Im zweiten Posting habe ich dann hier den BGH, Beschl. v. 14.05.2025 – 1 StR 410/24 – der sich zum Urkundsbeweis äußert.
Das LG hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in drei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Körperverletzung, und der Körperverletzung in zwei weiteren Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Bedrohung, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen die gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die mit einer Verfahrensbeanstandung teilweise Erfolg hatte.:
„1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts vollzog der Angeklagte am 27. Juni 2023 mit der Zeugin K., mit der er bis Mai 2023 eine Beziehung geführt hatte, vor 15.00 Uhr in deren Wohnung den vaginalen Geschlechtsverkehr. Anschließend befriedigte die Zeugin den Angeklagten oral und schluckte dessen Ejakulat. Mit all dem war K. nicht ausschließbar einverstanden.
b) Nach 19.00 Uhr an demselben Tag stellte die Zeugin K. zusammen mit der Zeugin H. , der neuen Freundin des Angeklagten, diesen in deren Wohnung u.a. deswegen zur Rede, weil er bereits seit Mai 2023 mit H. geschlechtlich verkehrte. K. zeichnete die Auseinandersetzung heimlich mit ihrem Mobiltelefon auf. Davon, dass der Angeklagte während des Streits K. mit der flachen Hand für diese schmerzhaft ins Gesicht schlug, hat sich das Landgericht nicht zu überzeugen vermocht.
c) Am 17. September 2023 vollzog der Angeklagte mit der Zeugin H. den Geschlechtsverkehr ab 5.16 Uhr in deren Wohnung. Dabei schlug und beleidigte der Angeklagte H. mehrfach über einen Zeitraum von mindestens 33 Minuten; die Zeugin schrie, er solle aufhören, sie habe Schmerzen „da unten“.
d) Dies wiederholte sich gegen 20.20 Uhr über eine Zeitspanne von mindestens 16 Minuten. In beiden Fällen war die Zeugin H., die das Geschehen mit ihrem Mobiltelefon aufzeichnete, mit allem nicht ausschließbar einverstanden.
e) Am 19. September 2023 begab sich die Zeugin H. mit dem Zeugen R., ihrem Lebenspartner bis April 2023, und dem Zeugen T. gegen Mitternacht zu ihrer Wohnung, in welcher der Angeklagte ihre beiden Kinder hütete. H. sagte dem Angeklagten, ihre Beziehung sei beendet, er solle gehen. Vor dem Wohnhaus traf der Angeklagte auf R., der H. für den Fall begleitet hatte, dass der Angeklagte wegen des Endes der Beziehung Streit suchen würde. Die beiden Männer kämpften gegeneinander, wobei R. Schmerzen an der linken Kieferseite erlitt. Weiteres hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht, insbesondere nicht, wer anfing, sodass der Angeklagte nicht ausschließbar aus Notwehr handelte, und ebenso wenig, ob er der Zeugin H. drohte.
2. Bezüglich der Fälle 2. a) und b) kann der zulässig erhobenen Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) der Erfolg nicht versagt werden. Im Übrigen ist die Revision der Staatsanwaltschaft unbegründet.
a) Mit einer Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden, dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei, wenn der Nachweis ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung geführt werden kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 23. Oktober 2024 – 2 StR 471/23 Rn. 23 und vom 19. Mai 2021 – 1 StR 442/20, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 53 Rn. 21; jeweils mwN). Dies ist hier der Fall, weil mit der Verlesung (§ 249 Abs. 1 StPO) des verschrifteten Mitschnitts vom 27. Juni 2023 auch der Satz „Aber sie hat gesagt, sie will nicht, das bedeutet, sie will nicht und ich habe gemacht.“ zum Inbegriff der Verhandlung geworden ist. Das Landgericht hat diese Äußerung des Angeklagten aber nicht erörtert, obwohl sie im Zusammenhang mit dem unmittelbar zuvor von der Zeugin K. offensichtlich erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung als Eingeständnis zu werten sein könnte und sich eine Auseinandersetzung hiermit aufgedrängt hat. Insgesamt fehlt es an einer Auswertung der zugehörigen Passage zum Sexualverkehr. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht hat aufzuklären, worauf sich der in Rede stehende Satz tatsächlich bezieht und wie er unter Auslegung des Kontextes zu verstehen ist.
Dieser Rechtsfehler wirkt sich auch auf den Vorwurf unter Ziffer 2 der Anklageschrift aus, weil es infolge des Verfahrensfehlers insgesamt der erneuten Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin K. und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage unter vollständiger Auswertung der Audiodatei bedarf. Auf die beiden weiteren in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen, insbesondere die Aufklärungsrüge, das Landgericht hätte den Mitschnitt in Augenschein nehmen müssen, kommt es damit nicht mehr an. Indes wird im zweiten Rechtsgang aufzuklären sein, ob das Aufzeichnen des Privatgesprächs dem Straftatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfällt, und gegebenenfalls zu beurteilen sein, was hieraus für die Glaubwürdigkeit der Zeugin unter Beachtung etwaiger prozessualer Konsequenzen folgt.
b) Bezüglich der Fälle unter Ziffern 3 und 4 der Anklageschrift versagen die Inbegriffs- und Sachrüge, letztere auch bezüglich der Ziffer 5.
aa) Der Einwand der Staatsanwaltschaft, auf den beiden Mitschnitten sei zu hören gewesen, dass die Zeugin H. während des Beischlafs geweint habe, ist im Revisionsverfahren unbehelflich. Über das Ergebnis eines Augenscheins hat allein das Tatgericht zu befinden. Eine Überprüfung ist dem Revisionsgericht auch bei einer entsprechenden Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) wegen des Rekonstruktionsverbots entzogen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2024 – 1 StR 293/24 Rn. 11 mwN; zu Lichtbildern vgl. indes BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 – 3 StR 318/21 Rn. 4). Entsprechendes gilt erst recht für etwaige Äußerungen des Angeklagten oder der Zeugin H. auf Vorhalt der beiden Audiodateien.
Angesichts der Aussage der Zeugin H. in der Hauptverhandlung, der Angeklagte habe nie gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr ausgeübt, und mangels durchgreifender Anhaltspunkte dafür, dass H. aus Furcht vor dem Angeklagten dabei gelogen hat, hat sich eine weitergehende Erörterung des Inhalts der verschrifteten und verlesenen (§ 249 Abs. 1 StPO) Audiodateien nicht aufgedrängt. Das Tatgericht ist nicht gehalten, in den Urteilsgründen auf jedes Vorbringen einzugehen und jeden erhobenen Beweis zu behandeln. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt, ist hieraus nicht zu schließen, dass es übersehen worden ist; denn die Darstellung der Beweiswürdigung im Urteil dient nicht dazu, für alle Sachverhaltsfeststellungen einen Beleg zu erbringen oder mitzuteilen, welche Beweise in der Hauptverhandlung erhoben worden sind. Entscheidend ist, ob der betreffende Umstand nach der zum Zeitpunkt der Urteilsfindung gegebenen Beweislage erörterungsbedürftig gewesen ist (vgl. BGH, Urteile vom 30. Januar 2025 – 4 StR 375/24 Rn. 8 und vom 16. Mai 2024 – 3 StR 112/23 Rn. 59; jeweils mwN).“

