen werden muss dabei auch, dass die Beschlagnahme des Mobiltelefons, von der vorliegend in erster Linie nur die völlig unbeteiligte Beschwerdeführerin betroffen ist, auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein (BeckOK StPO/Gerhold, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 94 Rn. 18 m.w.N., BVerfG, NJW 2021, 763). Auch wenn die vorgeworfene Straftat nicht lediglich geringfügig (zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07, juris Rn. 20) ist und auch der Tatverdacht angesichts der eigenen Angaben des Beschuldigten im Ordnungswidrigkeitenverfahren stark ist, so ist aus den oben genannten Gründen eine Beschlagnahme des Diensthandys des Beschuldigten für die Ermittlungen nicht notwendig. Nach der Argumentation der Staatsanwaltschaft könnte man die Beschlagnahme auch auf sämtliche Speichermedien von Personen, die mit dem Beschuldigten in Kontakt stehen, ausweiten, da auch diese geeignet sind, die Aufnahme des Beschuldigten zu speichern und es in der Theorie auch denkbar wäre, dass der Beschuldigte die Aufnahme an andere Personen verschickt haben könnte. Dies überspannt jedoch in jedem Fall den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“