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Angemessene Gebühren im Bußgeldverfahren?, oder: Gebührenrechtliche Diaspora in Osnabrück

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Und als zweite Entscheidung dann der LG Osnabrück, Beschl. v. 17.11.2023 – 15 Qs 39/23 – schon etwas älter, aber leider jetzt erst eingegangen. Auch unschön, wie meist vom LG Osnabrück.

Gestritten wird um die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG, insoweit waren 176,00 EUR geltend gemacht und um die Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG, insoweit hatte die Rechtsanwältin  280,50 EUR als angemessen angesehen. Festgesetzt hat der AG, das der Bezirksrevisorin gefolgt ist, für die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 120,00 EUR und für die Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG 130,00 EUR. Das LG ist dem gefolgt:

„Mit dem Bezirksrevisor ist die Kammer der Auffassung, dass die vom Verteidiger geltend gemachten und auch vom Amtsgericht Osnabrück festgesetzten Gebühren (Verfahrensgebühr Nr. 5109 und Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG) im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unbillig hoch und damit unverbindlich sind.

Die Gebühren waren jeweils nur in der festgesetzten Höhe gerechtfertigt. Nach § 14 RVG bestimmt ein Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände. Solche sind v. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.

Zunächst ist festzustellen, dass die Gebührenfestsetzung unabhängig von der Kostenstruktur und des Kostendeckungsgrades des Anwalts erfolgt. Das anwaltliche Gebührenrecht ist gerade so konzipiert, dass es Fälle geben kann, in denen die Vergütung nicht kostendeckend ist, was aber dadurch ausgeglichen wird, dass im Gegensatz dazu in anderen Fällen im Hinblick auf den Arbeitsaufwand eine unverhältnismäßig hohe Vergütung erfolgt (ständige Rechtsprechung des LG Osnabrück, vgl. nur LG Osnabrück, Beschluss vom 21.03.2012 -15 Qs 12/12; zur Mischkalkulation auch OLG München, Urteil vom 11.11.2004 – 1 U 4066/04 zum damals geltenden § 12 BRAGO). Dies findet seine Stütze in der Vorschrift des § 14 RVG selbst, in dem der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als eines der beispielhaft benannten Kriterien zur Bestimmung der Gebühr genannt ist. Die Vorschrift räumt dem Rechtsanwalt das Recht; aber auch die Pflicht ein, sämtliche persönlichen und sachlichen Umstände miteinander im Einzelfall abzuwägen und die Gebühr nach billigem Ermessen zu bestimmen (v. Seltmann in BeckOK RVG, 35. Edition, § 14 Rn. 6).

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV RVG war in Höhe von lediglich 120 Euro anzusetzen. Für diese Gebühr gilt ein vorgegebener Gebührenrahmen von 33 bis 319 Euro für Geldbußen zwischen 60 und 5.000 Euro mit bzw. ohne Verhängung eines Fahrverbots.
Der vorliegende Fall ist unter Abwägung aller nach § 14 RVG maßgeblichen Kriterien als unterdurchschnittlich einzustufen.

Verfahrensgegenstand war hier eine Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro. Die indirekte Heranziehung der Höhe der Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer stellt auch keine unzulässige „Doppelverwertung“ dar, da gerade die Höhe der finanziellen Belastung durch« den Bußgeldbescheid eines der ausschlaggebenden Kriterien dafür ist, welche Bedeutung die Angelegenheit für den Beschwerdeführer hat.

Auch im Übrigen ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer als unterdurchschnittlich anzusehen. Insbesondere drohte ihm kein Fahrverbot. Punkte waren für ihn bislang nicht beim Kraftfahrt-Bundesamt eingetragen.

Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist hier als unterdurchschnittlich anzusehen. Die Akte umfasste bis zum Akteneinsichtsgesuch der Verteidigerin 66 Seiten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer bereits selbst Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, den Einspruch mit Schreiben vom 27.03.2022 damit begründet, die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begangen zu haben und nicht die im Bußgeldbescheid abgebildete Person zu sein, und mit Schreiben vom 30.05.2022 eine Kopie seines Passbildes zwecks Einholung eines Sachverständigengutachtens an das Amtsgericht Osnabrück übersandt. Als die Verteidigerin sich mit Schriftsatz vom 30.09.2022 zur Akte meldete und um Akteneinsicht bat, war bereits eine Bewertung der Qualität des Messbildes durch den Sachverständigen Prof. Dr. med. Huckenbeck erfolgt und ein Hauptverhandlungstermin anberaumt. Mit weiterem Schriftsatz vom 06.10.2022 übersandte die Verteidigerin eine Vollmacht und mit Schriftsatz vom 02.11.2022 beantragte sie die Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 OWiG. Diesen Antrag begründete sie damit, dass der Bruder des Beschwerdeführers zugegeben habe, das Tatfahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt zu haben. Dessen Vernehmung wurde beantragt und angekündigt, diesen als präsenten Zeugin zum Hauptverhandlungstermin mitzubringen. Es wurde ferner beantragt, ein mitgesandtes Bild vom Personalausweis des Zeugen im Hauptverhandlungstermin in Augenschein zu nehmen und dem Sachverständigen vorzulegen. Dieser Vortrag wurde mit Ausführungen zu Unterscheidungsmerkmalen zwischen den Brüdern untermauert. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft eines anthropologischen Gutachtens im Hinblick auf Betroffene, die keiner mitteleuropäischer Ethnie angehörten, beschränkt sei, und die Mutter des Beschwerdeführers und des Zeugen von den Philippinen stamme. Ein konkreter Zeitaufwand für die Tätigkeit im amtsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Vorbereitung der Hauptverhandlung ist nicht dargelegt. Angesichts des Aktenumfangs und des Akteninhalts ist – auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 02.11.2022 -ein noch unterdurchschnittlicher Zeitaufwand zu schätzen.

Auch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist als einfach gelagert anzusehen. Letztlich ging es um die Frage, ob der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt der Fahrer war. Daran ändert auch der Umstand, dass ein anthropologisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist in Verkehrsordnungswidrigkeiten mit anwaltlicher Verteidigung inzwischen nahezu Standard geworden. Ein gerichtliches Verfahren, in welchem lediglich die Frage der Fahrereigenschaft mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden muss, stellt deshalb an die Tätigkeit des Verteidigers nur unterdurchschnittliche Anforderungen (vgl. LG Flensburg, Beschluss vom 27.08.2015 – 1 Qs 40/15, BeckRS 2016, 9578; LG Detmold, Beschluss vom 03.02.2009 – 4 Qs 172108, BeckRS 2009, 7360; LG Potsdam, JurBüro 2013, 640).

In einer Gesamtschau aller für die Bestimmung der Gebühr zu berücksichtigenden. vorgenannten Kriterien ist die Angelegenheit insgesamt als unterdurchschnittlich zu werten. Die Verteidigerin hat mit Abrechnung der Mittelgebühr den Ermessensspielraum überschritten, so dass das Gericht befugt ist, die billige Gebühr festzusetzen. 120 Euro, wie von der Bezirksrevisorin vorgeschlagen und vom Amtsgericht festgesetzt, erscheinen angemessen.

2. Aufgrund des Vorgenannten ist auch die Terminsgebühr gemäß Nr. 5110 VV RVG lediglich mit 130 Euro festzusetzen. Für diese Gebühr gilt ein vorgegebener Gebührenrahmen von 44 bis 517 Euro für Geldbußen zwischen 60 und 5.000 Euro mit bzw. ohne Verhängung eines Fahrverbots.

Auch hier gelten die obigen Ausführungen zur Bedeutung der Angelegenheit für .den Beschwerdeführer und zur Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage fort.

Der Hauptverhandlungstermin am 09.11.2022 begann um 09:55 Uhr und endete bereits 15 Minuten später um 10:10 Uhr. Auch wenn die Verhandlungsdauer alleine nicht über die Gebührenhöhe entscheidet, ist sie ein nicht unbedeutender mitbestimmender Faktor. Schließlich entgilt die Termingebühr auch langandauernde, sich über einen ganzen Tag hinziehende, Hauptverhandlungen. Eine solche könnte nicht mehr vernünftig in den Gebührenrahmen eingeordnet werden, wenn bereits kurze Hauptverhandlungen, die – wie hier – auch keine schwierigen Besonderheiten aufweisen, die Mittelgebühr auslösen würden. Es wurde lediglich bis 10:05 Uhr ein Sachverständiger vernommen, der zu dem Ergebnis kam, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern sein Bruder auf dem Messfoto abgebildet war. Unter Beachtung der Termindauer und der vorgenannten Umstände ist die Festsetzung der Termingebühr durch das Amtsgericht mit 130. Euro mehr als angemessen anzusehen.“

Könnte man manches zu sagen. Tue ich aber nicht. Lohnt sich beim LG Osnabrück eh nicht. Das ist dort eine gebührenrechtliche Diaspora. 130 EUR für einen Termin? Ohne weitere Worte.

Gebühren im Bußgeldverfahren + Befriedungsgebühr, oder: Das LG Leipzig kann es – leider – nicht

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Und am Gebührenfreitag heute dann zwei LG-Entscheidungen, u.a. zu § 14 RVG und – die eine – zu Nr. 5115 VV RVG.

Ich starte mit dem LG Leipzig, Beschl. v. 09.04.2024 – 13 Qs 118/24. Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG erlassen und dabei als Rechtsfolge eine Geldbuße in Höhe von 1.000,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten ausgesprochen worden. Nach Einspruch des Betroffenen fand am 30.11.2022 eine Hauptverhandlung statt, bei der die Frage thematisiert wurde, welcher Zeitabstand zwischen letzter Alkoholaufnahme und Messung durch ein entsprechendes Messgerät erforderlich sei. Nach Einholung der entsprechenden Auskünfte stellte das AG das Verfahren durch Beschluss vorn 10.5.2023 gem. § 47 Abs. 2 OWiG ein, die Kosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurde der Landeskasse auferlegt.

Der Betroffene hat gegenüber der Landeskasse die Erstattung folgender notwendiger Auslagen verlangt: Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG in Höhe von 140,00 EUR, Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG in Höhe von 250,00 EUR, Verfahrensgebühr Nr 5109 in Höhe von 250,00 EUR, Terminsgebühr Nr. 5110 RVG 450,00 EUR und Verfahrensgebühr Nrn. 5115, 5103 VV RVG in Höhe von 176,00 EUR. Abweichend von dem Antrag hat das AG geringere Beträge, und zwar nur in Höhe der Mittelgebühr, festgesetzt. Zur Begründung für die Abweichung wurde darauf verwiesen, dass es sich nur um ein „durchschnittliches“ Verfahren gehandelt habe, bei dem auch unter Beachtung der Folgen für den Betroffenen im Falle einer Verurteilung ausschließlich von der Mittelgebühr auszugehen sei. Die von dem Betroffenen begehrte Befriedungsgebühr gern. Nr. 5115 VV RVG könne nicht festgesetzt werden, da eine Hauptverhandlung durchgeführt wurden sei.

Dagegen hat sich der Betroffene mit der sofortigen Beschwerde gewendet und geltend gemacht, dass das Verfahren schon aufgrund der Bedeutung für den Betroffenen überdurchschnittlichen Charakter gehabt habe. Auch sei die Befriedungsgebühr im Hinblick auf eine Entscheidung des BGH vom 14.4.2011 angefallen. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

Wegen der Ausführungen des LG Leipzig zu § 14 RVG stelle ich nur den Sachverhalt ein. Das muss genügen. Denn die Ausführungen sind , wie immer dazu aus Leipzig, wenn nicht falsch, so zumindest doch fraglich. Das muss man nicht noch breit treten. Der Leitsatz:

Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen ist. Allerdings sind oft weder Aktenumfang, Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage oder mögliche Rechtsfolgen nach den Kriterien des § 14 RVG so ausgestaltet sind, die Mittelgebühr erreicht oder gar überschritten werden könnte.

Dazu aber: M.E. auch der Ton der Argumentation des LG zu beanstanden. Man hat den Eindruck, dass die Kammer davon ausgeht, dass dem Verteidiger ein Geschenk gewährt wird, wenn man seine Gebühren festsetzt. Wie anders soll man sonst die Formulierung das AG sei „in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor den Belangen des Betroffenen durch die Zubilligung der Mittelgebühr bereits wohlwollend entgegengekommen“ verstehen? Es kommt doch für die angemessene Bemessung der Rahmengebühren nicht auf das „Wohlwollen“ des Bezirksrevisors und/oder des Richters an. Beide sind an Gesetz und Rechtsprechung gebunden und haben die geltenden Regeln anzuwenden. „Wohlwollen“ hin oder her. Im Grunde ist diese Formulierung des LG erschreckend, denn sie zeigt ein Verständnis vom anwaltlichen Gebührenrecht, das dem des Gesetzgebers bei Schaffung des RVG diametral entgegensteht.

Zur Nr. 5115 VV RVG führt das LG aus:

„b) Entgegen der Auffassung des Betroffenen ist dem Verteidiger auch die Befriedungsgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG nicht zuzubilligen. Auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten Entscheidung vom 14.04.2011 (Az.: IX ZR 153/10) ist diese Gebühr vorliegend nicht angefallen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung durchaus darauf hingewiesen, dass der Rechtsauffassung, wonach die Befriedungsgebühr niemals anfalle, wenn eine Hauptverhandlung schon begonnen habe, nicht möglich sei, eine Absage erteilt werde.

Insoweit wurde argumentiert, dass gerade auch bei Einstellung nach Aussetzung der Haupt-verhandlung durchaus die Möglichkeit bestehe, dass die Befriedungsgebühr entstehen könne, wenn durch neues Handeln/Vorbringen die neue Hauptverhandlung entbehrlich werde (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 12).

Der Bundesgerichtshof hat aber auch ausgeführt, dass der Normzweck des dort thematisierten Nr. 4141 (bzw. hier entsprechend 5115) VV RVG entscheidend dafür spreche, dass eine Einstellung, die innerhalb der Hauptverhandlung erfolge, eine Befriedungsgebühr nicht mehr auszulösen vermag. Dabei ist es gleichgültig, ob die Einstellung am Tag der Hauptverhandlung, oder an einem späteren Terminstag geschieht, insbesondere ob hierdurch Fortsetzungstermine vermieden werden.

Selbst wenn man wohlwollend überlegen wollte, dass vorliegend eine neue Hauptverhandlung (nach Aussetzung) erforderlich sein könnte, muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Verteidiger – wie von dem Bezirksrevisor zutreffend ausgeführt – seine Tätigkeit, die zur Ver-meidung einer Hauptverhandlung erforderlich sein könnte, ausschließlich im Rahmen der durchgeführten Hauptverhandlung erbracht hat, für die er auch eine Terminsgebühr beantragt hat und in angemessener Höhe erhält. Eine weitere Tätigkeit ist schlichtweg nicht zu erkennen.

Insoweit würden die Überlegungen der Verteidigung gerade den Gedanken des Bundesgerichtshofes zur Einheitlichkeit der Hauptverhandlung widersprechen, weshalb gerade auch unter Berücksichtigung der von dem Verteidiger zitierten Rechtsprechung – soweit auf Nr. 5115 VV RVG anwendbar – eine Absage zu erteilen wäre.“

Auch hier also „wohlwollend“, was aber nicht darüber hinweg täuscht, dass die Ansicht des LG falsch ist. Denn:

  • Aus der angeführten BGH-Entscheidung folgt zwar, dass die Gebühr Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG nicht anfällt, wenn ein Strafverfahren in der Hauptverhandlung nach § 153a StPO vorläufig eingestellt wird und nach Erbringung der Auflage die endgültige Einstellung erfolgt, was für die ähnliche Nr. 5115 VV RVG entsprechend gilt. Entsprechend gilt  auch, dass das auch angenommen wird, wenn es sich um die Verhinderung von Fortsetzungsterminen handelt (so wohl auch BGH, a.a.O. ).
  • Aber: Mit der Problematik haben wir es hier überhaupt nicht zu tun. Der Hauptverhandlungstermin hat am 30.11.2022 statt gefunden. In dem ist die Frage des Beweisverwertungsverbotes thematisiert worden, was dazu geführt hat, dass der Termin nicht beendet, sondern ausgesetzt worden ist. Es hätte also auf jeden Fall, eine neue Hauptverhandlung stattfinden müssen bzw. hat sich so ergeben. Denn im Hinblick auf die Fristen des § 229 StPO kann es sich, wenn am 10.5.2023, als das Verfahren eingestellt worden ist, nicht um einen Fortsetzungstermin gehandelt haben. Dafür spricht auch, dass der Verteidiger nur eine Terminsgebühr (für den Hauptverhandlung am 30.11.2022) geltend gemacht hat. Damit ist durch die Einstellung eine neue Hauptverhandlung vermieden worden, was ausreicht. Denn für den Anfall der Befriedungsgebühren Nrn. 4141, 5115 VV RVG reicht es, wenn ein weiterer Hauptverhandlungstermin vermieden wird, es kommt nicht darauf an, dass überhaupt eine Hauptverhandlung vermieden wird (BGH, a.a.O.; u.a. OLG Bamberg StraFo 2007, 130 = AGS 2007, 138; OLG Hamm AGS 2008, 228; OLG Köln StraFo 2018, 43 = AGS 2018, 12; LG Arnsberg StraFo 2017, 131 = AGS 2017, 216; LG Düsseldorf AGS 2007, 36 = JurBüro 2007, 83; LG Oldenburg, Beschl. v. 21.7.2008 – 5 Qs 268/08; AGS 2011, 598). Das sollte eine Beschwerdekammer wissen, wenn man über Anwaltsgebühren entscheidet.
  • Und wissen sollte man als LG auch, dass es unerheblich ist, in welchem Verfahrensabschnitt die Mitwirkung erbracht wird. Es genügt für das Entstehen der Nrn. 4141, 5115 VV RVG, dass ein früherer Beitrag des Verteidigers zur Erledigung in einem späteren Verfahrensabschnitt, in dem es dann zur Erledigung des Verfahrens kommt, noch fortwirkt. Der Verteidiger muss die Mitwirkung nicht noch einmal wiederholen bzw. erneut mitwirken. Das wäre „reine Förmelei“ (zutreffend BGH AGS 2008, 491 = JurBüro 2008, 639; OLG Stuttgart AGS 2010, 202 = RVGreport 2010, 263; LG Cottbus RVGreport 2017, 108 = AGS 2017, 186 [für Nr. 5115 VV RVG]; LG Düsseldorf AGS 2007, 36 = JurBüro 2007, 83; LG Hamburg AGS 2008, 59 = DAR 2008, 611; LG Köln AGS 2007, 351 = StraFo 2007, 305; LG Stralsund AGS 2005, 442 = RVGreport 2005, 272; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG. 26. Aufl., 2023, VV 4141 Rn 12; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 9. Aufl. 2921VV 4141 Rn 55, 68). Ausreichend war also das Geltendmachung des Beweisverwertungsverbotes im Hauptverhandlungstermin, da offenbar das nach Einholung der Auskünfte zur Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG geführt hat.

Manchmal versteht man es nicht.

Welche Rahmengebühren im Bußgeldverfahren? oder: Falsch, falscher, LG Koblenz

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Und dann der erste Gebührenfreitag im neuen Jahr. Den Reigen der Gebührenentscheidungen in 2024 muss ich dann leider mit zwei nicht so schönen Entscheidungen eröffnen. Das lässt sich aber nicht ändern, auch die müssen sein/muss man kennen.

Zunächst der LG Koblenz, Beschl. v. 23.11.2023 – 6 Qs 58/23. Mal wieder zur § 14 RVG im Bußgeldverfahren und mal wieder – wie beim LG Koblenz schon seit Jahren, was da aber wohl niemanden interessiert – falsch.

Das AG hatte in einem Bußgeldverfahren die Rahmengebühren unterhalb der Mittelgebühr festgesetzt. Das LG beanstandet das nicht, sondern „winkt die Sache durch“:

„1. Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt – hier der Wahlverteidiger – bei den hier geltenden Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände. Die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung ist nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Ob das der Fall ist, unterliegt im Kostenfestsetzungsverfahren und auch im Beschwerdeverfahren einer Wertung, wobei das grundsätzliche Gebührenbestimmungsrecht des Anwalts nicht dadurch ausgehöhlt werden darf, dass eine Gebührenbemessung schon dann als unbillig korrigiert werden darf, wenn sie lediglich „gut bemessen“ ist. Da billiges Ermessen nicht positiv in dem Sinne bestimmt werden kann, dass jeweils nur ein konkreter Gebührenbetrag in Betracht kommt, ist lediglich eine negative Abgrenzung möglich, nämlich danach, ob eine konkrete Gebührenbestimmung außerhalb eines Bereichs liegt, der noch vom billigen Ermessen abgedeckt ist (zu allem: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. § 14 Rn. 5).

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Koblenz hat in der angefochtenen Entscheidung differenzierte Betrachtungen für die einzelnen Gebührentatbestände eingestellt, die auf das Rechtsmittel hin zu überprüfen sind. Dabei sind jeweils alle Umstände zu berücksichtigen, die für eine Erhöhung der Mittelgebühr und gleichfalls alle Umstände, die für eine Unterschreitung der Mittelgebühr sprechen können, wobei die Mittelgebühr in der Rechtspraxis als die konkret billige Gebühr in Normalfällen angesehen wird (Gerold/Schmidt, a.a.O. Rn. 10). Die jeweils in der einen oder anderen Richtung relevanten Umstände — Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten und die Bedeutung der Angelegenheit —sind außerdem gegeneinander abzuwägen (Gerold/Schmidt, a.a.O., Rn 11). Schließlich ist —nach gerichtlicher Bemessung der jeweils angemessenen Gebühr — unter Achtung des dem Rechtsanwalt vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraums ein Überschreiten der von dem Gericht als angemessen erachteten Gebühr durch den Rechtsanwalt in einem gewissen Rahmen grundsätzlich zu tolerieren. Die Grenze dieses Rahmens, die sogenannte Toleranzgrenze (Gerold/Schmidt, a.a.O., Rn 12), zieht die Kammer bei 20 % und sieht darüberhinausgehende Gebührenbestimmungen des Rechtsanwalts als unbillig an.

2. In dem vorliegenden Verfahren waren die durch das Amtsgericht festgesetzten Gebühren angemessen und haben auch den Ermessensspielraum des Verteidigers von 20 % ausreichend inkludiert.

Das Amtsgericht ist bei der Festsetzung der zu erstattenden Gebühren zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die nach der Sach- und Rechtslage und ihrer Schwierigkeit als deutlich unter dem Durchschnitt der Bußgeldverfahren liegend anzusehen ist.

Denn Maßstab für die Beurteilung der Schwierigkeit wie auch des zeitlichen Aufwands sind nicht isoliert Verkehrsordnungswidrigkeiten, sondern es ist das gesamte Spektrum an Ordnungswidrigkeiten zu berücksichtigen, die von den Gebührensätzen, die im Vergütungsverzeichnis vorgesehen sind, abgedeckt werden. Um zu spezialgesetzlichen Bußgeldtatbeständen etwa auf dem Gebiet des Umwelt-, Wirtschafts- und Steuerrechts, die einerseits erhebliche Bußgelder vorsehen, andererseits häufig mit rechtlichen Schwierigkeiten sowie umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind, eine angemessene Relation herzustellen, können bei Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten daher im Regelfall nur unter den Rahmenmittelsätzen liegende Verteidigergebühren als angemessen angesehen werden (vgl. LG Koblenz, Beschluss vom 11.07.2012, 1 Qs 149/12, juris Rdnr. 8).

So liegt der Fall auch hier. Es handelt sich der Sache nach um einen äußerst einfach gelagerten Fall, in dem es um den Vorwurf der Nutzung eines elektronischen Geräts im Straßenverkehr gemäß § 23 Abs. la StVO geht, mithin um eine alltägliche Verkehrsordnungswidrigkeit. Ansonsten kann allenfalls von einem für Verkehrsordnungswidrigkeiten durchschnittlichen Aufwand ausgegangen werden. Zu klären wäre letztlich die Frage gewesen, ob der Betroffene das Mobiltelefon tatsächlich während der Fahrt dergestalt benutzt hat, dass er es auf Höhe des Mundes gehalten und Sprechbewegungen ausgeführt hat. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass es aufgrund der vielen Terminsverlegungen letztlich nicht einmal zu einem Hauptverhandlungstermin und damit zu einer Beweisaufnahme mit der Einvernahme der Zeugen, sondern vielmehr zu einer Einstellung des Verfahrens aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung kam. Die anwaltliche Tätigkeit beschränkte sich daher auf das Beantragen der Akteneinsicht, auf die Ausführungen des Verteidigers in seiner fünfseitigen Einspruchsbegründung, die sich jedoch in allgemeinen Ausführungen zum Tatbestand (so auch der kurze Schriftsatz vom 22.06.2020, BI. 59 d.A.) sowie einer vorläufigen Würdigung der Zeugenangaben erschöpfen. Soweit etwa zwei Jahre später ein Antrag auf Verfahrenseinstellung folgte, wurde alleine für diese Tätigkeit die zusätzliche und der Höhe nach nicht unerhebliche Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG gewährt, obgleich das Verfahren letztlich allein wegen der Verfahrensverzögerung und nicht wegen anwaltlicher Mitwirkung eingestellt worden ist. Weitere Schreiben, die umfangreiche oder wesentliche inhaltliche oder rechtliche Ausführungen zum Gegenstand haben, lassen sich dem Aktenstück nicht entnehmen. Eine aufwendige Sach- oder Rechtsaufklärung ist insofern nicht ersichtlich.

Neben vorstehenden Erwägungen gilt im Hinblick auf die Verfahrensgebühren Nr. 5103 und 5109 W RVG zudem, dass die Höhe der Geldbuße im Bußgeldverfahren maßgebliches Kriterium für die Gebührenhöhe ist, was der Gesetzgeber hier durch die Bestimmung eines Wertrahmens zum Ausdruck gebracht hat; anderenfalls hätte es einer Gebührenstaffelung für verschiedene Geldbußen gerade nicht bedurft (LG Koblenz, Beschluss vom 15.09.2010, 4 Qs 53/10). Hier liegt die verhängte Geldbuße mit 100,00 € weit am unteren Rand der Staffelung (60,- bis 5.000,- €), was den Ansatz von Mittelgebühren ebenfalls nicht zwingend nahelegt. Generell ist auch hier der anzusetzende Vergleichsmaßstab nicht innerhalb verschiedener Verkehrsordnungswidrigkeiten zu suchen, sondern vielmehr im Hinblick auf die Frage, ob es sich um ein tatsächlich und rechtlich einfach gelagertes Bußgeldverfahren handelt, ein Vergleich zwischen Verkehrsordnungswidrigkeiten einerseits und spezialgesetzlichen Bußgeldtatbeständen andererseits anzustellen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Akte zum Zeitpunkt des ersten Akteneinsichtsgesuchs am 17.02.2020 einen Umfang von gerade einmal 31 Seiten hatte. Hinsichtlich des Akteninhalts ist dabei nennenswert lediglich der wenige Seiten umfassende polizeiliche Vermerk vom 08.01.2020. Darüber hinaus finden sich keine Unterlagen, die einer schwierigen und umfangreichen Einarbeitung unterlegen hätten.

Die festgesetzten Gebühren bewegen sich durchgehend über den Mindestsätzen und sie tragen auch der Bedeutung der Sache für den Betroffenen hinreichend Rechnung. Dies gilt insbesondere auch mit Rücksicht darauf, dass die Geldbuße auf 100,00 € festgesetzt worden ist und die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister im Raum stand, weshalb sich – bei nur einer Voreintragung – eine gesteigerte Bedeutung für den Betroffenen nicht erkennen lässt, sondern die Angelegenheit vielmehr als wenig erheblich einzustufen ist.

Dass ohne einen entsprechenden Hauptverhandlungstermin eine Terminsgebühr nicht verlangt werden kann – insbesondere bei gleichzeitiger Geltendmachung der zusätzlichen Gebühr für die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung – liegt auf der Hand. Insoweit geht die Kammer von einem Versehen des Verteidigers aus.

Nach alldem ist eine Festsetzung von über den bereits vom Rechtspfleger festgesetzten Beträgen liegenden Gebühren nicht gerechtfertigt.“

Falsch, falscher, LG Koblenz.

Und nochmals Rahmengebühren im Bußgeldverfahren, oder: Die Mittelgebühr ist immer der richtige Ansatz

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Und als zweite Entscheidung dann der AG Leipzig, Beschl. v. 07.08.2023 – 227 OWi 953/23 -, der noch einmal zur Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren Stellung nimmt. Und das AG macht es richtig, es geht davon aus, dass grudnsätzlich die Mittelgebühr zugrunde zu legen ist:

„Zugrunde liegt ein straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes, welches mit einer Geldbuße i.H.v. 200 € und einem Fahrverbot von 1 Monat zu ahnden wäre und bei Verurteilung 2 Punkte im FAER als mittelbare Folge mit sich bringen würde.

Der Verteidiger hat sich zunächst bestellt und Akteneinsicht begehrt (BI. 9 d.A.) und gegen den am 13.10.2021 erlassenen Bußgeldbescheid (BI. 24 d.A.) form- und fristgerecht am 20.10.2021 Einspruch eingelegt (BI. 26 d.A.). Mit eingegangenem Schriftsatz vom 2.6.2022 hat der Verteidiger auf Verfolgungsverjährung hingewiesen (BI. 27 d.A.) und nach Einstellung des Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung durch die Ordnungsbehörde (BI. 28 d.A.) Kostengrundentscheidung (BI. 29 d.A.) beantragt, die am 20. 9.2022 mit der Maßgabe erfolgt ist, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Stadtkasse auf Leipzig auferlegt werden.

Am 6.10.2022 hat der Verteidiger Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Die Höhe entspricht der obigen Tenorierung (BI. 46, 46 Rückseite der Akte).

Mit Kostenbescheid vom 2.5.2023 hat die Bußgeldbehörde die Gebühren auf 454,58 € gekürzt: Grundgebühr 65 €, Verfahrensgebühr 110 €, so dass der Gesamtbetrag auf 454,58 € festgesetzt worden ist. Die Ordnungsbehörde setzte die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr herab, weil sie der Auffassung ist, das nur eine herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen sei. Es handele sich bei den Bußgeldverfahren im Straßenverkehr um Massenverfahren, das Verfahren habe keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Mittelgebühr sei gerechtfertigt, er habe umfangreich vorgetragen.

2. Dem Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung ist der Erfolg nicht zu versagen. Er hat ein Anspruch auf Erstattung der von ihm begehrten Gebühren nach dem RVG.
Die Rahmengebühr nach § 14 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (Amtsgericht Hamburg- Harburg, Beschluss vom 3.6.2021 -621OWiG 128/ 1, Rn. 12, juris).

Anzusetzen ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr (Amtsgericht München, Urteil vom 2.12.2019 -213 C 16136/19; Gerold/Schmidt/ Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 54-57), Abweichung davon sind im Einzelfall denkbar.

Eine Abweichung nach unten, die zur Herabsetzung der Gebühren des Verteidiger führen, sind vorliegend nicht ersichtlich.

Bei der konkreten Tätigkeit des Verteidigers ist seine beantragte Mittelgebühr festzusetzen. Dieser hat sich nicht nur bestellt und formal Akteneinsicht beantragt, sondern hat sich auch darüber hinaus mit dem Messsystem befasst und nach Erlass des Bußgeldbescheides die Verfolgungsverjährung geprüft, und diese erfolgreich durchgesetzt, sodass auch ein Hauptverfahren vermieden werden konnte.

Vorliegend handelte es sich auch um einen qualifizierten Rotlichtverstoß, der für den Betroffenen erhebliche Konsequenzen hätte, wenn es zu einer Hauptverhandlung gekommen wäre. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen sind vorliegend unerheblich.“

Geht doch 🙂 .

Verkehrs-Owi sind immer unterdurchschnittlich, oder: Fehlende Ermessensausübung des Verteidigers

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Am letzten Freitag im September dann zwei gebührenrechtliche Entscheidungen zu den Rahmengebühren, also § 14 RVG.

Ich beginne mit dem LG Dresden, Beschl. v. 14.09.2023 – 5 Qs 56/23. Das LG äußert sich noch einmal zu den Rahmengebühren im Bußgeldverfahren. In dem Verfahren ging es um einen Rotlichtverstoß mit einem Bußgeld in Höhe von 90,00 €, verbunden mit der Eintragung von einem Punkt in das Fahreignungsregister. Dagegen der Einspruch des Verteidigers. Die Hauptverhandlung beim AG hat dann 27 Minuten gedauert. Der Betroffene ist frei gesprochen worden.

Der Verteidiger macht dann seine Gebühren geltend, wobei er bezüglich der Grund- und Verfahrensgebühren jeweils 90 % der Mittelgebühr und betreffend der Terminsgebühr 96 % der Mittelgebühr ansetzt. Der Bezirksrevisor hat  die Festsetzung der Gebühren jeweils in Höhe von 70 % der jeweiligen Mittelgebühr beantragt. In der Höhe hat das AG dann festgesetzt. Dagegen die sofortige Beschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„Nach § 14 RVG bestimmt ein Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände. Solche sind v. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Wenn die Gebühr von einem Dritten, mithin auch von der Staatskasse, zu ersetzen ist, ist die anwaltlich getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 S. 4 RVG.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer sind durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Fahreignungsregister grundsätzlich als unterdurchschnittliche Bußgeldsache anzusehen, (vgl. LG Dresden, Beschluss vom 29.09.2017, 5 Qs 63/17, im Ergebnis wie hier LG Hanau, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 7 Qs 38/20 -, juris; LG Osnabrück, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 15 Qs 11/20 -, juris; LG Halle (Saale), Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 3 Qs 117/19 -, juris; LG Kassel, Beschluss vom 20. Mai 2019 – 8 Qs 18/19 -, juris und LG Berlin, Beschluss vom 12. September 2006 – 526 Qs 257/06 -, juris). Als angemessene Vergütung in derlei Fällen kommt grundsätzlich nicht die Mittelgebühr, sondern eine niedrigere Gebühr in Betracht.

Der Verteidiger des Betroffenen hat in Kenntnis dieser ständigen Rechtsprechung der Kammer, die in vergleichbaren Fällen eine Gebührenerstattung in einem Umfang von 70 % der Mittelgebühr vorsieht, 20 % bzw. 26 % hinzuaddiert und vorgetragen, dass bei der Gebührenbemessung das Ermessen in dieser Bußgeldsache berücksichtigt worden sei, indem er gerade nicht die Mittelgebühr in Ansatz gebracht habe.

Der Verteidiger des Betroffenen übersieht dabei, dass der Toleranzrahmen von 20 % bei der anwaltlichen Bestimmung der billigen Gebühr nach § 14 RVG nicht den Zweck hat, die eindeutig angemessene Gebühr einfach um 20 % zu erhöhen. Eine vom Gericht zu tolerierende Gebührenbestimmung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn sie auf Grund der Umstände des Einzelfalls in Verbindung mit den Bemessungskriterien getroffen worden ist, (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 14 Rn. 12).

Daran fehlt es vorliegend. Bereits aus dem Verteidigervorbringen ergibt sich, dass sich die Entscheidung nicht mit den Umständen des Einzelfalls, der Bedeutung der Angelegenheit, der Schwierigkeit und des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Betroffenen auseinandergesetzt hat, sondern lediglich unter Berufung auf die Toleranzgrenze ein Aufschlag auf die angemessene Gebühr um 20 % bzw. 26 % vorgenommen wurde.

Eine solche ohne das gebotene Ermessen getroffene Bestimmung ist ermessensfehlerhaft und damit unbillig und nicht verbindlich, auch wenn die geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von 20 % teilweise nicht überschreiten sollten….“

Dazu nur zwei Punkte:

1. Das, was das LG zur Rahmengebühr und zur Mittelgebühr schreibt, ist falsch und wird auch nicht dadurch richtig(er), dass man auf eine falsche ständige Rechtsprechung verweist. Das ist mal wieder eine der Sachen, bei der ich schreien möchte: Ich mag nicht mehr.

2. Zutreffend ist allerdings dann – blindes Huhn und so 🙂 -, was das LG zur Gebührenbestimmung schreibt. Da muss die Ausübung des Ermessens des Rechtsanwalts erkennbar sein, was hier aber nicht der Fall war. Also: Keine Bindungswirkung.