Und dann hier die dritte Entscheidung zur Durchsuchung, und zwar der LG Gera, Beschl. v. 11.06.2025 – 1 Qs 187/25, also eine Entscheidung aus Thüringen. Das LG nimmt noch einmal zur zu langen Dauer der Durchsicht und Ausdauer Stellung.
Ergangen ist der Beschluss ebenfalls in einem KiPo-Verfahren. In dem ist am 10.05.2022 durchsucht worden. Bei der Durchsuchung wurden einige Datenträger als potentielle Beweismittel beschlagnahmt. Ein Tablet ist immer noch beschlagnahmt. abgelehnt. Ein USB-Stick sowie zwei Festplatten wurden inzwischen an den Beschuldigten herausgegeben.
Der Beschuldigte hat Beschwerde eingelegt, mit der er nicht die Herausgabe der noch beschlagnahmten Datenträger begehrt, sondern die Verhältnismäßigkeit der nach seiner Auffassung zu langen Dauer der Beschlagnahme des USB-Sticks sowie der der beiden Festplatten im Ermittlungsverfahren gerügt hat. Insoweit mit Erfolg:
„1. a) Das Rechtsmittel ist zulässig, soweit hiermit die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme des UBS-Sticks und der beiden Festplatten aufgrund einer unverhältnismäßigen Dauer begehrt wird.
Dem Strafprozessrecht ist die isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit von Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich fremd. Anders als im Verwaltungsrecht sieht die Strafprozessordnung hierfür kein gesondertes Verfahren vor, sodass es sowohl der angefochtenen Entscheidung, als auch dem Rechtsschuttziel des Beschuldigten an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage mangelt. Es ist jedoch anerkannt, dass der Betroffene einer strafprozessualen Maßnahme aufgrund des verfassungsrechtlich eingeräumten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) auch bei prozessualer Erledigung der Maßnahme deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen lassen kann, wenn durch die Maßnahme in erheblicher Weise in seine Grundrechte eingegriffen wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 – 2 BvR 370/13). Dies ist hier der Fall. In Bezug auf die eingangs genannten Datenträger ist in Folge deren Herausgabe am 10.03.2025 ein Fall der prozessualen Erledigung eingetreten. Die Beschlagnahme beschwerte den Beschuldigten in seinem verfassungsmäßigen Recht auf die Freiheit des Eigentums, Art. 14 GG. Es handelt sich angesichts der Dauer der Beschlagnahme sowie aufgrund des Umstandes, dass die Datenträger im Zuge einer Wohnungsdurchsuchung erlangt worden sind, mithin zugleich ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG vorlag, um eine nicht lediglich unerhebliche Beschwer. Entsprechend kommt dem Beschuldigten in Bezug auf die vorgenannten Datenträger ein Feststellungsinteresse zu, das im Beschwerdeverfahren weiter verfolgt werden kann.
b) Die Beschwerde ist in Bezug auf den USB-Stick und die Festplatten auch begründet. Die Beschlagnahme der Datenträger ab dem 10.05.2022 über den 25.07.2023 hinaus erweist sich als offensichtlich unverhältnismäßig.
Gesetzliche Fristen für die strafprozessuale Beschlagnahme von Sachen oder die Durchsicht beschlagnahmter Datenträger existieren nicht. Die entsprechenden Regelungen der §§ 94 ff., 110 StPO kennen keine bestimmte Höchstdauer der Maßnahme. Die Befugnis der Ermittlungsbehörden, beschlagnahmte Gegenstände zum Zwecke ihrer Durchsicht einzubehalten ist jedoch keinesfalls uferlos. Sie hat sich – wie jede staatliche Maßnahme – am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2022 – 2 BvR 827/21; BVerfG, Beschluss vom 30. 1. 2002 – 2 BvR 2248/00). Im vorliegenden Einzelfall war die anhaltende Beschlagnahme des USB-Sticks und der Festplatten hiermit nicht mehr in Einklang zu bringen.
Personelle und/oder sachliche Defizite in der Ausstattung der Ermittlungsbehörden dürfen sich – auch wenn diese auf politischen Entscheidungen beruhen – niemals zu Lasten des Beschuldigten eines Strafverfahrens auswirken. Das Amtsgericht hat hierbei verkannt, dass es unerheblich ist, ob die Defizite von den Ermittlungsbehörden selbst verschuldet wurden oder ob diese in der Lage sind, die Missstände eigenständig zu beseitigen. Die Gerichte verfehlen die ihnen obliegende Aufgabe, den Grundrechtsschutz der Betroffenen zu verwirklichen, wenn sie angesichts des Versagens des Staates, die Justiz mit dem erforderlichen Personal auszustatten, die im Falle einer Verletzung des Beschleunigungsgebots gebotenen Konsequenzen nicht ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007 – 2 BvR 1850/07). Dies gilt insbesondere, wenn es sich um einen anhaltenden und nicht nur vorübergehenden Überlastungszustand handelt (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.4.2011 – 2 HEs 37-39/11). Bereits aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Beschluss als rechtsfehlerhaft.
Das Amtsgericht hat unbeschadet dessen im Kern zutreffend darauf hingewiesen, dass dem konkreten Verfahren des Beschwerdeführers im Vergleich zu Haftsachen oder umfangreichen Verfahren der organisierten Kriminalität eine eher geringe Priorität bei der Abarbeitung etwaiger Rückstände zuzumessen ist. Wartezeiten von weit über einem Jahr erachtet die Kammer jedoch – auch in Ansehung dieser Priorisierung – für objektiv nicht mehr vertretbar. Hierbei war zu berücksichtigen, dass mit jedem Ermittlungsverfahren, insbesondere wenn es sich wir hier um Delikte mit Sexualbezug handelt, eine psychischen Belastung des Beschuldigten und gegebenenfalls auch eine sozialen Stigmatisierung einhergehen können. Beschlagnahmte Sachen unterliegen ferner in der Regel einem konstanten Wertverlust. Aus diesen Gründen sind die Justizbehörden gehalten, jedwedes Ermittlungsverfahren zügig zum Abschluss zu bringen. Entsprechende Erwägungen sind sinnvollerweise auch in einigen Polizeigesetzen der Länder eingeflossen. Das ThürPAG kennt zwar keinen Richtwert für die zeitliche Verhältnismäßigkeit einer Beschlagnahme, in den Polizeigesetzen der Länder Baden-Württemberg (§ 38 Abs. 4 PolG Bw), Rheinland-Pfalz (§ 25 Abs. 2 POG RP) und Sachsen (§ 29 Abs. 3 SächsPolG) sind jedoch zeitliche Richtwerte für die Dauer eines Eigentumsentzuges enthalten. Diese liegen mit sechs Monaten bzw. einem Jahr deutlich unter der hier gegenständlichen Verfahrensdauer. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um noch überschaubare Datenmengen handelte, die Geräte nicht verschlüsselt waren bzw. die PIN herausgegeben wurde und die Staatsanwaltschaft – letztlich erfolglos – mehrmals auf eine beschleunigte Bearbeitung hingewirkt hatte. Spätestens nach der wiederholten Sachstandsanfrage des Verteidigers vom 20.06.2023 (Bl. 135 d.A.) und der Aufforderung der Staatsanwaltschaft vom 25.07.2023 (Bl. 142 d.A.), die Auswertung zeitnah abzuschließen, wären die Ermittlungsbehörden gehalten gewesen, das vorliegende Verfahren ausnahmsweise zu priorisieren und die Auswertung unverzüglich fertigzustellen (vgl. für eine ähnliche Frist: LG Bonn, Beschl. v. 30.9.2024 – 777 Js 219/23). Dass die Ermittlungsbehörden vielmehr die Tragweite des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in gravierender Weise verkannt haben, zeigt sich ferner dadurch, dass die Zuleitung des Rechtsmittels an die Kammer unter grobem Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift des § 306 Abs. 2 S. 2 StPO erst acht (!) Monate nach Eingang erfolgte und noch unter dem 06.03.2025 (Bl. 203 d.A.) Nachermittlungen wegen einer wohl unvollständigen Auswertung des Tablets angeordnet wurden, ohne hierbei eine Rückgabe des originalen Datenträgers überhaupt zu erwägen.
Die Ermittlungsbehörden haben zudem nicht dargelegt, aus welchem Grund die Datenträger trotz ihrer erfolgten Spiegelung und der bereits langfristig bekannten hohen Bearbeitungszeiten weiter einbehalten werden mussten. Gemäß des Ermittlungsberichts der KPI Jena, Abt. RBE, vom 21.06.2023 (Bl. 116 ff. d.A.) wurden von allen Asservaten Datenkopien angefertigt, welche zur Auswertung geeignet waren. Weshalb trotz des gravierenden Zeitablaufes zwingend der Einbehalt der originalen Datenträger erforderlich sein sollte, erschloss sich der Kammer nicht. Da es sich jedenfalls bei den beiden Festplatten und dem USB-Stick um Alltagsgegenstände ohne großen wirtschaftlichen Wert handelte, konnte die andauernde Beschlagnahme auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, eine spätere Einziehung der Asservaten sicherzustellen. Zwar bestand zum damaligen Zeitpunkt die – letztlich nicht eingetretene – Möglichkeit einer Einziehung als Tatmittel nach § 74 StGB, diese kann jedoch auch bei vorheriger Herausgabe an den Beschuldigten mit Rechtskraft der Einziehungsentscheidung vollstreckt werden (§ 459g StPO). Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer eine spätere Vollstreckung der Einziehung verhindern oder die Datenträger anderweitig dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entziehen könnte, waren nicht ersichtlich.
Schließlich rechtfertigte auch die Schwere des Tatvorwurfes nicht den andauernden Grundrechtseingriff. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme wurde dem – bisher nicht ersichtlich vorbestraften – Beschuldigten drei Fälle der §§ 184b Abs. 1 Nr. 1, 184c Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgeworfen. Es handelt sich hierbei um Vergehen im Sinne des § 12 Abs. 2 StGB. Das bisherige Ergebnis der Ermittlungen konnte lediglich eine kinder- bzw. jugendpornografische Datei auf den Datenträgern des Beschuldigten nachweisen. Die zu erwartenden Rechtsfolgen im Falle einer Verurteilung dürften sich daher im überschaubaren Bereich bewegen.
Eine Gesamtschau der vorstehenden Faktoren ergibt, dass bei Außerachtlassung von Umständen, die verfassungsrechtlich nicht zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt werden dürfen, die konkrete Dauer der Beschlagnahme von zwei Jahren und zehn Monaten nicht mehr verhältnismäßig und daher rechtswidrig war. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der verfahrensgegenständlichen Ermittlungshandlung im vorstehenden Umfang festzustellen.
2. Im Übrigen ist die Beschwerde in Ermangelung eines Feststellungsinteresses unzulässig. ….“
Zu der Problematik hatten wir vor kurzem den nicht so schönen LG Dresden, Beschl. v. 28.05.2025 – 16 Qs 22/25(vgl. dazu: StPO II: Auswertung potentieller KiPo-Beweismittel, oder: 14 Monate ist nicht zu lang?).